Eine unmögliche Frage…

Geschrieben von: am 07. Apr 2009 um 10:34

Jetzt habe ich mal eine Weile nix geschrieben und mich auch nicht weiter mit der heißen Luft von G20 beschäftigt oder aber mit dem kriminellen Pack in Banken, Ministerien und der Beraterzunft. Doch eines bringt mich wieder zurück an die Tastatur. Und zwar die unglaubich dämlichen Fragen von Journalisten.

Die mit Abstand dusseligste Frage, die im Zusammenhang mit der Finanzkrise andauernd gestellt wird, ist die nach den Folgen von staatlicher Regulierung. Man fragt sich doch ernsthaft, ob es dann zu befürchten wäre, dass sich das Kapital, das „scheue Reh“, nicht mehr entfaltet, dass nicht mehr investiert würde. Wie kommt man nur auf solch einen Schwachsinn? Loriots Frau Hoppenstedt hätte empört gesagt, „da regt mich ja die Frage schon auf.“

Denn mit dieser absurden Frage wird geradezu der Eindruck erweckt, als ob die Politik der vergangenen Jahre zu einem Investitionsboom geführt habe. Sind diese Journalisten noch immer so bescheuert, den Zusammenhang zwischen Spekulation und Finanzkrise nicht zu erkennen? Dass viele Geld, welches unter dem Diktat des Wettbewerbsdenkens von unten nach oben transferiert wurde, landete eben nicht in der Realwirtschaft, die zunehmend unter einem Nachfrageproblem zu leiden hatte, sondern als persönliche Überschüsse am Kapitalmarkt.

Dort hat es sich im Kasinobetrieb freilich entfaltet. Auf der anderen Seite blieb den Arbeitnehmern, Rentnern und Sozialhilfeempfängern immer weniger zum Ausgeben oder aber sie wurden wie in Amerika geschehen, mit geschenkten Krediten versorgt, um Geld auszugeben, das sie nicht hatten. Und genau dieses Modell versucht die Finanzindustrie nun auf Deutschland zu übertragen. ADAC-Mitglieder werden vielleicht wissen, wovon ich spreche.

Vor ein paar Tagen erhielt ich von den „Gelben Engeln“ einen Brief mit zwei Kreditkarten (VISA und Mastercard in Gold). Ich müsste mich nur bei der Post identifizieren und schon könnte ich mit dem Shoppen loslegen und von zahlreichen Vergünstigungen profitieren. Pikant dabei ist das neue optionale Abrechnungssystem, welches mir erlauben würde, meine Schulden nicht gleich, sondern in Raten über mehrere Monate verteilt, zu begleichen. D.h. die Finanzindustrie macht weiter wie bisher mit ihrer Praxis der unseriösen, ja betrügerischen, Geschäftspolitik.

Derweil scheinen Journalisten noch immer in einem tiefen Dornröschenschlaf zu verweilen. Man könnte sie mit den Fakten regelrecht aufspießen, sie würden es nicht beachten. Albrecht Müller von den NachDenkSeiten hat mal eine sehr schöne Liste mit Fragen zusammengestellt, denen sich die schreibende Zunft endlich einmal zuwenden sollte.

  • Die Verstrickung der Deutschen Bank in den Niedergang der Industriekreditbank. Wurden noch rechtzeitig schlechte Papiere an die IKB verkauft?
  • Wie war das mit der Dresdner Bank, der Allianz AG und dem neuen Käufer der Dresdner Bank, Commerzbank? Hat die Allianz AG bei der Dresdner Bank schlechte Risiken abgeliefert, deren Kosten dann über die Subvention für die Commerzbank von uns Steuerzahlern beglichen werden?
  • Was steckt hinter dem schnellen Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank?
  • Wird die Hilfe für die Allianz AG auch geleistet, um nicht offenbar werden zu lassen, wie teuer die Privatvorsorge ist und wie wenig rentabel? Hätten wir nämlich als Steuerzahler jetzt nicht über Commerzbank und Dresdner Bank der Allianz AG geholfen, dann hätte es vermutlich um die Renditen und die Sicherheit der Privatvorsorge noch schlimmer ausgesehen – so die Hypothese. Heißt das, wir zahlen inzwischen als Steuerzahler doppelt für die Privatvorsorge – einmal die Förderung für die Fördererrente, also Zulagen und Steuervorteile, und dann auch noch das Geld zur Rettung der Betreiber der Privatvorsorge? Das sind lauter fantastische Felder für Recherchen und Artikel von Journalisten. Wo bleiben sie?
  • Gab es einen Deal zwischen dem heutigen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Jörg Asmussen beziehungsweise anderen Stellen der Bundesregierung und dem neuen Eigentümer der IKB Lonestar? Es sieht so aus, dass an Lonestar für 150 Millionen ein Unternehmen verkauft wurde, in das der Bund und einige Banken kurz vorher 10 Milliarden investiert hatten. Was war die Gegenleistung von Lonestar dafür?
  • Wie kam es zu der Regelung, einen kleinen Zirkel mit Geheimnisverpflichtung 480 Milliarden an die Finanzwirtschaft vergeben zu lassen?
  • Warum wurden die Bankenaufsicht Bafin und die Bundesbank nicht tätig, als die ersten Zweckgesellschaften gegründet worden sind? Das geschah schon 2003, wenn nicht noch früher.
  • Wie kommt Angela Merkel auf die famose Idee, das Mitglied des Aufsichtsrats bei der in besonderer Weise Not leidenden Bank HRE, Hans Tietmeyer, zum Vorsitzenden der Expertengruppe zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine neue Welt-Finanzordnung zu machen? Und wieso kommt sie auf den Berater von Goldman Sachs Otmar Issing? Das ist so absurd, dass man als Journalist doch riechen muss, wie es stinkt! Ich habe bisher auch nichts darüber gelesen, was eigentlich der Kuratoriumsvorsitzende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Hans Tietmeyer, im Aufsichtsrat einer so eigenartigen Bank wie HRE zu tun hat?

Quelle: NachDenkSeiten

Sie sollten diesen Fragenkatalog an die betreffenden Redakteure ihrer Zeitungen schicken und darum bitten, sich des Themas Aufarbeitung bzw. Aufklärung endlich anzunehmen und wieder mit dem Recherchieren zu beginnen, anstatt dpa-Meldungen einfach abzuschreiben.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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