Bundesverfassungsgericht folgt in Teilen der Marktlogik

Geschrieben von: am 28. Feb 2012 um 9:54

Ein seltsames Urteil hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf das sogenannte „Neuner Gremium“ am Dienstagvormittag gefällt. Die kleine Abordnung des Haushaltsausschusses darf bleiben und im Ausnahmefall geheime Entscheidungen treffen, um die Märkte, wie es heißt, überraschen zu können oder nicht unnötig zu verunsichern, was letztlich geplante Rettungsmaßnahmen konterkarieren könnte. Wenn die Bundesregierung plane, am Finanzmarkt aktiv zu werden, könne ein Nachteil bereits durch das Bekanntwerden der Information entstehen, so die Richter in ihrer Begründung. Damit folgt auch das Bundesverfassungsgericht in Teilen einer kruden Marktlogik und ordnet die Rechte des Parlaments und einzelner Abgeordneter dieser unter.

Wieso kassiert man nicht dieses Gremium ganz und empfiehlt dem Gesetzgeber, endlich dafür zu sorgen, eine strenge Regulierung der Finanzmärkte vorzunehmen?

Karlsruhe hat demnach nicht die Rechte des Bundestages gestärkt, sondern der Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, Budgetfragen am Parlament vorbei absegnen zu lassen. In einem konkreten Einzelfall wie dem strategischen Anleihekauf auf dem Sekundärmarkt ist das geheim tagende „Neuner Gremium“ aus Sicht des Bundesverfassungsgericht nicht zu beanstanden. In allen anderen Fällen müssen aber die Rechte des Bundestages und der ihm angehörenden Mitglieder beachtet werden. Das ist aber nicht konsequent. Derweil wird sich Schäuble freuen, weil er jetzt definieren darf, wie der erlaubte Einzelfall aussehen kann.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Kopfstaendler  Februar 28, 2012

    Es war doch nur noch eine Frage der Zeit, dass unsere Dritte Gewalt im Staate zerbricht, oder sich selber von der Macht verabschiedet. Die vierte Säule unserer Demokratie hängt sich ja schon lange einen Maulkorb um.

  2. Manfred Corte  Februar 28, 2012

    … die logische Fortsetzung und Konsequenz heißt dann doch, daß ganz besonders eilige und dringende Entscheidungen in einem noch kleineren Gremium entschieden werden sollten, das vielleicht nur aus fünf oder drei Personen besteht? Oder solche Entscheidungen für 82 Millionen Bürger aus Gründen der Geheimhaltung gar nur von einem Kopf getroffen werden sollten? Das könnte man doch der Kanzlerin übertragen, die hat doch sicher die größte Kompentenz in Finanzfragen! Als neuer „Gröfaz“, „Größte Finanzexpertin aller Zeiten“. Mit solchen halberzigen, willfährigen Entscheidungen jedenfalls macht sich auch unser höchstes Gericht zum Büttel der finanzmarkthörigen Politik – und sich der weiteren Demontage der Demokratie mitschuldig. Schade – ich hatte da noch Hoffnung ….

    • adtstar  Februar 28, 2012

      Erkennbar ist der Versuch der Exekutive, auf die Budgetentscheidung der Legislative Einfluss zu nehmen. Je kleiner das Gremium ist, desto höher natürlich die Zustimmungsrate. Das ist klar. Mit dem Urteil hat der verfassungswidrige Vorstoß der Regierung und des Parlamentes selber dazu geführt, dass etwas übrig geblieben ist, mit dem die Regierung prima arbeiten kann. Der Ausnahmefall.

      Das Bverfg erlag nun aber dem fatalen Irrtum, anzunehmen, ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland müsse auf Augenhöhe mit den Finanzmärkten agieren können. Dabei sind parlamentarische Entscheidungsprozesse, wer würde das bestreiten wollen, nur hinderlich. Ich würde sagen, das Bverfg ist Gefangener seiner eigenen Rechtssprechung in Sachen Eurorettung.