„Die deutsche Wirtschaftspolitik muss sich ändern…“

Geschrieben von: am 17. Jun 2019 um 6:00

…fordert eine Gruppe von SPD-Bundestagsabgeordneten um Wiebke Esdar, Cansel Kiziltepe, Sarah Ryglewski, Michael Schrodi und Swen Schulz in der FAZ vom Samstag. Ergänzend dazu gibt es auch ein Papier mit dem Namen „Für eine neue Wirtschafts- und Finanzpolitik zum Wohle der Vielen – Gesellschaftlich richtig, volkswirtschaftlich sinnvoll, finanziell machbar“, das auf der Seite von Cansel Kiziltepe abrufbar ist. Dieser Ansatz ist richtig, und es gilt ihn zu unterstützen.

In dem Dokument steckt ein wirklicher Politikwechsel und vor allem volkswirtschaftlicher Sachverstand drin. Es steht auch im Kontrast zu Äußerungen von Funktionsträgern wie Carsten Schneider etwa, der nach der Klausur der Fraktionsvorstände von SPD und CDU/CSU in einem Interview nur Belangloses zum Thema Zusammenhalt zu berichten wusste. Das Verhalten der Fraktionsführung ist ohnehin weniger auf einen Umbruch, denn mehr auf ein Weiter so ausgerichtet, wie ich in dem Beitrag „Konsolidierung abgeschlossen: Alles läuft weiter wie bisher“ bereits zu zeigen versucht habe. Äußerungen wie…

Die Koalition muss ihre Erfolge noch besser kommunizieren. Wir müssen in der Regierungsverantwortung wieder Lust am Gestalten zeigen. Zu regieren ist eine große Verantwortung und eine Ehre.

…stehen für eine desaströse Profillosigkeit, die die SPD an den Rand der Bedeutungslosigkeit geführt hat. Mittlerweile steht die Partei in den Juni-Umfragen der Institute zwischen 11 und 13 Prozent und damit noch schlechter, als es die führenden Genossen für den Fall eines Neins zur Großen Koalition vorausgesagt hatten. Mit der nervigen Floskel vom Kommunikationsproblem, die Leute wie Schneider und andere einmal mehr bemühen, muss endlich Schluss sein.

Die wichtigen SPD-Funktionäre, die unmittelbar nach der Europawahlschlappe beim Spargelessen auf dem Boot des Seeheimer Kreises ausgelassen in den Sonnenuntergang gefeiert haben und dabei Sätze säuselten, wie „Wenn die Mannschaft zusammenhält, dann kommt das Schiff gut durch den Sturm“, wobei keiner mehr Kapitän sein will, sollten sich lieber mit den richtigen Gedanken ihrer Abgeordnetenkollegen beschäftigen. Es lohnt sich.

Bisher setzen „Schwarze Null“ und Schuldenbremse auf der einen Seite und ein durch den Koalitionsvertrag selbst auferlegtes Verbot steigender Steuereinnahmen ein abschnürendes Korsett. Der Staat konnte seine Verbindlichkeiten (Schulden) zuletzt deutlich abtragen, auf der anderen Seite erleben die Menschen aber einen mittlerweile übergroßen Investitionsstau. […]
Deutschland darf nicht länger zögern, sondern muss endlich für die Zukunft und im Sinne der zukünftigen Generationen handeln. […]
Eine solche Investitionsoffensive in Deutschland ist wegen des Leistungsbilanzüberschusses der Bundesrepublik auch für Europa gut. Wir müssen weniger „auf Pump“ exportieren und Auslandsvermögen aufbauen. Wir müssen mehr Geld zuhause ausgeben. Das steigert unsere Importe, senkt den Exportüberschuss und schafft Nachfrage in den anderen europäischen Staaten.
Mehr denn je gilt die Goldene Regel für öffentliche Investitionen aus der Volkswirtschaftslehre: Öffentliche Investitionen sollen auch durch Kredite finanziert werden. Das gilt erst recht, wenn die Zinsen dafür negativ sind. Denn das stärkt das Wirtschaftswachstum und gleichzeitig die Generationengerechtigkeit. Öffentliche Investitionen erhöhen den öffentlichen Kapitalstock und schaffen höhere Produktivität und Wachstum.

Wer Kritik üben wollte, könnte sich an dem Wörtchen „auch“ stören, denn öffentliche Investitionen sollten „nur“ durch Kredite finanziert werden, eben weil alle anderen volkswirtschaftlichen Sektoren sparen, mit Ausnahme des Auslands, wie die Genossen zutreffend erkennen. Das „auch“ rührt leider immer noch vom deutschen Aberglauben her, der Staat unterliege wie die Unternehmen einer Budgetbeschränkung. Diese Vorstellung ist aber Quatsch, und sie gehört eben auch zu dem neoliberalen Modell, dem man vollkommen zurecht endlich den Rücken kehren will.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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