
Nach diesem interessanten Golfwochenende in Schottland ist eines klargeworden. Die EU-Kommissionspräsidentin hätte den großen Deal lieber, wie üblich, per SMS verhandeln und die Öffentlichkeit erst im Nachgang schamlos anlügen sollen, anstatt auf offener Bühne mit einer Abhängigkeitserklärung den Vasallenstatus der EU zu unterstreichen. Da musste der Friedrich Merz reagieren und kurzerhand die Einrichtung einer Luftbrücke für den geschundenen Gazastreifen verkünden, um für das geschockte Publikum weiterhin entschlossen und führungsrollentauglich zu wirken. Es gelingt nur nicht. Der zu groß geratene Zukurzgekommene muss erst noch die anderen fragen und vermutlich auch einen geeigneten Abwurfplatz irgendwo zwischen den Trümmern finden.
Er forderte auch einen umfassenden Waffenstillstand, womit vermutlich nicht das Einstellen sämtlicher Waffenexporte gemeint ist. Denn die deutsche Exportwirtschaft wird durch das Zollabkommen der EU mit den USA ohnehin gehörig unter die Räder kommen, vermutet Merz. Er bezeichnete den Deal als nicht zufriedenstellend, aber das Beste, was zu erreichen gewesen sei. Damit beschönigte der zu groß geratene Zukurzgekommene nichts Geringeres als einen Kurs der Selbstverzwergung. Vielleicht hätte man dem Präsidenten im Weißen Haus einfach mit mehr und noch höheren Windrädern vor seinen Golfclubs drohen sollen oder mit einer ernsthaften Diskussion über die europäische Migrationspolitik.
Diese Einwanderung bezeichnete Trump schließlich als schreckliche Invasion, die Europa umbringe. Diese Vorlage hätte man doch ergreifen können, um dem Präsidenten zu erklären, dass die zunehmende Migration Ergebnis gescheiterter amerikanischer Außen- und Interventionspolitik ist, in Afghanistan, im Irak, in Syrien. Und dass diese Hypothek, an der Europa durch willfährige Unterstützung des amerikanischen Imperialismus freilich eine gehörige Portion Mitverantwortung trägt, bei einer Vereinbarung zwischen den USA und der EU dennoch Berücksichtigung finden müsse. Stattdessen rechnete die Kommissionspräsidentin vor, dass verflüssigtes Frackinggas aus den USA billiger sei als Pipelinegas aus der unmittelbaren Nachbarschaft.
Was kommt also als nächstes? Vielleicht ein transatlantisches Freundschaftsfest mit Marshmallows über den Trümmern von Rafah? Oder ein gemeinsames Positionspapier zur „nachhaltigen Kriegsführung“, unterschrieben von Ursula von der Leyen und dem CEO von Lockheed Martin? Möglich wäre auch ein EU-weites Schulprojekt, bei dem Kinder lernen, wie man Hilfspakete so faltet, dass sie beim Abwurf nicht explodieren – pädagogisch begleitet von der Bundeswehr. Und währenddessen erklärt Friedrich Merz in einem weiteren Anflug von außenpolitischer Selbstüberschätzung, dass Deutschland bereit sei, „mehr Verantwortung zu übernehmen“ – natürlich ohne zu sagen, wofür genau, außer für das nächste PR-Foto mit Sandsack und ernster Miene.
Denn wer keine Strategie hat, braucht wenigstens Symbolik. Und wer keine Haltung hat, der hält sich eben an der nächsten transatlantischen Umarmung fest, auch wenn sie einen langsam erdrückt.
Bildnachweis: Screenshot ZDF heute journal, 27. Juli 2025.
JULI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.