Rascher Geldfluss folgt auf raschen Geldfluss

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Bundeskanzlerin Angela Merkel‬ verspricht Flutopfern raschen Geldfluss, nachdem sie vor Wochen bereits einen raschen Geldfluss versprochen hat. Die Menschen lieben sie dennoch. Dass Merkel erneut in die Stiefel geschlüpft ist, um Katastrophentourismus zu betreiben, folgt allerdings einzig und allein dem Gesetz, auch im Sommerurlaub ständig präsent zu sein. Denn Dauerpräsenz in den Medien bedeutet vor allem Stimmen bei der anstehenden Bundestagswahl. Der Streit um die Beteiligung an den Kosten des zweiten Jahrhunderthochwassers innerhalb einer Dekade – man geht von rund sieben Milliarden Euro aus – soll die Menschen nicht weiter verunsichern.

Bund und Länder hatten sich vor rund einem Monat nach zähen Verhandlungen auf einen Sonderfonds in Höhe von acht Milliarden Euro geeinigt. Noch im August, so versichert Merkel nun, sollen die ersten Gelder an die Betroffenen fließen. Rasch geht aber auch anders. Denn ein anderer Fonds, nämlich der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung – kurz: SoFFin, wurde seinerzeit schneller auf zahlungskräftige Beine gestellt. Binnen einer Woche hatten sich CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne auf eine Fluthilfe in Höhe von 480 Milliarden Euro verständigt. Sie erinnern sich noch. Im Jahr 2008 sind deutsche Finanzinstitute nicht von einer Welle, sondern von einem Tsunami am Kapitalmarkt überrascht worden.

Bis heute stützt der Bund mehrere Banken. Seit seiner Gründung im Jahr 2008 hat der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung einen Verlust von 21,5 Milliarden Euro in den Büchern stehen, umgerechnet also ungefähr dreimal Jahrhunderthochwasser an Elbe und Donau – und das in nur fünf Jahren. Außerdem halten sich Gerüchte, wonach sich der Bund von seinem, also ihrem Aktienpaket an der Commerzbank trennen möchte, was unweigerlich zu einem weiteren Verlust von derzeit rund vier Milliarden Euro, also fast noch einem Jahrhunderthochwasser, führen würde. Die Commerzbank ist übrigens das Institut, das ihr Geld vor allem für Werbung im Fernsehen verballert und auf stille Einlagen des Staates nicht die versprochenen Zinsen zahlt.

Den zu erwartenden Verlust beim Verkauf der Anteile wird die Kanzlerin nicht vor der Bundestagswahl realisieren wollen. Soviel ist klar. Aber danach hat sie wieder vier Jahre Zeit, die ein oder andere unvorhersehbare Katastrophe managen zu dürfen. Für die Menschen in der Hochwasserregion heißt das, sie hätten lieber eine Bank gegründet anstatt einer Existenz mit Haus und Garten. Dann hätte es für den Wiederaufbau auch schnelle, unbürokratische und vor allem kostenlose Finanzhilfen in Milliardenhöhe gegeben.

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Die mächtigste Frau der Welt stellt sich weiter dumm

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Die Berliner Hauptstadtpresse ist mehr oder weniger entsetzt über das Verhalten ihrer Majestät, Angela Merkel, auf der diesjährigen Sommerpressekonferenz. Sie gab weiterhin die Ahnungslose, der wenig daran gelegen ist, sich intensiv mit Details des Ausspähprogramms Prism zu befassen. Das sei nicht ihre Aufgabe, gab sie zu Protokoll. Sie habe schließlich den Beruf gewechselt und erhole sich bei der Arbeit mit ihrem iPad, auf dem sie regelmäßig die Bild-Zeitung lese.

Darüber war der Chefredakteur des Politmagazins Cicero, Christoph Schwennicke, im Anschluss bei Phoenix so verwundert, dass er bei der Kanzlerin auf jeden Fall noch einmal nachfragen wolle, wie Merkel das mit dem Erholungsfaktor wohl gemeint habe. Wer noch keinen Grund zum Abschalten gefunden hatte. Das war er wohl nach knapp zwei Stunden Audienz bei der großen Staatsratsvorsitzenden.

Seltsamerweise blieb es friedlich auf der Konferenz, obwohl über 30 Fragen nicht mehr beantwortet werden konnten. Na ja, dann vielleicht beim nächsten Mal. Die Presse begnügte sich mit dem Merkel-Satz des Tages:

“Das ist vielleicht eine Antwort, die sie nicht zufriedenstellt, aber das ist meine Antwort.”

Zur Prism-Affäre und anderen Themen hat die Kanzlerin keine Stellung genommen. Sie verweigerte konsequent die Aussage, wie sie es eigentlich immer tut. Nur dieses Mal scheint das Sensorium des ein oder anderen Journalisten etwas empfindlicher eingestellt zu sein. Zu groß ist doch die Enthüllung und der Skandal, den Merkel zu vertuschen sucht. Dennoch hält sich die Empörung der Medien eher in Grenzen, Schuhe sind jedenfalls nicht geflogen, obwohl 250 Journalisten anwesend waren.

Selbst darauf angesprochen, dass der Chef der NSA, Keith Alexander, noch während der Merkel-PK über die Agenturen den Satz verbreiten ließ,

“Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen und wie wir es machen, aber jetzt wissen sie Bescheid.” 

ließ die Kanzlerin und einige Medienvertreter kalt. Darauf angesprochen deutete sie das in der ihr eigenen Dialektik sogar um und fühlte sich in ihrer Haltung zu dem ganzen Thema bestätigt. Abgehakt, nächste Frage. Dabei scheint für die USA die Aufklärung schon abgeschlossen zu sein, während Merkel noch das Gegenteil behauptet und die Öffentlichkeit auf die Beantwortung eines Fragenkatalogs vertröstet, der wohl nicht vor dem 22. September eintreffen wird.

Sie wiederholte immer wieder, dass auf deutschem Boden, deutsches Recht zu gelten habe. Wie dieses Recht aber genau aussieht, weiß die Kanzlerin offenbar selbst nicht. Ob es ein Abkommen oder einer rechtliche Grundlage neben einer bereits existierenden Verbalnote aus dem Jahr 1968 gebe, die es den Amerikanern erlaube, auf deutschem Boden zu spionieren, entziehe sich der Merkelschen Kenntnis. Klar sei jedoch, dass die Bundesregierung persönliche Daten nur dann schützen könne, sofern sie deutschen Boden nicht verlassen, was übersetzt bedeutet, dass sie nichts wirklich zu schützen vermag, da sich kein Datenstrom im Netz an staatliche Grenzen hält.

Auf Zuruf von Steinbrück zitierte Merkel einen Satz von Gerhard Schröder, wonach in Deutschland nicht das Recht des Stärkeren gelte, sondern die Stärke des Rechts, um gleichzeitig dessen Äußerung nach den Anschlägen von New York über die uneingeschränkte Solidarität zu relativieren. “Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gut”, sagte sie. Steinmeier kam auch namentlich vor, der ja die Nützlichkeit von Geheimdienstinformationen nicht leugnen könne. Er war selbst Chef des Kanzleramtes unter Schröder wie auch Außenminister unter Merkel und schweigt sehr laut zum Thema oder gibt ebenfalls den Ahnungslosen. Möglicherweise hat ja die SPD Prism erfunden, was nicht schlecht für Merkels Wahlkampf wäre.

Unfähig zu regieren und unfähig Kritik zu üben

Die Deutschen (~70 Prozent) sind laut einer aktuellen Umfrage von infratest dimap zwar unzufrieden mit der Aufklärungsarbeit der Bundesregierung, würden sie aber glatt noch einmal ins Amt wählen, weil ihnen das Thema schnurzpiepegal ist oder weil sie offenbar die Haltung der Kanzlerin teilen und dem Satz von ihr zustimmen würden:

“Ich kann zu dem Sachverhalt nichts sagen.”

Dennoch hinterlässt die Kanzlerin den Eindruck, offenkundig nicht aufklären, nicht informieren und auch von nichts wissen zu wollen. Sie demonstriert aber nicht Unwissenheit, sondern offenbart Handlungsschwäche und ihre schon immer dagewesene Unfähigkeit zu regieren. Sie sollte deshalb auch nicht Kanzlerin sein und sich auch nicht mehr zur Wahl stellen. Solche klaren Reaktionen bleiben aber aus. Ebenso wenig liest man etwas über die mächtigste Frau der Welt, die Merkel ja angeblich sei. Ein Gewicht, das die Bundeskanzlerin offenkundig bei der Eurokrise in die Waagschale werfe. Auf ihren Schultern laste das Schicksal des Euros und gerade die deutsche Journaille reagiert gereizt, wenn Kritik am Europakurs der Kanzlerin geäußert wird.

Doch mit Blick auf einen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland demonstriert Merkel dasselbe Schema, wie bei ihren Antworten zu Prism. “Ich habe erst mal gesagt, ich sehe das nicht.” Eine klare Antwort sieht anders aus.

Doch wer überdenkt da jetzt angesichts der vorgespielten Ahnungslosigkeit und Unentschlossenheit seine Haltung zur Kanzlerin? Warum sollte ihre Politik, die sie den europäischen Freunden aufzwingt, richtig sein? Warum sollten sich Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien an deutschen Reformen orientieren und Teile ihre Souveränität aufgeben?

Es ist schon äußerst merkwürdig, dass die deutsche Presse die Kanzlerin für eine bizarre und abgrundtief falsche “Rettungspolitik” immer wieder lobt, die einzig und allein auf einer absurden Wettbewerbslogik und damit auch auf einem Recht des Stärkeren beruht, auf der anderen Seite aber Anstoß daran nimmt, dass ein noch stärkeres Land es auf einer anderen Ebene ebenfalls tut und alles zum Einsatz bringt, was technisch möglich ist.

Das merkwürdige Amtsverständnis, das man im Fall Prism der Kanzlerin nun zum Vorwurf macht, ist deckungsgleich mit dem fehlenden Rückgrat der Medien, für eine angemessene und kritische Aufklärung zu sorgen. Alternativen zum System Merkel, und damit ist nicht Steinbrück gemeint, werden ebenso systematisch unterdrückt und als Gegenstand öffentlicher Diskussionen unmöglich gemacht. Am Ende bleibt Merkel eine Kanzlerin, die es sich einfach erlauben kann, nichts zu sagen oder heute so und morgen so nicht zu entscheiden.

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Neoliberale Pfeifen können es nicht lassen

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Der Bundes-Gauck und zahlreiche Medien, wie etwa die Frankfurter Allgemeine bewundern Lettland, das demnächst gegen den Willen seiner eigenen Bevölkerung der Eurozone beitreten wird, für seine wirtschaftliche Entwicklung. Klaus-Dieter Frankenberger schreibt in der FAZ:

Die Nachricht ist deswegen vergleichsweise schön, weil zum Jahresbeginn ein Land den Euro einführen wird, das nach einem scharfen Wirtschaftseinbruch als Folge der Finanzkrise ein erfolgreiches Gesundungsprogramm absolviert hat, das also ein Beispiel dafür ist, dass die Kombination von strenger Haushaltsdisziplin und Wirtschaftsreformen durchaus funktioniert.

Dieses Wachstum stärkt, auch das ist eine nette Begleiterscheinung, die Fraktion derer, die solide Staatsfinanzen nicht für wachstumsfeindlich oder für eine deutsche Obsession halten.

So ähnlich hat sich auch der Bundespräsident auf seiner Reise durchs Baltikum ausgedrückt. Doch was ist dran an der Behauptung, Lettland habe ein erfolgreiches Gesundungsprogramm absolviert und Haushaltsdisziplin mit Reformen kombiniert? Lettland musste mit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 den stärksten Wirtschaftseinbruch aller EU-Staaten hinnehmen (-4,6 Prozent und –18 Prozent im Jahr 2009). Die Arbeitslosenquote stieg auf 21 Prozent. Es folgte ein radikales Kürzungsprogramm, das bei einigen hierzulande offenbar die Freudentränen in die Augen treibt. Rund 30 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurden entlassen und dem Rest das Gehalt um 40 Prozent gekürzt.

Ob so ein Gesundungsprogramm Herr Frankenberger von der FAZ auch akzeptieren würde? Er würde wohl auswandern und genau das taten auch rund 340.000 Letten. Das sind etwa 14 Prozent der Gesamtbevölkerung, die der baltische Staat seit dem Jahr 2000 verlor. Die Arbeitslosenrate sank also, weil die Menschen fluchtartig das Land verließen. Wären diese Menschen noch da, es gäbe nichts zu bejubeln für die neoliberalen Pfeifen aus der FAZ und dem Schloss Bellevue. Lettland gehört zwar zu den Staaten der EU, in denen die Wirtschaft am rasantesten wächst. Allerdings nimmt auch die Armut im Vergleich am schnellsten zu. Weit über 20 Prozent der lettischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze oder müssen erhebliche materielle Einschränkungen in Kauf nehmen.

Die Behauptung, da hätte etwas funktioniert, stimmt auch aus ökonomischer Betrachtung nicht. Fakt ist, dass ein völlig normaler Aufholprozess der lettischen Wirtschaft nach dem Einbruch stattgefunden hat. In Deutschland war das auch zu beobachten. Dennoch ist das Vorkrisenniveau längst nicht erreicht. Preisbereinigt lag das lettische BIP 2012 um etwas mehr als 12 Prozent unter dem Wert von 2007. Die aktuellen Wachstumsraten haben sich wie in den anderen Ländern Europas ebenfalls verlangsamt. Das Niveau bleibt also niedrig und die Leistungsfähigkeit insgesamt ist von der volkswirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Partner abhängig, die ihrerseits mit Austeriätsprogrammen geknechtet werden.

Bei näherer Betrachtung fällt weiterhin auf, dass der lettische Staat gänzlich auf eine progressive Einkommenssteuer verzichtet und stattdessen das lineare Modell einer flat tax bevorzugt und vor allem auch Unternehmen und Kapital aus dem Ausland günstige Rahmenbedingungen bietet, die zuletzt im Fall Zyperns noch verteufelt wurden. Das Steueraufkommen und damit die Staatseinnahmen sind mit 27 bis 28 Prozent vom BIP dementsprechend niedrig (EU-Schnitt: 38,4 Prozent). Insgesamt ist die Steuergesetzgebung des Landes äußerst fragwürdig und sollte gerade aus Stabilitätsgesichtspunkten verstärkt unter die Lupe genommen werden. Wie sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Blick auf Zypern so schön? Deren Geschäftsmodell sei gescheitert. Nun, Lettland betreibt ein ähnliches Modell, doch hier scheint die Bewunderung mal wieder zu überwiegen.

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Auf leisen Sohlen durchs Sommerloch

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Die Euro-Finanzminister haben am Montag ohne großes Tamtam eine weitere Tranche aus dem Euro-Rettungsschirm für Griechenland beschlossen. Trotz einer Regierungskrise in Athen und Auflagen, die offenkundig noch nicht erfüllt werden konnten, zeigt man sich in Brüssel gnädig. Wo früher wochenlang eine Auszahlung infrage gestellt wurde und landauf landab Politik und Medien die Griechen vor die Wahl stellten, endlich Reformen durchzuziehen oder aus dem Club auszuscheiden, hört man heute gar nichts mehr. Stattdessen beschäftigen sich die Kommentatoren mit dem Papst, der in Lampedusa einen bedeutungslosen Kranz ins Meer geworfen hat.

Statt einer kritischen Betrachtung der Finanzkrise, die durch weitere Zuspitzungen in Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien gekennzeichnet ist, wird der deutsche Leser mit dem Papst bei Laune gehalten. Auftrag verfehlt!

Mit seinem Appell an die Nächstenliebe habe der neue Popstar der Katholischen Kirche der EU einen Spiegel vorgehalten, ist scheinkritisch zu lesen. Das beeindruckt die schreibende Zunft. Eher beiläufig wird erwähnt, dass die Griechen bitte, aber doch rasch, 4200 Beschäftigte im öffentlichen Dienst in eine Transfergesellschaft versetzen sollen, um den Auflagen der Troika zu entsprechen. Bundesfinanzminister Schäuble spricht in diesem Zusammenhang von Problemen, die es zu lösen gilt. Deshalb hat er auch auf eine Auszahlung in Raten bestanden, die wie immer auf einem Sperrkonto landen sollen, zu dem der griechische Staat selbst keinen Zugang hat, sondern nur seine Gläubiger, die es, und das ist der Sinn der ganzen Übung, ohne große Schrammen rauszuhauen gilt.

Bluten müssen andere. Was allerdings der Massenrausschmiss von 4200 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, um nichts anderes geht es ja, mit einer nachhaltigen Reform zu tun hat, lassen Schäuble und die ihn nicht fragenden deutschen Medien mal wieder offen. Zu den sogenannten Auflagen gehörte nämlich die Zustimmung Griechenlands, in vier Jahren 150.000 Stellen im Staatsdienst streichen zu müssen. Aber auch davon liest man schon lange nichts mehr, sondern nur von der nachgeplapperten Regierungsansicht, der öffentliche Dienst sei grundsätzlich zu aufgebläht.

Weiterhin ist zu lesen, dass vor allem Österreich und Frankreich auf eine schnelle Einigung gedrungen hätten. Allerdings hat auch die wahlkämpfende Bundeskanzlerin ein Interesse daran, möglichst ohne weiteren Krisengipfel durch den Sommer und zur anstehenden Bundestagswahl zu kommen. Eine kontroverse Debatte im Deutschen Bundestag wird es deshalb nicht geben. Vielmehr soll der Haushaltsausschuss über die Freigabe der sogenannten Hilfen entscheiden.

Dass die Krisenpolitik von Merkel, Schäuble und Co in vier Jahren Schwarz-Gelb krachend gescheitert ist, liest man ebenfalls nicht. Vielleicht helfen Bilder über die volkswirtschaftliche Entwicklung ausgewählter Krisenstaaten, um zu verstehen, was Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 27. Juni meinte, als sie sagte:

“Wir haben gezeigt, wir können das!” 

BIP Griechenland (Quelle: Eurostat)

BIP_Griechenland

BIP Spanien

BIP_Spanien

BIP Portugal

BIP_Portugal

BIP Italien

BIP_Italien

BIP Zypern

BIP_Zypern

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Sozialversicherung nach Kassenlage

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Die Bundesagentur für Arbeit sorgt sich um ihre Finanzen, falls die Krise in mittlerer Stärke wieder zuschlagen sollte. Der Zeitpunkt des Aufschreis ist bemerkenswert, zeigt er doch, dass selbst die führenden Köpfe in der BA mit einer neuerlichen Zuspitzung rechnen, obwohl sie nach außen hin Gelassenheit demonstrieren und den Arbeitsmarkt wie auch das wirtschaftliche Umfeld gebetsmühlenartig als robust bezeichnen.

Bis zum Jahresende sollen die Rücklagen auf rund 1,7 Milliarden Euro sinken, heißt es. Damit wäre ein weiteres Programm zur Finanzierung von Kurzarbeit und ergänzender Maßnahmen, das zwischen acht und elf Milliarden kosten würde, nicht machbar, sagt Peter Clever, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender. Er verlangt daher ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur BA in Krisenzeiten. Doch kaum jemanden interessiert die Frage, warum es noch einmal zu einer Krise kommen sollte. Es interessiert sich von der schreibenden Zunft auch niemand für die Frage, warum die BA beim Bund eigentlich um Zuschüsse betteln muss. Sind etwa die Beiträge, die in den vergangenen Jahren permanent unter dem Vorwand des Überflusses gesenkt wurden, nicht ausreichend, um Krisenszenarien zu überstehen. Und warum ist die Finanzierung von Kurzarbeit das einzige Krisenrezept? Wo bleibt die Forderung nach einem Beschäftigungsprogramm oder einer antizyklischen Intervention des Staates mittels Konjunkturprogramm?

Wir haben keine Krise, sagt die Regierung. Merkel meint, das Land sei stärker aus der Krise herausgekommen als es hineingegangen ist. Der nächste Einbruch der Wirtschaft wird die politisch Handelnden, egal in welcher Farbkonstellation sie auch nach dem Wahltermin im September zusammenarbeiten werden, erneut wie ein Spring-ins-Feld-Teufel überraschen. Die Leugnung einer Rezession vor der Bundestagswahl ist praktische Übung und war nicht anders zu erwarten. Die Eingliederung der Arbeitslosenversicherung in das Bundesfinanzministerium ist allerdings ein Skandal, den die Versicherten, die zu Recht Leistungen im Krisenfall einfordern, nicht hinnehmen sollten. Dass der Ausgleich für die Senkung der Beiträge (160 Milliarden Verlust), von denen nur die Arbeitgeber wirklich profitieren, über Steuern laufen muss, macht die Bundesagentur für Arbeit zu einem bloßen Werkzeug der Bundesregierung. Sie bestimmt über den Haushalt und damit über Maßnahmen, die finanziert werden dürfen. Dass dabei immer mehr Versicherte mit Vermittlungshemmnissen auf der Strecke bleiben, ist politischer Wille, aber nicht mit dem Versicherungsprinzip vereinbar.

Wer darüber hinaus Krisen verhindern will, muss selbst aktiv werden, anstatt sich schmarotzend auf die Konjunkturprogramme anderer Staaten zu verlassen und bis dahin Kurzarbeit endlos zu finanzieren. Deutschland profitierte 2008/2009 weniger von der eigenen Wirtschaftspolitik als von der befreundeter Handelspartner. Wenn sich Ausspähen unter Freunden nicht gehört und inakzeptabel ist, dann aber auch das einseitige Nehmen auf Kosten anderer im volkswirtschaftlichen Sinne. Die Zinsen sind niedrig. Nie war es günstiger Schulden zu machen, um die Konjunktur zu stimulieren. Gerade Deutschland müsste fiskalpolitisch sehr viel mehr tun, um die Krise in Europa zu beenden und einer Verschärfung der Lage auch hierzulande vorzubeugen.

Das Senken von Beiträgen zur Sozialversicherung ist dabei ein Irrweg, da sich die angeblichen Entlastungen immer nur negativ auf den Leistungskatalog auswirken und nicht, wie behauptet, stimulierend auf die Konjunktur. Die Arbeitnehmer sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob sie ausreichend abgesichert sind und halten sich mit Konsum und Forderungen nach mehr Lohn eher zurück. Die Arbeitgeber sind dagegen glücklich über Lohnkosten, die sie nicht zu zahlen brauchen. Investiert wird unter diesen Voraussetzungen allenfalls am Kapitalmarkt, da die Nachfrage aus der realen Wirtschaft fehlt. Das führt am Ende zu jener Krise, die die Bundesagentur offenbar erwartet, auch wenn sie offiziell behauptet, alles sei robust.

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Nicht garantieren sondern wieder versprechen

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Vergangene Woche hat die Allianz angekündigt, Lebensversicherungen ohne Garantieverzinsung unter der schönen Bezeichnung „Perspektive“ anzubieten. Dabei setzt der Konzern mit Hilfe der Medien auf eine Mogelpackung, die angeblich mehr Sicherheit durch einen Wegfall von Garantien bietet. In Wahrheit will man wieder mehr Risiko bei Vorsorgeprodukten salonfähig machen, um weniger Eigenkapital für garantierte Verträge vorhalten zu müssen.

Die historische Niedrigzinsphase lastet auf den Versicherungskonzernen, die mit Lebensversicherungen und Riester-Verträgen, gestützt von Politik und Medien, den Menschen eine trügerische Sicherheit im Alter vorgaukeln. Mit der Garantieverzinsung sollte dieser Anspruch der privaten Altersvorsorge untermauert werden. Ein Kostenproblem, wie sich nun zeigt, wenn das allgemeine Zinsniveau unter der des Garantiezinses liegt. Etwas Neues muss also her, um das Geschäft mit der Altersvorsorge zu retten oder neu zu beleben.

Die jüngste Produktoffensive der Allianz ist aber nicht als Satire gekennzeichnet. In der Packungsbeilage heißt es, dass der Versicherte mit der neuen Police sogar besser fahren könnte, als mit herkömmlichen Verträgen. Schließlich wisse heute niemand, wie sich das Zinsniveau in 20 oder 30 Jahren entwickeln werde. Sollte es höher liegen, wovon die Spezialisten in München mit Rückendeckung der BaFin offensichtlich ausgehen, könnte die Allianz ihren Kunden auch eine höhere Monatsrente versprechen, was bei Verträgen mit der üblicherweise geltenden Garantieverzinsung nicht möglich ist. Da muss man schließlich eine Summe X garantieren.

Versprechen sind eben etwas anderes als Garantien. Mit diesem Zaubertrick versucht die Allianz zu beeindrucken oder einfach Scheiße in Gold zu verwandeln. Beim Versicherungskonzern heißt das Nullprozent-Garantie, die nach Auffassung der Finanzgenies mehr Sicherheit biete. Unterm Strich verzichtet der Kunde auf einen Garantiezins, um laut Aussage der Allianz am Ende der Vertragslaufzeit dann doch mehr Rendite einstreichen zu können. Wasserdicht sei das neue Produkt, so das Management.

Wie der Hokuspokus funktioniert, dürfte klar sein. Wenn die Versicherungsmafia keinen Zins mehr garantieren muss, kann sie wieder vollmundig Renditen versprechen, die durch riskantere Anlagen wie Aktien oder Hedgefonds zu Stande kommen sollen. Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase habe man unter potenziellen Allianz-Kunden dann auch mehr Bereitschaft zum Risiko ausgemacht. Natürlich muss man das in Zeiten der Finanzkrise und der vielleicht noch nicht ganz verblassten Erinnerung an verlorene Anlagen und geplatzte Zukunftspläne auch hierzulande (Stichwort: Lehman Zertifikate) etwas vorsichtig angehen. Die Allianz verspricht aber und garantiert nicht, dass die Mogelpackung von den hauseigenen Beratern so verständlich wie möglich den künftigen Opfern des Konzerns vorgetragen werde.

Die Provisionen bleiben übrigens in dem einen wie dem anderen Fall, für den sich der Kunde entscheidet, gleich, beteuert die Allianz. Ob sie dem Kunden aber auch verrät, dass diese sowie die Vertriebskosten vom Sparbeitrag abgezogen werden, was wiederum das ganze Unterfangen private Altersvorsorge eher unattraktiv macht, darf bezweifelt werden.

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Jugend ohne Gegenwart und ohne Zukunft

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Wir brauchen höhere Steuern und höhere Schulden, um der Jugend, die ihrer Gegenwart bereits beraubt wurde, nicht auch noch die Zukunft zu nehmen.

So eine Forderung ist unpopulär und wird mitunter als widersinnig angesehen, da alles und jeder in dieser Gesellschaft wie in der Politik nach ausgeglichenen Haushalten strebt. Eine schwarze Null ist das Pfund, mit dem beispielsweise die amtierende Bundesregierung wirbt. Im nächsten Jahr soll es wieder soweit sein, Krise hin oder her. Sie habe Konsolidierung und Wachstum gleichermaßen zustande gebracht, heißt es aus dem schwarz-gelben Heißluftballon. Im Gegensatz dazu seien höhere Steuern schlecht fürs wirtschaftliche Umfeld und mehr Schulden schlecht für künftige Generationen.

Doch haben auch ausgeglichene Haushalte und das permanente Suchen nach einer Begrenzung staatlicher Ausgaben ihren Preis, den jemand bezahlen muss. Das wird immer verschwiegen, wenn Politiker, die über den Staatshaushalt bestimmen, rein betriebswirtschaftlich denken. Die schwarze Null in Deutschland, wenn sie denn kommt, ist teuer erkauft. Was in der Bilanz nach Stabilität aussieht, bröckelt in der realen Welt als Putz sprichwörtlich von den Wänden. Bund, Länder und Kommunen schieben einen riesigen Investitionsbedarf bei Straßen, Schulen und sozialen Einrichtungen vor sich her. So hübsch die Zahlen auch sein mögen, sie können nicht über die maroden Zustände der öffentlichen Infrastruktur hinwegtäuschen. Auf die ist die Jugend von heute wie auch in der Zukunft aber angewiesen.

Merkels Showgipfel

Die Probleme in Deutschland werden als solche nicht gesehen, weil Selbstbeweihräucherung und Arroganz die Tagespolitik bestimmen. Es gilt beispielsweise als ausgemacht, auch bei der SPD, dass das überaus erfolgreiche deutsche Ausbildungssystem auf andere Staaten übertragen werden müsse, um die neuentdeckte Krise auf dem südeuropäischen Arbeitsmarkt zu bewältigen. Das ist irgendwie das Ergebnis von Merkels Showgipfel zur Jugendarbeitslosigkeit im Kanzleramt, der zwischen Revolution in Ägypten und gesperrten Lufträumen in der freien Welt stattgefunden hat. Man fragt sich nur, wie diese Länder bisher ihre Jugend ausgebildet haben und wie sie jahrelang für deren Beschäftigung sorgen konnten.

Was soll überhaupt der Quatsch, den Süden mit dem deutschen Ausbildungsmodell beglücken zu wollen? Die Menschen, die in Spanien, Griechenland oder Frankreich arbeitslos geworden sind, sind bereits bestens ausgebildet und qualifiziert. Ihr Problem ist doch nicht die Ausbildung oder die Tatsache, dass sie nie mit dem segensreichen deutschen Ausbildungsmodell in Kontakt gekommen sind, sondern die knallharte und sinnlose Kürzungspolitik einer deutschen Kanzlerin, bei der nicht einmal die NSA mit ahnungsloser Unterstützung des Verfassungsschutzes einen Standpunkt erschnüffeln würde.

“Frankreich hat zu viele Akademiker”

In deutschen Medien dominiert aber weiterhin der chauvinistische Irrsinn. Caren Miosga meint in den Tagesthemen über Frankreich. „Das Land hat zu viele Akademiker“. Im folgenden Bericht wird den Franzosen zum Vorwurf gemacht, dass sie fast 85 Prozent ihrer Schüler erst zum Abitur führen und dann zur Uni schicken, wo sie einen Abschluss machen, mit dem sie nichts anfangen können. Stattdessen sollten sie einen ordentlichen Handwerksberuf zum Beispiel in einer Pariser Metzgerei erlernen. Da schwingt wenig Analyse und viel Boshaftigkeit mit, die beim Zuschauer offenbar den Kurzschluss auslösen soll, dass die so oft kritisierte Bildungsselektion im Land der Dichter und Denker doch nicht so schlecht sein könne, wenn halb Europa dem deutschen Vorbild in Sachen Ausbildung folgen soll.

Von einem Monatsgehalt in Höhe von 2500 Euro, die ein Metzger in Paris als Berufseinsteiger verdienen soll (das wirkt beeindruckend, wenn man die Lebenshaltungskosten nicht kennt), können deutsche Azubis aber nur träumen. Hierzulande hat eine Fleischindustrie das Sagen, die sich auf Grundlage bestehender Arbeitsmarktgesetze Lohnsklaven aus Osteuropa halten kann. In anderen Branchen läuft es ähnlich. Der Fachkräftemangel in Deutschland korrespondiert mit einem Mangel an Lohnfairness auf Seiten der Arbeitgeber, für die sich günstige Gesetzeslagen und notleidende Menschen aus dem europäischen Süden betriebswirtschaftlich durchaus rechnen dürften.

Denn, so die Bundesarbeitsministerin, die Jugend des Südens solle im Idealfall in den Genuss eines dualen Ausbildungsmodells kommen, um zu jenen Fachkräften heranzureifen, die die Wirtschaft braucht. Da hat die Fachkraft für Selbstinszenierung in Merkels Horrorkabinett den richtigen Blickwinkel offenbart. Die Wirtschaft soll nicht den Menschen dienen, sondern die Menschen für die Wirtschaft ökonomisch verwertbar sein. Den Rest macht die Kosmetik in der Statistik unsichtbar.

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“In Europa richtet sich alles nach Muttis Zeitplan”

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Am Montag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rede vor der Deutsch-Türkischen Handelskammer in Berlin gehalten und in Sachen EU-Beitritt gemeint, die Türkei sei am Zuge. Das Land müsse sich in entscheidenden Fragen wie dem Zypern-Konflikt bewegen. Nur wohin soll sich die Türkei bewegen? Etwa auf die Beliebtheitsstufe, auf der sich Angela Merkel und Deutschland seit geraumer Zeit befinden? Ende März zogen Schüler und Jugendliche in Nikosia mit einem Plakat durch die Stadt, auf dem stand: “Hitler, Merkel, the same shit”. Dazu wurde die Flagge der EU durchgestrichen.

Im Augenblick sieht es ja wieder so aus, als ob Merkel und die EU das kleine Land Zypern am liebsten über die Klinge springen lassen wollen. Denn wieder funktioniert ein von Angelas Finanzgenie Schäuble ausgehecktes Rettungspaket nicht. Das Drama geht weiter, schreibt Flassbeck. “Die „Rettung“ Zyperns war keine Rettung, sondern ein Untergangsszenario.”

Ich will mal sagen, der türkisch-zypriotische Konflikt um staatliche Anerkennung ist doch ein Witz gegenüber jenes finanzpolitischen Radikalfeldzuges, den Merkels Rettungsregime in Berlin und Brüssel vom Zaun gebrochen hat. Aber darum geht es ja nicht bei Merkel. Sie steckt mitten im Wahlkampf und verzichtet vorsorglich auf jene heiklen Entscheidungen, die sie auch ohne anstehende Bundestagswahl nicht getroffen hätte. Die anderen sollen sich bewegen. Erst dann kann sich Mutti an die Spitze setzen, getreu ihrem Motto: Mir nach, ich folge euch.

Die Bürgerproteste in der Türkei kommen Merkel gerade recht, um ein wenig Solidarität zu heucheln und einen Beitritt des Landes zur EU in Aussicht zu stellen, obwohl sie das laut ihrem “Regierungsprogramm” eigentlich und ziemlich deutlich formuliert gar nicht will.

“Eine Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir aber ab, weil sie die Voraussetzungen für einen EU Beitritt nicht erfüllt. Angesichts der Größe des Landes und seiner Wirtschaftsstruktur wäre zudem die Europäische Union überfordert.” siehe Seite 119

Gleichzeitig kann die Bundeskanzlerin eine neuerliche Zuspitzung der Eurokrise nicht gebrauchen. Wenn die Türkei schon auf Beitrittsverhandlungen bis nach der Bundestagswahl warten muss, dann auch Zypern und Griechenland auf ein weiteres sogenanntes Rettungsprogramm. Alle haben bitteschön Rücksicht zu nehmen und ihre weniger wichtigen Befindlichkeiten und Existenznöte hintanzustellen. “Im „deutschen Europa“ richtet sich alles nach Muttis Zeitplan. Die große Frage ist nun, ob die EU es sich leisten kann, auf Deutschland zu warten.” (Quelle: Lost in EUrope).

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Merkels Scareware

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CDU und CSU haben sich ein Regierungsprogramm gegeben, das sich, einzelnen Unions-Stimmen zufolge, nach der Wahl von selbst erledigen würde. Die Wähler wüssten das seit 50 Jahren, so Kurt Lauk im ARD-Bericht aus Berlin. Andere behaupten, in dem Programm stecke etwas drin, was den Steuerzahler teuer zu stehen kommen könnte. Täuschung und Angst ergänzt durch Unverbindlichkeit? Das beschlossene Wahlprogramm, Merkels Scareware, ist bloß ein weiterer gescheiterter Versuch, dem Wahlverein der Kanzlerin und ihr selbst ein Profil zu geben.

Parteien, die sich kein Programm geben, nennt man doch regierungsunfähig? Natürlich sind sie auch funktionsunfähig, unberechenbar und auf eine populistische Person zugeschnitten, die dann mit windigen Versprechungen auf Stimmenfang geht. Ein Bündnis mit solchen Parteien gleiche einem politischen Abenteuer. So lautete die Demagogie vor dem letzten Bundestagswahlkampf 2009. Damals ging es gemeinschaftlich gegen die Partei Die Linke, die zu dieser Zeit von einem Wahlerfolg zum nächsten schritt und damit auch zu einer Bedrohung für erklärte Lagerwahlkämpfer wurde, die aber nur des Showeffekts Willen um Positionen stritten.

Schon damals passte der SPD-Spitzenkandidat nicht zum Programm seiner Partei und Mutti Merkel war auf Seiten der CDU mit kleineren Abstrichen Programm genug. Doch es hat sich etwas verändert. Die Linke ist keine Bedrohung mehr, die SPD hat immerhin einen anderen Kandidaten, der aber nach wie vor nicht zum eigenen Programm passt und die Merkel hat keine innerparteilichen Gegner mehr und infolgedessen auch kein Programm mehr nötig. Merkel ist unser Programm, hört man immer öfter. Wer soll da noch widersprechen? Die Beliebtheit der Kanzlerin liegt bei über 60 Prozent.

Gleichzeitig wird ein 127 Seiten starkes Heft mit der Aufschrift Programm auf den Markt geworfen und mit einer durchschaubaren Strategie (erfolgreiche Konsolidierung und Volkspartei für alle) auf allen Kanälen verteidigt. Wahrscheinlich, weil es sich für eine demokratische Partei irgendwie gehört, so etwas zu haben und wenn nicht, dann wenigstens ein Bündel bedrucktes Papier mit gleichlautendem Etikett. Zum Vergleich, vor vier Jahren reichten noch 63 Seiten aus, auf denen unter anderem beschrieben wurde, wie man die kalte Progression beseitigen wolle. Der will man jetzt auch wieder an den Kragen, so als ob man bis heute nicht Teil dieser Regierung ist.

Doch was steht Neues drin in dem Regierungsprogramm von CDU und CSU? Während sich die Medien an Mütterrenten, Mietpreisbremsen und Familiensplitting reiben, obwohl diese Dinge längst und nicht hinter vorgehaltener Hand für obsolet erklärt wurden, ist mir vor allem das hier aufgefallen, was es vor vier Jahren so verschriftlicht noch nicht gab:

  • SPD und Grüne dagegen wollen die Menschen belasten. (Seite 4)
  • Die Vorschläge von SPD und Grünen bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit… (Seite 7)
  • SPD und Grüne haben in ihrer Regierungszeit vier Mal den Stabilitäts- und Wachstumspakt gebrochen und seine Regeln aufgeweicht. (Seite 13)
  • Die Steuerpläne von SPD und Grünen sind ein Angriff auf die Substanz der Unternehmen. (Seite 19)
  • SPD und Grüne wollen, dass der Staat weiter am Ausgleich der Inflation verdient. (Seite 27)
  • SPD und Grüne […] streuen den Menschen stattdessen Sand in die Augen. (Seite 27)

Man möchte meinen, das Wahlprogramm der Union beschäftige sich aus Mangel an klaren Aussagen lieber mit einem politischen Gegner, den es in Wahrheit längst nicht mehr gibt. In den zentralen Fragen, bei der Schuldenbremse, beim Umgang mit der Finanzkrise und beim Abbau des Sozialstaates sind sich Merkel und die sie tragenden Parteien im deutschen Bundestag immer noch einig, zuletzt bei der Abstimmung zum Rettungspaket für Zypern im April. Steinmeier sagte da, dass der vorliegende Entwurf der Bundesregierung die Handschrift der SPD trage.

Vor der Sitzung des Bundestages ließ der Fraktionsvorsitzende der Genossen profilneurotisch verlauten, seine Partei überprüfe bei jeder einzelnen Entscheidung zur Euro-Rettung, ob sie tragfähig sei. Das vorliegende Hilfspaket sehe jedenfalls auf den ersten Blick besser aus als beim ersten Versuch: „Aber wir werden es uns noch genau anschauen“, so Steinmeier weiter. Offenbar taten die Sozialdemokraten das nicht. Denn die sprichwörtliche Tragfähigkeit ist wie bei allen vermeintlichen Rettungsaktionen zuvor schon wieder dahin. Nur wenige Wochen nach Verabschiedung des Paketes müssen sich die Euroretter in Brüssel und Berlin erneut mit der Zypern-Frage beschäftigen. Das gerade verabschiedete Wahlprogramm verdeckt das erneute Scheitern der Kanzlerin.

Nichtsdestotrotz prophezeit Merkel für September eine neuerliche Richtungswahl. Es gehe darum, ob die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung den Erfolgskurs fortsetzen dürfe oder ob die Deutschen mit Rot-Rot-Grün lieber bergab gehen möchten. Moment, werden da einige sagen, das gab es 2009 doch auch schon mal. Ja sicher, das ist der Sinn der Übung. Permanente Wiederholung wirkt prägend, disziplinierend und der Wähler freut sich, wenn er was wiedererkennt und verstanden hat. Merkel sagte damals aber auch:

„Wer glaubt, nur gegen etwas Wahlkampf führen zu können, wird scheitern.“

Heute ist klar, Merkel kann so viele Wendungen vollziehen, Entscheidungen hinauszögern und so oft scheitern wie sie will, zum Verlust der Kanzlerschaft wird es wohl nie mehr reichen.

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Kein Widerspruch im Weiter so

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Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird das Vorgehen der EZB in der Eurokrise verhandelt. Einige Klageführer werfen der Zentralbank vor, dass sie mit dem bestehenden Staatsanleihen-Aufkaufprogramm OMT gegen ihr Mandat verstoßen habe. Dies könne zu unkalkulierbaren Risiken für den Bundeshaushalt und damit für die Steuerzahler führen. Der Chef der Deutschen Bundesbank Weidmann bläst ins selbe Horn und warnt mal wieder vor einer Vergemeinschaftung von Risiken, die Deutschland teuer zu stehen kommen könnten.

Auf der anderen Seite verteidigt die Bundesregierung das Vorgehen der EZB. Ein Widerspruch? Nein, denn wie Weidmann lehnt auch die Bundesregierung eine Vergemeinschaftung von Schulden weiterhin ab. Sie kann aber gleichzeitig für das OMT-Programm der EZB sein, weil sie bei dessen Präsident Mario Draghi Bedingungen durchsetzen konnte. Den Aufkauf von Anleihen gibt es nämlich nur, wenn die betroffenen Staaten Auflagen aus den sogenannten Programmen erfüllen und sich einer strikten Haushaltskontrolle unterwerfen.

Darüber spricht aber keiner, sondern nur darüber, ob Gelddrucken für eine Währungsunion nun schädlich ist oder nicht. Dabei sind es die Auflagen und die Verpflichtung zur Austeriät, die ein unkalkulierbares Risiko darstellen und die Eurozone in die bisher längste Rezession ihrer kurzen Geschichte geführt haben. Die Ankündigung Draghis, im Notfall jede Anleihe aufzukaufen, war richtig und hat die Finanzmärkte beruhigt, ohne dass die EZB tatsächlich eingreifen musste. Doch die Kopplung an nicht zu erfüllende Bedingungen war falsch. Das bietet weiterhin ein Einfallstor für Spekulanten, die auf einen Ausfall der Bonds wetten.

Die Risikoaufschläge steigen wieder und das desaströse Euro-Rettungskarussell dreht eine weitere Runde.

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