Tichy meint, es gibt keine Armut

Geschrieben von:

Warum reden, rechnen und politisieren wir uns so zwanghaft arm, fragt WiWo Chefredakteur Roland Tichy.

„Denn nur Arbeit schafft neben Lohn auch jene Wertschätzung, die die Menschen so dringend brauchen.“

Quelle: WiWo Blog

Genau, der Lohn ist gar nicht so wichtig. Wer glaubt, dass eine Wirtschaft dauerhaft von Exportüberschüssen leben kann, der glaubt auch, dass man sich von der Wertschätzung, deren Existenz man erst noch beweisen müsste, etwas zu essen kaufen kann.

Angesichts dieser geistigen Armut fällt es leicht, Deutschland als sozialpolitisches Musterland zu erkennen, in dem sogar die Jugendarbeitslosigkeit „trotz des Versagens der Bildungspolitik“ im Vergleich zu anderen Ländern geringer sei. In Frankreich, Italien und Spanien gelten Mindestlöhne und starre Arbeitsmärkte, die jeden zweiten Jugendlichen aussperren, so Tichy.

Es kommt halt immer darauf an, wie genau man hinschauen will. Die internationalen Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit sind seltsamerweise immer höher als die Datenerhebungen hierzulande. Das interessiert Tichy freilich nicht. Bei der Bundesagentur werden Jugendliche, die nur eine Ausbildungsstelle suchen nicht als arbeitslos gezählt. Das ist jetzt noch nichts Besonderes und wird auch in anderen Ländern so gehandhabt, allerdings hätte der Chefredakteur der Wirtschafts Woche schon darauf kommen können, dass Jugendliche einem hohen Risiko ausgesetzt sind. Sie werden schneller arbeitslos, kommen aber auch relativ zügig wieder in Beschäftigung, wenn die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen stabil bleiben.

Ein gebildeter Mensch würde jetzt diese leicht festzustellenden Fakten nehmen, anschließend auf die Realität übertragen und sich die Frage stellen. Was passiert, wenn die Wirtschaft stagniert oder schrumpft? Obwohl die deutsche Jugendarbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig ist, würde auch sie beim Einbrechen der Wirtschaft als erste rasant zunehmen. Gerade das lehrt uns die Entwicklung in den europäischen Südländern. Tichy müsste eigentlich alarmiert sein, da die Exportfixiertheit Deutschlands direkt von der Performance der Südeuropäer abhängig ist.

Die detaillierten Daten zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im 3. Quartal müssten Herrn Tichy ebenfalls erschrecken, da sie seine Theorie, die Statistik weise kein Elend aus, Lügen straft. Die Zunahme des BIP ist nur noch gering. Die Ausrüstungsinvestitionen der Industrie gehen bereits zurück und nehmen damit auch den Einbruch der Wirtschaft insgesamt vorweg. Die realen Arbeitnehmereinkommen stagnieren seit Jahren und damit auch die Konsumausgaben, wohingegen die Exportüberschüsse neue Rekordstände erreichen. An diesen werden die Arbeitnehmer aber nicht beteiligt.

Folglich nehmen die Ungleichgewichte, die als Ursache der massiven Verschuldung in Südeuropa gelten müssen, innerhalb der Eurozone immer noch zu statt ab. Das wiederum hat aber überhaupt nichts mit Mindestlöhnen in den jeweiligen Ländern zu tun, wie Tichy insinuiert. Er bedient sich eines Tricks und verdreht Ursache und Wirkung. Gerade die Lohndrückerei Deutschlands hat zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen geführt. Auf dieser Grundlage war es möglich die Beschäftigungssituation insgesamt zu beschönigen, obwohl weitestgehend Unterbeschäftigung und Einkommensarmut herrscht.

Das geistige Elend führender Wirtschaftsjournalisten ist erschreckend. Das kann aber auch Absicht sein.

2

Kurzarbeit steigt spürbar an

Geschrieben von:

In Niedersachsen nehme die Kurzarbeit wieder zu. Gemeint ist natürlich eine Zunahme der Nichtarbeit, die weder kurz noch lang ist. Das will NDR1 herausgefunden haben und nennt als Quelle die Arbeitsagentur für Niedersachsen und Bremen. Demnach hätten im Oktober 175 niedersächsische Betriebe angekündigt, Kurzarbeit zu planen. Rund 2.700 Mitarbeiter wären dann betroffen. Laut Aussage der Arbeitsagentur seien damit die Anzeigen für Kurzarbeit zum ersten Mal in diesem Jahr spürbar gestiegen.

Betroffen ist vor allem die Automobilindustrie, deren Zulieferer und die Bau-Branche, in der sich eine schwächere Nachfrage abzeichne. Nun wissen wir, dass solche Meldungen am Rande erscheinen und immer einen beruhigenden Hinweis enthalten. In Kurzarbeit steckt das ja schon drin. Man kennt aber auch Formulierungen wie, das Beschäftigungswachstum nimmt ab (gemeint ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit) oder einen kräftigen Anstieg bei der Beschäftigung, der immer dem leichten Rückgang vorausgehe. In diesem Fall wird gesagt, dass die Lage längst nicht so schlimm sei wie 2009, als zeitweise mehr als 20.000 Menschen in Niedersachsen wegen Kurzarbeit mangels Aufträgen in den Büchern ihrer Arbeitgeber eben nicht arbeiteten.

Man kann die Zeichen richtig deuten und angesichts der starken Einbrüche auf den Gütermärkten von einer Rezession sprechen oder aber weiterhin so tun, als sei das Ganze nur eine vorübergehende Schwächephase im Winterhalbjahr, die der private Konsum schon ausgleichen werde, obwohl gleichzeitig die Einführung eines Mindestlohns weiterhin verweigert wird.

„Mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt warnt der Sachverständigenrat ausdrücklich davor, das Rad zurückzudrehen. Forderungen nach Mindestlöhnen sieht er als kontraproduktiv an.“

Stattdessen erhöht die Bundesregierung die Minijob-Verdienstgrenze auf 450 Euro und steigert damit weiter die Attraktivität des Niedriglohnbereichs. Hoppla, da ist sie ja wieder, die positive Umschreibung eines an sich katastrophalen Zustands.

1

Nachrichten von gestern

Geschrieben von:

Vor ein paar Tagen ließen die Kaffeesatzleser von der GfK mit ihrem Konsumklimaindex wieder viel Raum für Interpretation. Die einen sprachen nach der Veröffentlichung des angeblichen Pulsfühlers von ungetrübter Kauflaune, die anderen davon, dass die Deutschen ihr Geld lieber in Sicherheit brächten. Wiederum andere behaupteten forsch, dass die Anlage von Geld in Immobilien das Konsumklima stabilisiere.

Hinter diesem Blödsinn steckt mal wieder der “Konsumexperte” der GfK Rolf Bürkl, der noch immer nicht den Unterschied zwischen Konsumausgaben und Investitionen verstanden hat. Wer sich eine Immobilie kauft, konsumiert nicht, sondern investiert im volkswirtschaftlichen Sinne. Natürlich brauchen die Schwachköpfe der GfK diese Daten, um ihr Klima irgendwie konstant halten zu können. Konsequent ignorieren sie jenen Anteil der privaten Konsumausgaben, der zu 30 Prozent in die Rechnung einfließt. Die Einzelhandelsumsätze, die inklusive mit dem Versand- und Internethandel Monat für Monat real vom statistischen Bundesamt gemessen werden.

Heute gab es wieder eine aktuelle Pressemeldung über den Rückgang der Umsätze im August. Generell lässt sich festhalten, dass die Deutschen stabil schlecht konsumieren.

Einzelhandel bis August 2012

Die Ausgaben für Immobilien, sei es für Mieten oder Instandhaltungen – weil auch hier macht die GfK ein Fass auf, das es gar nicht gibt (siehe energetische Gebäudesanierung) – sind mit 20 Prozent an den Konsumausgaben statische Größen, die wenig über das Konsumverhalten aussagen.

Wäre noch die Feststellung einer gesunkenen Sparneigung, die den privaten Konsum befeuern würde. Richtig ist, dass die Sparquote im Vergleich zum 1. Quartal gesunken ist. Grundsätzlich hat sich aber daran seit dem Jahr 2000 überhaupt nichts geändert. Rund 10 Prozent der verfügbaren Einkommen werden durchschnittlich gespart. Dabei sollte man schon genauer hinsehen und nach Einkommensgruppen differenzieren. Denn nicht jeder kann 10 Prozent seines verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante legen.

Menschen mit einem Nettoeinkommen von unter 900 Euro – und dazu zählen ja dann auch die angeblich armutsfesten Renten von 850 Euro – haben eine negative Sparquote von rund –12 Prozent. Das heißt, hier ist gar kein Vermögen vorhanden, das zusätzlich in den Konsum fließen könnte. Selbst bei einem Nettoeinkommen von 900 bis 1300 Euro liegt die Quote bei –0,5 Prozent. Erst ab Nettoeinkommen zwischen 1300 und 2600 Euro bewegt sich die Quote zwischen 0,5 und 4,4 Prozent. “Bei Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2600 bis 3600 Euro, 3600 bis 5000 Euro, 5000 bis 18.000 Euro betragen die Sparquoten jeweils zwischen 9,0 Prozent und 21,8 Prozent.”

Jetzt müsste man halt nur noch wissen wie Einkommen und Vermögen in diesem Land verteilt sind. Dazu reicht ein Blick in die Meldungen, die zuhauf in den letzten Tagen und Wochen erschienen sind.

Richtige Schlüsse werden daraus aber nicht gezogen. Im Grunde genommen ist die Feststellung eines schwachen deutschen Binnenkonsums eine Nachricht von gestern. Nichts Neues also. Da aber auch Beinah-Abstürze von Flugzeugen aus dem Jahr 2010 gerade hochaktuell sind, wäre eine entsprechende Würdigung der katastrophalen Einzelhandelsumsätze angebracht, zumal die Konsumpropaganda der GfK und der Bundesregierung konsequent das Gegenteil behauptet.    

3

Schäubles Effekthascherei

Geschrieben von:

Vor ein paar Tagen schloss Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im ZDF eine Klage gegen die EZB nicht aus. Nun pfeift er jene zurück, die wie er, juristische Schritte gegen die Zentralbank einleiten wollen. Das bestätigt meine These, wonach es Schäuble zur besten Sendezeit nur um Effekthascherei gegangen ist, die dazu dienen sollte, seinen zum Nischenprodukt abgeurteilten ESM zu promoten.

Jetzt teilt er via FAS mit, dass eine „halböffentlich“ geführte Debatte nicht zur Stärkung des Vertrauens in die Notenbank beitrage.

1

Zumutung heute journal

Geschrieben von:

Während der Anmoderation erzählt Claus Kleber, dass er eigentlich keinen Bock mehr auf Krise hat und es irgendwie nachvollziehen könne, wenn mal einer verbal draufhaut, weil das jeder verstehe. Andere, die den Draufhauer kritisieren, sonnten sich hingegen in Moral.

„Wir müssen wieder mit der Euro Sache loslegen und haben Verständnis dafür, wenn ihnen das zum Hals raushängt. Uns geht es manchmal selber so.“

Ich halte die Eröffnung der gestrigen Ausgabe des heute journals gelinde gesagt für eine Zumuntung, und das nicht nur im Hinblick auf die Qualitätsansprüche von Journalisten, die überall herumgekommen sind und sich selbstredend zur Spitzenklasse einer Zunft zählen, die sich dem ehrenwerten Prinzip der Aufklärung verschrieben hat.

Man könnte über diese nicht mal mehr schnoddrige Art Klebers noch mit einem Kopfschütteln hinwegsehen, wenn da nicht ein Bericht im Anschluss gekommen wäre, in dem es über angeblich positive Zahlen aus den Krisenstaaten ging. Neben den Redakteuren des Beitrags freuten sich zwei Banker (einer ist von Unikredit, die zufällig auch die Statistiken zum Beitrag liefert) und natürlich Claus Kleber über die „erfreuliche“ Entwicklung sinkender Lohnstückkosten in allen „Sorgenstaaten“. Damit würde eine Trendwende für Wachstum eingeläutet.

„Es gibt Zahlen, die den Aufschwung klar belegen.“, behauptet der Sprecher in dem Beitrag. Gleichzeitig wird eine Grafik von Unikredit eingeblendet, in der die fallenden Lohnstückkosten der stigmatisierten Länder eingezeichnet sind. Merke: Fallende Lohnstückkosten = Aufschwung, weil sich ja die Produktion insgesamt verbilligt. Das selbst unter dieser Betrachtung noch immer ein Käufer theoretisch vorhanden sein muss, spielt beim Versuch einer positiven Umdeutung des Begriffs „race to the bottom“ natürlich keine Rolle.

Die Lohnstückkosten gleichen sich an und damit auch die Leistungsbilanzen, heißt es weiter. Das sei gut und beweise die Wirksamkeit der Reformen. Die schon nicht mehr geglaubte Eurorettung sei nun wieder ein Stück weit machbarer, so die Schlussfolgerung von Kleber. „Verblüffend“, meint er über den Beitrag, der nichts anderes beweist, als die Ahnungslosigkeit derjenigen, die ihn produziert haben. Denn zunächst einmal wird die Lage gnadenlos beschönigt. In der gesamten Eurozone herrscht Rezession. Vor allem in den Ländern, die in dem Beitrag mit angeblich positiven Daten aufwarten, sind die Einbrüche zuletzt deutlich gewesen.

Kennt die heute journal Redaktion die Nachrichten nicht, die nur ein paar Tage zurückliegen? In Spanien, Italien und Portugal schrumpft die Wirtschaftsleistung, doch das ZDF verbreitet, diese Länder seien auf einem guten Weg. Portugal überrasche gar besonders, weil es wieder mehr verkaufe. Vor ein paar Tagen schockte das Land noch alle, weil trotz penibler Umsetzung aller Sparmaßnahmen die Wirtschaftsleistung um derbe 1,2 Prozent eingebrochen ist. Es ist also absolut nicht zu verstehen, warum das heute journal so eine Scheiße sendet.

Die Krönung war aber wieder der Auftritt vom vermeintlich geläuterten Starökonomen Straubhaar aus Hamburg, dessen ökonomischer Sachverstand inzwischen ein Niveau erreicht hat, das mit unterirdisch noch schmeichelhaft umschrieben ist.

„Ich denke, weitere gute Nachrichten werden kommen, weil bei einer so hohen Arbeitslosigkeit wird automatisch auch kein Lohndruck erzeugt. Die Menschen sind froh, wenn sie überhaupt einen Job haben, selbst wenn er schlechter bezahlt werden wird. Und dieses schlechter bezahlen heißt, dass diese Güter auf den Weltmärkten wieder attraktiver werden, dass wir die Exporte anschieben. Und auf der anderen Seite wird man, weil man kein Geld hat, weniger importieren. Deshalb werden sich auch die Handelsbilanzen langsam aber stetig verbessern können.“

Claus Klebers Kommentar zu dieser verbalen Unverschämtheit: „Das heißt, es ist noch nicht alles verloren.“

Dazu nur soviel. Straubhaar und Kleber können noch so viel dummes Zeug erzählen und müssen nicht fürchten, für ihre zur Schau getragene Menschenverachtung jemals schlechter bezahlt zu werden.

4

Werbung für öffentlich-private Partnerschaften

Geschrieben von:

Auf NDR-Info lief heute morgen ein PR-Bericht über öffentlich-private Partnerschaften im Zusammenhang mit dem sechsspurigen Ausbau der Autobahn 1 zwischen Bremen und Hamburg. Dabei erklärten Reporter die Vorzüge des Projektes, das nun drei Monate früher als geplant fertiggestellt würde. Bekannt ist diese tolle Nachricht schon seit dem Frühjahr. Das hat aber die Reporter von NDR-Info nicht davon abhalten können, noch einmal Reklame für Projekte dieser Art zu machen.

In der Vergangenheit wurde immer wieder über die Zahl der Unfälle in den zahlreichen Baustellen der rund 73 Kilometer langen “Hansalinie” berichtet und darüber das Gesamtvorhaben kritisiert. Dabei, so die Recherchen des Nachrichtensenders, geben die amtlichen Statistiken das gar nicht her. Außerdem habe man dafür gesorgt, dass die zu engen Spuren aus der Anfangszeit verbreitert und die sonst üblichen Rettungsgassen für Feuerwehr und Krankenwagen eingerichtet wurden. Was nun aber verschwiegen wird, ist, dass nicht die private Projektgesellschaft A1-Mobil für fehlende und nachträglich installierte Warnanlagen und Umleitungsschilder aufzukommen hat, sondern der öffentliche Partner. Begründung: weil solch eine Ausnahmesituation im Vertrag nicht geregelt sei.

Doch was ist in dem Vertragswerk, immerhin 36.000 Seiten stark, zwischen dem Bund und der privaten Baugesellschaft geregelt? So genau weiß das niemand, da die Einzelheiten von ÖPP oder PPP Geschäften grundsätzlich für geheim erklärt werden. Außerdem erfuhren die Zuhörer auch nicht, dass der Bundesrechnungshof die öffentlich-privaten Partnerschaften für gänzlich ungeeignet hält, Investitionsprojekte zu verwirklichen. ÖPP baut nicht billiger, wie es den Anschein hat, sondern ist auf eine sichere Rendite des privaten Investors bedacht.

Gerade beim Autobahnbau ist dieser Vorwurf exemplarisch durch den Bundesrechnungshof und Wissenschaftler der TU Berlin dokumentiert worden. Demzufolge richten die privaten Investoren ihr Bauvorhaben nicht an dessen Lebenszyklus aus, sondern strikt an der Vertragslaufzeit, in der ihnen durch Maut- oder Mieteinnahmen ein steter Geldfluss aus öffentlichen Mitteln zugesichert wird. Im Fall der A1 ist der Vertrag auf 30 Jahre angelegt. Aus Sicht des Investors muss die Straße auch nur solange halten und entsprechend gebaut und gepflegt werden.

Dabei bleibt nicht nur die Nachhaltigkeit auf der Strecke, sondern auch die Wirtschaftlichkeit aus Sicht des Staates. Denn zwischen 30 und 40 Prozent zahlt er drauf, als wenn er die Projekte auf herkömmlich Art und Weise ausschreiben und in Eigenregie finanzieren würde. Doch der Bund verzichtet großzügig auf das Prüfen herkömmlicher Verfahren und vertraut stattdessen auf die politische Wunderwaffe ÖPP/PPP, weil deren Kosten am Anfang nicht, dafür aber sehr viel später deutlich werden. Doch dann sind die handelnden Politiker längst nicht mehr im Amt, aber wahrscheinlich um einen goldenen Handschlag reicher.

Bei der A1 bekommt der Investor einen bestimmten Teil der Mauteinnahmen über einen Zeitraum von 30 Jahren. Deren Höhe hängt wiederum von der Verkehrsentwicklung ab. Ein sicheres Geschäft, da der Schwerlastverkehr weiter zunehmen dürfte. Sollte das aber nicht der Fall sein – die Politik rechnet nämlich bewusst mit niedrigeren Zahlen, um das ganze Gebilde für den Staat attraktiv erscheinen zu lassen – greift für den Investor freilich ein Schutzschirm nach unten. In jedem Fall verliert der Fiskus Einnahmen, die er an anderer Stelle sinnvoll einsetzen könnte.

0

Der Kampf ist weder heroisch noch hoffnungslos

Geschrieben von:

In einem Kommentar des Handelsblattes meint Karl-Heinz Paqué:

“Kaum jemand regt sich in Deutschland darüber auf, wie ungeniert die Bundeskanzlerin die EZB wiederholt in die Pflicht genommen hat. Das Maß, mit dem gemessen wird, ist unterschiedlich: Geht es um die Rettung deutscher Sparguthaben, ist das Mittel recht; geht es um die Rettung südeuropäischer Haushalte, dann nicht. In Deutschland misstraut man dem Staat und den Menschen in Italien und Spanien.”

Das ist schon richtig, allerdings ist der angebliche Kampf von Weidmann und Merkel weder heroisch noch hoffnungslos, sondern dumm und dennoch innenpolitisch erfolgreich. Merkel wird die nächste Wahl wieder gewinnen. Und dafür ist ihr jede noch so große Dummheit und einkalkulierte Abscheulichkeit recht.

0

Absurde Konsumpropaganda geht weiter

Geschrieben von:

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) macht weiter Stimmung. Der äußerst dubiose Konsumklimaindex, der angeblich Anschaffungsneigung, Einkommenserwartungen und Konjunkturaussichten, kurz Kauflaune, zusammen abbildet, ist im Vergleich zum Vormonat um sage und schreibe 0,1 Punkte gestiegen. Grund genug, um ein mediales Feuerwerk nach dem Motto “Shoppen statt sparen” abzubrennen.

Fast jede Nachrichtensendung ist die Kaffeesatzleserei der GfK eine Meldung wert. Gleichzeitig wird unentwegt der Eindruck erweckt, als gäbe es jenen Konsum, der von dem Index bloß in Aussicht gestellt wird. Sie müssen sich das oben verlinkte Interview der Tagesschau-Redaktion mit Rolf Bürkl, der bei der GfK für diese regelmäßig stattfindende Datenmistproduktion verantwortlich ist, durchlesen. Während zu Beginn noch scheinheilig danach gefragt wird, wie eingetrübte Konjunkturaussichten zu einer steigenden Kauflaune passen würden, dreht sich der Rest des Interviews um die Beschreibung eines nichtvorhandenen Zustands.

Realitätsfremd könnte man diesen Vorgang bezeichnen. Leider bleibt er unentdeckt, wie auch die offensichtliche Manipulationsabsicht des Volkswirtes von der GfK. Auf die Frage, zu welchen werthaltigen Anschaffungen die Menschen neigen würden, antwortet Bürkl: “Das beginnt mit Immobilien,…” Nur zählt der Kauf von Immobilien volkswirtschaftlich betrachtet nicht zu den privaten Konsum-, sondern zu den Investitionsausgaben. Noch abenteuerlicher wird es weiter unten bei der Feststellung, dass ein neues Krisenphänomen zu beobachten sei.

“In früheren Krisen haben wir bei Wirtschaftsabschwüngen stets eine andere Entwicklung festgestellt: Wenn die Konjunktur nachließ, ging sofort die Konsumneigung zurück und die Verbraucher hielten ihr Geld zusammen.

Momentan ist es so, dass Sparen aus Sicht der Verbraucher nicht attraktiv und mit Unsicherheiten behaftet ist.”

Durch was ist diese Behauptung gedeckt? Laut statistischem Bundesamt lag die Sparquote im ersten Quartal 2012 bei 14,4 Prozent unverändert hoch. Wirklich lächerlich wird das Ganze aber bei der Feststellung, dass ein gutes Zusammenspiel von Politik, Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Krisenjahren 2008 und 2009 mit dem Verzicht auf übermäßige Lohnerhöhungen die Grundlage für die derzeit gute Konsumstimmung gebildet habe. Natürlich darf der Hinweis auf die Agenda 2010 nicht fehlen, die ebenfalls zum positiven Gesamtbild beigetragen hätte und nicht etwa, wie wir heute einer Meldung des statistischen Bundesamtes entnehmen konnten, zu einem Herr von Beschäftigten geführt hat, die mit konsumfreudigen Stundenlöhnen von weniger als 8,50 Euro auskommen müssen.

Und dabei haben die amtlichen Statistiker nur jene erfasst, die in Betrieben mit zehn oder mehr Beschäftigten arbeiten. Würde man alle zählen, läge die Quote nicht nur bei 11 Prozent, was rund 4,5 Millionen Beschäftigten entspricht, sondern bei weit über 20 Prozent. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors hatte zuletzt sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel als Fehler bei der Agenda 2010 bezeichnet und dabei mal wieder übersehen, dass darin überhaupt der Sinn der ganzen Übung gelegen hat, wie Bundeskanzler Schröder einst vor Gleichgesinnten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos stolz zugab.

Was die GfK da misst, ist mir schleierhaft und in höchstem Maße unseriös, weil der Bezug zur Wirklichkeit nicht mal im Ansatz erkennbar ist. Wenn es dann ganz am Schluss heißt:

“Sollten sich in den nächsten Monaten die Meldungen häufen, dass Unternehmen Personal entlassen, dann kann die Stimmung sehr schnell wieder kippen. Dann steigt sofort die Angst vor der Arbeitslosigkeit bei den Beschäftigten und man wird beim Konsum wieder vorsichtiger.”

Hier wird a) ignoriert, dass mit Karstadt, Schlecker und Neckermann gerade Unternehmen aus dem Einzelhandelssektor jetzt schon für die entsprechenden Schlagzeilen sorgen und b) wieder so getan, als seien die Konsumenten derzeit nicht vorsichtig beim Geldausgeben. Offensichtlich muss man GfK-Ökonomen eine noch größere Betriebsblindheit und Inkompetenz unterstellen als bisher. Der XXL-Konsumboom bleibt auch weiterhin nur eine Propaganda-Fata Morgana.

5

Irrationale Krisenlogik

Geschrieben von:

Die Umdeutung der Banken- in eine “Staatsschuldenkrise” ist geübte Praxis in der Politik und in den Medien. Deshalb ist es auch logisch, aber keinesfalls überzeugend, dass nach dem gestrigen Beschluss des Bundestages über weitere Milliardenhilfen an dieser wirren Überzeugung entlang kommentiert wird. Beispiel gefällig:

“Doch die per Sondersitzung des Bundestags beschlossene Milliarden-Hilfe für Spanien markiert tatsächlich – wieder einmal – einen Schritt über die nächste rote Linie. Erstmals müssen deutsche Steuerzahler nicht einen maroden Staat, sondern Banken vor der Pleite retten, weil diese sich mit einer gewaltigen Immobilienblase verspekuliert haben. Der deutsche Sparer haftet mit seinen Cents für unfähige spanische Bankiers – alleine die Vorstellung daran fällt schon schwer.”

Quelle: NWZ Online

Diesen Kommentar habe ich herausgesucht, weil er auf NDR-Info den ganzen Morgen rauf und runter gedudelt wird. Das “Erstmals” lehnt sich dabei offenbar an einen dapd Bericht von gestern an, in dem von Kritikern behauptet wurde, mit dem Geld der Steuerzahler würde erstmals kein Land, sondern marode Banken gerettet.

Das ist natürlich völliger Blödsinn und unterstellt, dass die bisher aufspannten Rettungsschirme und Hilfen an Staaten nicht dazu gedient hätten, die faul gewordenen Forderungen von Banken und Spekulanten zu bedienen. Gleichzeitig wird unterschlagen, dass die aus dem Ruder laufenden öffentlichen Budgets in einem direkten Zusammenhang zu der ersten Bankenrettungswelle in den Krisenjahren 2008/2009 stehen. Damals wurde in Berlin die Systemrelevanz von Banken erfunden und die europäischen Partner genötigt, ihre nationalen Banken vor dem Kollaps oder einer Insolvenz zu bewahren.

Deutsche und europäische Steuerzahler haften nicht erstmals, sondern permanent für marode Banken. Ganze Länder und die dort lebenden Menschen wie auch die Demokratie bleiben dabei auf der Strecke. Das ist die Wahrheit, um die verwirrte Kommentatoren nicht herumschreiben und noch verwirrtere Politiker nicht herumreden sollten.     

4

Lächerliche Propaganda vom Bankenverband

Geschrieben von:

Ich weiß nicht, ob es ein Aprilscherz war oder nicht. Zum Wetter passt jedenfalls die Meldung, wonach der Bankenverband die Einführung eines Schulfaches Wirtschaft fordert, damit junge Leute mehr über ökonomische und finanzpolitische Zusammenhänge erfahren.

Das Wissen über Wirtschaftsthemen sei bei vielen ernüchternd, so das Ergebnis einer Umfrage des Bankenverbandes. Doch wie sieht es eigentlich bei den Bankern selbst aus? Haben die überhaupt eine Ahnung von Wirtschaft und Finanzen? Angesichts der gigantischen Rettungsschirme, die man nur für sie aufspannen ließ, sind Zweifel mehr als angebracht.

Es ist geradezu obszön, wenn die Vertreter von Zockern und Falschspielern an den internationalen Finanzmärkten Unwissenheit bei der jungen Generation beklagen. “Wir müssen aufpassen, dass keine Generation von Euro-Skeptikern heranwächst”, warnt Verbandschef Michael Kemmer. Derweil wird gegen Euro-Staaten munter weiterspekuliert. Der Chef des Bankenverbandes täte also gut daran, in seinem eigenen Laden für Ordnung zu sorgen und der fortwährenden Finanz- und Wirtschaftskriminalität ein Ende zu setzen. 

In der Tat wäre mehr Wissen über Wirtschaft und Finanzen wünschenswert. Das sollten dann aber nicht jene Dogmen sein, die Vertreter privater Banken immer wieder predigen. So habe die Umfrage des Bankenverbandes, die übrigens von den Kaffeesatzlesern der GfK durchgeführt wurde, ergeben, dass junge Leute zum Beispiel über die Aufgabe der EZB, für Preisstabilität zu sorgen, nicht Bescheid wüssten.

Ja und? Viel wichtiger ist doch, dass der EZB als Zentralbank ein schwerer Geburtsfehler innewohnt, welcher als Mitverursacher der Finanzkrise anzusehen ist. Preisstabilität ist das eine, Konjunkturpolitik das andere. Letzteres geht der EZB per Definition aber am Arsch vorbei. Da wurde in der Vergangenheit schon des Öfteren ein Konjunkturzyklus einfach mit dem Anziehen der Zinsschraube abgewürgt, weil die Währungshüter eine Inflation und damit eine Gefahr für die Preisstabilität fürchteten.

Gleichzeitig war es den Monetaristen von Anfang an egal, dass die Zahlungsbilanz- und Wettbewerbsungleichgewichte innerhalb der Eurostaaten auseinandergingen. Kumuliert stand die Zone ja prima da und das Inflationsziel von 2 Prozent wurde immer erreicht. Dass aber die Südländer eine deutlich höhere Teuerung zuließen und Deutschland eine deutlich niedrigere, was in der Konsequenz zu Bilanzdefiziten auf der einen und zu Überschüssen auf der anderen Seite führte, sollte erst mit dem Ausbruch der Finanzkrise thematisiert werden.

Noch heute ist den Währungshütern und denjenigen, die vorgeben eine Ahnung von Wirtschafts- und Finanzdingen zu haben, wichtiger, ihre Aufmerksamkeit vollends auf die Staatsschulden und nationale Haushalte zu richten, anstatt die Auslandsverschuldung und die damit verbundenen Ungleichgewichte in den Blick zu nehmen. Was soll die Jugend also lernen? Wie man europäische Partner mit einer aggressiven Wirtschafts- und Finanzpolitik erst in die Abhängigkeit und dann in die Pleite treibt?

Es hat schon etwas Komisches, wenn Banker bei jungen Leuten um deren Vertrauen in den Euro werben. So als ob das gerade einbrechende europäische Haus wie auch das Scheitern der Krisenstrategie von der Jugend übersehen und überhört wird.

4
Seite 6 von 55 «...45678...»