Merkel kreiert sich eine Welt, wie sie ihr gefällt

Geschrieben von:

Die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister wehren sich weiterhin gegen die ökonomische Vernunft und wissen weite Teile der deutschen Medien hinter sich.

Frankreichs Premierminister Manuel Valls hat heute Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gesprächen in Berlin getroffen. Überschattet wurde der Besuch wie üblich von unverschämten Äußerungen parlamentarischer Hinterbänkler aus dem Bundestag. Sie warfen den Franzosen mangelnde Reformbereitschaft vor. Der Grund für das viertklassige Geschrei ist einfach. Die Bundesregierung ist mit ihrem Krisenlatein am Ende und versucht abzulenken.

Die Kunst des Wachstums

„Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten, auch ohne zusätzliches Geld mehr Wachstum zu kreieren.“ Wenn etwas unverschämt ist, dann dieser Satz der Kanzlerin im Anschluss an das Treffen mit Valls. Er zeigt, dass die deutsche Regierungschefin alles sagen kann, ohne auch nur im Ansatz dafür kritisiert zu werden. Wachstum ist für Merkel inzwischen zu einer künstlerischen Darbietung geworden, die offenbar nur Deutschland beherrscht.

Deutschland ist wahrhaft meisterhaft darin, Haushaltskonsolidierung und Wachstum gleichermaßen zu erzielen. Diesen scheinbaren Erfolg tragen Merkel und eine Öffentlichkeit, die nichts von Ökonomie verstehen, stolz vor sich her. Das beides nur deshalb funktionieren konnte, weil Länder wie Frankreich eine Politik betrieben haben, die hierzulande gerade aufs Schärfste verurteilt wird, sehen die wenigsten.

Wachstum auf Kosten der anderen. Das gibt es doch nicht. Wenn nur alle so wären wie Deutschland, ginge es doch allen noch besser, so die simple Logik. Doch wenn alle so wären wie Deutschland, also Löhne und Renten kürzen, Arbeitnehmerrechte und den Sozialstaat beschneiden und die Schuldenaufnahme begrenzen, ja wer ist dann noch bereit, den Schurken zu spielen? Wer ist bereit, die Überschüsse zu finanzieren? Wer ist bereit, dafür selbst Defizite in Kauf zu nehmen, ohne die kein Überschuss in der Bilanz existieren kann?

Deutschland ist der echte Schurke

Die Wahrheit ist, ein echter Schurke wie Deutschland braucht Länder wie Frankreich, um sein krankes Wirtschaftsmodell am Leben halten zu können. Nun sollen sie aber alle wie der echte Schurke werden und schon reist die Realität die Fassade fragiler Denkgebäude diesseits des Rheins ein. Denn selbst Deutschland spürt die Krise am eigenen Leib, will aber nicht wahrhaben, dass es sich ändern muss.

Merkel wie auch einen Tag zuvor Schäuble beim G20 Treffen lehnen öffentliche Investitionen strikt ab. „Der Fonds ist dafür da, dass er nicht gebraucht wird“, sagte Schäuble nach dem G20-Treffen. Wieder so ein Satz ohne Sinn und Verstand. Die Milliarden des ESM liegen ungenutzt herum. Sie sollen retten für den Fall, dass ein Land wie Italien oder Spanien wieder in eine Notlage gerät. Doch reichen die Mittel dann auf keinen Fall. Die Rettung, der Zweck des Fonds, würde also scheitern.

Nutzen würden die Gelder aber denselben Staaten, wenn sie damit ein Konjunkturprogramm finanzieren und folglich einen Nachfrageimpuls auslösen könnten. Sie hätten volkswirtschaftlich betrachtet die Chance, sich aus einer Lage zu befreien, in der sie im Augenblick nur wieder zum Rettungsfall werden würden. 

Statt Vielfalt immer nur die eine Antwort

Es gibt keine Vielzahl von Möglichkeiten, mal eben Wachstum zu kreieren. Im Augenblick werden auch die Prognosen reihenweise nach unten korrigiert. Wo sind denn die Möglichkeiten? Merkel nennt Bürokratie-Abbau. Über diesen absurden Behelfsvorschlag kann man nicht mal mehr lachen. Die deutschen Medien staunen dennoch wie eh und je ob der geglaubten ökonomischen Genialität ihrer Kanzlerin. In Wirklichkeit stellt die Bleierne aber keine Auswahl in Aussicht. Sie gibt nämlich immer nur eine und zwar die falsche Antwort.

Wirtschaftsausblick

Quelle: OECD

Diese Daten gibt es grafisch auch schön aufbereitet bei den österreichischen Kollegen vom Kurier.


Den Beitrag bequem ausdrucken unter:

https://storify.com/adtstar/merkel-kreiert-sich-ihre-welt.html

6

Perverse Weltbilder

Geschrieben von:

Die EU hält an ihrer Flüchtlingspolitik fest. Dazu Bundeskanzlerin Angela Merkel:

“Wir müssen angesichts solcher tragischen Ereignisse trotzdem schauen, dass wir nicht jedes Mal alle die Arbeit, die wir gerade jahrelang in die ganzen Fragen gesteckt haben wieder infrage stellen.”

Dass die Menschen an unseren Grenzen jämmerlich ersaufen, ist tragisch, aber tragischer wäre es, wenn die EU die Ergebnisse einer Politik korrigieren müsste, die sie nach einem mühsamen Prozess auf zahlreichen Gipfeln und in endlosen Sitzungen zusammengetragen hat. Also, ein paar tote Afrikaner sind schlimm, aber noch viel schlimmer wäre es, wenn die EU zugeben müsste, eine in allen Punkten gescheiterte Flüchtlingspolitik betrieben zu haben.

Das erinnert mich irgendwie an das perverse Weltbild des Dr. Wolfgang “Opfer”-Schäuble, der mal über den Irak-Krieg sagte. Dieser Krieg sei eine schlechte Lösung, aber eine noch schlechtere Lösung wäre eine gedemütigte Weltmacht USA. Ein paar tausend Tote Iraker sind schlimm, aber noch schlimmer wäre es, wenn die Regierung Bush zugeben müsste, dass sie gelogen hat, interpretierte damals Volker Pispers die Aussagen Schäubles.

Das perverse Weltbild des Dr. Wolfgang Schäuble

Mit Blick auf Merkel muss man die Amerikaner aber echt mal loben. Denn trotz der unsäglichen Äußerungen, die öffentlich zugänglich sind, machen sie sich die Mühe, auch noch das Mobiltelefon der Kanzlerin heimlichen abzuhören. Soviel Leidensfähigkeit ist bewundernswert.

2

Auf leisen Sohlen durchs Sommerloch

Geschrieben von:

Die Euro-Finanzminister haben am Montag ohne großes Tamtam eine weitere Tranche aus dem Euro-Rettungsschirm für Griechenland beschlossen. Trotz einer Regierungskrise in Athen und Auflagen, die offenkundig noch nicht erfüllt werden konnten, zeigt man sich in Brüssel gnädig. Wo früher wochenlang eine Auszahlung infrage gestellt wurde und landauf landab Politik und Medien die Griechen vor die Wahl stellten, endlich Reformen durchzuziehen oder aus dem Club auszuscheiden, hört man heute gar nichts mehr. Stattdessen beschäftigen sich die Kommentatoren mit dem Papst, der in Lampedusa einen bedeutungslosen Kranz ins Meer geworfen hat.

Statt einer kritischen Betrachtung der Finanzkrise, die durch weitere Zuspitzungen in Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien gekennzeichnet ist, wird der deutsche Leser mit dem Papst bei Laune gehalten. Auftrag verfehlt!

Mit seinem Appell an die Nächstenliebe habe der neue Popstar der Katholischen Kirche der EU einen Spiegel vorgehalten, ist scheinkritisch zu lesen. Das beeindruckt die schreibende Zunft. Eher beiläufig wird erwähnt, dass die Griechen bitte, aber doch rasch, 4200 Beschäftigte im öffentlichen Dienst in eine Transfergesellschaft versetzen sollen, um den Auflagen der Troika zu entsprechen. Bundesfinanzminister Schäuble spricht in diesem Zusammenhang von Problemen, die es zu lösen gilt. Deshalb hat er auch auf eine Auszahlung in Raten bestanden, die wie immer auf einem Sperrkonto landen sollen, zu dem der griechische Staat selbst keinen Zugang hat, sondern nur seine Gläubiger, die es, und das ist der Sinn der ganzen Übung, ohne große Schrammen rauszuhauen gilt.

Bluten müssen andere. Was allerdings der Massenrausschmiss von 4200 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, um nichts anderes geht es ja, mit einer nachhaltigen Reform zu tun hat, lassen Schäuble und die ihn nicht fragenden deutschen Medien mal wieder offen. Zu den sogenannten Auflagen gehörte nämlich die Zustimmung Griechenlands, in vier Jahren 150.000 Stellen im Staatsdienst streichen zu müssen. Aber auch davon liest man schon lange nichts mehr, sondern nur von der nachgeplapperten Regierungsansicht, der öffentliche Dienst sei grundsätzlich zu aufgebläht.

Weiterhin ist zu lesen, dass vor allem Österreich und Frankreich auf eine schnelle Einigung gedrungen hätten. Allerdings hat auch die wahlkämpfende Bundeskanzlerin ein Interesse daran, möglichst ohne weiteren Krisengipfel durch den Sommer und zur anstehenden Bundestagswahl zu kommen. Eine kontroverse Debatte im Deutschen Bundestag wird es deshalb nicht geben. Vielmehr soll der Haushaltsausschuss über die Freigabe der sogenannten Hilfen entscheiden.

Dass die Krisenpolitik von Merkel, Schäuble und Co in vier Jahren Schwarz-Gelb krachend gescheitert ist, liest man ebenfalls nicht. Vielleicht helfen Bilder über die volkswirtschaftliche Entwicklung ausgewählter Krisenstaaten, um zu verstehen, was Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 27. Juni meinte, als sie sagte:

“Wir haben gezeigt, wir können das!” 

BIP Griechenland (Quelle: Eurostat)

BIP_Griechenland

BIP Spanien

BIP_Spanien

BIP Portugal

BIP_Portugal

BIP Italien

BIP_Italien

BIP Zypern

BIP_Zypern

1

Jugend ohne Gegenwart und ohne Zukunft

Geschrieben von:

Wir brauchen höhere Steuern und höhere Schulden, um der Jugend, die ihrer Gegenwart bereits beraubt wurde, nicht auch noch die Zukunft zu nehmen.

So eine Forderung ist unpopulär und wird mitunter als widersinnig angesehen, da alles und jeder in dieser Gesellschaft wie in der Politik nach ausgeglichenen Haushalten strebt. Eine schwarze Null ist das Pfund, mit dem beispielsweise die amtierende Bundesregierung wirbt. Im nächsten Jahr soll es wieder soweit sein, Krise hin oder her. Sie habe Konsolidierung und Wachstum gleichermaßen zustande gebracht, heißt es aus dem schwarz-gelben Heißluftballon. Im Gegensatz dazu seien höhere Steuern schlecht fürs wirtschaftliche Umfeld und mehr Schulden schlecht für künftige Generationen.

Doch haben auch ausgeglichene Haushalte und das permanente Suchen nach einer Begrenzung staatlicher Ausgaben ihren Preis, den jemand bezahlen muss. Das wird immer verschwiegen, wenn Politiker, die über den Staatshaushalt bestimmen, rein betriebswirtschaftlich denken. Die schwarze Null in Deutschland, wenn sie denn kommt, ist teuer erkauft. Was in der Bilanz nach Stabilität aussieht, bröckelt in der realen Welt als Putz sprichwörtlich von den Wänden. Bund, Länder und Kommunen schieben einen riesigen Investitionsbedarf bei Straßen, Schulen und sozialen Einrichtungen vor sich her. So hübsch die Zahlen auch sein mögen, sie können nicht über die maroden Zustände der öffentlichen Infrastruktur hinwegtäuschen. Auf die ist die Jugend von heute wie auch in der Zukunft aber angewiesen.

Merkels Showgipfel

Die Probleme in Deutschland werden als solche nicht gesehen, weil Selbstbeweihräucherung und Arroganz die Tagespolitik bestimmen. Es gilt beispielsweise als ausgemacht, auch bei der SPD, dass das überaus erfolgreiche deutsche Ausbildungssystem auf andere Staaten übertragen werden müsse, um die neuentdeckte Krise auf dem südeuropäischen Arbeitsmarkt zu bewältigen. Das ist irgendwie das Ergebnis von Merkels Showgipfel zur Jugendarbeitslosigkeit im Kanzleramt, der zwischen Revolution in Ägypten und gesperrten Lufträumen in der freien Welt stattgefunden hat. Man fragt sich nur, wie diese Länder bisher ihre Jugend ausgebildet haben und wie sie jahrelang für deren Beschäftigung sorgen konnten.

Was soll überhaupt der Quatsch, den Süden mit dem deutschen Ausbildungsmodell beglücken zu wollen? Die Menschen, die in Spanien, Griechenland oder Frankreich arbeitslos geworden sind, sind bereits bestens ausgebildet und qualifiziert. Ihr Problem ist doch nicht die Ausbildung oder die Tatsache, dass sie nie mit dem segensreichen deutschen Ausbildungsmodell in Kontakt gekommen sind, sondern die knallharte und sinnlose Kürzungspolitik einer deutschen Kanzlerin, bei der nicht einmal die NSA mit ahnungsloser Unterstützung des Verfassungsschutzes einen Standpunkt erschnüffeln würde.

“Frankreich hat zu viele Akademiker”

In deutschen Medien dominiert aber weiterhin der chauvinistische Irrsinn. Caren Miosga meint in den Tagesthemen über Frankreich. „Das Land hat zu viele Akademiker“. Im folgenden Bericht wird den Franzosen zum Vorwurf gemacht, dass sie fast 85 Prozent ihrer Schüler erst zum Abitur führen und dann zur Uni schicken, wo sie einen Abschluss machen, mit dem sie nichts anfangen können. Stattdessen sollten sie einen ordentlichen Handwerksberuf zum Beispiel in einer Pariser Metzgerei erlernen. Da schwingt wenig Analyse und viel Boshaftigkeit mit, die beim Zuschauer offenbar den Kurzschluss auslösen soll, dass die so oft kritisierte Bildungsselektion im Land der Dichter und Denker doch nicht so schlecht sein könne, wenn halb Europa dem deutschen Vorbild in Sachen Ausbildung folgen soll.

Von einem Monatsgehalt in Höhe von 2500 Euro, die ein Metzger in Paris als Berufseinsteiger verdienen soll (das wirkt beeindruckend, wenn man die Lebenshaltungskosten nicht kennt), können deutsche Azubis aber nur träumen. Hierzulande hat eine Fleischindustrie das Sagen, die sich auf Grundlage bestehender Arbeitsmarktgesetze Lohnsklaven aus Osteuropa halten kann. In anderen Branchen läuft es ähnlich. Der Fachkräftemangel in Deutschland korrespondiert mit einem Mangel an Lohnfairness auf Seiten der Arbeitgeber, für die sich günstige Gesetzeslagen und notleidende Menschen aus dem europäischen Süden betriebswirtschaftlich durchaus rechnen dürften.

Denn, so die Bundesarbeitsministerin, die Jugend des Südens solle im Idealfall in den Genuss eines dualen Ausbildungsmodells kommen, um zu jenen Fachkräften heranzureifen, die die Wirtschaft braucht. Da hat die Fachkraft für Selbstinszenierung in Merkels Horrorkabinett den richtigen Blickwinkel offenbart. Die Wirtschaft soll nicht den Menschen dienen, sondern die Menschen für die Wirtschaft ökonomisch verwertbar sein. Den Rest macht die Kosmetik in der Statistik unsichtbar.

9

Unerträgliche Begleitmusik

Geschrieben von:

Gestern noch haben die deutschen Musterschüler selbst nur müde über die Vorschläge aus Brüssel lachen können. Nun regen sich dieselben Fuzzis, die keinen Funken Verstand in der Birne haben, über die Reaktion des französischen Präsidenten auf, der sich eine Einmischung der EU-Kommission in innere Angelegenheiten verbat. Das ganze Theater überschattet den Paris-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, schreiben die Medien. Wohl mit Bedacht, damit es nicht so auffällt, wenn die Bleierne mal wieder mit leeren Händen nach Hause kommt.

Die Reise von Merkel ist ja gestern mit der Schlagzeile “Nächste Schritte bei der Lösung der Eurokrise” verknüpft worden. Das klingt nach Substanz. Doch in Wirklichkeit dient der Arbeitsbesuch nur als Vorbereitung für einen weiteren belanglosen Gipfel, dessen Ergebnis wir ja schon heute kennen. Deshalb rülpsen Merkels Claqueure aus der Fraktion vorsorglich ein paar unflätige Bemerkungen über den Schlagbaum nach Westen. Jeder Fraktionsvizekasperkopf darf mal ran. Michael Fuchs ätzt etwa: „Wenn ein Land in der EU und der Euro-Zone glaubt, sich nicht an Verabredungen halten zu müssen, ist dies besorgniserregend.“

Na klar. Nicht jedes Land ist aber auch so dreist wie Deutschland und ändert mal eben die Regeln zu seinen Gunsten. Wie war denn das noch mit dem “Sixpack”, das der deutsche Finanzminister als sogenannte Verabredung auf EU-Ebene durchsetzte? Demnach sind Handelsbilanzdefizite ab 4 Prozent des BIP strafbar, Überschüsse aber erst ab 6 Prozent des BIP, was Deutschland in unerhörter Weise zugute kommt. Vielmehr muss es doch besorgniserregend stimmen, dass das deutsche Therapierezept einer brutalen Kürzung staatlicher Ausgaben nirgendwo funktioniert. Und weil der Mist  in Serie scheitert und jene Wirtschaften schädigt, von denen die deutsche schmarotzend lebt, steigt nun auch die Arbeitslosigkeit bei uns immer weiter an.

Doch statt Einsicht kommen so Sätze, wie vom zweiten Vizekasperkopf in der Fraktion der CDU, Michael Meister. „Die EU-Kommission hat Nachsicht mit Frankreich beim Haushaltsdefizit gehabt und wird dennoch von Hollande kritisiert. Die EU-Kommission hat die Rolle, über die Einhaltung der Maastricht-Verträge zu wachen. Frankreich hält die Verträge nicht ein.“ Das sagen die Richtigen, die die Eurozone bisher als Selbstbedienungsladen begriffen haben und nun damit zurecht kommen müssen, dass ihr einseitig betriebenes Exportmodell mit allen negativen Folgen einen Totalschaden erlitten hat.  

Hollande soll gefälligst den Schröder machen und Reformen durchsetzen, anstatt Brüssel zu kritisieren, das, wenn man die Reaktionen so liest, offenbar schon zu Berlin gehört. Die Zurückweisung der Brüsseler Empfehlungen an Frankreich nehmen die Deutschen sonderbar persönlich. In Wirklichkeit ist Berlin aber isoliert und steht ohne Lösung für die vertrackte Situation da. Denn klar ist, dass die Reformen nach deutschen Vorbild nicht wirken, solange es keinen Dummen gibt, der die Überschüsse finanzieren will. 

Die politische Debatte läuft längst in eine andere Richtung und an jenen vorbei, die den Wettbewerb als Wettkampf der Nationen missverstehen. Je klarer das Scheitern von Merkel in der Eurokrise wird, desto schriller und chauvinistischer fallen die Reaktionen von deutscher Seite aus. Diese schlechte Tradition haben die Deutschen erneut entdeckt, nachdem sie sich mal wieder zu Opfern erklärten.

6

Gedämpfte Erwartungen

Geschrieben von:

An diesem Wochenende hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mal wieder Erwartungen gedämpft. Und dämpfen kann sie gut, denn in der Küche kennt sie sich aus, wie wir aus der Brigitte wissen (O-Ton: “Wenn ich im Kochtopf rühre, denke ich nicht jede Sekunde: Die Kanzlerin rührt im Kochtopf.”). Na ja wenn es anschließend schmeckt und der Ehemann auch von selbst mal etwas sagt, ist die Welt wohl in Ordnung. Politisch rührt Merkel allerdings so manchen Blödsinn an. So auch bei ihren gedämpften Aussichten den bevorstehenden Demografiegipfel der Bundesregierung am Dienstag betreffend.

Neun Arbeitsgruppen beraten da seit Herbst vergangenen Jahres über eine Strategie beim Thema Alterung der Gesellschaft. Ergebnis: Die Diskussion komme gut voran, aber:

Der Wandel habe „gewaltige Auswirkungen“, sagte die Kanzlerin. „Denn es geht nicht einfach nur darum, dass wir im Durchschnitt älter werden, sondern wir werden in Deutschland auch weniger werden, wir werden vielfältiger werden.“ Es handle sich um einen Wandel, „den wir in unserer Gesellschaft begleiten müssen“.

Quelle: stern.de

So gewaltig scheint der Wandel aber dann doch nicht zu sein, angesichts der konstanten Bevölkerungszunahme, die seit dem Jahr 2011 aufgrund steter Einwanderung zu verzeichnen ist.

Quelle: destatis

Die demografische Katastrophe scheint auszufallen, auch weil eine andere Katastrophe, ausgelöst von Angela Merkel, ihre Wirkung nicht verfehlt. Die schreckliche Krisenpolitik hat offenbar eine Wanderungsbewegung von Süd- nach Nordeuropa in Gang gesetzt. Damit konnten seinerzeit die Demografiepäpste um Meinhard Miegel und Bernd Raffelhüschen natürlich nicht rechnen, als sie im Auftrag der Versicherungswirtschaft das große Bevölkerungssterben bis 2060 voraussahen und der Politik erfolgreich empfahlen, allerhand Dämpfungsfaktoren in die gesetzliche Rentenversicherung einzubauen.

Noch immer rechnen alle Beteiligten mit der absurden Studie, wonach ein Fünftel der Deutschen ersatzlos verschwunden sein wird. Doch die aktuelle Zunahme der Bevölkerung widerspricht der Annahme und sogar eine Erholung der Rücklagen in der Rentenkasse wie zuletzt, führt nicht dazu, den bereits eingeschlagenen Irrweg (Rentenkürzung) zu verlassen. Es wird im Gegenteil munter weiter an der Zerstörung (Beitragssatzstabilität) einer funktionierenden Sozialversicherung gearbeitet.

In diesem Zusammenhang müsste man auch mit dem Märchen aufräumen, dass die Menschen immer älter würden. Das weiß man doch erst, wenn sie tot sind. Die Tatsache, dass viele Menschen aus den Jahrgängen 1920 bis 1940 heute noch leben, sagt nichts darüber aus, dass Menschen der Jahrgänge 1970 bis 2013 ähnlich lange oder noch länger leben werden. Vielmehr müsste man sich doch die Frage stellen, in wie weit sich unschöne Dinge wie Zuzahlungen, um sich den medizinischen Fortschritt leisten zu können oder die Interessen der Pharmaindustrie, die immer neue Pillen für neue Krankheiten oder umgekehrt erfindet, die Aussicht auf Altersarmut, Lebensmittelskandale, Bewegungsmangel, Umwelteinflüsse und der Verlust sozialer Standards auf die Lebenserwartung auswirken.

Doch auch über diese spannenden Fragen diskutiert der Demografiegipfel nicht. Mal sehen wie lange hinter verschlossen Türen gedämpft wird. Von der Kanzlerin wissen wir ja, dass sie kamelartige Fähigkeiten besitzt und schon mal eine Nacht durchmachen und am Morgen danach trotzdem fit ihre Hände zur Raute zusammenfalten kann.

0

Marktkonform heißt Kontrolle über andere

Geschrieben von:

Angela Merkel wolle doch nur die Kontrolle über andere Länder Europas erreichen. So plump und offen wird in den Nachrichten schon die Zielsetzung beschrieben, mit der die deutsche Regierung heute und morgen auf dem  Brüsseler Gipfel erneut in die Gespräche mit vermeintlichen europäischen Partnern gehen möchte. Natürlich bringt man noch den Zusatz, dass es im Gegenzug ja Geld für die Tilgung von Schulden und für Investitionen gebe. Das sei halt der Preis für die Solidarität derer, die mit den Schulden der anderen eigentlich nicht solidarisch sein wollen und nach ihrem Selbstverständnis auch nicht sein müssen.

Solange sie lebe, werde es keine Eurobonds geben, soll Merkel gesagt haben. Das heißt übersetzt: Sie werden natürlich anders heißen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundeskanzlerin an Selbstmord denkt. Selbst in der merkelschen Wunderwaffe gegen die Finanzkrise, nämlich dem ESM, stecken defacto Eurobonds oder eine Vergemeinschaftung von Schulden, wie es immer heißt. Der Fonds darf, wie sein Vorgänger EFSF übrigens auch, Staatsanleihen der Euroländer aufkaufen zu Zinsen, die sich logischerweise unterhalb der marktüblichen Aufschläge bewegen.

Die Vergemeinschaftung von Schulden soll ja auch nicht verhindert werden – das ist doch bloß Theater, mit dem die Öffentlichkeit beschäftigt, abgelenkt und an der Nase herumgeführt wird –, sondern weitreichende Kontroll- und Eingriffsrechte in die nationalen Ökonomien unter Ausschaltung von Demokratie und Souveränität durchgesetzt werden.

Merkel denkt da stringent unternehmerisch. Denn wer eine marktkonforme Demokratie will, muss zwangsläufig ein System der Marktbeherrschung etablieren, um sich den eigenen Wettbewerbsvorteil auch in Zukunft sichern zu können. Das deutsche Exportmodell ist am Ende. Merkel weiß das. Nur eine brutale Anpassung der Europeripherie nach unten und wohlmöglich die Idee, dort eine verlängerte Werkbank zentraleuropäischer Wirtschaftsinteressen einrichten zu können mit einem Heer aus billigen, rechtlosen, in ihrer Existenz bedrohten und daher willigen Arbeitskräften, vermag den Verfechtern des deutschen Prinzips zu Wirtschaften noch eine Überlebenschance suggerieren.

Um das zu erreichen, wird Merkel nicht ihr Leben hergeben, wohl aber Schritt für Schritt, so wie es ihre Art ist, über Leichen gehen.

3

Merkel bringt Regierungserklärung über Deutschlands Zukunft als kostenpflichtiges Buch heraus

Geschrieben von:

Normalerweise bringen Regierungschefs eigene Bücher erst nach Beendigung ihrer Amtszeit heraus, um ihre Erfahrungen mit dem Umgang der Macht einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Da ein Ende der Regierungszeit Merkels in den nächsten 50 Jahren unwahrscheinlich ist, kommt am Dienstag, dem 3. Juli das Ergebnis ihres “Zukunftsdialoges” gebunden und mit Schutzumschlag auf den Markt. Nicht weniger als über Deutschlands Zukunft will Merkel in dem Buch informieren. Dabei gehören solche Erkenntnisse, die aus einem Dialog mit Bürgern und Experten gewonnen werden, meiner Meinung nach in eine Regierungserklärung und nicht in ein Buch, dass der Bürger für üppige 20 Euro kaufen soll.

Das ist viel Geld für die Niederschrift eines durch und durch gescheiterten Projektes der Bundesregierung, an dem nun ein Verlag und wohlmöglich die Herausgeberin selbst noch etwas verdienen will.

In enger Abstimmung mit der Kanzlerin habe der von ebendieser beauftragte “Journalist” Christoph Schlegel Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Gesprächen mit Bürgern sowie Beratungen mit Experten festgehalten. Wer könnte daran ein Interesse haben, zumal gerade eben Bundesfinanzminister Schäuble die Zukunft Deutschlands mit einem Referendum über eine neue Verfassung, verbunden mit einer weiteren Abgabe nationaler Souveränität auf neu zu schaffende europäische Institutionen klar umrissen hat.

Aus seiner Sicht seien die Grenzen des Grundgesetzes erreicht. Das darf einer sagen, der natürlich nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, aber als Mitglied der Bundesregierung sicherlich der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin zu folgen hat. Wenn die nun aber ein Jahr lang einen Dialog mit den Bürgern des Landes über die Zukunft Deutschlands führt, um dann wohlmöglich die Umsetzung von Ideen europäischen Institutionen zu überlassen, stellt sich unweigerlich die Frage nach der Betrugsabsicht.

Es kommt viel zusammen. Der Euro-Spielplan sieht es bereits vor: Am Donnerstag Halbfinale mit deutscher Beteiligung und Start des EU-Gipfels in Brüssel, am Freitag Verabschiedung des Fiskalpaktes mit 2/3 Mehrheit (plus ESM) im Bundestag und Bundesrat. Anschließend wird beim EU-Gipfel über Schäubles Zukunftspläne zur Beseitigung der Ordnung beraten. Da der Bundes-Gauck die Gesetze zum Fiskalpakt und ESM nicht so zügig, wie vom Verfassungsorgan “Merkel” gefordert, unterzeichnen wird, findet das Inkrafttreten am 1. Juli, dem Tag des Endspiels um die Europameisterschaft, vorerst nicht statt.

Falls noch jemand Zweifel an der Zukunftsplanung unserer Bundesregierung (mit möglichst wenig Bürgerbeteiligung) hat, braucht nur Wolfgang Schäuble zitieren, ein lupenreiner Demokrat mit hehren Absichten.

Zur verstärkten EU-Integration gibt es aus Sicht Schäubles keine Alternative. Bei einem Auseinanderbrechen des Euro – wovon er nicht ausgehe – bestehe die Gefahr, dass Vieles infrage gestellt werde, vom EU-Binnenmarkt bis zur Reisefreiheit. Ein Auseinanderbrechen der EU in einer Zeit, in der die Welt enger zusammenrücke, wäre absurd: „Das kann, darf und wird nicht sein.“

0

By this point, there should be no debate

Geschrieben von:

In diesem Punkt sollte es keine Diskussion geben, meint die New York Times nach dem mal wieder ergebnislos verlaufenden EU-Sondergipfel in dieser Woche und zielt damit auf eine Tatsache ab, die man in hiesigen Gazetten vergebens sucht.

„By this point, there should be no debate: Austerity has been a failure, shrinking economies and making it ever harder for indebted countries to repay their debts. The political costs are also rising.“

Ganz nüchtern analysieren die Amerikaner die Lage in Europa. Die Politik der brutalen Sparsamkeit, die Angela Merkel noch einmal in Brüssel verteidigte, obwohl sie nach der Wahl Hollandes Kompromissbereitschaft zu signalisieren schien, ist gescheitert. Die Austeritätsprogramme zerstören die Volkswirtschaften und machen es den betroffenen Staaten schwerer, ihre Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Und dann kommt der wichtigste Satz. Das gesamte Rettungsmanöver mit der Sparpolitik als Dreh- und Angelpunkt treibt die Kosten immer weiter in die Höhe.

Aus dieser Perspektive wird das in Europa und vor allem in Deutschland aber gar nicht betrachtet, weil man felsenfest davon überzeugt ist, dass nicht die Kanzlerin und ihr absurdes Krisenmanagement Schuld an der Misere sind, sondern die betroffenen Länder selber, die die verordneten Kürzungen nicht richtig umsetzen würden. Es wird ja bereits an der Legende gestrickt, wonach die Krisenstaaten ihren mangelnden Willen zum Sparen dadurch zum Ausdruck brächten, indem sie andere Parteien wählen, als die, die seit zwei Jahren die brutalen Sparauflagen der Troika exekutiert haben.

Gleichzeitig weist die Times darauf hin, dass nicht nur die Linke in Griechenland hinzugewonnen hat, sondern auch eine nationalistische und militant auftretende rechtsextreme Partei, die zu ignorieren sich eigentlich keine europäische Regierung leisten dürfe.

“In parliamentary elections earlier this month, Greece’s voters rejected candidates from the two major political parties that had agreed to a German-dictated “rescue” package, and the country has been unable to form a government since. In that vote, the far-right party, Golden Dawn, whose xenophobic members perform Nazi salutes, did frighteningly well — a warning that no responsible political leader in Europe can afford to ignore.”

Zu Beginn des Beitrags in der New York Times heißt es resignierend: “They blew it, again.” Sie haben es wieder vergeigt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

3

Krisengipfel: Immer dieselben dämlichen Fragen

Geschrieben von:

Vor dem neuerlichen EU-Sondergipfeltreffen in Brüssel hat Bundesfinanzminister Schäuble noch einmal betont, an den Spardiktaten festhalten und gemeinsamen Staatsanleihen eine Absage erteilen zu wollen. Die griechische Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig und müsse daher tiefgreifende Einschnitte und Reformen akzeptieren, so Schäuble. Ich wundere mich immer wieder, dass Moderatoren und Journalisten nicht einmal die Frage stellen, wo denn die Erfolge der seit Jahren andauernden Reform- und Sparpolitik in Griechenland zu beobachten seien. Es ist doch das Gegenteil von dem eingetreten, was Schäuble permanent predigt.

Trotz aller Bemühungen und des Verzichts hat sich die Krise verschlimmert und der Schuldenstand erhöht. Als objektiver Berichterstatter muss man doch zu dem Ergebnis kommen, dass die Rettungspolitik der Troika krachend gescheitert ist, zumindest mit Blick auf Griechenland. Der Finanzsektor kann sich ja nach wie vor über eine Absicherung seiner Risiken freuen.

Gleichzeitig streut die Bundesregierung mit ihrer Haltung der deutschen Öffentlichkeit Sand in die Augen. Wachstum durch Strukturreformen ist ein hanebüchener Unsinn und trotzdem fallen reihenweise Redakteure darauf herein. Strukturreformen heißen doch übersetzt Kürzungen bei den Löhnen und Sozialleistungen. Wie soll das aber, zumal die Kanzlerin ja auch kein Geld für Konjunkturprogramme ausgeben will, zu Wachstum führen. Werden die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien mit weniger Geld in der Tasche etwa mehr konsumieren?

Ich begreife einfach nicht, warum Volkswirte und Journalisten immer denselben dämlichen Fragen nachgehen wie die, ob Eurobonds der richtige oder falsche Weg aus der Krise sind. Viel wichtiger ist doch die Frage, warum die Bundesregierung mit der Bemerkung, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wäre verkraftbar, die Spekulationen gegen das Land fahrlässig wieder anheizt und die Krise damit insgesamt verschärft.

Könnte man nicht auch einfach kriminelles Kalkül unterstellen, wenn Schäuble am Wochenende mit seinem Statement über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone den Grundstein dafür gelegt hat, um heute eine Bundesanleihe von über vier Milliarden am Kapitalmarkt zu platzieren, für die der deutsche Finanzminister keine Zinsen mehr zahlen muss?  

Deutschland profitiert von der Krise. Kann es deshalb ein Interesse an einer schnellen Lösung haben? Die Diskussion um eine Pleite Griechenlands macht deutsche Staatsanleihen immer beliebter, so dass Anleger sogar noch Geld drauflegen, damit sie ihr Kapital an den deutschen Finanzminister verleihen dürfen. Gleichzeitig hat die deutsche Wirtschaft nach einer Meldung des statistischen Bundesamtes im Jahr 2011 den bestehenden Exportüberschuss noch einmal auf 158,1 Mrd. Euro steigern können.

Doch was heißt das? Die richtigen Strukturreformen müsste eigentlich Deutschland vornehmen, das mit seinen wieder zunehmenden hohen Bilanzüberschüssen die Stabilität der gesamten Eurozone gefährdet. Doch über die Überschüsse redet man auf dem Sondergipfel nicht, sie gehören schließlich zum Qualitätsnachweis des selbsternannten Musterschülers, der solange wie möglich von der Krise profitieren will. Die nächste Bundestagswahl rückt schließlich auch immer näher.

Apropos Wahlen. Die Griechen dürfen bald wieder ran, weil der letzte Urnengang keine “stabilen Verhältnisse” zu Stande brachte. Unter “stabilen Verhältnissen” versteht Herr Schäuble zum Beispiel eine Regierung aus jenen Parteien, die der griechischen Bevölkerung über Jahre hinweg den Schlamassel erst eingebrockt haben.   

1
Seite 7 von 12 «...56789...»