Mit unsinniger Argumentation gegen Eurobonds

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Im Zuge des deutsch-französischen Gipfels ist die Diskussion um Eurobonds erneut aufgeflammt. Gestern hörte ich die absurde Kritik, dass Eurobonds deshalb nicht eingeführt werden können, weil damit auch eine Abgabe staatlicher Souveränität verbunden sei. Wenn es nämlich gemeinsame Anleihen gäbe, müssten die einzelnen Staaten auch auf ihr Budgetrecht verzichten, hieß es. Wieso? Haben etwa die Länderparlamente in Deutschland ihr Haushaltsrecht an Herrn Schäuble auch abgetreten?

Niedrigere Zinsen würden unterm Strich dazu führen, dass gute Schuldner die Lasten der schlechten Schuldner zu tragen hätten und zudem kein Anreiz mehr bestünde, im Haushalt zu sparen.

Lustig an dieser Argumentation ist ja, dass man behauptet, Deutschland sei ein guter Schuldner, weil die Zinsen, die man auf neue Kredite zahlen muss, niedriger sind, als an anderer Stelle in Europa. Nun hat aber auch Deutschland wie alle anderen Banken gerettet und die kostspieligen Rettungsschirme in den Haushalt einstellen müssen. Deutschland ist mit über 80 Prozent vom BIP verschuldet. Soll das nun ein guter Schuldner bzw. Haushälter sein? In der Europäischen Union war einmal eine Schuldenobergrenze von maximal 60 Prozent des BIP vorgesehen. Nun haben wir aber die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.

Ist irgendjemanden schon mal aufgefallen, dass die Verschuldung trotz dieser absurden Bremse zunimmt? Wie kann man nun dieses offenkundige Bremsversagen in den Stand einer Reform erheben, die beispielhaft für andere Eurozonenländer sein soll? Frau Merkel möchte gern, dass alle anderen die deutsche Schuldenbremse in ihre Verfassungen aufnehmen und fortan genauso gute Bremseigenschaften aufweisen wie die Deutschen.  

Noch absurder wird es, wenn man sich einen sog. schlechten Schuldner wie Portugal anschaut. Der ist nämlich mit etwa genauso viel vom BIP (83 Prozent) verschuldet wie der deutsche Musterknabe. Trotzdem gilt er nach aktueller Lesart als schlechter Schuldner, weil die Finanzmärkte ihm nicht mehr vertrauen und mit hohen Zinsaufschlägen bestrafen. Wenn sie nun noch den Spitzenreiter Japan mit einer Staatsverschuldung von über 220 Prozent vom BIP hinzunehmen und feststellen, dass die Zinsen auf Anleihen niedriger sind, als die des deutschen Musterknaben, wird es langsam kriminell für den Hobbyanalysten.

Denn jetzt muss er sich was ausdenken, wie er die Zinsunterschiede erklären kann. Die Mühe erspare ich mich mir jetzt aber und sage einfach mal, dass die Höhe der Staatsschulden völlig Wurscht ist. Für den Finanzmarkt spielt es augenscheinlich keine Rolle, wie hoch ein Staat verschuldet ist. Selbst die eingebildete Macht der Ratingagenturen scheitert, wie am Beispiel der USA (übrigens bei knapp 100 Prozent vom BIP verschuldet) zu sehen ist, an den monetären Wirklichkeiten.

Warum sollte also eine gemeinsame Euroanleihe für die Deutschen teurer werden? Welche Optionen hätte denn das Kapital, um einen höheren Preis zu verlangen? Die Europäer sind insgesamt mit etwa sieben Billionen Euro verschuldet, die Amerikaner mit 14 Billionen US Dollar (10 Billionen Euro) und die Japaner mit umgerechnet knapp 10 Billionen US Dollar (7 Billionen Euro). Die Euroanleihe wäre also in bester Gesellschaft, was das Volumen angeht. Das Bruttoinlandsprodukt des Euroraumes liegt mit dem der USA auf Augenhöhe, wäre also vergleichbar.

Warum sollten höhere Zinsen für Euroanleihen verlangt werden dürfen, wenn sich neben den USA ein zweiter Währungshafen mit hoher Liquidität und Leistungskraft anböte? Die logische Annahme wäre doch die, dass die Nachfrage nach solchen sicheren Bonds zunehmen würde. Die Folge wäre dann aber eben nicht steigende sondern fallende Zinsen, die das derzeitige Niveau bei Bundesanleihen noch unterschreiten könnte, egal was Ratingagenturen sagen. Gleichzeitig fiele der Raum für Spekulationen weg, der ja nur deshalb existiert, weil es erstens keine Regeln auf den Finanzmärkten gibt und zweitens jedes Land der Eurozone seine eigenen Bonds herausgibt, die dann als Spekulationsobjekt ins Visier genommen werden.

Eurobonds wären eine Möglichkeit, die Refinanzierung von Staaten sicherzustellen. Die wachsende Verschuldung, die einige befürchten, ist dabei das geringste Problem. Sie ist doch nicht entscheidend, ob eine Volkswirtschaft funktioniert oder nicht. Was hindert denn die Haushälter daran, jene gesellschaftlichen Kräfte zur Finanzierung das Defizits heranzuziehen, derentwegen man die Staatsschuld erst in die Höhe trieb, um die systemrelevanten Spieleinsätze zu retten, die sich während des Platzens der Immobilienblase in Luft auflösten? 

Es kommt doch nicht auf den ausgeglichenen Haushalt an, sondern auf eine ausgeglichene Handelsbilanz. Wenn ein Land pausenlos Überschüsse ansammelt und sich auf Kosten der anderen Mitglieder in der Währungsunion per Lohndumping Wettbewerbsvorteile erschleicht, die es dann in der Krise auch nicht mehr hergeben will, führt das unweigerlich zu einem Dauerfinanzierungsproblem mit einer Transferunion als unausweichlicher Konsequenz. Die Frage nach dem guten oder schlechten Schuldner ist somit völlig am Thema vorbei. Aus handelspolitischer Sicht ist Deutschland ein Nettogläubiger, der unter Beibehaltung seines bisherigen Verständnisses von Ökonomie auf seinen Papierforderungen wird sitzen bleiben müssen.

Grundsätzlich dürfte allen Beteiligten dieser Zusammenhang klar sein. Das Problem ist nur, dass sich mit der Krise ein prima Geschäft machen lässt. Selbst wenn alle zu der Einsicht kämen, dass etwas grundsätzlich schief laufe und der große Zusammenbruch drohe, falls man so weiter mache wie bisher, sie würden ihr Handeln nicht ändern. Und zwar deshalb nicht, weil sie wissen, dass ein anderer an ihre Stelle treten würde, um dann den Profit zu kassieren, der sich mit dem Niedergang realisieren lässt.

Es ist also nicht nur eine Krise des politischen Handelns, sondern auch eine Krise des Systems, das aus sich selbst heraus den Niedergang produziert. Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht aufhalten könnte. Denn dagegen stehen die Erfahrungen von so vielen Krisen.

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Eurokrise: Merkels ratlose Irrfahrt geht weiter

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Die Presse feiert heute morgen Merkels und Sarkozys klares Zeichen, das da lautet, eine Schuldenobergrenze für alle einzuführen. Da ich keine Zeit habe, mich ausführlich damit zu befassen, will ich nur eins sagen. Eine solche Schuldenobergrenze gibt es mit den Maastricht-Kriterien, die auch Bestandteil des EU-Vertrages sind, schon längst. Demnach darf der staatliche Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent und die Nettoneuverschuldung nicht mehr als drei Prozent des BIP betragen. Und?

Was wollen Merkel und Sarkozy nun tun? Den Staaten ein Ausgabestopp auferlegen? Die Haushaltsfixierung ist wirklich keine Lösung. Des weiteren wird in der Presse die Tatsache gefeiert, dass Merkel mit Blick auf Eurobonds nicht eingeknickt sei. Auch da sollte man daran erinnern, dass die Einführung eben dieser Bonds, zwar im kleineren Rahmen, auf dem letzten Gipfel vor ein paar Wochen beschlossen wurde. Der EFSF (Europäische Rettungsfonds) soll künftig Anleihen aller Krisenstaaten zu einem moderaten Zinssatz von 3,5 Prozent kaufen dürfen.

All das scheint schon wieder vergessen zu sein. Es ist seltsam, wie unkritisch deutsche Medien die Kanzlerin feiern… 

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Merkel will zurück ans Steuer

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Der @RegSprecher verkündete heute Erhellendes:

BKin Merkel spricht am 16.8. in Paris mit Präs. Sarkozy über Stärkung der wirtschaftspol. Steuerung der Eurozone. http://t.co/CYNwhtZ (BPA)

Quelle: Twitter

Frau Merkel beendet ihren Urlaub, um sofort nach Frankreich zu eilen. Dort will sie mit Präsident Sarkozy in der nächsten Woche über eine Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung der Eurozone sprechen. So kann man die allgemeine Ratlosigkeit des Traumpaares der Finanzkrise auch umschreiben. Die Lady Di der Eurozone, denn keine rettet die gemeinsame Währung so konsequent und beinahe im Wochentakt, wie Angela Merkel. Man kann nur hoffen, dass der Benz, in den Merkel und Sarkozy einsteigen werden, keine Schuldenbremse hat. Denn dann sieht es düster aus.

Aber was rede ich, Merkel und Sarkozy müssen nicht mal einsteigen, um in den Tunnel zu steuern. Mir scheint, der Pfeiler kommt von ganz allein zu ihnen.

Denn das Problem wird nicht erfasst. Die Achterbahnfahrt an den Börsen, die Angst vor immer weiter steigenden Schulden und natürlich vor der Inflation, die nun endlich einmal kommen muss, nachdem sie der große Steinbrück schon vor zwei Jahren erkannt haben will, dagegen wollen die beiden Euroretter kämpfen. Und zwar mit Sparprogrammen für die Volkswirtschaften, in denen die meisten Menschen nicht mal mehr so viel verdienen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können und mit Rettungsschirmen für die Banken, unter denen sich für Wenige, die für ihren Lebensunterhalt ohnehin nicht arbeiten müssen, noch mehr Reichtum ansammelt.

Wenn Frau Merkel eine Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung der Eurozone ankündigt, heißt das vielleicht ein bisschen mehr Sparen für die Börse. Denn die Kurse müssen wieder steigen. Auch wenn dafür mehr Spielgeld und öffentliches Eigentum zur Verfügung gestellt werden muss. Hauptsache die Märkte schenken uns ihr Vertrauen. Geht es den Märkten gut, geht es auch der Wirtschaft gut, so die simple Rechnung der Diplom-Physikerin. Dabei hat die Wirtschaft nix von den Märkten, sondern nur etwas von der Nachfrage und die fehlt inzwischen an allen Ecken und Enden.

Während die Politik meint, mit dem privaten Konsum sei alles in bester Ordnung, da die Menschen ja immer häufiger beschäftigt und immer weniger arbeitslos gemeldet seien, sehen die Märkte das in der Tat sehr viel klarer. Sie glauben das Märchen vom Aufschwung nämlich nicht und lassen eine Blase nach der anderen zerplatzen. Nur Staatsanleihen sind derzeit wieder sehr begehrt, vor allem US-amerikanische Papiere mit einem abgewerteten AA+ Rating. Seltsam oder? Nein, überhaupt nicht, meint Heiner Flassbeck. Überall fielen die Realeinkommen und die Nachfrage stagniere, so der Ökonom in der FTD. Es gebe ein klar erkennbares Krisenszenario.

Da es für diese drei großen Wirtschaftsräume kein Exportventil auf dieser Welt gibt, das sie erlösen könnte, führen stagnierende private Nachfrage und schrumpfende öffentliche Nachfrage wegen staatlicher Konsolidierungsversuche zu einem Krisenszenario, auf das aufgeblasene Finanzmärkte nur mit neuer Krise reagieren können. Was als „Aufschwung“ an den Finanzmärkten 2009 begann, hätte von einem realen Aufschwung unterlegt sein müssen, um dauerhaft Werte zu schaffen. Diesen aber gab es nicht, weil nach der ersten Anregung durch die Finanz- und Geldpolitik die private Nachfrage das Wachstum hätte antreiben müssen. In einer Welt, in der in den wichtigsten Wirtschaftsräumen der durchschnittliche Verbraucher keine positiven Einkommenserwartungen hat, kann das nicht funktionieren.

Quelle: FTD

Entweder retten wir das Vertrauen der Märkte um den Preis einer Deflation oder aber wir retten Volkswirtschaften und die Einkommen von Menschen, die eine reale Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen erzeugen. Dafür müsste man allerdings die aufgeblasenen und ineffizienten Märkte opfern und natürlich auch ein paar Analysten sowie die ARD-Börsenredaktion, die in Waren, Dienstleistungen und Rohstoffen nur ein Spekulationsobjekt sehen.

Letztlich geht es auch um die Frage, wer welche Aufgaben erledigen soll. Es ist sicherlich nicht sinnvoll, wenn wir der Deutschen Bank (aber auch anderen Finanzinstituten) gestatten, sich in einen großen Rohstoffhändler zu verwandeln, nur weil es ihr erlaubt ist, dem Markt Rohstoffe auch physisch zu entziehen und diese in eigenen Lagerhäusern zu bunkern bis die Verknappung des Angebots für höhere Marktpreise sorgt. Vielleicht wird die Deutsche Bank dann den Energieversorger RWE als einen der größten Empfänger von Agrarsubventionen ablösen.

Dann wäre die Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Eurozone mit Sicherheit vollendet und der Pfeiler bei den Krisenrettern Merkel und Sarkozy endlich angekommen. Der Benz dürfte unterdessen schon in Flammen aufgegangen sein.

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Kurz zum Sondergipfel mit Merkel und Sarkozy

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Vom Eurosondergipfel ist zu hören, wie sich Merkel und Sarkozy den nächsten Rettungsschritt für Griechenland vorstellen. Bemerkenswert ist natürlich die Entscheidung, die Zinsen für Kredithilfen im Rahmen des Europäischen Rettungsschirms (EFSF) zu senken, möglicherweise um einen Prozentpunkt auf 3,5 Prozent. Dieser Zinssatz soll dann auch für Portugal und Irland gelten. Die Laufzeit der bereits durch den Fonds gekauften Anleihen soll von bisher 7,5 auf mindestens 15 und maximal 30 Jahre verlängert werden. Was unterscheidet diese Art der Kreditvergabe nun von den Eurobonds, die Angela Merkel immer so kategorisch ausgeschlossen hat?

Wer nach Eurobonds, einer Umschuldung oder einer Transferunion rufe, handele unverantwortlich, ließ Merkel gestern noch unnachgiebig verkünden. Nun gibt es von allem etwas. Es wird nur nicht beim Namen genannt, das ist der Trick.

Dass Merkel die freiwillige private Gläubigerbeteiligung durchgesetzt hat, wird morgen sicher landauf, landab gefeiert werden. Nur erreicht ist damit nichts. Es trifft ja auch nicht die, die auf den Sekundärmärkten durch den Handel mit bereits ausgegebenen Staatsanleihen und Kreditausfallversicherungen fröhlich spekulieren und so im Verbund mit den Ratingagenturen die hohen Zinsen für neue Staatsanleihen erst provozieren, sondern diejenigen, die vor der Krise in griechische Staatsanleihen als sichere Anlage investiert hatten, also in der Regel Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Lebensversicherer.

Wieso, und das wird sicherlich wieder niemand fragen, wurde nicht über eine Finanztransaktionssteuer gesprochen, die der österreichische Bundeskanzler Faymann beim Gipfel eigentlich zum Thema machen wollte? Das wäre doch viel besser als eine private Gläubigerbeteiligung, weil es eben genau die kurzfristig und spekulativ orientierten Anleger treffen würde, anstatt die Käufer von Staatsanleihen (siehe Werner Schieder, MdB).

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Deutsch-Französisches Kamasutra oder Kopfkino am Morgen

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Der @RegSprecher, Steffen Seibert, beweist Humor und schreibt via Twitter:

Kanzlerin + Präs. #Sarkozy haben i. d. Nacht nach 7 Std. Beratungen gemeinsame dt.-frz. Position zu neuem Programm f. #Griechenland gefunden

Allerdings will keiner Wissen, wer von beiden nun oben oder unten gelegen hat. Einzelheiten wollte Seibert auch nicht preisgeben. Nur soviel, EZB-Chef Jean-Claude Trichet und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy seien mit ins Boot geholt oder, wenn man so will, zur nächtlichen Stellungssuche hinzugezogen worden. Soviel Kopfkino hält ja keiner aus. Bis heute Abend werden wir uns aber gedulden müssen. Erst dann soll beim Gipfeltreffen über das neue deutsch-französische Kamasutra gesprochen werden.

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Merkel ohne Sehnsucht

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“Ich bin mal liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ.”

So hat sich Angela Merkel selbst beschrieben, als sie einmal bei Anne Will nach ihrer politischen Handschrift gefragt wurde. Diese offen zur Schau getragene Beliebigkeit ist nichts im Vergleich zu ihrer nicht vorhandenen Haltung in der Eurofrage. Im Vorfeld des morgigen Krisengipfels, es dürfte inzwischen der Tausendste zum Thema sein, dämpft Merkel die Erwartungen wie folgt:

Nach einem Jahr Debatten über Griechenland gebe es „eine große Sehnsucht“ nach einem „großen abschließenden, einem einzigen großen Schritt – am besten spektakulär“, sagte Merkel. Diesen werde es aber nicht geben. Es gehe nun darum, „einen kontrollierten und beherrschten Prozess aufeinander folgender Schritte und Maßnahmen zu erzeugen“.

Quelle: AFP

Was will sie erzeugen? Ist das noch die Politik der kleinen Schritte, die bedeutungsschwanger auf die Schrödersche Politik der ruhigen Hand folgte? Große Schritte sind nicht ihr Ding, denn dafür müsste sie auch das Ziel klar vor Augen haben. Da ihre Strategie aber eher mit dem Satz beschrieben werden kann, mir nach, ich folge euch (Volker Pispers), hängt ihr Weg ganz entschieden davon ab, wohin sich die Masse, die des Aussitzens überdrüssig geworden ist, bewegt. Und die ist gar nicht so homogen, wie Merkel sich das wünscht.

Gerade mit Blick auf Griechenland stapeln sich inzwischen die Vorschläge zur Lösung der Finanzkrise und gelaufen wird in alle Richtungen. Von der sanften Umschuldung durch freiwilligen Anleihetausch über einen Rückkauf der Anleihen finanziert aus Mitteln des Rettungsfonds über einen Haircut also generellen Schuldenerlass bis hin zum Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone wird breit diskutiert. Auch Eurobonds sind noch im Gespräch. Da fällt es der Kanzlerin eben schwer, die alternativlose Lösung herauszuarbeiten, die ihr so sehr beliebt. Sie wolle mit Blick auf die oben genannten Vorschläge nicht nachgeben und das Problem von der Wurzel her behandeln.

Nun sprechen alle wieder davon, dass Merkel ihren Kurs beibehielte. Ja welchen bloß? Nachdem sie sich kurz mit dem amerikanischen Präsidenten am Telefon kurzschloss, trifft sie sich nun mit dem französischen Staatschef Sarkozy, um den Gipfel vorzubereiten, wie es aus Regierungskreisen nebulös hieß. Dabei soll die Marschroute festgelegt werden. Was könnte man dazu benötigen? Einen Zirkel vielleicht, mit dem Angela Merkel den Bewegungskreis aufzeichnen kann?

Auf jeden Fall wird es wieder viel zu Trinken geben. Es könnte ja auch sein, dass man den Sarkozy wie damals in Heiligendamm abfüllt und vor die Presse stellt, damit es etwas unterhaltsamer wird, optional böte sich natürlich auch ein Haircut bei einem der Teilnehmer an. Auf eine Wurzelbehandlung à la Merkel kann hingegen verzichtet werden.

Eine Merkel ohne Sehnsucht ist schon gut, aber eine Sehnsucht ohne Merkel wäre noch viel besser…

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Strahlende Zukunft

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Heute hat die Ethikkommission zur Zukunft der Atomkraft ihren Abschlussbericht vorgestellt. Perfektes Timing, denn dieser Bericht kommt unmittelbar nachdem die Bunderegierung in der Nacht ihre Entscheidung bezüglich der AKW-Laufzeiten ganz von allein getroffen und verkündet hat. Diesen Diskussionskreis mit Klaus Töpfer in der Rolle als Heiner Geißler hätte man sich also sparen können. Die Kanzlerin wusste das genau und dankte dem Gremium daher mit den Worten:

„Auf jeden Fall werden wir das als Ermutigung nehmen.“  

Quelle: Focus Online

Dabei hatte Angela Merkel die Ethikkommission extra ins Leben gerufen, um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiepolitik der Bundesregierung zu steigern, indem man demonstriere, dass man die Sorgen der Menschen ernst nehme und die Ergebnisse des offenen Gesprächs berücksichtigen werde. Natürlich war der Arbeitskreis mit völlig fachfremden Gestalten, zum Beispiel den Kirchenfuzzis, die eine Debatte wiederkäuen sollten, die schon längst geführt und gegessen war, nur ein wohldurchdachtes Ablenkungsmanöver.

Dennoch wirkt es wie ein Schlag ins Gesicht, dass Merkel die scheinheiligen Ergebnisse ihrer eigenen Kommission nur als Ermutigung verstehen will und derweil ihre atompolitische Irrfahrt im Verbund mit den Kraftwerksbetreibern weiter fortsetzt. Horst Seehofer durfte als Gegengewicht eine Nebelkerze werfen und verkünden, dass er für den Atomausstieg nach zehn Jahren kämpfen und die Suche nach einem neuen Endlager starten werde. Wahrscheinlich bis zur letzten Patrone…

Das alles ist durchschaubar und folgt der immer gleichen Dramaturgie. Tricksen, Täuschen, Tarnen. In Wirklichkeit wurde kein Ausstieg oder “Ausstieg mit Augenmaߔ, wie Frau Merkel sagen würde, beschlossen, sondern eine Garantie abgegeben, wonach Kernkraftwerke, die nach dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss bereits vor dem Aus standen, weiterbetrieben werden dürfen. Mindestens bis 2021. Die Übertragung von Reststrommengen macht’s wieder möglich.

Damit haben die AKW-Betreiber größtmögliche Planungssicherheit und zudem eine Option auf die totsichere“ “kalte Reserve”. Für mich das Unwort des Wochenendes und mit Sicherheit einem PR-Schwachhirn entsprungen.

Quelle: Klaus Stuttmann

Für Umweltminister Norbert Röttgen ist die Sache “konsistent, konsequent und klar – und deshalb gut.“ Zu diesem Quatsch meint Egon W. Kreutzer heute treffend:

Sehen Sie, wenn jemand konsistent beschließt, seine Unterwäsche nicht mehr täglich, sondern nur noch wöchentlich zu wechseln, dabei konsequent die auftretende Geruchsbelästigung als „reine Gewohnheitssache“ abtut und sich klar dazu bekennt, dann ist das ja auch nicht gut – nur weil 5 Tage besser wäre und 14 Tage schlechter, oder?

Was ist der Unterschied zwischen EHEC-Gurken und der schwarz-gelben Gurkentruppe? Beides verursacht Durchfall, letzteres zudem Brechreiz. Ist es eigentlich Zufall, dass über den Taifun an Japans Küste nichts berichtet wird? So wie es aussieht, bekommt Fukushima jetzt den Rest.

Storm suspends work at Japan Fukushima nuclear plant

The operator of Japan’s crippled nuclear plant has suspended some of its outdoor work due to a tropical storm, just days after it admitted it was not prepared for harsh weather.

Heavy rain and strong winds are hitting north-east Japan, which was devastated in the 11 March earthquake and tsunami.

There are fears that more radioactive material from the Fukushima plant could drain into the land and sea.

Japan’s Meteorological Agency has warned of mudslides and floods.

Typhoon Songda weakened to a tropical storm over south-west Japan late on Sunday, but strong winds and rain have continued to pound the north-east of the country.

Quelle: BBC News

Sei es drum. Übrigens. Gibt es auch einen Unterschied zwischen der Bundesregierung und der FIFA? Nein. Beide haben eine Ethikkommission und in beiden herrscht Korruption bis zum Anschlag.

Am Sonntag hatte die Fifa-Ethikkommission in Zürich zwei Vorständler des Fußball-Weltverbandes suspendiert. Am Montag weitete sich die Schlammschlacht um die Präsidentschaft aus und ließ die Frage aufkommen, ob beim Kongress am Mittwoch überhaupt gewählt werden könne – denn der suspendierte Topfunktionär Jack Warner bezichtigte Fifa-Chef Joseph Blatter der Bestechung.

Quelle: Süddeutsche

Gurkentruppe halt. Was kriegen eigentlich Merkel und Co. für ihre Energiewende, die ursprünglich und ebenfalls in nächtlicher Sitzung beschlossen als Revolution gefeiert wurde?

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Atomkraft voraus oder vorüber?

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So ganz ist nicht klar, welcher Kurs in dieser Frage anliegt. Von der Steuerfrau des sinkenden Schiffes hört man in der Sache nichts Neues, außer dass sie entschlossen abwartet und guckt, wohin die Reise geht.

Atomausstieg? So schnell wie möglich! Das ist das Credo der Kanzlerin. Doch Angela Merkel meidet eine konkrete Jahreszahl, wartet ab und gibt keine Führung vor.

Quelle: Spiegel Online

Wie sagte Volker Pispers einst so treffend? Sie sieht das Problem auf sich zukommen, guckt wie sie immer guckt, um dem Problem ein Gesicht zu geben und wartet ab, bis sich alle anderen in Bewegung setzen, weil sie das Warten auf eine gemeinsame Lösung leid sind. Die Richtung ist dabei völlig egal. Dann setzt sich die Kanzlerin an die Spitze der Bewegung mit dem Ruf, mir nach, ich folge euch.

Bei der Atomkraft läuft es ganz genauso ab.

„Jetzt geht es darum, dass wir nicht als erstes immer nur Bedenken äußern, sondern dass man einfach sagt: Wir wollen das schaffen.“

Dafür hat sie einen Arbeitskreis aus Kirchgängern und abgehalfterten Politikern gebildet – in der Fachsprache sagt man dazu Expertengruppe -, die völlig talentfrei und bar jeder Sachkenntnis die schon längst beantwortete Frage erörtern sollen, ob oder wie schnell ein Ausstieg aus der Atomkraft wirtschaftlich und gesellschaftlich möglich ist oder so ähnlich. Es spielt ja keine Rolle, denn wir alle suchen eine gemeinsame Lösung. Das muss reichen. Zuletzt suchte die Regentin Verwalterin Verweserin das Gespräch mit den Ministerpräsidenten und heraus kam ein Potpourri der Sprechblasen, die sich im Kern auf die Botschaft konzentrieren, dass Dinosaurier zwar aussterben werden, aber zuvor ziemlich lange auf der Erde überlebten, bis ihnen eine globale Katastrophe zum Verhängnis wurde.

Mit anderen Worten, alle wollen aussteigen, aber nicht sofort. Die einen tun nur so, als würden sie schneller aussteigen wollen und die anderen tun so, als bräche die Katastrophe in Form höherer Strompreise gerade durch einen schnellen Ausstieg über uns herein.

Ich warte nur noch auf den PR-Slogan: „Mit Atomkraft steigt ihr Strompreis langsamer!“

Und was sagt eigentlich die FDP dazu?

Längst suchen die anderen Parteien die florierende Kostendebatte für sich zu nutzen. Philipp Rösler, designierter FDP-Chef, sagte der „Passauer Neuen Presse“, mit ihm werde es keine Steuererhöhung zur Finanzierung des Umstiegs auf erneuerbare Energien geben: „Ich bin gegen einen Energie-Soli.“

Da bin ich beruhigt, dass es mal nicht um ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem geht. Mit Rösler wird es keinen Energie-Soli geben. Stimmt, den haben ja Westerwelle und Brüderle mit der Erhöhung der Tabaksteuer neulich bereits eingeführt und zwar unter dem Motto: Rauchen für die Schwerindustrie, damit diese nicht auf ihre Steuerprivilegien (Ökosteuerrabatt) zu Gunsten des Jahrhundertsparpakets der schwarz-gelben Chaostruppe verzichten musste.

Aber das ist bereits Schnee von gestern, im Augenblick scheint es bei dem fingierten Streit, um eine konkrete Abzugsperspektive mit Zeitangabe zu gehen. Ich meine natürlich um einen konkreten Termin für den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft. Da werden allerhand Jahreszahlen genannt. Wahrscheinlich wird es in einem Gesetz dann lauten, dass der Ausstieg aus der Atomkraft im Jahr X beginnen und im Jahr Y abgeschlossen sein soll, sofern es die Sicherheitslage erlaubt. Ich meine natürlich, sofern es die Entwicklung des Strompreises erlaubt oder so ähnlich…

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"Satire Gipfel" von und mit Rainer Brüderle

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Ich darf erneut eine Meldung von Tagesschau.de zitieren.

Die Bundesregierung hat sich beim Benzingipfel mit Industrie und Verbänden auf ein Festhalten an der Einführung des umstrittenen Treibstoffs E10 verständigt. Die Informationen über E10 würden aber verstärkt, sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle.

Die Mineralölwirtschaft habe zugesagt, dass die Infos sofort an Tankstellen vorliegen sollten, welche Autos E10 vertragen. Wörtlich sagte Röttgen: „Die Tankstelle ist der Ort, wo der Verbraucher Klarheit haben muss.“ Wirtschaftsminister Brüderle ergänzte, damit leisteten alle Beteiligten „einen großen Beitrag, dass die Verunsicherung abgebaut wird“.

Der eigentlich urlaubende Minister für Atomkraft und auch Umwelt Norbert Röttgen hatte einen kurzen Überraschungsauftritt. Er lieferte den Gag des Tages. Künftig ist die Tankstelle nicht mehr einfach nur Zapfsäule und Minimarkt, in dem man rund um die Uhr ein heißes Würstchen bekommt, sondern auch noch ein Ort der Klarheit. Das ist dann wahrscheinlich jene Klarheit, die man in den Ministerien für Wirtschaft und Umwelt vergeblich sucht. Aber Hauptsache man hat sich mal wieder mit den Freunden von der Minerölwirtschaft auf Kosten der Allgemeinheit getroffen. Schließlich verdienen Bundesregierung und die Ölmultis gleichermaßen an der bestehenden Unsicherheit.

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Kurz zum Krisenmechanismus

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Europa folgt Madame No zähneknirschend. Das war deutlich zu spüren. Es ist auch mal wieder auffällig, dass jedes Land etwas anderes aus dem Gipfelergebnis herausliest. Lustig war hingegen, dass gleich nachdem weißer Rauch aus Brüssel aufstieg und die Regierungschefs reihenweise Erfolgsmeldungen verkündeten und behaupteten, dass der Euro nun stabilisiert sei, eine gnadenlose Herabstufung Irlands durch die Ratingagentur Moody’s folgte. Jetzt sei man nur noch zwei Stufen vom griechischen Ramschniveau entfernt.

Big Money hat also gleich zurückgeschlagen, um einmal zu testen, wie belastbar das ist, was Europa unter der Leitung der Sprechblasenautomatin Merkel da verkündet hat. Ich weiß zum Beispiel nicht, was da nun stabilisert worden sein soll. An der Höhe des Rettungsfonds soll sich ja nichts ändern, so Merkel. Es scheint jedenfalls so, als ob Big Money diese kühne Behauptung widerlegen möchte.

Inzwischen befasst sich Frau Merkel ja mit dem Krieg in Afghanistan. Sie ist auf Überraschungsbesuch in Kunduz. Mit einem weiteren toten deutschen Soldaten hat sie bestimmt nicht gerechnet. Dennoch ist überall zu hören, dass die Regierungschefin vom Krieg spräche. Aber was hat sie gesagt?

„Wir haben hier nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat“, sagte Merkel am Samstag vor mehreren hundert Soldaten im Feldlager der Bundeswehr. „Das ist für uns eine völlig neue Erfahrung. Wir haben das sonst von unseren Eltern gehört im Zweiten Weltkrieg.“ Das sei aber eine andere Situation gewesen, weil Deutschland damals der Angreifer war.

Quelle: Süddeutsche

Kämpfe die wie Krieg aussehen und Deutsche, die keine Angreifer seien. Na klar, wir haben doch völlig vergessen, dass Afghanistan als 17. deutsches Bundesland verteidigt werden müsse. Deutschlands Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt. Wer kennt ihn nicht, den Spruch vom Struck, der nun die Ebert-Stiftung anführt und damit zu einem geistigen Führer der SPD geworden ist.

Warum sind wir eigentlich in Afghanistan? Ich weiß, der Kriegsgrund liegt zehn Jahre zurück, aber ein Rückblick lohnt sich. Deutschland fühlte sich angegriffen, weil die USA am 11. September von bestens in Deutschland integrierten und ausgebildeten Ausländern attackiert wurde. Damals hat der Sarrazin noch kein islamistisches Schläfergen entdeckt. Nach dem Angriff auf das World Trade Center haben die Amerikaner unter ihrem klügsten Präsidenten Bush II. auf der Welt herumgesucht und sich gefragt, wem man eins auf die Mütze hauen könnte. Der Gegner musste sorgsam ausgesucht werden. Denn selten war die Solidarität mit den Amerikanern höher als im Herbst 2001. Der Bundeskanzler a.D. Schröder sprach gar von uneingeschränkter Solidarität. Und so ein Angebot schlägt man als größte Militätmacht natürlich nicht aus.

Angriff auf die NATO hieß es dann und erstmals in der Geschichte wurde der Bündnisfall nach Art.5 NATO-Vertrag ausgerufen. Und es ging nicht gegen die Russen, sondern gegen Afghanistan, weil man dort al-Qaida unter der Bettdecke die Taliban vermutete. Wichtig, der Einsatz war aus deutscher Sicht, obwohl man angeblich angegriffen wurde, kein Krieg, sondern ein robuster Stabilisierungseinsatz. Erst seit dem letzten Jahr hat sich die Sicht auf die Dinge etwas geändert. Im Laufe des Krieges hat sich der Feind ebenfalls gewandelt. Derzeit kämpft man gegen Aufständische oder gegen sich selbst.

Aber ich war ja noch beim Krisenmechanismus. Merkel will wirtschaftlich mit den anderen EU-Staaten zusammenarbeiten. Bisher hat sie das bekanntlich abgelehnt, wegen der Marktwirtschaft und deren eigenen Gesetzen über den Wettbewerb. Sie musste dieses Zugeständnis machen, weil sie sonst ihren dauerhaften Krisenmechanismus nicht bekommen hätte. Witzig war nun, dass sie diese Zusammenarbeit aber nicht beim Abbau der Handelsungleichgewichte sieht, sondern bei einer Angleichung an die deutsche Irrlehre. So meinte sie, dass man darüber reden könne, das Rentenalter europäisch anzupassen (gemeint ist ganz klar die deutsche Rente mit 67 und nicht die französische mit 62) oder die Schuldenbremse nach deutschem Vorbild auch in anderen Ländern zu installieren.

Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die europäischen Partner so eine bescheuerte Art der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gemeint haben. Jedenfalls scheint klar zu sein, dass die Bundesregierung an einer ausgeglichenen Handelsbilanz kein Interesse hat. Somit dürfte es noch einige europäische Krisengipfel geben, die sich mit der Frage beschäftigen, was unter einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu verstehen ist. Der Druck auf Berlin wächst, endlich etwas gegen die unterirdische Lohnentwicklung und damit mehr für die Binnennachfrage zu tun.

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