Über Zumutungen

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Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) kommentiert die Ergebnisse des Nato Gipfels und spricht von einer französischen Zumutung:

Bravo, wie François Hollande mit wehenden Fahnen mutig ins Feld zieht. Der einzige Schönheitsfehler besteht nur darin, dass sich Frankreichs neuer Präsident nicht mit Gebrüll auf die Taliban stürzt, sondern auf die eigenen NATO-Partner.

Na klar. Ein sozialistischer Präsident kann oder muss durch ein politisches Gebrüll auffallen. So ist eben das Weltbild konservativer Hohlköpfe, die schon wieder vergessen haben, wer sich ein paar Tage zuvor auf dem G8-Gipfel in Camp David von der Presse dabei ablichten ließ, wie man einem Fußballspiel im fernen Deutschland folgte. Da saß Hollande übrigens still am Tisch und wartete anscheinend darauf, dass sich die Führungselite der Welt endlich mit irgendeinem Sachthema beschäftige.

Stattdessen prangert die NOZ bei Hollande fehlende Bündnistreue und Verlässlichkeit an, weil er seine Truppen nicht wie versprochen (der Nato versprochen) erst Ende 2014, sondern schon in ein paar Monaten (weil er es dem Souverän versprach) aus Afghanistan abziehen will. “Kein Wunder, dass Angela Merkel sauer ist”, stellt die NOZ trotzig fest. Ja, es ist schade, dass die marktkonforme Demokratie, die sich dadurch kennzeichnet, Wählervoten als Belastung zu betrachten, in Frankreich nicht zur Entfaltung kommt.  

Richtig ist sicherlich, dass Hollande im Wahlkampf den schnellen Truppenrückzug versprochen hat. Doch eine Zumutung wird nicht dadurch gemildert, dass man sie ankündigt. 

Diese Logik findet man auch in anderen Presseauswürfen des Tages. Darin ist durchgängig der Vorwurf zu lesen, dass der Präsident doch nicht ein Versprechen einlösen könne, welches er im Wahlkampf abgegeben hat. Hier geht es um die Verkürzung eines von Anfang an gescheiterten militärischen Einsatzes, den als Krieg zu bezeichnen sich niemand zu trauen wagt. Doch jeder Tag länger dort ist und bleibt eine Zumutung wie auch Teile der deutschen Presselandschaft, die nun darauf hoffen, dass ihre Bundeskanzlerin nach der Parlamentswahl in Frankreich auf einen in ihrem Sinne zugänglicheren Hollande treffen wird.

Hoffentlich nicht. Denn auch das wäre für Europa eine weitere Zumutung.

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Hornberger Schießen oder wie man die Krise meistert

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Ohne die regelmäßigen Gipfeltreffen der Regierungschefs oder der Finanzminister auf EU-Ebene geht es nicht mehr. Wer bis jetzt aber noch nicht begriffen hat, dass diese Konferenzen nicht deshalb veranstaltet werden, weil Entscheidungen zu treffen sind, dem erteilt Wolfgang Schäuble Nachhilfe:

Der deutsche Finanzminister hatte das Eurogruppentreffen schon vor Beginn zum Hornberger Schießen erklärt: “Sie brauchen gar nicht auf heute Nacht zu warten, denn es wird keine Ergebnisse geben.”  

Quelle: Tagesschau

Das musste mal deutlich gesagt werden, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer regelmäßig vorgetragenen gedämpften Erwartungshaltung vor diversen Gipfeln die Schreibenden von der Sinnlosigkeit dieser Veranstaltungen noch nicht abschließend überzeugen konnte.

Aber trotz Schäubles klarer Ankündigung, keine Ergebnisse liefern zu wollen, berichten alle Medien brav von einer Vertagung der Griechenland-Rettung mit dem Zusatz “Ultimatum statt Hilfsmilliarden”. Dabei müsste man doch fragen, wozu man die Griechen noch gestern zur Eile drängte, den Sparmaßnahmen der Troika zuzustimmen, wenn man davon ausgehen konnte, dass die Eurogruppe die Freigabe der Rettungsgelder an zusätzliche Bedingungen knüpfen würde.   

Man muss einfach sehen, dass den Menschen hier bewusst Sand in die Augen gestreut wird. Die griechische Regierung wurde bereits vorsorglich auf Druck von EU und Deutschland umgebaut. Der griechische Premierminister Loukas Papadimos ist von Haus aus Banker. Bei seiner Einsetzung wurde ihm gerade von deutscher Seite eine hohe Kompetenz angedichtet. Gewählt wurde er aber nicht, sondern zum Chef einer Übergangsregierung ernannt, von der keiner so genau weiß, wie lange sie amtieren darf und durch wen sie eigentlich legitimiert ist. 

Griechenland muss liefern

Das der griechischen Übergangsregierung nun gerade von Deutschland vorgeworfen wird, die Bedingungen nicht schnell genug umzusetzen, hat Methode und gehört wohl zu einer Strategie, die nicht die Rettung Griechenlands zum Ziel hat, sondern die Durchsetzung einer Fiskalunion unter der Führung Deutschlands. Beide Seiten arbeiten deshalb auch Hand in Hand an einer Verschleppung des gesamten Rettungsprozesses. Das sieht man auch daran, dass der ehemalige Ministerpräsident Papandreou ebenfalls an den Verhandlungen teilnimmt, wie auch an der Vorgabe, dass alle Parteien in Griechenland unwiderruflich den diktierten Bedingungen zustimmen sollen.

In Deutschland wird derweil schon wieder über die Medien verbreitet, dass Angela Merkel um die Zustimmung des Bundestags zu weiteren Rettungsmilliarden bangen müsste. Ende Februar sollen die Abgeordneten auf einer Sondersitzung über das zweite Rettungspaket für Griechenland entscheiden, wie nach einem Treffen Merkels mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden am Freitag im Kanzleramt bekannt wurde. Dabei hänge die Zustimmung natürlich davon ab, ob Griechenland jetzt auch liefere und seinen Ankündigungen auch Taten folgen lasse, wie zum Beispiel Volker Kauder öffentlichkeitswirksam forderte.

Ein Schauspiel für den Wähler

Allerdings lässt die Anberaumung des Termins für eine Sondersitzung des Bundestages darauf schließen, dass die Hilfen ohnehin beschlossen werden müssen, egal ob Griechenland die geforderten Bedingungen erfüllt oder nicht. Hierbei handelt es sich um reine Symbolpolitik, da selbst eine Zusage der Oppositionsparteien in Griechenland, etwaige Abmachungen der aktuellen Regierung bei einem Machtwechsel (wann auch immer) nicht wieder rückgängig zu machen, keinesfalls bindend wäre.

Deutschland braucht für den Beschluss weiterer Hilfen eine vorzeigbare Gegenleistung, um dem eigenen Volk den abermaligen Transfer von Milliarden irgendwie glaubhaft vermitteln zu können. In dem Schauspiel muss es also am Ende so aussehen, als würden die Griechen tatsächlich noch mehr Anstrengungen unternehmen. Es muss aber auch so aussehen, als ob der Deutsche Bundestag eine Wahl hätte, um dem Eindruck entgegenzutreten, bloß Erfüllungsgehilfe der herrschenden Exekutive zu sein.

Eine Pleite Griechenlands ist für beide Seiten hingegen keine Option, da auch in diesem Fall Milliarden Euro Zahlungen aus Deutschland fällig wären.

Richtig scheint aber zu sein, dass sowohl die griechische Übergangsregierung wie auch die Bundesregierung, beide von denselben Bankern beraten, an einem gemeinsamen Strang ziehen, um Europa zu Lasten ihrer Völker umzubauen. Dafür braucht es vor allem Zeit, die Stück für Stück und in letzter Minute immer wieder theatralisch erkauft werden muss. 

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Sparkommissar scheinbar abgehakt

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Am Wochenende hörte ich einen Experten im Radio sagen, dass es schon wünschenswert wäre, wenn das griechische Volk an den Fiskalentscheidungen beteiligt würde. Allerdings sei doch klar, dass Sparmaßnahmen im Augenblick nicht so populär seien, das Bestreben den Euro zu retten aber Vorrang habe. Diese absurde Logik wird auch bei der Diskussion um einen Sparkommissar benutzt, von dem heute, nachdem die Empörung ob des deutschen Vorschlags in Griechenland enorm war, niemand mehr etwas wissen will.

Scheinbar.

Denn die Hasardeure des voreilig gesprochenen Wortes haben ihre PR-Berater konsultiert und beauftragt, den Sachverhalt in Sprechblasen so zu verpacken, dass jeder annehmen muss, sie seien gegen die Einsetzung eines Sparkommissars, nicht aber gegen dessen Funktion, was bekanntlich nur die wenigsten checken.

Da ist zum Beispiel unsere Bundeskanzlerin, die heute im generalbestreikten Brüssel zu einem Sparkommissar Stellung bezog und so tat, als würde sie Schadensbegrenzung betreiben (zumindest nehmen das viele in ihrer gespielten Naivität an):

“Ich glaube, dass wir eine Diskussion führen, die wir nicht führen sollten. Es geht darum: Wie kann Europa unterstützen, dass in Griechenland die Dinge eingehalten werden, die als Auflagen gegeben werden. Aber alles geht nur, indem Griechenland und die anderen Staaten das miteinander diskutieren.”

Quelle: Stern

Ich verstehe nicht, wie man da schreiben kann, Merkel hätte die Wogen zu glätten versucht. Denn in Wirklichkeit hat sie die Funktion des Kommissars, nämlich zu unterstützen (überwachen), dass  die Auflagen (Spardiktat) eingehalten (umgesetzt) werden, bloß umschrieben. Ob dieser Jemand nun Sparkommissar, Troika oder Papademos (von Merkels Gnaden, nicht vom Volk gewählt) heißt, ist doch egal.

Im Kern bleibt doch die Erkenntnis, dass alle Bemühungen, durch Haushaltsdisziplin, Kürzungen und mehr Kontrolle der Exekutive vor Ort eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage herbeizuführen, grandios gescheitert sind. Damit das aber keiner merkt, wird in einer Tour die Dosis des schädlichen Gifts erhöht, in der Hoffnung, so die eigenen Leute hinter sich zu versammeln und gegen die Empörten in Griechenland in Stellung zu bringen. Denn wenn mehr Menschen wüssten, was eigentlich los ist, wäre vielleicht was los hier.

Aber so ist es bekanntlich nicht, weil auch Sätze wie die vom EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) ihre Wirkung nicht verfehlen. Er meinte ganz direkt, dass man solche Begriffe wie Staatskommissar und Sparkommissar vermeiden solle, wohl aber dafür Sorge tragen müsse, dass die Sparmaßnahmen umgesetzt würden. Diese Floskelei dient schließlich nur als Futter für das Wahlvolk an der Heimatfront, welches durch Merkel, Dschungelcamp und Co. vollkommen sediert vor sich hin dämmert und nicht mehr zwischen Phase und Phrase zu unterscheiden weiß. 

In Griechenland und in zunehmend mehr europäischen Ländern wird aber sehr wohl die Absicht der deutschen Kanzlerin verstanden, die europäischen Völker als Sünder zu brandmarken und in die Knechtschaft zu treiben.

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Finanztransaktionssteuer: Merkel will Sarkozy zurückpfeifen

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Wie ernst es Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer Finanztransaktionssteuer ist, beweist der Vorstoß Frankreichs, sie jetzt notfalls allein einführen zu wollen. Das durchaus wahltaktische Manöver Sarkozys gefällt der deutschen Regierungschefin nicht. Dabei ist sie grundsätzlich von einer Abgabe auf Börsenumsätze überzeugt, wenn man ihren bisherigen Lippenbekenntnissen Glauben schenkte. Allerdings, so Merkel, dürfe die Finanztransaktionssteuer nur gemeinsam als europäische Lösung umgesetzt werden.

An dieser Lösung arbeitet man aber nun schon seit mindestens drei Jahren. Ohne Ergebnis, weil immer irgend einer etwas dagegen hatte. Erst waren es global gesehen die USA und aktuell ist es Großbritannien, die sich dagegen wehren. Die Deutschen lehnten einen Alleingang immer mit der Begründung ab, dass sich die Finanzgeschäfte dann auf die Orte verschieben würden, an denen eine solche Umsatzsteuer nicht gilt. Nun könnte es Frau Merkel doch egal sein, ob Sarkozy eine Tobin-Steuer einführt. Ihrer Logik folgend, müsste der Finanzplatz Deutschland davon profitieren.

In Wahrheit will die, an den Lippen von Josef Ackermann hängende, Bundeskanzlerin keine Transaktionssteuer. Der Vorwurf, Sarkozy hätte sie aus wahltaktischen Gründen gerade jetzt wieder auf die Agenda gesetzt, könnte man genauso gut Angela Merkel machen. Ihre strategische Überlegung war immer, die populäre Transaktionssteuer unter der Bedingung, das alle anderen zustimmen, national zu fordern, um sie dann international immer wieder scheitern zu lassen.

Nur zur Erinnerung: Eine Steuer auf Börsenumsätze hat es in Deutschland bis 1991 gegeben, ohne dass dabei das eingetreten wäre, was die neoliberalen Verfechter freier und ungezügelter Märkte immer wieder behaupten. Helmut Kohl ließ sie allerdings im Rahmen des ersten Finanzmarktförderungsgesetz abschaffen. Es war der Auftakt zur Deregulierung der Finanzmärkte in Deutschland, die vom angloamerikanischen Raum ausgehend die gesamte Welt erfasste.

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Wo der Wind weht

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An stürmischen Tagen wie heute stehen Reporter nicht mehr wie sonst üblich auf dem Brocken herum, wo man dann auch am Berichterstatter selbst sehen kann, dass Orkan “Friedhelm” über das Land fegt, sondern sie harren in Brüssel aus und reden sich ein, dass Merkel, Sarkozy und Co. einen stürmischen Gipfelbeschluss hinlegen werden. Doch was da in Brüssel vor sich geht, ist nichts weiter, als die Fortsetzung eines langsam vollzogenen politischen Selbstmords.

“Dass öffentlich bestellte Repräsentanten des Volkes eine Automatik zur Bestimmung ihres eigenen Verhaltens installieren, grenzt an Wahnsinn. Es ist die öffentliche Bestätigung der eigenen Unzulänglichkeit. So etwas ist nur möglich, ohne dass ganz Europa in Lachen ausbricht, weil solche Forderungen auf Misstrauen gegenüber öffentlichen Händen, auf Staatsverdruss aufbauen. Auch hier wird zum einen diese Vorurteilswelt genutzt und zum andern wird sie verstärkt. Keine guten Aussichten für demokratische Verhältnisse. Es ist die Entmannung der Politik, die Politiker kastrieren sich selbst.”

Quelle: NachDenkSeiten

Quelle: Stuttmann-Karikaturen

Werbe-Hinweis: In seinem neuen Buch, “Schöne Pleite”, lässt Karikaturist Klaus Stuttmann das Jahr Revue passieren. Es ist im Buchhandel oder direkt beim Schaltzeit-Verlag zu bekommen.

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Vermeintliche Heldengeschichte: Weidmann rettet Unabhängigkeit der Bundesbank

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Im Nachklapp des G-20-Gipfels wurde bekannt, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann den Zugriff auf deutsche Währungsreserven verhindert habe. Deutschlands Haftung für den Eurorettungsschirm sollte mittels einer Zweckgesellschaft, die im Namen des IWF auf die Reserven der Notenbanken aller Mitgliedstaaten hätte zugreifen dürfen, aufgestockt werden. Damit hätte die Unabhängigkeit der Bundesbank gelitten.

Weil aber diese Unabhängigkeit zum Dogma aller Marktgläubigen gehört – sie muss um jeden Preis verteidigt werden – hat der Bundesbankpräsident und Ex-Kanzlerinnen-Chefberater Jens Weidmann Alarm geschlagen.

Als EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Plan vortrugen, schlug Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Alarm. Nach SPIEGEL-Informationen alarmierte Weidmann Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dann erst teilte Merkel den Kollegen in Cannes mit, dass die autonome Bundesbank bei der Freigabe der Sonderziehungsrechte nicht mitmachen würde.

Zunächst einmal ist es sehr amüsant, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank offenbar an dem Verhältnis zwischen Merkel und Weidmann besonders erkennbar sein soll. Zweitens ist die sprichwörtliche Unabhängigkeit der Bundesbank keinesfalls sakrosankt, da sie lediglich durch ein Bundesgesetz geregelt wird, das mit einfacher Mehrheit gekippt werden könnte. Drittens ist es ja gerade die dogmatisch beschworene Unabhängigkeit der Zentralbanken, die die Staaten dazu zwingt, sich dem Diktat der Finanzmärkte unterzuordnen.

Denn die Staaten übernehmen vollkommen irrational die Rolle gewöhnlicher Schuldner bei den privaten Geschäftsbanken, von denen sie sich gerade das Geld leihen, welches sich diese wiederum von den unabhängigen Zentralbanken erst besorgen müssen.

Was bei der Heldengeschichte um Weidmann mal wieder völlig vergessen wird, ist die Tatsache, dass sich die deutsche Regierung mit Händen und Füßen gegen eine direkte Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken wehrt. Und der einzige Grund, mit dem sie das tut, ist die absurde Warnung vor einer Inflation. Staaten dürfen niemals Hand an die sogenannte Notenpresse legen. Wenn es aber private Hände in Gestalt der Geschäftsbanken tun, ist das natürlich etwas anderes.

Irrigerweise glaubt die Politik in Deutschland noch immer, dass nur private Hände sinnvoll mit geliehenem Geld umgehen können und an der richtigen Stelle investieren würden. Die Realität zeigt aber, dass gerade nichts größer ist, als die Gefahr vor einer Rezession. Dank der Politik, die Sparprogramm um Sparprogramm erlässt und die Schuldenbremse für eine große Reform hält, wissen die privaten Hände gar nicht mehr, wo sie eigentlich noch investieren sollen. In der Realwirtschaft bietet sich keine Anlagemöglichkeit und selbst auf den Kapitalmärkten macht sich die Panik breit.

Es muss doch einen Grund geben, warum die Staatsanleihen der großen Wirtschaftsnationen gerade so begehrt sind, dass Bieter immer weniger Zinsen verlangen, bloß um den Zuschlag zu erhalten und Gläubiger eines Landes wie Deutschland, USA oder Japan zu werden, obwohl deren öffentliche Verschuldung weit über den Vorgaben liegt, die sich die Politik als Obergrenze gesetzt hat.

Seltsamerweise spielt dann auch die Unabhängigkeit der Zentralbank keine Rolle, wenn sie aufgrund der sich abzeichnenden volkswirtschaftlichen Abkühlung die Zinsen senkt, wie es der neue EZB-Präsident Draghi gleich nach Amtsantritt getan hat. Dann sprechen aber alle wieder von Inflationsrisiken, die mit dieser Entscheidung verbunden seien. Nur wo soll so eine Inflation herkommen, wenn alle immer nur sparen und die Produktion von Waren und Dienstleistungen heruntergefahren werden muss, weil die Nachfrage wegbricht?

Natürlich liegt die aktuelle Teuerungsrate bei drei Prozent. Das ist verglichen mit den Lohnsteigerungen, die, wenn gewährt, darunter liegen auch ein Problem, weil die Kaufkraft immer weiter abnimmt. Von einer galoppierenden Inflation kann aber überhaupt keine Rede sein. Teurer werden zudem Waren, die auch nicht knapp, sondern der Spekulation auf den Märkten ausgesetzt sind. Mit ihnen lässt sich Geld verdienen. Sie werden auch zunehmend interessanter, wenn die Investitionsmöglichkeiten in der realen Wirtschaft abnehmen und die Zockerei ohne Regeln oder Schließung des Finanzkasinos fortgesetzt werden darf.

Nur darüber spricht kein Mensch. Zu schön sind die Heldengeschichten um Weidmann, Merkel und Co.   

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Ein Satz wie in Stein gemeißelt

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“Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit für unsere Kinder und Enkel erhalten!”

Beim Krisentreffen der G20-Staaten in Cannes hat Angela Merkel noch einmal ihre Regierungsdoktrin verkündet, die, wie Jens Berger auf den NachDenkSeiten sehr schön beschreibt, nichts weiter ist, als die Beschreibung für Merkels Vorstellung von einer “marktkonformen Demokratie”.

Dieser Satz wirkt wie in Stein gemeißelt, der schlussendlich als Erinnerung auf dem europäischen Grab stehen wird.

Die Formulierung zeigt, dass die deutsche Regierung, an deren Lippen halb Europa hängt, gar kein Interesse hat, die bestehenden Ungleichgewichte zwischen Nord und Süd zu beseitigen. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit werde bis zuletzt verteidigt, notfalls mit weiteren Lohnsenkungen. Denn sollte es den Griechen, Italienern, Spaniern, Portugiesen und Franzosen mit der verordneten deutschen Rosskur widererwarten doch gelingen, Wettbewerbsanteile zurückzugewinnen, werde Angela Merkel im Namen der deutschen Kinder und Enkel konsequent zurückschlagen.

Ein kurzer Einschub an alle, die seit dieser Woche erneut glauben, die CDU hätte sich sozialdemokratisiert: Der Mindestlohn wird und kann auch nicht zu den Mitteln gehören, mit denen Angela Merkel zurückschlagen würde, wenn obiger Satz Gültigkeit haben soll.

Derweil meldet der ARD-Deutschlandtrend eine Verbesserung der Zustimmungswerte für Angela Merkel, die hinter Thomas de Maizière – für den Sterben und Töten zum Alltag der Soldaten bei der Bundeswehr gehört und für den internationale Sicherheitsinteressen mehr wiegen als Menschenrechte  – sowie dem falschen (Schach)spieler Peer Steinbrück nunmehr auf Platz drei rangiert. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, gäbe es wieder eine Große Koalition. Mission erfüllt, könnte man sagen.

Der deutsche Pöbel spurt.

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Fazit zum Eurogipfel

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Börsen und Medien feiern den Gipfelbeschluss. Dabei fragt keiner, warum ausgerechnet die Kapitalmärkte ein Ergebnis begrüßen sollten, wonach Banken auf angeblich 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten werden. Vielleicht, weil sie auf gar nichts verzichten müssen?

Was ist denn passiert? Aus den bisherigen Garantien, von denen Schäuble immer schwadroniert hat, die würden uns nix kosten, sind nun reale Zahlungen der Steuerzahler geworden. Das ist passiert. Denn mit dem Schuldenschnitt greift automatisch der neugehebelte Rettungsfonds mit Versicherungssystem. Das heißt konkret, dass der Fonds und damit die Steuerzahler, mit 20 oder 25 Prozent direkt haften.

Angeblich sollen die Banken auf 50 Prozent ihrer Forderungen freiwillig verzichten. Da könnte man ja sagen, die tragen auch einen Anteil an den Verlusten. Allerdings spricht die Explosion der Bankaktien heute an den Börsen eher dagegen. Das ist auch logisch, wenn man sich klar macht, dass der freiwillige Verzicht nicht auf den Betrag angerechnet wird, den die Bank ursprünglich einmal für die entsprechenden Anleihen bezahlt hat, sondern auf den Betrag plus die entgangenen Zinsen!

Da kommt bei einem Schuldenschnitt in etwa der Ursprungsbetrag wieder heraus, auf den die Bank dann auch nicht verzichten muss. Außerdem wird der aktuelle Wert der Anleihen gar nicht berücksichtigt. Zum Problem für die Banken und ihre Anteilseigner werden indes die entgangenen Zinsen, die das Ergebnis und die eigene Bilanz drücken, was bei niedrigen Eigenkapitalquoten heikel werden kann. Die Zinsverluste waren nun wiederum Gegenstand der eigentlichen Verhandlungen zwischen Merkel und Sarkozy. Denn die Zinsverluste der französischen Banken sind höher, als die der deutschen Banken. Deshalb wollte Sarkozy die EZB anzapfen oder aber dem Rettungsschirm eine Banklizenz erteilen. In beiden Fällen hätten die Deutschen entsprechend ihrem höheren Anteil an beiden Institutionen auch die höheren Verluste der französischen Banken mitfinanzieren müssen.

Gefeiert wird nun, dass sich die Kanzlerin durchgesetzt habe und der ESFS weder eine Banklizenz bekommt noch die EZB direkt Staatsanleihen aufkaufen darf. Da jubelt die vollkommen behämmerte Journaille darüber, dass Merkel das Anwerfen der Notenpresse verhindert habe und freut sich gleichzeitig auf den neuen Großinvestor China. Entgangen ist den Medien scheinbar, dass die EZB weiterhin auf den Sekundärmärkten Anleihen von den privaten Banken aufkaufen darf. Das wiederum geschieht bekanntlich nicht mit Spielgeld, sondern mit frischem Zentralbankgeld. Gleichzeitig dürfen sich die privaten Banken weiterhin für einen niedrigen Zinssatz bei der EZB refinanzieren, um dann den Staaten, der Wirtschaft und den Verbrauchern gegen entsprechende Risikoaufschläge Kredite zu geben.

Mit dem Schuldenschnitt ist aber noch etwas passiert, was die Rally an den Börsen erklärt. Es kommt endlich zur Auszahlung der CDS (Kreditausfallversicherungen), auch wenn das aufgrund der „Freiwilligkeit“ des Verzichts noch umstritten ist. Denn die, die mittels CDS auf die Pleite Griechenlands gewettet haben, können sich über eine klingelnde Kasse freuen. Derweil möchte Frau Bundeskanzlerin demnächst beim G20 Gipfel mal wieder nur gucken, ob die anderen bei einer Finanztransaktionssteuer vielleicht doch noch mitmachen wollen.

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Zur Lage der Lageeinschätzer

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Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben einmal mehr ihre Prognosen aus dem Frühjahr korrigieren müssen und sehen nun ein Ende der erfundenen Aufschwung-XXL-Party. Man muss die Fehlleistungen von Professoren der Ökonomie nicht weiter kommentieren. Ob die nun ein Gutachten mehr oder weniger erstellen, dürfte kaum jemanden in diesem Land interessieren, der noch bei klarem Verstand ist. Zahlreiche Journalisten scheinen aber nicht dazu zu gehören, da sie den Unsinn der Scheinexperten einfach nachbeten oder glauben, in dem vorgestellten Herbstgutachten eine gewisse Plausibilität erkennen zu können.

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Widersprüchliche Gipfelergebnisse

Geschrieben von:

Die EU-Finanzminister haben sich auf ihrem Treffen in Breslau auf eine Verschärfung des Stabilitätspakts einigen können. So weit, so schlecht. Interessant ist nun, dass auch verabredet wurde, dass Staaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen zu Maßnahmen wie der Steigerung der Binnennachfrage gedrängt werden sollen. Gleichzeitig wiesen die Finanzminister der Europäischen Union aber den Vorschlag des US-Finanzministers Geithner zurück, mit neuen Konjunkturprogrammen den drohenden Wirtschaftsabschwung zu bekämpfen. Eurogruppen-Chef Juncker sagte, dafür gebe es zur Zeit keinen Spielraum. In der Eurozone müsse die Priorität weiter auf Sparsamkeit und Haushaltskonsolidierung liegen.

Da frage ich mich, wie denn dann die Steigerung der Binnennachfrage in Überschussländern erreicht werden soll. Ich höre schon die FDP wieder schreien. STEUERSENKUNGEN!

Es könnte natürlich auch sein, dass die Bundesregierung erwägt, einen Mindestlohn einzuführen und dem wuchernden Niedriglohnsektor durch die Abschaffung von Hartz-IV etwas entgegenzusetzen und damit die Gewerkschaften samt Flächentarifvertrag zu stärken. Aber das wird wohl bloß ein Wunschtraum bleiben, wie auch die Ankündigung, Leistungsbilanzüberschüsse abbauen zu wollen. Das hieße ja, dass sich die Deutschen von ihrem heiligen Exportmodell verabschieden und Wettbewerbsanteile abgeben müssten.

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