Analysten bleiben einig ahnungslos

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Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis, sind sich die Analysten in ihrer Ahnungslosigkeit einig. Trotz wirtschaftlicher Erfolge, und toller Sympathiewerte für den Spitzenkandidaten und die Kanzlerin sei nicht so recht nachvollziehbar, warum die Union so dramatisch verloren hat. Dass die CDU demoskopisch vielleicht etwas überbewertet wird und der ihr zugeschriebene Erfolg gar nicht vorhanden ist, traut sich niemand zu denken.

Besonders albern finde ich Jörg Schönenborns Blick in die Glaskugel, der sogar für den Herbst eine gute wirtschaftliche Lage prognostiziert, obwohl wir uns jetzt schon in einer Rezession befinden. Gerade im Autoland Niedersachsen schlägt der in Europa vorangetriebene Kürzungswahn der Kanzlerin voll durch. Klassische Zulieferer müssen inzwischen Stellen streichen. In Stadthagen sind Wirtschaftsexperten der CDU auf Wahlkampfveranstaltungen mit dem Satz unangenehm aufgefallen, dass sie natürlich auf Autositzen von Faurecia sitzen.

Schönenborn meinte in der ARD, er könne sich das Wahlergebnis eigentlich nicht erklären. Wahrscheinlich habe es etwas mit der Gerechtigkeitsfrage zu tun, die in wirtschaftlich guten Zeiten gestellt würde. Wenn das tatsächlich zuträfe, hätten sich aber nicht nur 59,4 Prozent der Wahlberechtigen an der Landtagswahl beteiligt. Andersherum müsste er eigentlich sagen, gerade weil weder Schwarz-Gelb, noch Rot-Grün eine vertrauensvolle Antwort auf diese Frage geben können, haben über 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme lieber für sich behalten.

Vorher hieß es, entweder müsse Peer Steinbrück oder Philipp Rösler gehen. Getroffen hat es schließlich David McAllister. Damit bleibt Angela Merkel ihrer Linie treu. Egal welchen Kandidaten sie auch in letzter Zeit unterstützt hat, am Ende hat derjenige seine Wahl verloren. Sarkozy, de Jager, Mappus, Turner und nun muss auch McAllister seinen Hut nehmen. Merkel selbst hat aber gewonnen, denn sowohl Steinbrück und Rösler, die beide von ihren eigenen Leuten wenig gemocht werden, bleiben wohl wo sie sind und damit für sie ungefährlich.

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Kompetenzlos ist eine treffende Zuschreibung

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Beruflich war ich heute selbst im Wahlkreis unterwegs. Kurz gesagt, das Entsetzen über das Abschneiden der FDP ist überall spürbar. Ansonsten dominiert die These, wonach das sog. bürgerliche Lager taktisch clever und die andere Seite jeweils auf eigene Rechnung abgestimmt habe. Doch dazu später mehr.

Zunächst einmal muss man die Reaktion des SPD-Spitzenkandidaten Stephan Weil bewerten, der salomonisch meinte, dass Freunde wie Gegner sehr viel für die Demokratie getan hätten, da die Wahlbeteiligung um mickrige drei Prozent auf den zweitschlechtesten Wert aller Zeiten gestiegen ist. Tolle Leistung.

Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen in Niedersachsen seit 1947
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Fakt ist, dass sich noch immer eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für keine, statt für irgend eine Partei entschieden hat. In den Lagern wird aber über die stärkste Fraktion gar nicht diskutiert, sondern eher darüber, wie blöd diejenigen abgestimmt haben, die dennoch ins Wahllokal gegangen sind. Natürlich ist im sog. bürgerlichen Lager die Strategie „Panikmache“, die FDP könne den Sprung in den Landtag verpassen und McAllister dann nicht weiter regieren, voll aufgegangen. Dennoch zeigt das Ergebnis, dass das schwarz-gelbe Lager deutlich geschrumpft ist.

Auf der anderen Seite hätte sich der ein oder andere SPD-Kandidat eine Leiherststimme der Grünen gewünscht, die in den Wahlkreisen aggressiv um beide Stimmen warben und somit auch bei den Erststimmen zum Teil zweistellige Ergebnisse zum Leidwesen der SPD-Kandidaten erzielen konnten. Gleichzeitig kritisierten einige Genossen die verschenkten Stimmen, die gab es nämlich auch wieder, an Linke und Piraten. Ja hätte man die nur gehabt, so die Reaktionen.

Doch nun zu der FDP. Da dürfen sich die staunenden Medien selbst beglückwünschen. Das haben die nämlich mit ihrer peinlichen Berichterstattung über den Verwesungsgeruch einer bereits toten Splitterpartei und der damit verbundenen medialen Omnipräsenz der Liberalen ganz allein geschafft oder wie Jörg Schönenborn nach der ersten Prognose fassungslos meinte:

„Ich habe selten eine so kompetenzlose FDP mit einem so guten Ergebnis erlebt.“

Ja, Herr Schönenborn, „kompetenzlos“ ist die zutreffende Beschreibung für alles, was mit dieser Wahl zu tun hat.

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Immer weniger machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch

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Geht es nach den Demoskopen, findet morgen bei der Landtagswahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen statt. Dabei ändern sich die Ergebnisse der einzelnen Prognosen sprunghaft und wahrscheinlich je nach Auftraggeber. Was die Demoskopen aber nicht vorhersagen, ist die Höhe der Wahlbeteiligung. Vor fünf Jahren lag diese mit nur 57,1 Prozent im Landesdurchschnitt auf einem historischen Tiefststand und damit um fast 10 Prozent niedriger als 2003. Seit der Landtagswahl 1998 hat sich die Zahl der Nichtwähler in Niedersachsen von 26,2 auf fast 43 Prozent erhöht.

Dieser fatale Trend wird in der Berichterstattung vor dem Urnengang kaum thematisiert oder aber als brachliegendes Wählerpotenzial (miss)interpretiert. Viele Wählerinnen und Wähler seien unentschieden, heißt es in den Umfragen. Ob sie sich aber nur nicht zwischen den Parteien entscheiden können oder aber in der Frage, überhaupt zur Wahl zu gehen oder nicht, bleibt unbeantwortet. „Den Wettstreit um das größte Segment auf dem Wählermarkt haben die Nichtwähler inzwischen in allen Bundesländern, von Bayern abgesehen, eindeutig für sich entschieden“, schrieben die Analysten von infratest dimap in ihrem Wahlreport vor fünf Jahren.

In Niedersachsen habe demnach die Zahl derer, die der Wahl ganz fern geblieben sind, mit 2,6 Millionen sogar noch über der für die beiden großen Parteien zusammen abgegebenen Stimmenzahl von 2,5 Millionen gelegen. Glaubt man nun der Einschätzung der Wahlforscher, wonach am Sonntag eine vorgezogene oder gar kleine Bundestagswahl stattfinde, müsste eine deutliche Zunahme der Wahlbeteiligung zu erwarten sein. Sicher ist das mit Blick auf die bisherigen Ergebnisse aber nicht.

Strategisch wählen, wäre auch für diejenigen eine Alternative, die ihre Stimme am Wahltag lieber zurückhalten. Wie das im einzelnen aussehen könnte, steht hier…

http://www.nachdenkseiten.de/?p=15862

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Aus Forschern wurden Auftragsarbeiter

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Die Wahlforschung hat eine lange Geschichte und geht im Prinzip auf die Wette zurück, das Ergebnis einer Stimmabgabe möglichst präzise vorhersagen zu können. Dazu hat es in Amerika verschiedene Ansätze gegeben. Sie kennen George Gallup, der im Präsidentschaftswahlkampf 1936 mit repräsentativer Stichprobe und der Wahrscheinlichkeitsrechnung exakt den Sieg Roosevelts voraussagen konnte und damit die Grundlage für moderne Prognosen schuf.

Daneben ist auch der Ansatz von Paul Felix Lazarsfeld zu nennen, der die Entscheidung für einen Kandidaten oder eine Partei als Ergebnis eines komplexen Vermittlungsprozesses betrachtete, bei dem Meinungsführer, Massenmedien und die Sozialisation des Wählers eine Rolle spielen. Die Wahlforschung war und ist ein Feld der empirischen Sozialforschung, auf dem Soziologen sich im 20. Jahrhundert zunehmend professionalisieren konnten.

Doch was ist daraus geworden? Aus Forschern wurden Auftragsarbeiter, die nicht mehr im wenig ertragreichen Dienst der Wissenschaft stehen, sondern eine gut bezahlte Dienstleistung im Sinne der Auftraggeber anbieten. Selten treffen die Institute aber mit ihren Ergebnissen ins Schwarze. Das Ziel ist nicht mehr die präzise Vorhersage des Wahlausgangs, sondern die Beeinflussung des Zeitraums davor. Anhand der zahlreichen Umfragen verschiedener Institute, die sich zu einem inflationär auftretenden Phänomen entwickelt haben, wird die ganze Bandbreite der Verwirrung deutlich.

Die FDP, die im gleichen Erhebungszeitraum mal bei vier, dann bei zwei und nun bei fünf Prozent gesehen wird, ist da nur ein Beispiel. Jörg Schönenborn will sogar ein nicht ausgeschöpftes liberales Wählerpotenzial von 23 Prozent erkannt haben. Aktuell liegt die Linke in Niedersachsen nach Berechnungen der Info GmbH bei sechs Prozent, nachdem alle anderen Institute sie konstant bei drei sehen. Vor einer Woche sorgte Allensbach in Bayern für Aufregung, als die Chefin des ehrwürdigen Umfrageinstituts Renate Köcher der CSU in Wildbad Kreuth mitteilte, dass die Regionalpartei bei der Bundestagswahl nur mit 41 Prozent in Bayern rechnen könne. Das seien ja bis zu acht Punkte weniger als in den Umfragen zur Landtagswahl, hieß es entsetzt von CSU-Seite.

Das Ergebnis von der bisher geschätzten CSU-Ratgeberin könne also nicht stimmen, lautete eine empörte wie auch interessante Reaktion. Man erwartete sich eine deutlich bessere Umfrage vom Bayerischen Rundfunk, hieß es weiter. Die folgte dann auch am vergangenen Mittwoch. Infratest dimap sieht die CSU bei deutlich günstigeren 47 Prozent. Was soll der Adressat, also der Wähler, mit solchen Nachrichten im Börsenstil eigentlich noch anfangen? Wundert es einen da wirklich noch, dass immer mehr Menschen den Urnengang verweigern oder gar angeben, nicht zu wissen, wen sie überhaupt wählen sollen? Die professionalisierte Wahlforschung hat mit Wissenschaft immer weniger zu tun, dafür immer mehr mit dem lukrativen Geschäft des Marketings.

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Bildungspolitik absurd

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Da haben jetzt doch zwei Kultusministerinnen und ein Kultusminister herausgefunden, dass jedes Bundesland sein eigenes bildungspolitisches Süppchen auf Kosten der Kinder kocht. Denn wenn die einmal mit ihren Eltern umziehen müssen, offenbare sich das ganze Dilemma mangelnder Vergleichbarkeit und pädagogischer Anerkennung. Am tollen Bildungsföderalismus, der einst nach quälenden Sitzungen von der Großen Koalition mit Zweidrittelmehrheit 2006 beschlossen wurde, wollen die neuen Reformer freilich nichts verändern.

Auch in Zukunft soll der durch nichts zu erschütternde marktkonforme Glaube an einen Bildungswettbewerb unangetastet bleiben. Natürlich ist das alles wieder nur eine Wahlkampfnebelkerze. Doch darin liegt nicht der Skandal, sondern darin, dass die föderalen Bildungsreformer im Namen ihrer Kleinstaatenfürsten erst etwas unteilbares trennen, um es dann unter viel Getöse durch an sich überflüssige Einrichtungen wie die Kultusministerkonferenz oder jetzt einen Staatsvertrag wieder zusammenzuschustern.

Wer da noch etwas von Bildungsstandards faselt, hat doch einen an der Klatsche.

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Es güllnert mal wieder: Forsa leistet Wahlkampfhilfe

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Die FDP liegt in der Umfrage bei 2 Prozent. Das war die Schlagzeile des Tages. Kein Wille zur Aufklärung?, möchte man da fragen. Doch die Zweifel an der demoskopischen Kirche Forsa sind dann doch nicht so stark wie jene an der katholischen Glaubens- und Missbrauchsbude. Knapp zwei Wochen vor der Niedersachsenwahl könnte der niedrige Wert für die Liberalen zweierlei Dinge bewirken. Der bevorstehende Personalwechsel an der Spitze der FDP würde umgehend von einer positiven Umfrage aus dem Hause Güllner bestätigt. Das wäre ja nicht das erste Mal. Auf der anderen Seite könnte die Diskussion um eine Fortsetzung der angeblich so erfolgreichen McAllister-Regierung in Niedersachsen zu einer Mobilisierung von Wählern beitragen, die der FDP noch einmal über die Fünf-Prozent-Hürde verhelfen.

Denn die FDP schneidet bei Güllner ja nicht deshalb so schlecht ab, weil sie eine Klientelpolitik betreibt und für viele als überflüssig erscheint, sondern weil Rösler immer noch ihr Chef ist und eine Führungskrise alles andere überlagert. Zum Beispiel die vermeintlich gute Regierungsarbeit, die sich in den glänzenden Werten für die CDU ausdrücke. Diese Botschaft will der Hüter des Umfrageglaubens an das Volk versenden. SPON schreibt, dass die Daten vor dem Dreikönigstreffen erhoben wurden und damit durchaus mit den Ergebnissen anderer Institute vergleichbar sind. Die sehen die FDP aber immer noch bei vier Prozent. Woher kommt also der plötzliche Unterschied?

Mit der Aussage, fast die Hälfte der liberalen Wähler würde sich jetzt für die Union entscheiden und die Union profitiere vom Niedergang der FDP, wird der Eindruck vermittelt, dass es am inhaltlichen Kurs der unionsgeführten Regierungen eigentlich gar nichts auszusetzen gebe. Denn gleichzeitig misst Forsa auch den schlechtesten Umfragewert für die SPD seit Ende April 2012. Auch das liege am Kandidaten, so Güllner, denn Steinbrück ziehe die Partei nach unten. Dabei erinnern die in hoher Schlagzahl erscheinenden Skandalgeschichten um den Spitzenkandidaten der SPD doch sehr an jene Kampagnen, mit denen auch schon anderen als unangreifbar erscheinenden Medienlieblingen der Garaus gemacht wurde.

“Ein Meinungsforscher als Öffentlichkeitsarbeiter!”, schreibt Albrecht Müller. “Das sollte man immer im Hinterkopf haben.”

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Als Steinbrück noch Vorträge hielt

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Mir ist gerade beim Stöbern in den Archiven etwas aufgefallen. Als Steinbrück nach seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister auf den hinteren Bänken im Bundestag Platz nahm und statt dort zu sitzen und sein Mandat wahrzunehmen lieber durchs Land tourte, um gutbezahlte Vorträge zu halten, stand der heutige Spitzenkandidat der SPD ziemlich weit vorne in der beliebten Beliebtheitsskala des ARD-Deutschlandtrends. Dabei werden die Teilnehmer gefragt, ob sie mit der Arbeit des betreffenden Politikers zufrieden sind.

Erstaunlich, dass ein gewählter Politiker, der im Bundestag gar nicht arbeitet, sondern Geld mit Vorträgen außerhalb des Plenarsaals scheffelt und zudem falsch Schach spielt, eine solche Zustimmung erreichen kann.

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Quelle: infratest dimap

Im Jahr 2012 lief es dann nicht mehr so glatt für Su-Peer. Inzwischen ist der Vortragsreisende zurück auf der politischen Bühne und will in diesem Geschäft wieder aktiv mitmischen. Prompt sinken die Zufriedenheitswerte.

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Quelle: infratest dimap

Was der potenzielle Wähler von Politikern hält, hängt gar nicht so sehr von deren Auftreten ab, sondern davon, wie man ihr Tun in der Öffentlichkeit verkauft und wie Medien in Kampagnen eine bestimmte Meinung steuern. Ich möchte Steinbrück nicht in Schutz nehmen, aber die zum Teil hysterisch geführte Debatte um seine unbestrittenen Fehltritte überdeckt doch ein wenig den Fehler im Informationsaustauschsystem, das nur scheinbar objektive Fakten anbietet.

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Die SPD zieht das wohl bis zum bitteren Ende durch

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Albrecht Müller beschäftigt sich auf den NachDenkSeiten mit der Todessehnsucht der SPD, die an ihrem Kandidatenmissgriff Steinbrück weiter festhält. Mich wundert allerdings, dass Albrecht Müller die erkennbare Medienkampagne nicht wie sonst üblich thematisiert. Er schreibt etwas verwundert:

„Es ist ein bisschen schade, dass die Mehrheit der Medien die Hypotheken des Kanzlerkandidaten erst jetzt erkennen und beschreiben. NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser wussten vor drei Monaten schon Bescheid.

Ich hatte im Vorfeld der offiziellen Nominierung von Peer Steinbrück ernsthaft geglaubt, die SPD-Führung, insbesondere der SPD Vorstand, könnte noch erkennen, welch eine falsche Idee ihr mit dem Kandidaten Steinbrück von einigen Medien und Steinbrück-Förderern im Hintergrund untergejubelt worden war. Ich hatte gedacht, die SPD Führung wolle vermeiden, das 150-jährige Bestehen ihrer Partei und die Jubiläumsfeiern im Jahre 2013 mit einer Wahlkatastrophe zu krönen.“

Wenn die Medien und Steinbrück-Förderer der SPD einen Kandidaten unterjubeln, ist doch wohl auch klar, dass diese Kräfte ihren Personalvorschlag genauestens kennen und demnach nicht erst im Nachhinein Fakten herausfinden und publizieren, von denen jeder wissen konnte. Die Nominierung von Steinbrück diente meiner Meinung nach nicht dem Zweck, einen aussichtsreichen Gegenkandidaten zu Angela Merkel zu präsentieren, sondern etwas Schwung in etwas zu bringen, das unter dem Begriff Demokratie geläufig ist. Sie lebt von Wahlen und damit vom Angebot verschiedener Optionen, die es aber, wie Müller immer wieder richtig beschreibt, defacto nicht mehr gibt.

Die SPD verweigert sich konsequent dem Wählerwillen, mauert sich ein und hält an ihrem Vermächtnis einer katastrophalen Politik in Regierungsverantwortung fest. Der Wahlkampf 2009, in dem ein Steinmeier als amtierender Vizekanzler und Angela Merkel als Kanzlerin eine Konfrontation mieden und Steinbrück damals gar davon faselte, die große Koalition sei kein Unglück, bildete den bisherigen Tiefpunkt der parlamentarischen Demokratie. Mit der historisch niedrigsten Wahlbeteiligung von 70,8 Prozent quittierten die gelangweilten Wähler die Weigerung der Kandidaten, in eine politische Auseinandersetzung einzutreten.

Es war aber auch die Zeit der großen Ausschließeritis. Nach dem Ypsilanti-Desaster in Hessen wurde im Vorfeld von Wahlen immer nur gesagt, was auf keinen Fall zusammengehe. Das hält mit Blick auf die Linkspartei bis heute an. Dass die Wahl nun auf Sprücheklopfer Steinrück fiel, dient lediglich der Unterhaltung, der Ablenkung und dem strategischen Ziel, die Wähler ein weiteres Mal zu täuschen. Sie sollen von sich aus auf ihr Recht, zwischen Alternativen auswählen zu können, verzichten und dennoch das Gefühl haben, als hätten sie die Wahl gehabt.

„Er kann es nicht: Die Genossen müssen sich fragen, wohin man mit einem Spitzenkandidaten kommt, der einen perfekten Wahlkampf für den Gegner macht.“

Quelle: FAZ

Die Frage stellt sich nicht, da die Medien mit Steinbrück doch ihren Kandidaten in der SPD durchsetzen konnten. Im Übrigen hat das Amt des Regierungschefs nichts mit Können zu tun, wie Angela Merkel seit fast acht Jahren beweist. Nach gegenwärtigem Stand könnte den Job auch ein Hydrant übernehmen. Die wichtigen Entscheidungen werden stets von einer breiten Mehrheit im Parlament getragen. Sie nennen das dann staatspolitische Verantwortung. Man kann aber auch von einem Blockparteiensystem sprechen, in dem sich alle schlechten Schauspieler auf der politischen Bühne einig sind.

Entgegen der Hoffnung von Albrecht Müller glaube ich nicht an einen geordneten Rückzug von Peer Steinbrück. Die SPD schafft es ja bis heute nicht, sich von ihrer gescheiterten Agenda-Politik zu distanzieren. Trotz ihres 150. Geburtstags fürchte ich, die SPD zieht das bis zum bitteren Ende durch.

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Passende Platzierung

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Die Onlineredaktion der Tagesschau hat mal wieder eine perfekte Platzierung der Nachrichten vorgenommen. Ganz oben natürlich die Mutti, die heute einen klaren Kantersieg einfahren konnte.

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Sie kommentierte ihre Wahl mit den Worten, „jetzt aber ran an den Speck“. Ob man das auf griechisch übersetzen kann? Jedenfalls meinte die rhetorische Ausfallerscheinung der Union mit Speck wohl die anstehende Wahl in Niedersachsen. Nur als Wahlkämpferin taugt Merkel noch weniger. Jeden, den sie offen untertstützte, stürzte kläglich. Sarkozy, de Jager, Mappus, Turner und bald auch McAllister? Letzterer klammert sich in seiner Verzweiflung nicht an den eigenen Schottenrock, wohl aber an den gleichnamigen Zipfel des wandelnden Hosenanzugs. Die niedersächsische CDU stehe wie eine eins hinter der großen Anführerin. Der „Rücktritt“ des Ministerpräsidenten kam überraschend. Das Wahlergebnis der alten zur neuen CDU-Vorsitzenden bestätigte aber den Trend zur blinden und bedingungslosen Gefolgsamkeit.

Merkel selber riss die Delegierten während ihrer Rede wohl im Geiste von den Sitzen, denn im Saal war es sichtlich ruhig. Sie lobte Märkel, abgeleitet von Angela Marktkonform, und führte die niedrigen Arbeitslosenzahlen als Begründung an. Ihre Regierung sei die Beste seit der Vereinigung. Zur höchsten Staatsverschuldung aller Zeiten gab es nichts zu sagen. Wahrscheinlich gehört dieser Punkt unter die Kategorie „erfolgreiche Wirtschaftspolitik“.

Auf dem Parteitag der CDU gab es wenig Geistreiches. Dafür schwebte scheinbar ein schwarz-grünes Gespenst über der Veranstaltung. Ob die FDP den Iran mit dem Abfangen der feindlichen Drohne beauftragt hat, ist nicht überliefert. Deppendorf meinte nur, dass das Thema allenfalls auf den Gängen im Saal besprochen wurde. Die Standleitung der ARD zum Flurfunk ist echt beeindruckend.

Was uns zum Verlierer des Tages führt. Eingezwängt zwischen dem Dax und der Zeitgeschichte sowie zwischen dem gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz und der gescheiterten Bankenaufsicht befindet sich Peer Steinbrück, über den man erfährt, dass er kurz vor seiner offiziellen Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD noch einen Vortrag bei einer kleinen schweizerischen Privatbank halten wird. Das war halt so abgesprochen. Während also das Steuerabkommen gestorben ist und die Bankenaufsicht weiter versagt, der Dax auch keine gute Figur abgibt und die Nachrichten von vor 20 Jahren, na ja, von gestern sind, grinst der Steinbrück der Gegenwart, das bedauerliche Schicksal der SPD, ohne Blumen aus einem Bild.

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Kein Knecht des Kapitals, aber ein Partner

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Peer Steinbrück sei kein Knecht des Kapitals. Das hat ja auch niemand behauptet. Anhand der lupenrein angegebenen Honorare, deren tatsächliche Höhe man allerdings nur erahnen kann, ist doch klar, dass zwischen dem Ex-Finanzminister und der Finanzlobby eine enge Partnerschaft bestand und besteht. Er habe vor Vertretern der Banken und Versicherungen nie anders geredet als bei seinen öffentlichen Auftritten, beteuert Steinbrück. Auch das zweifelt ja niemand an.

Entscheidend ist noch immer die politische Verantwortung für Beschlüsse, die seinen Namen tragen. In dieser Woche, die bedauerlicherweise von einem sonderbaren Feiertag unterbrochen wurde, ist zu Steinbrücks Leistungen als Minister allerhand geschrieben worden. Vor allem seine Ahnungslosigkeit mit Blick auf volkswirtschaftliche Zusammenhänge und die Dimension der Finanzkrise setzt sich noch heute fort. Zwar gibt er vor (es soll ja eine Kampfschrift existieren), unheimlich schlau zu sein und sich vom einstigen Befürworter der Finanzindustrie zu einem Kritiker gewandelt zu haben, mehr als ein Schauspiel ist das aber nicht.

Steinbrück der Unterhalter, das gefällt vor allem den Demoskopen, die sich nach dem schlechten Wahlkampf 2009 entsprechende Show-Effekte versprechen. Vor drei Jahren mühte sich der blasse Steinmeier unter anderem auch gegen Steinbrück, der die Fortsetzung der Großen Koalition zu diesem Zeitpunkt für kein Unglück hielt und damit die Wahlstrategie seiner Partei kurzerhand über den Haufen warf. Angela Merkel verweigerte gar ganz die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, der in Wahrheit ja keiner ist.

Volker Pispers sagte zu Beginn der Woche, mit Steinbrück habe sich die SPD klar für Merkel als Kanzlerin entschieden und das stimmt. Allein die Medien haben das noch nicht begriffen. Theoretisch könnten die Deutschen nur wählen, wer die nächste Große Koalition anführen soll. Merkel/Steinmeier oder Steinbrück/von der Leyen. Erfahrungsgemäß entscheidet sich der Michel aber für jenes Übel, an das er sich bereits gewöhnt hat. Oder aber, er verzichtet ganz darauf, zur Urne zu gehen. Denn worin besteht denn das Angebot der SPD?

Die SPD hat es geschafft, auch in der Opposition als Regierungspartei wahrgenommen zu werden, der man das Versagen der amtierenden schwarz-gelben Koalition anlasten kann. Natürlich hat Steinbrück Recht, wenn er die Regierung als schlechtestes Kabinett aller Zeiten bezeichnet, doch hat gerade die SPD immer wieder Entscheidungen von den Oppositionsbänken aus mitgetragen. Sogar Angela Merkel war sich bei den Beschlüssen zur angeblichen Eurorettung immer sicher, eine breite Mehrheit im Parlament organisieren zu können.

Steinbrücks Kritik am Kurs Merkels beschränkte sich dann auch nur darauf, dass man nicht wisse, wo man mit ihr lande. Darin steckt ja die Akzeptanz eines korrupten Systems, dem sich Steinbrück offenbar genauso wie Merkel eng verbunden fühlt. Demnach sieht der Kanzlerkandidat der SPD die ausgebrochene Debatte über die Zusatzeinkünfte von Parlamentariern auch skeptisch. Denn so könnten bei den Wählern Ressentiments bestätigt werden, dass Politiker sich in einem System der Vorteilsnahme und Selbstbereicherung bewegten. „Da muss man aufpassen, dass man über Parteigrenzen hinweg nicht einen Prozess in Gang setzt, der die Politik insgesamt beschädigt“, mahnte Steinbrück.

Neben der offenkundigen Realitätsverweigerung des SPD-Politikers stellt sich doch die Frage, was an Vorträgen so wertvoll ist, dass man sie mit weitaus mehr als 7000 Euro vergüten muss. Wenn Steinbrück gesagt hätte, er habe das Honorar wegen seiner Fähigkeiten als Unterhalter und amüsanter Sprücheklopfer erhalten, wäre das ja noch nachvollziehbar. Schließlich werden in dieser Branche auch Lustreisen und die Versorgung der leitenden Angestellten mit Nutten als reguläre Ausgaben verbucht.

Mit Steinbrück macht sich die SPD ein weiteres Mal lächerlich. Wie Steinmeier vor drei Jahren, setze auch Steinbrück auf Sieg und nicht auf Platz. Die Worthülsen der Agenda-Verfechter ähneln sich. Vielleicht wird Steinbrück im internen Duell mit Steinmeier ja gewinnen und ein leicht verbessertes Ergebnis für die SPD erzielen. Für das Minimalziel, schwarz-gelb abzulösen, wird es ja allemal reichen, auch wenn es dadurch für die SPD nichts zu gewinnen gibt, außer ein Plätzchen auf Merkels Schoß.

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