Brüning, eine Wirtschaftsredakteurin und ein Historiker

Geschrieben von:

Viele Wirtschaftswissenschaftler sprechen mit Blick auf Griechenland von einer Wiederholung Brüningscher Sparpolitik. Eine Redakteurin von NDR-Info hat nun mal recherchiert, ob sich die Situation in Griechenland mit der Politik Brünings vergleichen lässt. So in etwa wurde dieser Beitrag heute Morgen angekündigt. Was dann aber kam, war einfach nur lächerlich.

Denn statt sich mit der volkswirtschaftlichen Wirkung einer mit brutaler Gewalt betriebenen Austeritätspolitik zu beschäftigen oder mit den Argumenten von Ökonomen wie Peter Bofinger, ließ sich die “Wirtschafts-Journalistin” von Historiker Manfred Harnisch erklären, dass die Griechen gar nicht so zu leiden hätten. Im Unterschied zu den Deutschen in den 30er Jahren müssten die Griechen gar nicht hungern, seien nicht obdachlos und würden sich auch nicht in sogenannten Aufwärmstuben auf Stühlen sitzend aufhalten, wo sie sich von dem damaligen “sozialen Netz” – Leinen, die vor die Bänke gespannt waren – auffangen lassen, falls sie einnicken.

In Griechenland herrsche noch ein echtes soziales Netz, das den Deutschen in den 1930er Jahren völlig fremd gewesen sei, so der Historiker. Aus dieser kruden Argumentation heraus, fällt es dann auch nicht schwer, den Bogen zu notwendigen Reformen zu schlagen, deren Sinnhaftigkeit natürlich außer Zweifel steht.

Reichskanzler Brüning kürzte Gehälter und Tariflöhne, führte neue Steuern ein, erhöhte die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung, senkte aber die Leistungen. Davon ist Griechenland nach Meinung von Historiker Manfred Harnisch weit entfernt. Das viele der griechischen Reformen notwendig sind, ist für ihn unbestritten.

Nur zur Erinnerung: Die griechische Regierung kürzt ebenfalls Gehälter in erheblichem Maße, zuletzt die Mindestlöhne um 22 Prozent. Den Tarifpartnern hat man per Gesetz sogar untersagt, die Löhne in der Privatwirtschaft steigen zu lassen. Die Leistungen der Sozialversicherung stehen ebenfalls unter dem Spardiktat. Massive Einschnitte im Gesundheitsbereich, 3,2 Mrd. Euro, mussten im März vorgelegt werden, um die Voraussetzungen des zweiten Hilfspaketes zu erfüllen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 20 Prozent, bei den unter 25-Jährigen ist fast jeder Zweite ohne Job. Viele Griechen sind bereits obdachlos, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können und suchen Hilfe in sozialen Einrichtungen.

Was der Historiker Harnisch also behauptet, ist schlichtweg falsch. Dass sich aber eine Wirtschaftsredakteurin vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk so einen Bären aufbinden lässt und diesen Blödsinn auch noch als Recherche verkauft, spottet jeder Beschreibung. So jedenfalls hätten der Experte und die Berichterstatterin den Unterschied zwischen Griechenland und Weimar auch anhand der Zahl mobiler Telefonanschlüsse in beiden Zeitperioden erklären können.

8

Verschärfte Wahrnehmungsstörung

Geschrieben von:

Etwa 3,5 Millionen Protestanten in Niedersachsen und Bremen sind heute aufgerufen, neue Kirchenvorstände zu wählen. Diese Wahlen erfreuten in der Vergangenheit wie auch an dem heutigen in Berlin schönen, aber in Norddeutschland eher trüben bis regnerischen Sonntag kaum einen gläubigen Christen. Weder genügend Kandidaten für die etwa 15.000 zu wählenden Posten noch Wähler scheinen Willens zu sein, an dieser Wahl in den rund 2000 evangelischen Gemeinden Niedersachsens und Bremens teilzunehmen.

Viele Gläubige versammelten sich auch in Hannovers Marktkirche, um eine Predigt der ehemaligen Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann zu hören. Sie ist noch immer ein Popstar unter den protestantischen Geistlichen (ein Mann soll sogar wegen des Andrangs einen Schwächeanfall erlitten haben), die an Strahlkraft wohl noch hinzugewinnen können. Der Rest der Kirche leidet aber noch immer an Mitgliederschwund und Desinteresse.

Bei der letzten Kirchenvorstandswahl lag die Beteiligung bei etwa 17 Prozent. Selbst eine Zunahme der Wahlbeteiligung würde nicht darüber hinwegtäuschen können, dass den Menschen in diesem Land die Kirche (gilt für beide Kirchen) egal ist oder zumindest nicht so wichtig, als dass man ihr weiterhin angehören möchte. Diesen Menschen sind demnach auch die Predigten egal oder sie fühlen sich möglicherweise auch gelangweilt. Ganz zentral dürfte aber die Erfahrung sein, einfach nicht mehr nachvollziehen zu können, wofür Religion im Allgemeinen und der Inhalt der Predigten im Besonderen eigentlich stehen.

Bei Joachim Gauck, dem neu gewählten Bundespräsidenten und Oberprediger, ist das ähnlich. Den ganzen Morgen über plapperten seine Unterstützer in die Kameras, dass sie sein Eintreten für Freiheit und Verantwortung sehr schätzen. Von Freiheit der Freiheit war die Rede oder vom neuen Freiheitslehrer, der den Menschen da draußen endlich mal erklärt, wie man das Leben richtig in die eigenen Hände nimmt.

Seltsamerweise wurde auch durch Gaucks kurze Rede Predigt nicht klar, was nun gemeint sein soll. Zumindest vermittelte die Hauptstadtpresse im anschließenden Presseclub diesen Eindruck. Denn für die Elite des deutschen Journalismus ist nun die Frage von Bedeutung, was der Bundespräsident und Prediger Gauck wohl mit seinem Begriffspaar Freiheit und Verantwortung inhaltlich gemeint haben könnte. Sie wissen es offensichtlich nicht, haben ihn aber genau dafür gewählt und unterstützt.

Ich würde sagen, dass die magische Aura, die Gauck im Augenblick noch umgibt recht bald verschwunden sein wird, gerade weil sich die Menschen fragen werden, was der eigentlich meint. Sehr schnell werden sie sich gelangweilt und wahrscheinlich auch genervt von ihm abwenden wie sie sich auch von den Kirchen distanziert haben, weil sie feststellen, dass er wie die organisierte Geistlichkeit zu ihrer Realität überhaupt nichts oder nur sehr wenig zu sagen hat.

Frau Klarsfeld wäre in diesem Zusammenhang kaum eine bessere Wahl gewesen. Sie und die Linkspartei haben es aber immerhin geschafft, noch einmal vor dem Hintergrund der von deutschen Behörden skandalös übersehenen und von rechts motivierten Mordserie darauf hinzuweisen, dass der Kampf gegen die Nazibarbarei keinesfalls als erledigt betrachtet werden kann.

Doch zu dem Auseinanderfallen der deutschen Gesellschaft und Europas im Zuge der wohl größten Bankenkrise aller Zeiten, haben weder Gauck noch Klarsfeld etwas beizutragen. In halb Europa wird gerade in einem atemberaubenden Tempo die Demokratie erledigt, um den Preis für die Rettung der Banken zahlen zu können. Aber genau das will der neue Bundespräsident gar nicht zur Kenntnis nehmen, sondern lieber eine Geschichte über Freiheit erzählen, die vielleicht noch gedacht werden kann, aber keinesfalls mehr Realität ist.

In seiner Geschichte war Deutschland immer zu spät. Im Denken aber war es einmal fortschrittlicher als alle anderen. Gerade weil die materiellen Voraussetzungen fehlten, Lammert sprach ja vom 18. März und vor allem vom Scheitern der Nationalbewegung, konnte sich ein Denken entwickeln, dass sehr viel mehr von der Wirklichkeit zu erfassen verstand. Der Blick von außen auf die fortschrittlichsten Gesellschaften des Kontinents, zu denen die deutsche mangels Konstitution nicht gehörte, bot dennoch dem kritischen Denken viel Raum zur Entfaltung. Wobei das Publizieren wiederum die Hürden der Zensur zu überwinden hatte.

Nun hat sich Deutschland Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt, der im Denken aber alles andere als fortschrittlich ist und mit seinem Freiheitsbegriff eher die geistige Entwicklungsschwäche der Liberalen teilt. Die wiederum leiden schon seit längerem unter einer sich verschärfenden Wahrnehmungsstörung. Und nicht nur die.

1

Abwesenheitsnotiz

Geschrieben von:

Ich würde ja gern etwas schreiben, aber mir fällt im Augenblick nichts mehr ein. Ich finde auch, dass der Gaga-Zustand führender Vertreter dieser Republik es nicht verdient, dass man sich mit ihnen beschäftigt. Der Finanzminister spielt ja auch lieber Sudoku. Die Griechen sollen eisern sparen und nicht so früh in Rente gehen. Kann ja nicht jeder einenen Anspruch auf Ehrensold plus Büro und Personal haben.

Aus gutem staatspolitischen Brauch bekommt man nach 1,5 Jahren harter Arbeit sogar den Zapfen gestrichen. Das ist alles noch irgendwie bei Durchfall und Brechreiz verkraftbar. Unglaublich aber ist die Einigung der meisterlichen Schwachsinnsregierung, die Finanzpolitik in die Hände der Stiftung Warentest zu übergeben. Da fällt mir wirklich nix mehr ein, außer: Ich melde mich ab.

5

Bundesverfassungsgericht folgt in Teilen der Marktlogik

Geschrieben von:

Ein seltsames Urteil hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf das sogenannte „Neuner Gremium“ am Dienstagvormittag gefällt. Die kleine Abordnung des Haushaltsausschusses darf bleiben und im Ausnahmefall geheime Entscheidungen treffen, um die Märkte, wie es heißt, überraschen zu können oder nicht unnötig zu verunsichern, was letztlich geplante Rettungsmaßnahmen konterkarieren könnte. Wenn die Bundesregierung plane, am Finanzmarkt aktiv zu werden, könne ein Nachteil bereits durch das Bekanntwerden der Information entstehen, so die Richter in ihrer Begründung. Damit folgt auch das Bundesverfassungsgericht in Teilen einer kruden Marktlogik und ordnet die Rechte des Parlaments und einzelner Abgeordneter dieser unter.

Wieso kassiert man nicht dieses Gremium ganz und empfiehlt dem Gesetzgeber, endlich dafür zu sorgen, eine strenge Regulierung der Finanzmärkte vorzunehmen?

Karlsruhe hat demnach nicht die Rechte des Bundestages gestärkt, sondern der Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, Budgetfragen am Parlament vorbei absegnen zu lassen. In einem konkreten Einzelfall wie dem strategischen Anleihekauf auf dem Sekundärmarkt ist das geheim tagende „Neuner Gremium“ aus Sicht des Bundesverfassungsgericht nicht zu beanstanden. In allen anderen Fällen müssen aber die Rechte des Bundestages und der ihm angehörenden Mitglieder beachtet werden. Das ist aber nicht konsequent. Derweil wird sich Schäuble freuen, weil er jetzt definieren darf, wie der erlaubte Einzelfall aussehen kann.

3

Kanzlerinnenmehrheit verfehlt? 84 Prozent sagen Ja

Geschrieben von:

Na was war das für eine Nachricht. Kanzlerin Angela Merkel hat am Montag bei der Abstimmung über das zweite Rettungspaket für Griechenland im Bundestag die sogenannte Kanzlerinnenmehrheit verfehlt. Oh je. Bei 496 Ja-Stimmen davon zu sprechen, eine Mehrheit verfehlt zu haben, mutet schon reichlich schräg an. Natürlich haben nicht alle Parlamentarier aus dem schwarz-gelben Lager für den Antrag der Bundesregierung gestimmt – zahlreiche Abgeordnete (29) waren nicht anwesend – an der Zustimmung des Hauses bestand aber nie ein Zweifel. Von den 591 Abgeordneten haben schließlich knapp 84 Prozent für die Vorlage der Bundesregierung gestimmt. Nun tun aber die Medien so, als hätte am Montagnachmittag ein kleines innenpolitisches Erdbeben stattgefunden.

Da ist dann von einem neuen Bündnis die Rede, welches am politischen Firmament anzuziehen beginnt. Union, SPD und Grüne agierten sehr viel stabiler, als die beiden Parteien, die im Augenblick die Regierung tragen. Doch wer trägt diese Regierung? Ist es nicht eher so, dass es bei den wirklich wichtigen Themen immer eine breite parlamentarische Mehrheit aus Union, SPD, Grünen und FDP gegeben hat? Bei der Eurorettung sind sich alle einig. Beim Thema Krieg sind sich ebenfalls alle einig. Auch die Arbeitsmarktpolitik und insbesondere das gemeinsame Kind Hartz IV vermag diese Koalition der Willigen nicht zu spalten. Die Schuldenbremse, ein volkswirtschaftlicher und finanzpolitischer Irrweg, hat inzwischen Verfassungsrang.

Unterschiede gibt es allenfalls auf Nebenschauplätzen und selbst dort wird nur mit Nebelkerzen geworfen. An dieser Stelle muss nicht noch einmal die traurige Geschichte vom Mindestlohn erzählt werden, der nach zahlreich verpassten Chancen noch immer darauf wartet, im wichtigsten Land der EU endlich eingeführt zu werden. Psst, die SPD will es diesmal wirklich angehen. Nein, man muss schon unterscheiden zwischen Symbolpolitik und Sachfragen, deren Lösungen als Alternativlosigkeit Partei übergreifend präsentiert werden. Angela Merkel hat ihre Kanzlerinnenmehrheit nicht verloren, weil sie in Wahrheit von weit mehr als Zweidrittel der Abgeordneten getragen wird. Die SPD weigert sich sogar, bei der kommenden Wahl auf eine Ablösung der amtierenden Kanzlerin hinwirken zu wollen. An der CDU-Chefin führt auch künftig kein Weg vorbei, egal mit welcher anderen Partei aus ihrer großen Koalition sie offiziell auch regieren wird.

0

Wie erzeugt man Spannung vor einer klaren Abstimmung

Geschrieben von:

Nach der Sitzung des Haushaltsausschusses am Freitag hat Carsten Schneider, das finanzpolitische Milchgesicht der SPD-Bundestagsfraktion, die Zustimmung seiner Fraktion zum zweiten Griechenland Rettungspaket von der Rede der Kanzlerin abhängig gemacht. Sie müsse offener über Lasten und Risiken sprechen, hieß es. Da versucht offenbar jemand Spannung zu erzeugen.

Dabei ist doch die Reduzierung des Bundestags auf eine Versammlung von vermeintlichen Volksvertretern, die zusammenkommen, um die Bundesregierung regelmäßig und bereitwillig zu unterstützen längst vollzogen worden. Carsten Schneider bestätigt das. Und was ist, wenn Merkel in ihrer Rede nicht über Lasten und Risiken spricht? Wird dann die SPD morgen geschlossen gegen das Gesetz stimmen? Wohl kaum.

Man muss sich schon fragen, warum gerade einer wie Bundesinnenminister Friedrich am Wochenende den Austritt Griechenlands aus der Eurozone fordern und erneut eine alberne Diskussion lostreten darf. Der Mann, der sonst vor einer linksextremistischen Gefahr und dem islamistischen Terror warnt, schwingt sich plötzlich zum Experten in Finanzfragen auf, während der dafür zuständige Minister bereits das dritte Hilfspaket für Griechenland plant.

Am Montag wird es keine Überraschungen geben und die Bundeskanzlerin der Opposition auch den Gefallen tun, über die Lasten und Risiken zu referieren. Das wird dann dergestalt ausfallen, dass der Euro mit dem alternativlosen Paket einmal mehr gerettet werde, die Risiken überschaubar seien und Lasten nicht anfallen, weil der Euro als Ganzes stabilisiert werde. Dann wird ein Redner der SPD, vielleicht Herr Schneider, ans Pult treten und allenfalls handwerkliche Fehler bemängeln, wie der Streit um die bisher nicht abgerufenen 24,4 Mrd. Euro aus dem ersten Hilfspaket belegt.

Am Ende haben sich trotzdem alle lieb und ein weiteres Rettungspaket für Griechenland die Banken wird mit breiter Mehrheit und viel Pathos verabschiedet werden. Die Zweifel an dem Gesetz bleiben nur gespielt. Auch vor dem Hintergrund, dass Bundesinnenminister Friedrich allen anderen Maßnahmen zur Eurorettung, wie der Ausweitung des EFSF im vergangenen Jahr zum Beispiel, ohne zu murren zugestimmt hat und ansonsten gar nichts zur Debatte beisteuerte.

Für zusätzlich Spannung ist also nicht gesorgt.

0

Oh Schreck: Griechenland hat keine Verwaltung mehr

Geschrieben von:

Das Geheule der deutschen Wirtschaft und der Presse über die plötzlich entdeckten Defizite in der griechischen Verwaltung ist skandalös und zynisch zugleich. Keine Woche ist es her, da haben alle noch auf die Durchsetzung des Sparpaketes bestanden, in dem klar vorgesehen ist, 15.000 Staatsangestellte sofort zu entlassen. Bis 2015 soll die Zahl der Entlassungen im öffentlichen Dienst auf 150.000 steigen.

Heute Morgen beklagte sich BDI-Präsident Keitel im Deutschlandfunk über mangelnde Verwaltungsstrukturen. Deutsche Unternehmen würden gern in Griechenland investieren, fänden aber mit Blick auf Steuerverwaltung und Katasterwesen kein funktionstüchtiges Staatswesen mehr vor. Deutsche Unternehmer bräuchten aber Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, so Keitel weiter.

Zum bisherigen Rettungsverfahren sagte der BDI-Präsident aber, dass die Voraussetzungen für eine Sanierung geschaffen worden sein. Da fragt man sich doch entsetzt, wer hier wen für dumm verkaufen will. Von außen müsse sichergestellt werden, dass Griechenland die versprochenen Anstrengungen auch tatsächlich unternehme. Die ganze Hilfe nütze dann ja nichts, hält der BDI-Präsident fest.

Und da hat er Recht, denn die 130 Mrd. Euro nützen den Griechen und ihrer Wirtschaft auch nichts, weil sie ohne Umweg zur Schuldentilgung eingesetzt werden müssen. Dafür soll zudem ein Sperrkonto sorgen, auf dessen Einrichtung bei den Verhandlungen vor allem der deutsche Finanzminister bestanden hat.

Um eine funktionierende Verwaltung wiederherstellen zu können, die nach Keitels Aussage auch in der Vergangenheit schon nicht bestanden habe,

“Nur das ganze ist unter der Staatsverkrustung irgendwo aus unserem Blick verschwunden.”  

braucht es Personal, dass sich durch die vielen Aktenberge wühlt und für die sprichwörtliche Ordnung sorgt, auf die vor allem die Deutschen so erpicht sind. Das ändert nur nichts an der Tatsache, dass mit den Sparpaketen das Gegenteil bewirkt wird. Dennoch versuchen Schäuble und Co. der deutschen Öffentlichkeit weiszumachen, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um die beliebten Strukturreformen durchführen zu können.

Absurderweise wurde vor dem Bekanntwerden der Missstände, die angeblich unter einer “Staatsverkrustung” verborgen lagen, immer behauptet, die griechische Staatsverwaltung sei viel zu überdimensioniert. In feinstem neoliberalen Neusprech sollte der Eindruck vermittelt werden, der öffentliche Dienst in Griechenland stünde beispielhaft für ein Leben über den Verhältnissen. Nun stellt Keitel selbstkritisch fest, dass man die Begebenheiten in Griechenland wohl eher als charmantes Mittelmeerproblem betrachtet habe. Dennoch bleibt er dabei, dass sich ein Land keine Verwaltung leisten könne, die sich nur mit sich selbst beschäftige.

Das ist auch richtig. Allerdings bedarf es mit Sicherheit einer Verwaltung, in der auch Menschen beschäftigt sind.

EDIT: Das Interview kann hier nachgelesen werden:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1683495/

4

Griechenlands Freiheit

Geschrieben von:

Gestern hat die Kanzlerin noch von ihrer Sehnsucht nach Freiheit schwadroniert, die sich 1989/90 endlich erfüllt habe und heute schon verbietet das griechische Parlament auf Druck der freiheitsliebenden deutschen Pfarrerstochter Tarifverhandlungen in der Privatwirtschaft des südeuropäischen Landes. Gewerkschaften und Unternehmerverbände hatten sich nämlich zuvor gegen die von der Gemeinschaft der Gläubiger geforderten Lohnkürzungen sowie die Absenkung des Mindestlohnes, als auch die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausgesprochen.

Als Begründung führten beide Tarifparteien völlig zu Recht an, dass der damit verbundene Rückgang an Kaufkraft ursächlich für die derzeitige Rezession im Land sei. 

Die Freiheit der Kanzlerin hat natürlich nichts mit der Vertragsfreiheit griechischer Tarifparteien zu tun. Inzwischen ist auch klar, dass die griechische Regierung “freiwillig” auf einen Teil ihrer Haushaltssouveränität verzichtet, indem sie der Einrichtung eines Sperrkontos am Wochenende zustimmte. Auch das war eine deutsche Idee. Aber warum Minister Schäuble die Rettungsgelder dann nicht direkt an die Gläubiger überweist, bleibt weiterhin ein Rätsel.

So gesehen, benötigt Deutschland tatsächlich einen Demokratielehrer, allerdings ist zweifelhaft, ob Joachim Gauck dieser Zuschreibung tatsächlich gerecht werden kann. Denn offensichtlich wurde der Prediger nur geholt, um “den Leuten die Ohren vollzuquatschen”, meint Jutta Ditfurth. Angela Merkel hingegen hatte schon Schwierigkeiten ihre Erinnerungen an die Wendejahre, in denen sie angeblich mit dem Geschenk der Freiheit beglückt wurde, vom Blatt ohne zu stottern abzulesen.

0

Europa steuert in die Rezession und Deutschland…

Geschrieben von:

…sucht sich einen neuen Bundespräsidentenversuch sowie einen neuen “Heldengedenktag”. Warum nicht gleich einen gefallenen Soldaten zum Bundespräsidenten machen. Der würde immerhin das Amt nicht beschädigen, allenfalls als Leiche von der investigativ nachfragenden Pressezunft im Namen der Transparenz gefleddert werden. Sie, die Presse, umweht im Augenblick der Mythos, die Mächtigen unnachsichtig kontrolliert zu haben, meint Michael Spreng auf seinem Blog.

Das ist aber falsch, weil Wulff gar nicht mächtig war, sondern bloß von Merkels Gnaden im dritten Wahlgang ins Amt gehievt wurde. Die Medien haben einen Popanz gestürzt, um den herum sich jetzt für mindestens 30 Tage eine breite Diskussion entfalten wird, die alles andere in ihren Schatten stellt. Für die am Schlamassel politisch verantwortliche Bundeskanzlerin, die für einen präsidialen Führungsstil plötzlich so bewundert wird, dürfte das mit einem erneuten Zugewinn an Popularität verbunden sein.  

Derweil schlittert Europa aber sehenden Auges in die nächste Rezession, die am Ende sehr viel schlimmer ausfallen könnte als 2008/2009. Binnen Jahresfrist ist die griechische Schuldenstandquote weiter angestiegen und die Wirtschaft deutlich geschrumpft (-7%). Das Land soll aber weiter sparen und absurde Zusagen geben. In Italien ging das Bruttoinlandsprodukt ebenfalls das zweite Quartal infolge zurück (-0,2% Q3, -0,7% Q4). Wäre Merkel heute zu Monti gereist, sie hätten laut über Sparmaßnahmen gesprochen und sich gegenseitig für diesen Blödsinn inmitten der Krise gelobt.

Auch in Spanien geht es abwärts. Das reale BIP in Q4/2011 sank im Vergleich zum Vorquartal um –0,3%. In Deutschland ging das Bruttoinlandsprodukt im 4. Quartal 2011 ebenfalls um –0,2% zurück. Der Autobauer Opel, erst noch von Merkel persönlich gerettet, steht schon wieder am Abgrund, weil die klassischen Absatzmärkte in Südeuropa bereits weggebrochen sind. Und so erreicht uns die Krise recht bald in der Realwirtschaft.

China und der Rest der Welt werden gerade Deutschland nicht den Gefallen tun und dauerhaft dessen Exportüberschüsse finanzieren. Sie werden zu gegebener Zeit einfach ihre Währungen abwerten müssen, um den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen. Spätestens dann wird auch der Arbeitgeber-Hundt wieder in die Mikrofone bellen, dass es schlecht um den Standort bestellt sei und die Kosten, d.h. vor allem Löhne wieder gedrückt werden müssten. Schon jetzt hält er die Forderungen der Gewerkschaften in den anstehenden Tarifrunden für realitätsfremd.

Ursula von der Leyen hält der Hundt übrigens für unqualifiziert. Möglicherweise war das schon der Auftakt für eine mögliche Kandidatur der Noch-Arbeitsministerin, die innerhalb des inneren Merkelzirkels, um nicht zu sagen Zirkus, zusammen mit Wulff vor anderthalb Jahren um das Präsidentenamt rang. Sie wäre die perfekte Präsidentin. Mit sozialer Kälte im Kopf und im Herzen, aber immerhin mit sieben Kindern in Schloss Bellevue.

1

Perfektes Timing: Wulff rettet Plan zur Bankenrettung

Geschrieben von:

Bundespräsident Wulff hat eine Erklärung für 11 Uhr angekündigt. Vielleicht gibt er seinen Rücktritt nach der Aufhebung seiner Immunität bekannt. Das würde dann zeitlich perfekt zur anstehenden Verabschiedung des nächsten Bankenrettungspakets am 27.02.2012 passen, das ja fälschlicherweise als Hilfsmaßnahme für Griechenland bezeichnet wird. Die Bundeskanzlerin meldet sich übrigens eine halbe Stunde später zu Wort. Ihre Italienreise wurde abgesagt. 

Damit dürfte das Hilfspaket im Volumen von 130 Milliarden Euro hinter einen möglichen Wulff-Rücktritt verschwinden und die Frage in den Vordergrund treten, wer ihm im Amt des Bundespräsidenten folgen könnte.  Über eine Aufhebung von Wulffs Immunität würde der Bundestag auf einer regulären Sitzung ebenfalls erst übernächste Woche abstimmen.

Das ist perfektes Timing. Denn in Sachen Euro-Rettung sieht es ganz danach aus, als ob Griechenland die deutschen Bedingungen nicht erfüllen kann. Der verschärfte Ton von Finanzminister Schäuble, der kürzlich noch beteuerte, die Griechen gar nicht quälen zu wollen, zeigt, dass es im Augenblick nur noch darum geht, an der Heimatfront Stimmung zu machen.

EDIT: Die griechische Staatsverschuldung steigt und zwar nicht trotz, sondern wegen der geforderten Sparmaßnahmen!  

“Per 31.12.2011 stieg der Schuldenstand der Zentralregierung in Athen auf 367,978 Mrd. Euro, wie das griechische Finanzministerium gestern mitteilte. Diese Daten verdeutlichen erneut, dass hoffnungslose Unterfangen bei einem schrumpfenden BIP, sinkenden Investitionen, sinkender Wertschöpfung, sinkenden Einkommen und Konsum die Staatsschulden abzutragen. Die Situation in Griechenland verschärft sich im Gegenteil immer weiter, so das das Ponzi-Scheme welches hinter der Finanzierung Griechenlands stand und die hoffnungslos unterentwickelte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes nicht mehr zu überdecken sind.”

Quelle: Querschuesse

1
Seite 12 von 49 «...1011121314...»