Bild gibt den Takt vor und die Kanzlerin tanzt danach

Geschrieben von: am 08. Apr 2010 um 16:28

Es ist Krieg und Menschen sterben. Die Frage müsste eigentlich lauten, warum und für was zum Beispiel deutsche Soldaten ihr Leben riskieren und verlieren. Doch das bewegt die Meinungsführer in diesem Land nicht so sehr wie die Frage, ob die deutsche Regierungschefin an der Trauerfeier für die zuletzt gefallenen Kameraden teilnimmt oder nicht. Ursprünglich wollte Kanzlerin Merkel die delikate Angelegenheit wie immer unauffällig aussitzen. Schließlich hatte Kronprinz Gutti sein Kommen bereits angekündigt.

Doch heute rief Springers Sturmgeschütz Bild laut nach der Kanzlerin und sogar dem Bundespräsidenten. Und Merkel reagiert prompt und kündigt ebenfalls ihr Kommen zur Trauerfeier an. Ich erinnere noch einmal an Georg Schramm in Neues aus der Anstalt – Folge 28 (siehe hier im Blog):

„Ein Handstreich von Friede Springer würde reichen, und ihre Tintenknechte schreiben die Kanzlerin vom Thron herunter und werfen sie ihrer eigenen Partei zum Fraß vor.

Die wahrhaft Mächtigen, das ist gewiss, haben die Gunst des Volkes längst verloren. Deswegen ist diese Frau so wertvoll für sie. So lang die Frau die Gunst des Volkes hat, hat sie die Gunst der Macht.“

Es geht um die Macht der Mächtigen in diesem Land. Die ist nämlich bedroht, weil die Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit den nutz- und sinnlosen Einsatz in Afghanistan verurteilt und ablehnt und damit auf sichtbare Distanz zum Puppentheater geht. Auf Dauer kann das eine Marionettenregierung wie die unsere nämlich nicht durchhalten, weshalb sie daran erinnert werden muss, ihre Außendarstellung oder ihr Spiel zu verbessern, damit der Pöbel bei Umfragen weiterhin angibt, dass Frau Merkel und Herr zu Guttenberg als einzelne Persönlichkeiten einen tollen Job machen, die Regierung als Ganzes aber nicht.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai ist kein Verwirrter, der seine Verbündeten nur deshalb vor den Kopf stoße, weil er innenpolitisch etwas unter Druck geraten sei. Nein, er ist der einzige, der begriffen hat, dass der Krieg der NATO verloren und die ganze Operation nach acht Jahren sinnlosen Kampfes defacto gescheitert ist. Dass Karsai sich angesichts dieser Faktenlage andere Optionen sucht, ist logisch. Auf der anderen Seite sind die Schwachsinnsbekundungen eines Guido Westerwelle zum Beispiel völlig unlogisch und wirr. Ebenfalls via Bild lässt der Außenminister verbreiten:

„Es wäre falsch, jetzt einen exakten Abzugstermin festzulegen. Dann wüssten die Terroristen, wie lange sie noch durchhalten müssten, bis wir weg sind.“
[…]
„Wir haben vor wenigen Wochen eine neue Afghanistan-Strategie mit einer klaren Abzugsperspektive beschlossen. Wir wollen möglichst 2013 die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übergeben und 2011 erstmalig mit der Reduzierung des Bundeswehrkontingents beginnen.“

Ich bin ja immer noch dafür, dass es die bessere Strategie wäre, anstatt Soldaten lieber Herrn Westerwelle auf Staatskosten nach Afghanistan zu fliegen, er darf ruhig auch seine gewohnte Reisebegleitung als Unterstützung mitnehmen. Vor Ort könnte er dann den Kampf gegen die Taliban aufnehmen, indem er sich hinstellt und Vorträge über ein einfaches und gerechtes Steuersystem hält. Ich bin sicher, dass die Taliban und andere vor dem Westerwellschen Pickelgesicht und seinem rechtspopulistischen Geschrei in Scharen flüchten würden. Oder sie reagieren anders. Es wäre kein Verlu… >:XX

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Kneten Karla  April 9, 2010

    Heute in den NDR2 Nachrichten wurde auch darüber berichtet,dass Frau Merkel nach den Berichten der Bildzeitung nun doch ihren Urlaub abgebrochen habe, um mit Herr Guttenberg zur Beerdigung zu fahren.

    „Der Verteidigungsminister sagte in seiner Rede während der Trauerfeier: „Wir stehen erschüttert, tief traurig und viele auch fassungslos hier und beklagen den Verlust von drei jungen Männern.“ Die Soldaten hätten ihr Leben verloren, weil sie ihren Dienst für ihr Vaterland geleistet hätten. „Was wir am Karfreitag in Kunduz erleben mussten, bezeichnen die meisten verständlicherweise als Krieg. Ich auch.““
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,688131,00.html

    Unser „Adeligen“ („Verteidigung“)Minister benutzt Umgangssprache?!
    Ist aber im Falle eines Krieges nicht Frau Merkel für das Miltär zuständig…?
    http://www.volksfreund.de/nachrichten/themendestages/themenderzeit/Weitere-Themen-des-Tages-Berlin;art742,2407290

    • adtstar  April 9, 2010

      Ich habe NDR-Info gehört. Was mich an der Berichterstattung besonders stört, ist der Eventcharakter. Der emotionale Guttenberg mit zitternder Stimme, dagegen die kühler wirkende Merkel mit verteidigendem Ton, Soldaten, die Spalier stehen und Abschied nehmen und die Kirche als Kulisse. Inszenierung gepaart mit Ablenkung. So wünscht sich das Friede Springer. Einfach widerlich.

      Guttenberg dürfte mit seinem Auftritt wieder ordentlich Beliebtheitspunkte sammeln. Natürlich meint er das mit dem Krieg nicht so. Es ist ja nur eine emotionale Bezeichnung. In Wirklichkeit meint er doch, dass die feigen Angriffe aus gemeinen Hinterhalten etwas mit Krieg zu tun haben, aber nicht die Anwesenheit bewaffneter deutscher Truppen, die gelegentlich auch von der Schusswaffe Gebrauch machen.