Wie der Aufschwung regional ankommt

Geschrieben von: am 16. Jun 2011 um 17:54

In der kostenlosen Anzeigenzeitung meiner Heimatstadt lese ich einen Bericht über die aktuelle Ausgabe des Sozialberichts. Daten und Fakten zu den Lebenslagen in der Region Hannover, heißt es in der Überschrift. Darin enthalten, sind auch Zahlen zur Entwicklung der Beschäftigungssituation. Sehr interessant.

So bestätigt der Sozialbericht, dass es in der Region Hannover immer weniger sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze gibt (minus 3,3 von 2003 bis 2009). Dafür ist im gleichen Zeitraum der Anteil der Teilzeitbeschäftigungen (plus 20,8 Prozent) und der geringfügig Beschäftigten gestiegen (plus 109,8 Prozent im Nebenjob, plus 13,8 Prozent im Haupterwerb).

Quelle: Wunstorfer Stadtanzeiger, abgeschrieben von Hannover.de

Darüber hinaus heißt es in dem Bericht, dass kaum Bewegung bei der Zahl der Langzeitarbeitslosen festzustellen ist. Wer einmal in das Hartz-IV-System abgerutscht ist, kommt selten wieder heraus. Die Arbeitsmarktmaßnahmen versagen auf ganzer Linie.

Mit Blick auf die Arbeitslosigkeit in der Region Hannover zeigt sich, dass sich die Situation speziell für die Empfängerinnen und Empfänger von SGB-II-Leistungen (Arbeitslosengeld II), die Ende 2009 einen Anteil von 72,0 Prozent aller Arbeitslosen ausmachten, kaum verändert hat. „Vieles deutet darauf hin, dass sich die Arbeitslosigkeit hier verfestigt hat, weil viele Menschen trotz Maßnahmen keine existenzsichernden Beschäftigungsverhältnisse finden“, sagte Sozialdezernent Erwin Jordan von der Region Hannover. 

Insgesamt liege eine starke Spreizung zwischen arm und reich vor.

So sieht die Schnellstraße in der Region aus, auf deren Überholspur die liberalen Wirtschaftsminister Brüderle und Rösler ihren Aufschwung abfeiern.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. xyz  Dezember 2, 2012

    ist doch auch klar: in der gewerblichen Wirtschaft nimmt die Produktivität zu und Vollzeitstellen gehen verloren. Der wachsende Sektor ist auch in DE trotz noch relativ viel gewerblicher Wirtschaft nunmal der Dienstleistungssektor, der Frauendomäne ist. Viele Frauen wollen auch Teilzeit arbeiten. Allerdings halt nicht in Niedriglohnjobs ohne Stundenbegrenzung wie den Minijobs. In einigen ländlichen Regionen von meinem Bundesland entstehen nur noch Minijobs mit schlechter Bezahlung. Einer Bekannten von mir wurden im Verkauf 5 Euro Stundenlohn angeboten, im Schnitt bewegen sich diese Stellen bei einer Bezahlung von 7 bis 9 Euro meistens.

    davon gehen dann noch Abzüge ab, es bleiben dann also oft nur 4,5 bis 7 Euro pro Std. netto übrig.

    aber wo soll genau die Vollzeit für alle herkommen, wenn wir immer produktiver werden? Und zu welchem Preis? Zu dem Preis das dann noch mehr gar nichts zu tun haben oder dem Preis, dass immer mehr Leute davon krank werden, Stichwort Burnout und Boreout?

    wir müssen die Arbeit umverteilen und weniger arbeiten, wenn alle noch Arbeit finden sollen. Natürlich nicht in Niedriglohnminijobs, sondern welche, die ein ausreichendes EK generieren. In anderen Ländern gibt es Minijobs bisher nicht (Spanien führt sie nach deutschem Modell gerade ein), sondern das sind volle Beschäftigungsverhältnisse. Allerdings werden niedrige EK meines Wissens in vielen Ländern weniger stark mit Steuern und Abgaben belegt und stattdessen die Sozialausgaben mehr über Steuern finanziert.

    ich seh trotzdem keinen Weg daran vorbei, dass wir eine Teilzeitarbeitsgesellschaft werden. Und ich halte es nicht mehr für Zeitgemäß den Sozialstaat nur über Arbeitseinkommen fnanzieren zu wollen.

    die gesamte Diskussion „Generationengerechtigkeit“ kommt daher – Steuern zahlen alle, ebenso das Problem, dass Beamte nicht beteiligt sind an der Finanzierung und außen vor sind.

    und leider wird man es nie verhindern können, dass es auch schlechter bezahlte Stellen gibt: nehmen wir eine Bäckerei — die kann natürlich nie Hochlöhne zahlen.

    also muss man die Abgaben auch zusätzlich senken, so dass nachher ggf. das Brutto von 9 Euro auch das Netto bleibt. was nützt denn sonst ein Mindestlohn von 10 Euro, wenn netto nur 4 bis 6 Euro übrig bleiben???

    ich hab noch keine überzeugende Antwort darauf gehört, wenn man bei dem System bleiben will, nur über Sozialabgaben zu finanzieren. Das ist genau wie mit der Rente: ein Mindestlohn von 10 Euro oder so ist ja gut, aber selbst das reicht nicht für eine Rente, die voll auf Lebensdauerbeschäftigung über 45 Jahre in einer Vollzeitstelle setzt.

    mittlerweile müsste man wohl schon über 16 Euro verdienen, um noch eine Rente zu erhalten über GRUSI-Niveau — das erfüllen dann wahrscheinlich 70% der Frauen nicht.

    ich selbst arbeite übrigens nur Teilzeit, weil die Qualität vieler Arbeitsstellen so miserabel ist, dass es nicht zumutbar ist, Vollzeit das auszuüben. Bevor ich also krank werde von schlechter Arbeit, hab ich mich dazu entschlossen nur noch Teilzeit zu arbeiten. Das ist für viele Menschen auch besser und gesünder. Wir sparen dann Krankheitskosten ein.

    man muss nur sehen, wie man das Gesamtsystem so reformiert, dass die Menschen auch können. In den Niederlanden wäre ich wesentlich besser abgesichert als in DE. Ich wär übrigens zum Jobsharing bereit und eine weitere Person könnte meine halbe Stelle abhaben. Es gibt ja noch genug Arbeitslose, für die eine solche halbe Stelle attraktiv wäre.