Man hört, was man hören will

Geschrieben von: am 25. Sep 2023 um 17:11

Quelle: DER SPIEGEL

Die Bundesaußenministerin hat sich offenbar dem deutschen „Lumpen-Pazifismus“ angeschlossen. Statt Waffen zu liefern, um Frieden zu schaffen, fordert Baerbock Verhandlungen. Darf und muss sich Armenien/Bergkarabach denn nicht gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verteidigen? Kämen Verhandlungen unter diesen Bedingungen nicht etwa einem Diktatfrieden gleich? Egal, man hört vielleicht nur, was man hören will. Am Ende ist alles nur Show.

So wie im kanadischen Parlament. Dort feiern die Abgeordneten einfach den ukrainischen Präsidenten und einen Weltkriegsveteranen, weil enthusiastisch vorgetragene Unterstützungsgesten für die Ukraine immer noch erwartet werden und im Fernsehen gut rüber kommen. Dass der Opa, dem alle zujubelten, zur Waffen-SS gehörte, ist dabei irgendwie durchgerutscht, ein Fehler, den man eher den in geschichtlichen Dingen etwas sorglosen Amerikanern zugetraut hätte. Nun werden sich die Kanadier für ihr Versehen vermutlich öffentlich entschuldigen (siehe auch hier).

Dass die Ukraine ein Nazi-Problem hat, bleibt trotzdem russische Propaganda. Es sei denn, die US-Botschaft in Prag scheitert bei dem Versuch, die Vorgeschichte des Ukrainekrieges zu beschönigen. Man habe ja nur die gegenwärtige russische Aggression gegen die Ukraine illustrieren wollen und dazu leider ein falsches Foto aus dem Jahr 2014 ausgewählt, heißt es zur Erklärung. Dabei ist unbeabsichtigt die ukrainische Aggression gegen die russische Bevölkerung mit dem richtigen Foto illustriert worden. Shit happens!

Das kann man auch mit Blick auf die Lieferung von Marschflugkörpern behaupten. Da wiederholt sich die erfolgreiche Strategie der letzten Runde Panzerquartett. Die Amerikaner legen vor, um die Deutschen unter Druck zu setzen. Diesmal wollen die USA eigentlich nicht und dann doch ATACMS-Raketen schicken. Schon läuft die nächste Taurus-Welle in Deutschland an. So ähnlich lief es auch bei den Panzern, obwohl amerikanische Abrams bis heute nicht in der Ukraine fahren, aber immerhin schon geliefert sein sollen. Dafür bleiben die befreiten Leoparden schon seit Wochen auf dem Schlachtfeld liegen.

Unterdessen versucht die Ukraine die Herzen der Ukrainer in den besetzten Gebieten mit Streubomben zu erobern, sofern die Berichte über den Beschuss des Donbas zutreffen. Diese Nachrichten sind in westlichen Medien aber nicht zu finden, weil das alles russische Desinformation ist und nicht verbreitet gehört. Die Russen lügen, wenn sie nur den Mund aufmachen, so die feste Überzeugung. Interessant ist dann aber, dass man den Vorsitzenden der Staats-Duma, Wjatscheslaw Wolodin, sogleich beim Wort nimmt, wenn der sagt: „Entweder kapituliert die Ukraine zu Russlands Bedingungen oder sie hört auf zu existieren.“ Das ist dann natürlich weder gelogen, noch Desinformation, sondern ein Beleg für die Absichten Russlands. Man hört eben, was man hören will.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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