Wochenteiler: Ein kräftiges Windfeld zieht auf

Geschrieben von: am 29. Mrz 2023 um 22:21

„Selten hat der Mittwoch die Wetterwoche so deutlich geteilt wie der heutige. Ab morgen nimmt der Tiefdruckeinfluss deutlich zu und wir wechseln zu unbeständigem Wetter mit Regen, Schauern, Gewittern und wieder teils stürmischem Wind.“ Besser hätte der Deutsche Wetterdienst die aktuelle politische Lage nicht beschreiben können.

Im Koalitionsausschuss war die Stimmung zu Beginn der Woche merklich abgekühlt oder wie Finanzminister Christian Lindner im Rückblick philosophierte: „Man schweigt sich auseinander. Und man diskutiert sich zusammen.“ Auf 16 Seiten hat man die Diskussion unter Hochdruckeinfluss dann zusammengefasst, es musste wohl auch noch gekürzt werden, obwohl der Kanzler dem Vernehmen nach eigentlich gar keine schriftlichen Aufzeichnungen wünschte.

Doch die Grünen bestanden darauf. Hinterher betonten alle Beteiligten, die Großwetterlage beruhigt zu haben, was allerdings stark bezweifelt werden muss. Denn die stürmische Zeit dürfte jetzt erst beginnen. Der Tiefdruckeinfluss macht sich zum Start der zweiten Wochenhälfte bereits bemerkbar. Denn so richtig klar ist nicht, was die Koalition da beschlossen hat. Eine Art Fortschritt ist kaum auszumachen, eher die erneute Vergewisserung, dass der Koalitionsvertrag gilt.

Dass man das zum wiederholten Male tun muss, zeigt die Instabilität des Ampelbündnisses, die sich nach wie vor aus vielen ungeklärten Fragen heraus ergibt. So dödelt die Regierung weiterhin ohne ein paar Eckwerte des Haushaltes herum. Was soll wie finanziert werden? Darauf gibt es keine befriedigende Antwort. Aus der Erhöhung der Lkw-Maut, die letztlich die Verbraucher zu zahlen haben werden, sollen in den nächsten Jahren etwa 20 Milliarden Euro kommen, um davon dann bis zum Jahr 2027 45 Milliarden Euro ins Schienennetz zu investieren.

Da fehlt noch was. Um diesen Widerspruch aufzulösen, muss man sich wohl erst noch ein wenig auseinanderschweigen und wieder zusammendiskutieren. An Ideenreichtum trotz Schlafmangels fehlt es ja angeblich in Koalitionsausschüssen nicht. Dabei scheinen sich in diesem Punkt mal alle einig zu sein. Aber das ist nicht verwunderlich. Eine Steuererhöhung durch die Hintertür ist der Klassiker neoliberaler Politik. Nur das diesmal der Fußball als Ablenkung fehlt. Für andere Dinge wie Rüstung gibt es dagegen Sondervermögen oder einen Beschluss einfach so, auch ohne Haushaltseckwerte.

Denn da sind sich auch alle einig. Die Panzer sollen rollen, die Rüstungsindustrie ihre Gewinne behalten und die Bevölkerung wie eh und je die Kosten tragen. Dabei wäre es ein Fortschritt gewesen, wenn man statt der Sektorziele im Klimaschutzgesetz die Schuldenbremse weiter aussetzen würde, um auf eine vermutlich preistreibende Erhöhung der Lkw-Maut, die nur der Geldbeschaffung für den Schienenausbau dient, zu verzichten. Doch der Finanzminister versteht leider nichts von Volkswirtschaft und die anderen scheint das Thema Fiskalpolitik nicht mehr zu interessieren.

Deshalb ist es so, wie der Deutsche Wetterdienst sagt: Ein kräftiges Windfeld zieht auf.


Bildnachweis: Lee Murry auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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