Neue Presse Hannover: Interview mit einer "Optimistin im Börsendschungel"

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In der Wochenendausgabe der NP erscheint ein Interview mit der Geschäftsführerin der Niedersächsischen Börse zu Hannover Sandra Lüth. Sie ist Deutschlands erste Börsenchefin. Die 32 Jährige hält strengere Regulierungen der internationalen Finanzmärkte für weniger gut.

„Aktuell werden die alten Regulierungsgrundlagen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene in Frage gestellt. Der Wunsch besteht bei vielen Beteiligten, dass mit strengeren Regeln jeder zukünftigen Krise vorgebeugt werden kann. Dieses Ziel zu erreichen, ist aus meiner Sicht schwierig und vielleicht auch nicht realistisch.“

Aha. Also weiter wie bisher? Das fragen die drei Interviewer Chefredakteur Harald John, Politikchef Udo Harms und Redakteurin Inken Hägermann natürlich nicht. Aber man kann nicht sagen, sie hätten nicht versucht, irgendetwas Substanzielles über die Finanzmarktkrise von Frau Lüth zu erfahren. Hier einige Beispiele:

NP: In welchem Stadium der Krise bewegen wir uns?
Lüth: Ich bin kein Analyst, daher kann ich auch nur Meinungen zusammentragen, und die gehen derzeit sehr stark auseinander… Unterschiedliche Meinungen werden diskutiert, die ich mit Spannung verfolge. Ich bin gern ein optimistischer Mensch und hoffe natürlich, dass die Krise bald überstanden ist.
NP: Das schnelle Geld, die hohe Rendite, ist in Zeiten der Finanzkrise in Verruf geraten. Was denken Sie darüber?
Lüth: Wenn man dieser Krisenzeit überhaupt etwas Gutes abgewinnen kann, dann vielleicht das Hinterfragen von bestimmten Strukturen in der Finanzwelt, aber auch ein aufgeklärter Umgang mit Anlageprodukten. Ich habe aber die Befürchtung, dass viele auf der Suche nach Rendite ein mögliches Risiko verdrängen. Genau dessen müssen sich Anleger aber bewusst sein, dass eben hundertprozentige Sicherheit und höchste Rendite nicht zu vereinen sind…
NP: Es heißt häufig, dass eine der Hauptursachen der Krise die Gier der Banker und Börsenhändler gewesen sei.
Lüth: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann aber sagen, dass unsere Börsen in jedweder Krisenzeit stets funktioniert haben…

In Sachen PR hat sie viel drauf, aber kann man nach diesem Interview wirklich behaupten, hierbei handele es sich um eine Optimistin im Börsendschungel. Eine Ahnungslose trifft es nach diesen Antworten doch eher?

Entsprechende Werbung darf natürlich auch nicht fehlen. Da ist mir eine Antwort besonders aufgefallen. Oben hat sie ja behauptet, dass es stärkerer Regularien an den Börsen nicht unbedingt bedarf und das vor allem die Anleger Schuld seien, dass sie ihr Geld verloren haben, weil sie halt das bestehende Risiko ausblendeten. Sie selbst habe auch ein geringes Lehrgeld zahlen müssen. Aber auf die Frage, wozu man eigentlich Regionalbörsen braucht, antwortet sie…

„Es gibt in Deutschland sieben Regionalbörsen, die miteinander wetteifern. Und Wettbewerb bringt für Anleger Vorteile. Die Börsen Hamburg und Hannover sind besonders innovativ, wenn es darum geht, Mehrwerte für Anleger zu schaffen. So haben wir 2002 an der Börse Hamburg den Fondshandel etabliert. Privatanleger können sekundenschnell Fonds kaufen oder verkaufen – und dies ganz ohne Ausgabeaufschlag.

Jetzt hätte bloß noch die Bemerkung, „ganz ohne Risiko“, gefehlt. Sie schwärmt dann noch von provisionsfreien Aktienkäufen bis 5000 Euro und quittiert diese in ihren Augen attraktive Handelsbedingung mit den Worten:

„Ein klarer Kostenvorteil!“

Sind klare Kostenvorteile nicht Auslöser der Krise? Na ja, warum sollte das überhaupt jemanden auf dem Parkett interessieren. Was zählt, ist der Index. Deshalb fragt die NP auch nach einer Prognose der Expertin, wie hoch denn der Dax am Ende des Jahres stehen würde. Die Antwort ist toll.

„Hmmm. Wenn man bedenkt, dass an der Börse auch Stimmungen und Erwartungen „gehandelt“ werden, bin ich verhalten optimistisch und hoffe, dass der Dax-Stand höher sein wird als heute.“

Ich als Leser frage mich da immer wieder, was die Höhe des Daxes für eine Aussagekraft hat, wenn nicht die über blühende Geschäfte der Spekulanten. Heute ist bekannt, dass die Vervierfachung des Dax-Wertes zwischen 1995 und dem März 2000 überhaupt nicht mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Einklang zu bringen war. Schon damals hat man sich ordentlich verzockt und die rot-grüne Regierung musste bereits im Jahr 2003 über die Bildung einer Bad-Bank nachdenken. Die HypoVereinsbank verlagerte im gleichen Jahr ihre schlechten Risiken auf die neu gegründete Hypo Real Estate aus, die einige Stunden nach dem Ablauf der Haftungspflicht für den Alteigentümer HypoVereinsbank am 29. September 2008 durch den Finanzminister Peer Steinbrück eine Ausfallbürgschaft versprochen bekam, für die der Steuerzahler aufzukommen hat.

Mit der Agenda 2010 Politik vollzog man in meinen Augen das größte Geldbeschaffungsprogramm der Geschichte für das Finanzmarktkasino. Unter dem Motto des ökonomischen Sachzwanges wurde eine Politik betrieben, die es zulies, dass die Gewinne aus der Produktivitätssteigerung nicht mehr in Form von Lohn- und Gehaltssteigerungen oder Investitionen zurück in den Wirtschaftskreislauf flossen, sondern auf dem Parkett der großen Finanzplätze landeten, zu dem Deutschland nach Auffassung Steinbrücks unbedingt gehören sollte. Mit dem Riesterrentenquatsch spühlte man der Versicherungsbranche noch weitere Milliarden zu.

Angesichts dieser Fakten ist es gerade zu ein Skandal, wenn sich eine 32 Jährige Börsenchefin hinsetzt und über Bauchgefühle und den richtigen Riecher philosophiert wenn es um die Anlageentscheidung geht oder die simple Formulierung raushaut:

„Aber das ist Börse: Jederzeit ist ein Auf und Ab möglich. Letztendlich kann niemand für einen bestimmten Tag einen bestimmten Kurs für das Wertpapier voraussagen – was auch gut ist.“

Die vielen Riestersparer in der Republik wird so eine schlichte Sicht er der Dinge sicher beruhigen. Das Börsenparkett als Spielfläche für immer jüngere Zocker, die es offenbar anturnt im Auf und Ab der Indizes einen besonderen Kick zu erleben. Zum Ausgleich geht man dann ein wenig Joggen.

„Schuhe an und los. Das ist ein sehr schönes Hobby, es macht den Kopf frei und die Gedanken etwas lockerer. Im kommenden Jahr möchte ich einen Halbmarathon hier in Hannover laufen.“

Na dann viel Erfolg.

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Christoph Slangen kann auch nicht rechnen

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Heute beglückt uns das Berliner PR-Büro Slangen und Herholz mit einem zu Guttenberg Interview, bei dem Andreas Herholz die Fragen stellte und sein Kompagnon Christoph Slangen einen passenden Kommentar darüber liefert. In dem Interview darf der Bundeswirtschaftsminister die Insolvenz als positive Floskel neu erfinden. Die Medien sind ja bereits in Vorleistung getreten und haben das Gerede von der „geordneten Insolvenz“ als gute, chancenreiche und vor allem langfristige Perspektive für Unternehmen unters Volk gestreut. In der heutigen Ausgabe der Neuen Presse Hannover sind nun folgende Sätze des Bundeswirtschaftsministers zu lesen:

„Wir müssen in jedem Fall alle Optionen sehr gewissenhaft prüfen. Das gilt für jedes Unternehmen. Insolvenzen können auch Zukunftsperspektiven bieten.

Bei Arcandor wäre es gerade bei einer Lösung mit staatlicher Rettungsbeihilfe zu einem deutlichen Arbeitsplatzabbau und einschneidenden Umstrukturierungen gekommen. Nicht nur deshalb müssen wir im übrigen endlich den Begriff Insolvenz entdramatisieren. Einige wollen darin immer nur den völligen Abgrund und die Pleite sehen. Das moderne Insolvenzrecht gibt einem Unternehmen aber doch gerade die Chance, sich neu aufzustellen und Arbeitsplätze zu erhalten.“

Das ist schon ein starkes Stück. Der „von und zu“ behauptet einfach, dass es mit staatlicher Beihilfe zu Jobverlust und Umstrukturierungen käme, um dann hinten anzufügen, dass es in der Insolvenz immerhin die Chance gäbe, das es nicht so kommt. So ein Satz zeigt die ganze manipulative Wirkung von PR-Arbeit. Es soll der Eindruck erweckt werden, das staatliche Eingriffe per se schädlich sind und privatwirtschaftliche Lösungen in jedem Fall zu bevorzugen seien.

„Bevor staatliche Hilfe geleistet wird, sollten immer privatwirtschaftliche Lösungen geprüft werden.“

Auch hier stelle ich wieder fett gedruckt die Frage nach den raschen und vielfach ungeprüften Milliardenhilfen für die Banken, denn Monsieur Herholz kommt mal wieder nicht drauf.

Wo war denn da der gelobte Ordnungspolitiker zu Guttenberg? Wo war da seine angeblich so klare Sicht der Dinge und sein hochtrabendes Gelaber von Fairness und Gerechtigkeit? Wo war da der Vorschlag von einer geordneten Insolvenz? Über 100 Mrd. Euro für eine verhältnismäßig kleine Bank – die Hypo Real Estate! Welche Maßstäbe gelten hier eigentlich – verdammt und zugenäht? Okay, als die gigantischen Staatsgarantien beschlossen wurden, war zu Guttenberg als Generalsekretär noch erster Wasserträger seiner CSU. Am 10. bzw. 12. Februar 2009 aber kam er ins Amt, am 20. März 2009 wurde das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz, das die Verstaatlichung der HRE regeln soll vom Bundestag verabschiedet. Mit ja hat gestimmt: Karl-Theodor zu Guttenberg

Jürgen Trittin (Bündnis’90/Die Grünen) fragte damals am 6. März 2009 im Bundestag den „von und zu“ ganz konkret:

„Lieber Herr zu Guttenberg, liebe FDPler, glauben Sie denn im Ernst, dass es im Sinne Ludwig Erhards wäre, einen Spekulanten wie Herrn Flowers mit dem Zwei- bis Dreifachen des Marktwertes der Hypo Real Estate zu entschädigen?“

Tja, berechtigte Frage. Denn nix anderes bedeutet ja die Milliardenrettungsaktion. Den Aktienbesitzern werden nicht nur die faulen Geschäfte und damit auch die Renditen gerettet, sie werden für ihren hoch riskanten Einsatz zum Abschluss auch noch vom Staat entschädigt. Wenn sie denn auch freiwillig gehen.

Aber einen Moment. Ich tue dem zu Guttenberg vielleicht unrecht. Denn auch im Fall der HRE hat er die Insolvenz ins Spiel gebracht. Nur hat sich kein Journalist dafür interessiert. Damals, auch am 6. März 2009, findet sich in der Wirtschaftswoche folgende mittlerweile scheinbar schon bekannte Aussage:

„Bevor es tatsächlich zum letzten Mittel einer Enteignung kommen sollte, halte ich es auch bei der HRE für geboten, alle Optionen geprüft zu haben. Hierzu könnten auch – falls möglich – besondere, auf den Finanzmarkt zugeschnittene Sonderregelungen in Anlehnung an die Insolvenz zu zählen sein.

Natürlich müssen die systemischen Risiken, die es im Bankensektor nun einmal gibt, dabei sorgfältig berücksichtigt werden. Ich will Alternativen zur Enteignung, damit der Einführung der Staatswirtschaft nicht leichtfertig Tür und Tor geöffnet werden, was manche fahrlässig bis gierig betreiben.“

Hier könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, als würde zu Guttenberg einen konsequenten Kurs fahren. Stimmt aber nicht. Im Fall der HRE meinte er klipp und klar eine „begrenzte Insolvenz“. Das ist im Gegensatz zu seinem üblichen Gelaber schon ein riesiger Unterschied. Denn die Aktionärsrechte sollten nach diesem Verfahren nur für die Dauer der Rettung ruhen. Im Klartext: Nachdem die Verluste durch die Allgemeinheit bezahlt worden wären, hätten die Aktionäre das Ruder wieder übernehmen dürfen.

Auf so einen Scheiß kommt der gestylte Freiherr natürlich nicht selber. Sein Vorschlag zur „begrenzten Insolvenz“ sowie das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz wurden nachweislich von externen Anwaltskanzleien wie Freshfields oder Linklaters geschrieben, für Stundensätze je beteiligten Anwalt von 300 Euro und mehr. Gegengeprüft wurden die Werke dann nicht von eigenen Juristen der Ministerien, sondern wiederum von einer Kanzlei, diesmal vom Marktführer Hengeler Mueller.

Zu all diesen Fakten könnte man als Journalist den „von und zu“ mal befragen, statt so einen Taugenichts auch noch über die Steuerpläne der Union auszufragen. Und da kommen wir schon zum Kommentar von Christoph Slangen. Ich dachte schon, den Bogen schaffe ich jetzt nicht mehr. Doch ich möchte unbedingt noch anfügen, für wie unglaublich dumm Herr Slangen seine Leser hält. Die Union hat sich nämlich auf ein Steuerkonzept geeinigt. Demnach sollen untere Einkommensbezieher mit der schrittweisen Senkung des Eingangssteuersatzes von derzeit 15 auf 12 Prozent entlastet werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll erst ab einem Einkommen von 56.000 Euro und schließlich von 60.000 Euro an gelten – derzeit gilt er ab 52.000 Euro. So kann man eine Absenkung der Einkommenssteuer für Besserverdiener auch beschreiben.

Christoph Slangen dazu:

„Ein Zweistufen-Programm soll die Steuerzahler mit einem von 14 auf 12 Prozent gesenkten Eingangssteuersatz entlasten. Am oberen Ende würde der Spitzensteuersatz erst bei einem höheren Einkommen fällig. Das klingt vernünftig. Sowohl Geringverdiener als auch Besserverdiener würden entlastet.“

Das kann man so schreiben, wenn man nicht dazu sagen möchte, um wie viel jeder einzelne nun tatsächlich entlastet werden würde. Vielleicht hat der gute Herr Slangen aber auch unser Steuersystem nicht begriffen oder will bewusst etwas Falsches suggerieren. Jedenfalls ist die Aussage, das sei vernünftig, weil Gering- und Besserverdiener entlastet würden, sehr unausgewogen. Denn die Absenkung des Eingangssteuersatzes kommt doch jedem zu Gute, nicht nur den Geringverdienern. D.h. auch der Besserverdiener profitiert von der Absenkung des Eingangssteuersatzes. Denn die ersten Euros über dem Grundfreibetrag werden mit diesem Eingangssatz besteuert. Erst mit jedem weiteren zusätzlich verdienten Euro verändert sich die Besteuerung. Das kennt man ja unter dem Begriff Progression.

Wenn die Union nun aber vorschlägt, den Spitzensteuersatz erst ab einem höheren Einkommen zu Grunde zu legen, dann haben da aber nur jene etwas von, die auch so viel verdienen. Und da müsste man sich ernsthaft fragen, welchen Zweck eine solche Strategie verfolgt. Wieso sollen Besserverdiener quasi doppelt entlastet werden? Was hat der Geringverdiener denn von einer Glättung des sog. Mittelstandsbauchs? Das ist doch keine gerechte Besteuerung, wie uns die Union und Herr Slangen mal wieder glauben machen wollen.

Und weil Christoph Slangen keine Ahnung von dem hat, was er da hinschreibt oder es doch ganz genau weiß, er es aber vemeiden will, heftig protestieren zu müssen, kommentiert er die Pläne der Union auch sehr devot:

„In Zeiten der Krise erscheint ihr ein solches Wahlversprechen, an dem man sie messen könnte, wenig ratsam. Und schließlich gilt es doch auch, das Versprechen von Zukunftsinvestitionen in die Bildung zu erfüllen und die Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen. So präsentieren CDU und CSU vergleichsweise vorsichtige steuerpolitische Absichtserklärungen.

Aber gerade weil z.B. Bildungsinvestitionen, die ja aus dem Steueraufkommen bezahlt werden müssen, dringend notwendig sind, um auch Kindern aus einkommensschwacheren Haushalten endlich die Möglichkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg zu geben, kann das Konzept der Union sowie der FDP volkswirtschaftlich einfach nicht passen. Mit anderen Worten: Stupide Klientelpolitik setzt das Einmaleins der Haushaltspolitik außer Kraft. Wer kann da eigentlich nicht richtig rechnen?

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Unglaublich: "Es gibt wieder Optimismus"

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Das finden zumindest die Wirtschaftsforscher Wolfgang Franz vom ZEW und mit Sicherheit auch Professor (Un)Sinn vom ifo-Institut. Deren Indizes stiegen zuletzt. Das ZEW verkündet dann auch, auf Grundlage der ermittelten Daten, dass die Wirtschaft angeblich die größte Konjunkturzuversicht seit drei Jahren aufweise. Da fällt man ja glatt vom Stuhl. Nicht das die Neue Presse Hannover, in der ich diese Meldung heute auf Seite 1 lese, da mal kritisch nachfragt hätte, aber es stellt sich doch die Frage, wie die eigentlich auf diesen Quatsch kommen.

Und ein paar Zeilen weiter unten liest man es dann. Der DAX sei über die „psychologisch“ wichtige Marke von 5000 Punkten gesprungen. Na ganz toll. Wenn mir jetzt noch einer der Vollchecker in der NP-Redaktion erklären würde, was die Höhe des DAX-Wertes mit der realen Wirtschaft oder genauer, mit der Konjunktur zu tun hat, wäre ich sicher schlauer. Im Börsenteil findet sich dann folgendes Zitat eines Analysten:

„Der Pessimismus der vergangenen Monate geht immer stärker zurück. Wir werden im Laufe der Woche sicher über der 5000er Marke schließen.“

Ich würde diese Aussage eher als Drohung verstehen bzw. als Beleg dafür, dass mitten in der Krise, die Geschäfte für Anleger offenbar wieder ganz gut zu laufen scheinen. Aber statt sich zu fragen, wie es sein kann, dass die Spekulation an den Börsen unvermindert weiter geht, während gerade die Verluste der letzten Hausse von der Allgemeinheit beglichen werden, wertet der Vorsitzende des Sachverständigenrates Wolfgang Franz dieses Analysten-Gewäsch als konjunkturrelevant.

Dabei ist es der größte Unfug von Börse auf Konjunktur zu schließen. Allein zwischen 1995 und 2000 haben sich die DAX-Werte vervierfacht, ohne dass man nun feststellen könnte, dass es irgendwelche Auswirkungen auf den Konjunkturzyklus gehabt hätte. Schlimmer noch. Die Zahlen spiegelten ja nicht einmal die reale Wertschöpfung wieder. Und im Fall der Commerzbank zahlt der Staat jetzt gerade das sechsfache des Börsenwertes, um sich dann mit 25 Prozent + 1 Aktie zufrieden zu geben. Das ist doch einfach hohl.

Aber dennoch tut man bis heute so, als läge in den Börsenmeldungen eine tiefere Bedeutung, die es unbedingt zu erzählen gilt. Hören sie mal Anja Kohl im Ersten zu, wenn sie irgendwelche Sprüche und Weisheiten aus dem Hut zaubert, die das Geschehen am Finanzmarkt erklären sollen. Die Anja Kohl-Persiflage der Pro Sieben Truppe von „switch“ trifft dagegen genau den Kern. Nichtssagende Quasselei. Und die Ohnmacht bricht sich auch in dieser Zunft weiter Bahn. Wenn man aktuell solchen Leuten wie Franz Zink vom ZDF zum Beipiel zuhört, der schon mal zugibt, nichts mehr erklären zu können, so nach dem Motto, alles ist möglich, dann fragt man sich doch unweigerlich, wie zeitgemäß Börsenmeldungen eigentlich noch sind. Es sind doch nur rund fünf Prozent der Deutschen Aktienbesitzer. Der Rest hat mit Spekulation nichts zu tun.

Außer der Tatsache, dass die Verluste des Kasinospiels nun auf die breiten Schultern der Allgemeinheit verlagert werden. Es gibt nur eine logische Konsequenz aus dem weiterhin hoch spekulativen Börsengeschehen. Es schadet vor allem der Wirtschaft, als dass es ihr nützt. Das ist doch gerade die Lehre aus der aktuellen Krise. Aber nein. Ein neuerlicher Höhenflug des DAX wird gleich wieder übersetzt mit Wirtschaftswachstum und positiver Stimmung.

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Der Staat ist schön blöd!

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Am 6. Februar 2009 habe ich hier ein Vorgespräch zweier Börsenexperten auf n-tv eingestellt, das im Programm des Senders aus Versehen gesendet worden war. Darin unterhielten sich Fachmann Friedhelm Busch und der Moderator der n-tv Sendung über den Fall HRE und die Absicht des Bundes, eine Enteignung vorzunehmen. Dabei fiel der Satz, dass der Staat schön blöd wäre, wenn er mit Steuergeld ein Übernahmeangebot machen würde, da die Bank im Grunde Pleite sei und die Anteilseigner somit noch ein für diese Ausgangssituation gutes Geschäft machen würden.

Gesagt getan! Nun hat der Staat ein Übernahmeangebot abgegeben. Doch noch immer fragt kein Journalist offen nach der Blödheit des Staates. Im Gegenteil. Die Maßnahme wird überwiegend positiv aufgenommen, weil sie als privatwirtschaftliche Lösung interpretiert wird und eine umstrittene Enteignung vorerst vom Tisch scheint. Dabei ist es völlig Wurst, ob der Staat ein Übernahmeangebot abgibt oder gleich enteignet. Das Zweite wäre etwas billiger, da er nur eine Entschädigung aufbringen müsste.

Dennoch dreht sich die Diskussion in absurder Weise nur um die Frage, wie eine Verstaatlichung erreicht werden kann. Das eine wird wie gesagt privatwirtschaftlich betrachtet und damit marktwirtschaftskonform und das andere wird mit sozialistischen Praktiken gleichgesetzt und damit verteufelt. Doch niemand fragt danach, warum wir überhaupt diese eine Bank retten müssen. Meiner Meinung nach soll mit dem Verstaatlichungstheater auch nur von dieser wichtigen Frage abgelenkt werden.

Wenn man den Reportern im Radio aktuell so zuhört, kann man sich köstlich über deren Unverstand amüsieren bzw. sich darüber ärgern, dass denen das selbst nicht aufzufallen scheint. Da wird darüber gesprochen, dass der Flowers seine Anteile auch jetzt wohl nicht veräußern wird und Steinbrück wird mit den Worten zitiert, dass er niemanden mehr neben sich haben will, der ihm bei der HRE künftig rein reden könnte, deshalb das Übernahmeangebot. Nur wenn das stimmen würde, hätte er doch gleich enteignen können und müsste sich um die Belange der Anteilseigner nicht weiter scheren. Das alles ergibt keinen Sinn und dennoch wird so getan, als ginge es bei der Bank um alles.

Und präsentiert wird uns das als Wirtschaftskrimi unter dem Titel „Altaktionär und sein Kampf gegen den Staat“. So ein Schwachsinn. Noch immer will man uns glauben machen, dass die Banken im Allgemeinen und die HRE im Besonderen systemrelevant seien, ohne je eine Erklärung mitgeliefert zu haben, was das konkret eigentlich bedeutet. Was wäre denn nun passiert, wenn die HRE im Sptember 2008 Insolvenz angemeldet hätte? Keiner geht dieser Frage auch nur im Ansatz gedanklich nach. Es dominiert die Überzeugung, dass dann eine Katastrophe biblischen Ausmaßes über uns hereingebrochen wäre. Dabei stecken wir doch mittendrin in der Katastrophe, die natürlich nicht als solche erscheint, weil wir ja die HRE retten. Eine seltsame Wahrnehmung, die uns da vorgesetzt wird.

Aber zurück zur Hypo Real Estate. Diese Bank hat nach Aussagen des Aufsichtsratsvorsitzenden Endres etwa 10-20 Prozent der Bilanzsumme für normale Kreditgeschäfte aufgewendet. Der große Rest von 80-90 Prozent sei „artifiziell“, also unecht, will sagen Kasinobuchungen ohne Bezug zur Realität. Warum sollte man das also mit Milliarden Euro retten? Die Sicherung der 20 Prozent, die das normale Kreditgeschäft betrifft und damit die Realwirtschaft, würden doch ausreichen. Dafür hätte der Bund bürgen können. Wieso stützt er auch die Wettgeschäfte und Luftbuchungen?

Weil es angeblich um einen sehr wichtigen Wirtschaftszweig geht. Systemisch halt. Nur mit dem Unterschied, dass Banken nichts produzieren, so wie Opel zum Beispiel. Auch dieses Märchen wird nicht hinterfragt. Ist der Finanzsektor tatsächlich wichtiger als andere Bereiche der Wirtschaft, die durch Produktion Wertschöpfung erzielen? Ist der Finanzsektor nicht vielmehr Diener der Realwirtschaft? Das Kreditgeschäft ist doch die eigentliche Aufgabe des Finanzwesens, nicht die Spekulation. Nur lässt sich mit der Kreditvergabe allein keine 25 Prozent Rendite auf das Eigenkapital generieren. Das ist klar. Aus diesem Grund müssen Banken und Versicherer dann eben besonders wichtig sein, noch wichtiger als die Realwirtschaft. Denn nur wenn sie wichtig respektive systemisch sind, muss man nicht mehr erklären, wie das dazugehörige Geschäft funktioniert und wem es nutzt.

Und genau das passiert im Augenblick. Während man bei einem recht großen Unternehmen wie Opel tatenlos zusieht und eine mögliche Pleite billigend in Kauf nimmt, wird eine relativ kleine Bank wie die HRE zu einem systemischen Antriebsrad der deutschen Wirtschaft verklärt und mit Milliarden Steuergeldern zugeschüttet.

Über diesen Widerspruch lohnt es sich auch während der Osterfeiertage nachzudenken und weiterhin sachlich skeptisch zu sein. Frohe Ostern… ;)

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Eine unmögliche Frage…

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Jetzt habe ich mal eine Weile nix geschrieben und mich auch nicht weiter mit der heißen Luft von G20 beschäftigt oder aber mit dem kriminellen Pack in Banken, Ministerien und der Beraterzunft. Doch eines bringt mich wieder zurück an die Tastatur. Und zwar die unglaubich dämlichen Fragen von Journalisten.

Die mit Abstand dusseligste Frage, die im Zusammenhang mit der Finanzkrise andauernd gestellt wird, ist die nach den Folgen von staatlicher Regulierung. Man fragt sich doch ernsthaft, ob es dann zu befürchten wäre, dass sich das Kapital, das „scheue Reh“, nicht mehr entfaltet, dass nicht mehr investiert würde. Wie kommt man nur auf solch einen Schwachsinn? Loriots Frau Hoppenstedt hätte empört gesagt, „da regt mich ja die Frage schon auf.“

Denn mit dieser absurden Frage wird geradezu der Eindruck erweckt, als ob die Politik der vergangenen Jahre zu einem Investitionsboom geführt habe. Sind diese Journalisten noch immer so bescheuert, den Zusammenhang zwischen Spekulation und Finanzkrise nicht zu erkennen? Dass viele Geld, welches unter dem Diktat des Wettbewerbsdenkens von unten nach oben transferiert wurde, landete eben nicht in der Realwirtschaft, die zunehmend unter einem Nachfrageproblem zu leiden hatte, sondern als persönliche Überschüsse am Kapitalmarkt.

Dort hat es sich im Kasinobetrieb freilich entfaltet. Auf der anderen Seite blieb den Arbeitnehmern, Rentnern und Sozialhilfeempfängern immer weniger zum Ausgeben oder aber sie wurden wie in Amerika geschehen, mit geschenkten Krediten versorgt, um Geld auszugeben, das sie nicht hatten. Und genau dieses Modell versucht die Finanzindustrie nun auf Deutschland zu übertragen. ADAC-Mitglieder werden vielleicht wissen, wovon ich spreche.

Vor ein paar Tagen erhielt ich von den „Gelben Engeln“ einen Brief mit zwei Kreditkarten (VISA und Mastercard in Gold). Ich müsste mich nur bei der Post identifizieren und schon könnte ich mit dem Shoppen loslegen und von zahlreichen Vergünstigungen profitieren. Pikant dabei ist das neue optionale Abrechnungssystem, welches mir erlauben würde, meine Schulden nicht gleich, sondern in Raten über mehrere Monate verteilt, zu begleichen. D.h. die Finanzindustrie macht weiter wie bisher mit ihrer Praxis der unseriösen, ja betrügerischen, Geschäftspolitik.

Derweil scheinen Journalisten noch immer in einem tiefen Dornröschenschlaf zu verweilen. Man könnte sie mit den Fakten regelrecht aufspießen, sie würden es nicht beachten. Albrecht Müller von den NachDenkSeiten hat mal eine sehr schöne Liste mit Fragen zusammengestellt, denen sich die schreibende Zunft endlich einmal zuwenden sollte.

  • Die Verstrickung der Deutschen Bank in den Niedergang der Industriekreditbank. Wurden noch rechtzeitig schlechte Papiere an die IKB verkauft?
  • Wie war das mit der Dresdner Bank, der Allianz AG und dem neuen Käufer der Dresdner Bank, Commerzbank? Hat die Allianz AG bei der Dresdner Bank schlechte Risiken abgeliefert, deren Kosten dann über die Subvention für die Commerzbank von uns Steuerzahlern beglichen werden?
  • Was steckt hinter dem schnellen Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank?
  • Wird die Hilfe für die Allianz AG auch geleistet, um nicht offenbar werden zu lassen, wie teuer die Privatvorsorge ist und wie wenig rentabel? Hätten wir nämlich als Steuerzahler jetzt nicht über Commerzbank und Dresdner Bank der Allianz AG geholfen, dann hätte es vermutlich um die Renditen und die Sicherheit der Privatvorsorge noch schlimmer ausgesehen – so die Hypothese. Heißt das, wir zahlen inzwischen als Steuerzahler doppelt für die Privatvorsorge – einmal die Förderung für die Fördererrente, also Zulagen und Steuervorteile, und dann auch noch das Geld zur Rettung der Betreiber der Privatvorsorge? Das sind lauter fantastische Felder für Recherchen und Artikel von Journalisten. Wo bleiben sie?
  • Gab es einen Deal zwischen dem heutigen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Jörg Asmussen beziehungsweise anderen Stellen der Bundesregierung und dem neuen Eigentümer der IKB Lonestar? Es sieht so aus, dass an Lonestar für 150 Millionen ein Unternehmen verkauft wurde, in das der Bund und einige Banken kurz vorher 10 Milliarden investiert hatten. Was war die Gegenleistung von Lonestar dafür?
  • Wie kam es zu der Regelung, einen kleinen Zirkel mit Geheimnisverpflichtung 480 Milliarden an die Finanzwirtschaft vergeben zu lassen?
  • Warum wurden die Bankenaufsicht Bafin und die Bundesbank nicht tätig, als die ersten Zweckgesellschaften gegründet worden sind? Das geschah schon 2003, wenn nicht noch früher.
  • Wie kommt Angela Merkel auf die famose Idee, das Mitglied des Aufsichtsrats bei der in besonderer Weise Not leidenden Bank HRE, Hans Tietmeyer, zum Vorsitzenden der Expertengruppe zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine neue Welt-Finanzordnung zu machen? Und wieso kommt sie auf den Berater von Goldman Sachs Otmar Issing? Das ist so absurd, dass man als Journalist doch riechen muss, wie es stinkt! Ich habe bisher auch nichts darüber gelesen, was eigentlich der Kuratoriumsvorsitzende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Hans Tietmeyer, im Aufsichtsrat einer so eigenartigen Bank wie HRE zu tun hat?

Quelle: NachDenkSeiten

Sie sollten diesen Fragenkatalog an die betreffenden Redakteure ihrer Zeitungen schicken und darum bitten, sich des Themas Aufarbeitung bzw. Aufklärung endlich anzunehmen und wieder mit dem Recherchieren zu beginnen, anstatt dpa-Meldungen einfach abzuschreiben.

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"Er hat die Welt süchtig gemacht!" ???

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Zum Plusminus-Film Finanzkrise und der totale Kollaps

Ich habe mir den Plusminus-Film auch angesehen und finde ihn eigentlich nicht sehr überzeugend. Denn es wird darin die Aussage gemacht, dass die Entwicklung der Geldmenge ursächlich für die Krise sei. Das ist in meinen Augen falsch. Außerdem wird mit der Stigmatisierung Alan Greenspans (Zitat: „Er hat die Welt süchtig gemacht!„) davon abgelenkt, dass es eine kriminelle Art der Spekulation gab bzw. die Möglichkeit, dubiose Finanzprodukte zu kreieren, ein Kettenbriefsystem zu etablieren und Wetten mit diesen unsoliden Produkten zu betreiben. Dass zu erlauben, war eine bewusste politische Tat.

Die Zinssenkungen der FED in Krisenzeiten hat ja auch nichts damit zu tun, einen noch größeren Crash bewusst vor sich her geschoben zu haben oder zu verschleiern, sondern auf monetäre Krisen mit Hilfe von Geldpolitik angemessen zu reagieren. Etwas, was der Europäischen Zentralbank (EZB) bis heute ziemlich schwer fällt. Dass allein reicht aber nicht aus. Das ist der entscheidende Punkt. Wenn sich die Politik nicht ändert, und es keine Regeln für den Finanzmarkt gibt, wird weiterhin spekuliert werden und Krisen entstehen. Die Zinssenkung der FED auf Null oder der historisch niedrige Leitzins der Bank of England sind doch nur alarmierende Symptome eines maroden Systems, dessen Verteidiger sich schlicht weigern, es aufzugeben.

Ich kann auch nicht die Hysterie der beiden Experten im Film vor einer Inflation aufgrund des vielen Geldes verstehen. Das hat doch mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Wir haben gegenwärtig eine Rezession und sie wird schlimmer. Wir sollten uns daher mehr vor einer Deflation fürchten, d.h. vor einer Abwärtsspirale aus Preisen und wirtschaftlicher Entwicklung. Es wird ja aktuell auch wieder alles dafür getan, höhere Lohnabschlüsse zu verhindern. Woher soll dann also eine Inflation kommen? Von der Nachfrage auf keinen Fall. Es sei denn, man adaptiert das gescheiterte US-amerikanische Konsummodel.

In Deutschland ist die Binnennachfrage schwach und wird schwächer werden. Und was ist mit den USA? Auch da gibt es überhaupt keine Anzeichen, dass die Nachfrage wieder auf das Niveau vor der Krise steigen wird. Denn dort wurde die Lohnentwicklung durch Schulden ersetzt. Das gehört eben auch zum Verständnis der Krise hinzu. Die hohe amerikanische Nachfrageaktivität basierte eben genau auf dem Prozess, schwache Lohnentwicklungen und damit realen Verlust an Kaufkraft durch billige und z.T. kostenlose Kredite auffangen zu können. Doch wo sind die Lohnerhöhungen, die nicht bezahlt werden mussten, gelandet, wenn gleichzeitig die Produktivität unvermindert zugenommen hat?

Richtig –> in einer Form der Umverteilung von unten nach oben -> Zuwachs an Kapitaleinkommen, von dem ein Großteil eben nicht reinvestiert wurde, sondern im Finanzkasino landete, wo dann mit den verpackten Häuslekrediten und Konsumkrediten ein fröhliches Katz und Maus-Spiel betrieben wurde um die Frage, wer erkennt als erster, dass die Kredite nie bedient werden können.

Die Theorie der Geldschwemme ist also eher ein Scheingefecht. Es geht vielmehr um reale Ungleichgewichte, und zwar zwischen Einkommen einerseits und Volkswirtschaften andererseits.

Richtig ist, dass der Staat wiederum Steuergelder aufwendet, um die entgangenen Gewinne, also die realen Verluste der Zocker aufzufangen. Damit würde aber nur der Weg des weiteren Auspressens von menschlicher Arbeitskraft beschritten. Der Staat müsste das aber überhaupt nicht tun. Und da sind wir bei der Grundfrage oder auch Systemfrage. Warum lässt der Staat eine Bank wie die HRE z.B. nicht einfach Pleite gehen und garantiert stattdessen nur für die Einlagen der Konten, nicht aber für die Zockerei-Geschäfte außerhalb und innerhalb der Bilanz? Das wäre viel billiger. Auf der anderen Seite verlören dann aber die geschätzten shareholder, also die Besitzer der Bank nicht nur ihre Rendite, die nur auf Grundlage des Zockergeschäfts bezahlt werden kann, sondern auch ihre Anteile und damit die Aussicht auf einen Profit beim Verkauf selbiger.

Was wäre also daran schlimm? Was wäre zudem daran schlimm, Profiteure wie Flowers noch zusätzlich zur Kasse zu bitten. Wenn schon nicht strafrechtlich, dann doch bitte steuerrechtlich? Das eigentliche Bankgeschäft, nämlich Kredite zu vergeben, die in den realen Wirtschaftskreislauf fließen, kann der Staat auch allein bewerkstelligen. Dafür braucht es keine private Bank. Die hatten ihre Chance, würde ich sagen.

Und wenn ich mir die filmische Darstellung von Alan Greenspan noch einmal genauer anschaue, mir den Schuldvorwurf der Redaktion an den ehemaligen Notenbankchef der FED erneut vor Augen führe und die These von der Geldschwemme darüber lege, komme ich nicht an der Feststellung vorbei, dass es sich hierbei auch um eine plumpe Bedienung antisemitischer Ressentiments handelt. Ist Alan Greenspan am Ende nur Schuld, weil er Jude ist? Ich hoffe nicht, dass diese Überlegung bei den Urhebern des Beitrags Antrieb war.

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Die Neue Presse zum Fall Schaeffler-Conti

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In der Neuen Presse Hannover wird der möglichen Milliardenbeihilfe des Staates für Schaeffler-Conti ziemlich gelassen entgegen gesehen oder sagen wir mal, ohnmächtig. Schließlich kommt man an der Tatsache nicht vorbei, dass Jobs auf dem Spiel stehen. Das kennt man noch von der Autobahn. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung würde zwar Leben retten, aber eben auch Jobs in der Automobilbranche gefährden. So heißt es dann eben freie Fahrt für freie Bürger und einen schönen Unfalltod allen Unbeteiligten, die zu Opfern von Raserei und PS-Wahn werden. Das alte Totschlagargument, im wahrsten Sinne des Wortes, kommt auch in dem heutigen Leitartikel von Claudia Brebach wieder zur Geltung. Keine Kritik an der Selbstbedienungsmentalität der Familie Schaeffler und auch keine Kritik an der dubiosen Vorgeschichte zur Übernahme, bei der Banken – und da kennt sich die Frau Brebach doch eigentlich aus – eine wesentliche Rolle gespielt haben. Stichwort „Cash-Settled Equity Swaps“ oder zu deutsch, eine auf Spekulation basierende Hebelvariante, bei der

  1. der Aktienkurs des zu übernehmenden Unternehmens in gewissem Maße festgeschrieben werden kann,
  2. de facto Unternehmensanteile des zu übernehmenden Unternehmens vorab erworben werden können, ohne dass diese gemeldet werden müssen,
  3. durch den Erwerb von Cash-Settled Equity Swaps vor Ankündigung eines Übernahmeinteresses, die dadurch ausgelöste Kurssteigerung des zu übernehmenden Unternehmens und der dadurch entstehenden Spekulationsgewinne einen Teil der Übernahmekosten direkt finanziert werden können.

Das Problem bei diesem für den Laien komplizierten Geschäft liegt nun darin, dass die Banken enormes Kapital aufbringen müssen, was sie sich bis vor kurzem am Kreditmarkt besorgt haben, um Aktienpakete an dem Übernahmekandidaten als Sicherheit zu erwerben, wenn der Angreifer seine Cash-Settled Equity Swaps einlösen will. Solange der Kurs der Aktie steigt, gewinnt der Angreifer bares Geld aus der Differenz der Kurssteigerung zu dem vorher bei den Banken gezeichneten Basiswert. Die Aktienpakete der Banken gewinnen dann natürlich ebenfalls an Wert und können somit mit Gewinn veräußert werden. Denn Ziel bleibt weiterhin die Übernahme des Konzerns.

Nun hat aber die Finanzkrise diesem Treiben einen Strich durch die Rechnung gemacht und wer sich den Kurs der Conti-Aktie anschaut wird verstehen, warum Schaeffler nun dringend Staatsgeld braucht. Das Ganze wird zum Minusgeschäft. Und die ausgelutschte Jobgeschichte wird erneut hervorgekramt, um zu verdecken, welch mieses Spiel da hinter den Kulissen abgelaufen ist.

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