Zumutung heute journal

Geschrieben von: am 27. Aug 2012 um 23:31

Während der Anmoderation erzählt Claus Kleber, dass er eigentlich keinen Bock mehr auf Krise hat und es irgendwie nachvollziehen könne, wenn mal einer verbal draufhaut, weil das jeder verstehe. Andere, die den Draufhauer kritisieren, sonnten sich hingegen in Moral.

„Wir müssen wieder mit der Euro Sache loslegen und haben Verständnis dafür, wenn ihnen das zum Hals raushängt. Uns geht es manchmal selber so.“

Ich halte die Eröffnung der gestrigen Ausgabe des heute journals gelinde gesagt für eine Zumuntung, und das nicht nur im Hinblick auf die Qualitätsansprüche von Journalisten, die überall herumgekommen sind und sich selbstredend zur Spitzenklasse einer Zunft zählen, die sich dem ehrenwerten Prinzip der Aufklärung verschrieben hat.

Man könnte über diese nicht mal mehr schnoddrige Art Klebers noch mit einem Kopfschütteln hinwegsehen, wenn da nicht ein Bericht im Anschluss gekommen wäre, in dem es über angeblich positive Zahlen aus den Krisenstaaten ging. Neben den Redakteuren des Beitrags freuten sich zwei Banker (einer ist von Unikredit, die zufällig auch die Statistiken zum Beitrag liefert) und natürlich Claus Kleber über die „erfreuliche“ Entwicklung sinkender Lohnstückkosten in allen „Sorgenstaaten“. Damit würde eine Trendwende für Wachstum eingeläutet.

„Es gibt Zahlen, die den Aufschwung klar belegen.“, behauptet der Sprecher in dem Beitrag. Gleichzeitig wird eine Grafik von Unikredit eingeblendet, in der die fallenden Lohnstückkosten der stigmatisierten Länder eingezeichnet sind. Merke: Fallende Lohnstückkosten = Aufschwung, weil sich ja die Produktion insgesamt verbilligt. Das selbst unter dieser Betrachtung noch immer ein Käufer theoretisch vorhanden sein muss, spielt beim Versuch einer positiven Umdeutung des Begriffs „race to the bottom“ natürlich keine Rolle.

Die Lohnstückkosten gleichen sich an und damit auch die Leistungsbilanzen, heißt es weiter. Das sei gut und beweise die Wirksamkeit der Reformen. Die schon nicht mehr geglaubte Eurorettung sei nun wieder ein Stück weit machbarer, so die Schlussfolgerung von Kleber. „Verblüffend“, meint er über den Beitrag, der nichts anderes beweist, als die Ahnungslosigkeit derjenigen, die ihn produziert haben. Denn zunächst einmal wird die Lage gnadenlos beschönigt. In der gesamten Eurozone herrscht Rezession. Vor allem in den Ländern, die in dem Beitrag mit angeblich positiven Daten aufwarten, sind die Einbrüche zuletzt deutlich gewesen.

Kennt die heute journal Redaktion die Nachrichten nicht, die nur ein paar Tage zurückliegen? In Spanien, Italien und Portugal schrumpft die Wirtschaftsleistung, doch das ZDF verbreitet, diese Länder seien auf einem guten Weg. Portugal überrasche gar besonders, weil es wieder mehr verkaufe. Vor ein paar Tagen schockte das Land noch alle, weil trotz penibler Umsetzung aller Sparmaßnahmen die Wirtschaftsleistung um derbe 1,2 Prozent eingebrochen ist. Es ist also absolut nicht zu verstehen, warum das heute journal so eine Scheiße sendet.

Die Krönung war aber wieder der Auftritt vom vermeintlich geläuterten Starökonomen Straubhaar aus Hamburg, dessen ökonomischer Sachverstand inzwischen ein Niveau erreicht hat, das mit unterirdisch noch schmeichelhaft umschrieben ist.

„Ich denke, weitere gute Nachrichten werden kommen, weil bei einer so hohen Arbeitslosigkeit wird automatisch auch kein Lohndruck erzeugt. Die Menschen sind froh, wenn sie überhaupt einen Job haben, selbst wenn er schlechter bezahlt werden wird. Und dieses schlechter bezahlen heißt, dass diese Güter auf den Weltmärkten wieder attraktiver werden, dass wir die Exporte anschieben. Und auf der anderen Seite wird man, weil man kein Geld hat, weniger importieren. Deshalb werden sich auch die Handelsbilanzen langsam aber stetig verbessern können.“

Claus Klebers Kommentar zu dieser verbalen Unverschämtheit: „Das heißt, es ist noch nicht alles verloren.“

Dazu nur soviel. Straubhaar und Kleber können noch so viel dummes Zeug erzählen und müssen nicht fürchten, für ihre zur Schau getragene Menschenverachtung jemals schlechter bezahlt zu werden.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Careca  August 28, 2012

    Es fiel mir auf, dass der UniCredit-Mensch Andreas Rees …

    (Untertitelung ZDF: „Deutschland-Chefvolkswirt UniCredit“; Jobbeschreibung bei HypoVereinsbank „Diplom-Volkswirt […] Er beschäftigt sich mit Fragestellungen rund um die europäische und deutsche Konjunktur. Darüber hinaus entwickelt und implementiert er quantitative Prognosemodelle.“; Mitglied im FTD-Konjunkturschattenrat)

    … für die Beschreibung der Statistiken Spaniens und Griechenlands zuständig war. In diesen Ländern hat die UniCredit erhebliche Probleme finanziellerseits bekommen, da sie insbesondere bei Spaniens Immobilienblase ordentlich mitgemischt hat und plötzlich beim Platzen der Blase Geld benötigte, um nicht komplett zu kippen. Geld, das der Staat Spaniens in die Banken reinschaufelt, damit die Wirtschaft nicht zerbröselt. Das gleiche gilt m.E. auch für Griechenland.
    Es ist schon interessant, dass im Beitrag nach dem Straubhaar-Interview (mit der Quintessenz „fallende Lohnstückkosten = Aufschwung“ oder: Soooo schlecht war die Sklaverei nun auch nicht, nicht wahr …) seitens Kleber von „kleinflächigen mafiösen Strukturen“ als „ein großes Problem“ gesprochen wurde, wo die Bundesregierung das Mehraugenprinzip („mehr Kontrolle, mehr Transparenz“) fordert. Aber, da war nicht mehr über Bankenwirtschaft die Rede sondern über Organspende. Und mit dem gleichen Schlagwort „mehr Kontrolle, mehr Transparenz“ ging es weiter zum Verfassungsschutz und seinen Innenministerk, um dann zu erklären, dass Innenministerium habe für Zweihunderttausend Euro Hilfe für den weißrussischen „Sicherheitsapparat“ in Form von Kameras, Computer und Fahrzeuge. Alles im Dienste von „mehr Kontrolle, mehr Transparenz“. Amen.
    Aber nur nicht bei den Banken. Da wurde im ersten heute-Journal-Beitrag gleich mehrfach direkt und indirekt betont, wie schwierig und kompliziert doch die ganze Lage („Krise“) sei und dass ein Dobrindt zwar verbal daneben treten dürfe und dafür den ganzen Tag durch CDU und CSU zurücktreten dürfen, aber eine Opposition (namentlich eine bayrische „B90 / Grüne“ und das SPD Generaltsekret) die Aufregung künstlich verlängern würden (Zitat heute-Journal-Bericht: „… anstrengen, die Empörungsfrequenz künstlich zu halten“). Der Beitrag war pure Dobrindt-Karthasis, ein parteiinternes Abwatschen mit Schutzmauer gegen Außenstehende. CDU/CSU-Fernsehen.
    Da hilft auch kein vertrauenerheischendes Augenöffnen und Augenbrauenhochziehen bei der Anmoderation des ersten Beitrages, wenn leicht zu Kamera vornübergebeugt der Kleber beteuert, den Journalisten und Politikern hänge das Thema auch schon zum Halse heraus.

    Es gibt da den schönen Satz: „Love it, like it or leave it“. Wenn es dem Kleber und seinen Politikern zum Halse heraus hängt (schöne Metapher, die den Kleber dafür auch noch ungewollt karikiert, weil er seine Meinung zum Thema heraushängen lässt), aufi, Ihr Lieben, aufi ins Meer der Arbeitslosen und macht paar motivierteren Leuten euren Arbeitsplatz frei. Und die machen es sicherlich auch für ein paar Euro weniger. Das senkt dann die Lohnstückkosten und fördert den Aufschwung Europas. Also mit gutem Beispiel voran, Ihr Klebers und Politikers mit „Es-hängt-mir-zum-Halse-raus“-Syndrom …

    • adtstar  August 29, 2012

      Super Kommentar. Danke. Weiter hatte ich das heute journal gar nicht geguckt.

  2. Kopfstaendler  September 1, 2012

    „Ich denke, weitere gute Nachrichten werden kommen… Straubhaar!
    Das ist ein Höhepunkt der Gemeinheit, die bei Straubhaar ausgedrückt wird.

    Warum nicht gleich Sklaven? Das gäbe bei steigenden Rohstoffpreisen immerhin einen guten Ausgleich zu den Lohn-Stückkosten. Endlich wären unsere Facharbeiter und Hilfsarbeiter auf dem Niveau der dritten Welt angekommen, was diese Journaille wesentlich abgehobener erscheinen ließe.

    Und unsere in entsetzlichem Ausmaß subventionierten Exporte, die nur unter riesigen Zahlungsausfällen verkraftet werden müssen, könnte man sich auch noch eine zeitlang leisten.

    Wahre Gewinne entstehen bei den Firmen, die zumeist ihre Headquarters zur Umgehung heimischer Steuern in Übersee halten. Und zwar auf Kosten der heimatlichen Steuerzahler.

  3. pacht45  September 17, 2012

    Geheimnis des Journalismus
    „Das GEHEIMNIS des JOURNALISMUS
    ist wohl darin zu sehen,
    dass er den LESERN und ZUHÖRERN glauben macht,
    – mit seinen vielen INFORMATIONEN –
    ihnen viel WISSEN über die WAHRHEIT
    zu vermitteln …

    Dem aber ist nicht so !“
    ___
    (C) P. Achim T. [PachT] – Aus meinem Politischen Tagebuch –
    Erfurt, 04.05.11