Allein auf großer Bühne

Geschrieben von: am 22. Sep 2023 um 18:27

Ein Kanzler allein auf großer Bühne. Wie kann das sein? Vielleicht hört einem Vasall, der nichts gegen diesen Eindruck unternimmt, keiner mehr gern zu. Vielleicht lag es auch an der Augenklappe, deren Fehlen irgendwie den Reiz des Zusehens schmälerte, wo bereits der des Zuhörens durch einen Scholzomaten kaum geweckt werden kann. Es war aber auch sehr spät bei der UNO in New York. Olaf Scholz trat wohl als letzter Redner in einer langen Reihe von Vorsprechern an diesem Tag auf. Der Vortrag war dann eben nur für die deutsche Öffentlichkeit, die allerdings auch nicht umhinkam, die spärlich besetzten Reihen zu erwähnen.

Vielleicht lag es auch an einer Zuhörerin, die Scholz immer noch als Außenministerin beschäftigt und in den Tagen vor der UN-Generalversammlung in den USA ein TV-Interview gab. Warum sie da den chinesischen Präsidenten als Diktator bezeichnete, wissen wir auch nach einem Gespräch mit dem deutschen Fernsehen nicht. Nur das ein Schaden eingetreten ist, der die Frage offenlässt, wofür er denn nun gut sein soll. Die Erklärung ist dabei so simpel wie bescheuert. Außenministerin Baerbock wollte zeigen, dass Deutschland nicht nur dem liberalen Ostküstenamerika treu ergeben ist, sondern auch der radikalen Rechten, den Trumpisten und klerikalen Fundamentalisten, die China hassen und möglicherweise das Ruder in Washington übernehmen könnten. Deshalb der Auftritt bei Fox-News und eine Tour durch den Staat Texas, der nicht gerade empfänglich für feministische Außenpolitik ist.

Die deutsche Außenpolitik ist ein wandelnder Widerspruch auf mehreren Beinen, kurzum ein Desaster und mangelndes Interesse an ihr kein Einzelfall. Auch grüne Staatssekretärinnen wie Anja Hajduk und Jennifer Morgan, die in Sachen Klimaschutz Made in Germany in Amerika dabei waren, gaben Interviews vor dann ausschließlich deutschen Pressevertretern, eine kleine Truppe von sieben Leuten, was sie aber nicht davon abhielt, den Termin komplett auf Englisch zu absolvieren, vermutlich um den Eindruck von internationaler Bedeutung zu transportieren. Eine Randnotiz, die aber zeigt, wie orientierungslos die deutsche Politik auf der Weltbühne insgesamt manövriert. Da hilft auch nicht der Auftritt des ukrainischen Präsidenten in New York, der Deutschland als einen „Garant für Frieden“ bezeichnete, das einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat verdiene.

Ein Garant für den Frieden? Als größter europäischer Waffen- und Ausrüstungslieferant ist Deutschland wohl eher ein Garant für die Fortsetzung des Krieges. Und es ist, wie uns führende Vertreter der Ampelparteien in Brandbriefen erklären, noch lange nicht genug.

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Doch die Unterstützung der Ukraine ist bereits ein Auslaufmodell, das war sie schon von Anfang an. Das zeigt nicht nur das mangelnde Interesse der internationalen Staatengemeinschaft, trotz gegenteiliger Behauptungen hiesiger Expertendödel, sondern auch die Haltung der Amerikaner, die sich als größte Gebernation von der Kriegsunterstützung langsam verabschieden wollen. Die Brandbriefschreiber müssen sich also jetzt an Präsident Biden wenden, wenn sie Marschflugkörper wollen oder an Polen, das gerade, weil es keine Diktatur ist, im Wahlkampf steckt und einen Streit mit der Ukraine über die Frage von Getreidelieferungen hat und deshalb auch weniger Waffen schicken will. Die regierende Partei hat Sorge, nicht wiedergewählt zu werden.

Moralischer Vorbehalt

Ein Skandal, finden die Beobachter hierzulande. Etwas anderes als eine bedingungslose Unterstützung der Ukraine dürfe es nicht geben. Das verwundert doch sehr, zumal die westliche Wertegemeinschaft gerade der Aushunger-Blockade in Bergkarabach tatenlos zugeschaut hat. Trotzdem wird in der deutschen Außenpolitik immer so getan als gebe es im Rahmen der internationalen Beziehungen so etwas wie einen moralischen Vorbehalt. Das ist vollkommen abwegig. Diese Vorstellung dient im Augenblick nur dazu, eine antirussische Haltung zu legitimieren, bei der man zwischen den Zeilen sogar ein Bedauern vernimmt, wenn Regimekritikern in Moskau lediglich der Prozess gemacht wird, statt sie zu vergiften oder aus dem Fenster zu stoßen.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten“, sagte Egon Bahr. Eine mit Blick auf das Leid, das die vielen Konflikte mit sich bringen, erschütternde wie zutreffende Betrachtung, die immer noch gültig ist. Nur die deutschen Interessen bleiben unter den Bedingungen der Zeitenwende weitgehend unklar oder haben gegenüber den Interessen anderer zurückzutreten. Soll China nun Partner, Konkurrent oder Systemrivale sein? Die Regierung sagt, dass alle drei Parameter gelten sollen. Wenn China aber vor allem auch Partner ist, weil die Wirtschaft mit ihren Lieferketten sehr eng verflochten ist, wie sinnvoll ist es dann, den Staatspräsidenten einen Diktator zu schimpfen? Sprach da etwa die Abteilung Systemrivale mit der Absicht, bloß dem amerikanischen Vormund zu gefallen? Oder ist es einfach nur Dummheit?

Aus diesem Grund steht die Ampel in den Umfragen auch immer schlechter da, weil sie den Eindruck vermittelt, dass es gerechtfertigt sei, einen enormen Schaden für eine zweifelhafte Moral in Kauf zu nehmen. Das ruft innenpolitisch immer bedrohlichere Abwehrreaktionen hervor. „Die Ampelregierung, die ihrem Selbstverständnis nach eine gemäßigt moderne, nüchtern-geschäftige, aber weitgehend stumm bleibende Regierung der Transformation und des Übergangs ist, versteht solche Regressionsschübe nicht. Sie hält nationale Aufwallungen für überholt. Und glaubt allen Ernstes, sie kommt damit durch“, schreibt Wolfgang Michal im Freitag. Diese Schübe werden wiederum verstärkt durch sich verschlechternde wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Kürzungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und bei Leistungen für Kinder und Jugendliche.

Dagegen werden im militärischen Teil des Ampelbunkers weiter zig Milliarden für Waffenlieferungen und Aufrüstung gefordert, aber kein Cent für Diplomaten, die der Chefin des Auswärtigen Amtes einmal etwas über Interessen erzählen könnten oder über Risiken, die sich nach der Formel Eintrittswahrscheinlichkeit mal Schadenshöhe relativ gut abschätzen lassen. Weitere peinliche wie gefährliche Sprachunfälle deutscher Repräsentanten, die hinterher einer Korrektur oder Einordnung bedürfen, ließen sich auf diese Weise vielleicht in Zukunft vermeiden.


Bildnachweis:: Screenshot, Übertragung UNO Generalversammlung.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Klaus Pott  September 23, 2023

    Finde es mittlerweile etwas ermüdend zu lesen warum deutsche Politiker international anscheinend kaum Beachtung finden. Diese Grafik von Statista kommt mir auch merkwürdig vor. Was ist hier humanitäre Hilfe, die Aufnahme von Millionen Kriegsflüchtlingen kann es wohl nicht sein.