Der Spiegel berichtet darüber, dass die Bahn offenbar plant, Fernzüge zu streichen, besonders im Osten, weil das Geld fehlt, diese Verbindungen weiterzubetreiben. Dabei hatte die Ampelregierung dem bundeseigenen Konzern kürzlich erst direkte Mittel zur Erhöhung des Eigenkapitals zukommen lassen. Solche Transaktionen, die der Bund über Kredite finanzieren darf, fallen nicht unter die Regelung der Schuldenbremse. Der Bundesfinanzminister muss bei der Bahn also nicht kürzen, kann ihr sogar mehr Geld zukommen lassen, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen. Das Problem dabei ist nur, dass die Bahn nun einen return of investment darlegen muss.
Mit dem zusätzlichen Kapital muss die Bahn also eine Rendite erwirtschaften. Mehr Gewinn erzielt sie entweder durch eine Erhöhung der Ticketpreise oder durch eine Stilllegung betriebswirtschaftlich nicht rentabler Strecken. Die Bahn wird beides tun, obwohl sie per Gesetz dazu verpflichtet ist, Menschen und Güter zu transportieren und zwar auch dort, wo es gerade nicht so betriebswirtschaftlich vertretbar ist. Das hat etwas mit Daseinsvorsorge zu tun und der staatlichen Aufgabe, dies mit Hilfe öffentlicher Leistungen sicherzustellen. Diese müssen sich gerade nicht rechnen, deshalb übernimmt die Aufgabe ja der Staat und kein Unternehmen. Der Eiertanz um die Schuldenbremse sorgt nun aber dafür, dass der Bund diese Leistungen regulär über den Haushalt nicht mehr finanzieren kann.
Gerade der Bundesfinanzminister und seine elende FDP pochen gebetsmühlenartig darauf, dass die Verfassung unter keinen Umständen mehr durch höhere Staatsausgaben gebrochen werden dürfe, so als ob die Schuldenbremse den wichtigsten Artikel des Grundgesetzes darstellt. Wohlgemerkt eine Norm, die erst mit einer Zweidrittelmehrheit geschaffen wurde und auf diesem Wege auch wieder aus der Verfassung gestrichen oder abgeändert werden könnte. Bei Artikel 20 Grundgesetz (Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.) geht das nicht. Denn Artikel 79 Grundgesetz stellt in Absatz (3) klar. „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“
Das hat aber noch keine Bundesregierung davon abgehalten, diese Norm zu missachten. Doch die Ampel treibt es nun auf die Spitze, nicht zuletzt deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht einen Haushaltsplan für nichtig erklärte. Die Schuldenbremser sehen sich seitdem bestätigt und im Recht, obwohl auch sie nicht umhin kommen, höhere Ausgaben auf Kredit zu tätigen, wie die finanzielle Transaktion an die Bahn zeigt. Das Gerede über einen Schuldenpopulismus, den andere betreiben wollen, ist daher nur ein Ritual, um die Anhängerschaft bei Laune zu halten. Im Ergebnis schadet dieser Mechanismus aber dem Land und auch der Ampel, für die Nachrichten wie die, dass noch weniger Züge im Osten fahren werden, mehr Gift für den Wahlkampf bedeuten. Die Schuldenbremse zur heiligen Kuh zu erklären, stärkt am Ende die Rechten.
Selbst die Wirtschaft begehrt auf. Doch der Finanzminister bleibt stur. „Wir können aus dem regulären Haushalt den Investitionsbedarf decken. […] Uns fehlt kein Geld. Uns fehlt der Mut, klare Prioritäten zu setzen“, sagte er auf dem Branchentreffen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Seit dieser Woche ist aber klar, dass die Regierung es nicht bis zum 3. Juli schafft, einen Entwurf des Haushaltes für das kommende Jahr 2025 vorzulegen. Das soll nun am 17. Juli geschehen. Doch die Widersprüche sind unauflösbar und die Haushaltstricks zur Rettung des Dogmas himmelschreiend. Der Wahnsinn noch einmal kurz zusammengefasst: Weil die Bahn vom Staat Geld bekommt, muss sie die Ticketpreisen erhöhen und Verbindungen einstellen. Denn nur dann kann sie dem Eigentümer Bund eine Rendite zahlen, die wiederum erforderlich ist, damit die für den Trick aufgenommenen Schulden nicht unter die Vorgabe der Schuldenbremse fallen.
Aber die Schuldenbremse darf unter keinen Umständen verändert oder abgeschafft werden, um der jungen Generation und dem zukünftigen Steuerzahler keine zusätzlichen Lasten aufzuerlegen, so der große Denker im Finanzministerium. Doch die Alternative zu ihm und seiner Ampel ist keinesfalls besser. Auf Seiten der Union stört man sich beispielsweise überhaupt nicht daran, dass ein ehemaliger Gesundheitsminister durch seine dubiose Maskenbeschaffung während der Corona Pandemie einen Schaden von nunmehr rund 3,5 Milliarden Euro angerichtet hat. Als stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion fordert er nun eine Verfassungsänderung, um härtere Sanktionen beim Bürgergeld durchsetzen zu können. Maurice Höfgen hat mal nachgerechnet. Um den Schaden, den der ehemalige Minister angerichtet hat, auszugleichen, müsste man einer halben Million Bürgergeldbezieher den kompletten Regelsatz für ein ganzes Jahr streichen.
„Wir werden einander viel verzeihen müssen“, sagte der Politiker, der inzwischen auch Buchautor ist. Nur warum eigentlich, wenn es sich so bequem nach unten treten lässt?
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JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.