Krisengipfel: Immer dieselben dämlichen Fragen

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Vor dem neuerlichen EU-Sondergipfeltreffen in Brüssel hat Bundesfinanzminister Schäuble noch einmal betont, an den Spardiktaten festhalten und gemeinsamen Staatsanleihen eine Absage erteilen zu wollen. Die griechische Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig und müsse daher tiefgreifende Einschnitte und Reformen akzeptieren, so Schäuble. Ich wundere mich immer wieder, dass Moderatoren und Journalisten nicht einmal die Frage stellen, wo denn die Erfolge der seit Jahren andauernden Reform- und Sparpolitik in Griechenland zu beobachten seien. Es ist doch das Gegenteil von dem eingetreten, was Schäuble permanent predigt.

Trotz aller Bemühungen und des Verzichts hat sich die Krise verschlimmert und der Schuldenstand erhöht. Als objektiver Berichterstatter muss man doch zu dem Ergebnis kommen, dass die Rettungspolitik der Troika krachend gescheitert ist, zumindest mit Blick auf Griechenland. Der Finanzsektor kann sich ja nach wie vor über eine Absicherung seiner Risiken freuen.

Gleichzeitig streut die Bundesregierung mit ihrer Haltung der deutschen Öffentlichkeit Sand in die Augen. Wachstum durch Strukturreformen ist ein hanebüchener Unsinn und trotzdem fallen reihenweise Redakteure darauf herein. Strukturreformen heißen doch übersetzt Kürzungen bei den Löhnen und Sozialleistungen. Wie soll das aber, zumal die Kanzlerin ja auch kein Geld für Konjunkturprogramme ausgeben will, zu Wachstum führen. Werden die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien mit weniger Geld in der Tasche etwa mehr konsumieren?

Ich begreife einfach nicht, warum Volkswirte und Journalisten immer denselben dämlichen Fragen nachgehen wie die, ob Eurobonds der richtige oder falsche Weg aus der Krise sind. Viel wichtiger ist doch die Frage, warum die Bundesregierung mit der Bemerkung, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wäre verkraftbar, die Spekulationen gegen das Land fahrlässig wieder anheizt und die Krise damit insgesamt verschärft.

Könnte man nicht auch einfach kriminelles Kalkül unterstellen, wenn Schäuble am Wochenende mit seinem Statement über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone den Grundstein dafür gelegt hat, um heute eine Bundesanleihe von über vier Milliarden am Kapitalmarkt zu platzieren, für die der deutsche Finanzminister keine Zinsen mehr zahlen muss?  

Deutschland profitiert von der Krise. Kann es deshalb ein Interesse an einer schnellen Lösung haben? Die Diskussion um eine Pleite Griechenlands macht deutsche Staatsanleihen immer beliebter, so dass Anleger sogar noch Geld drauflegen, damit sie ihr Kapital an den deutschen Finanzminister verleihen dürfen. Gleichzeitig hat die deutsche Wirtschaft nach einer Meldung des statistischen Bundesamtes im Jahr 2011 den bestehenden Exportüberschuss noch einmal auf 158,1 Mrd. Euro steigern können.

Doch was heißt das? Die richtigen Strukturreformen müsste eigentlich Deutschland vornehmen, das mit seinen wieder zunehmenden hohen Bilanzüberschüssen die Stabilität der gesamten Eurozone gefährdet. Doch über die Überschüsse redet man auf dem Sondergipfel nicht, sie gehören schließlich zum Qualitätsnachweis des selbsternannten Musterschülers, der solange wie möglich von der Krise profitieren will. Die nächste Bundestagswahl rückt schließlich auch immer näher.

Apropos Wahlen. Die Griechen dürfen bald wieder ran, weil der letzte Urnengang keine “stabilen Verhältnisse” zu Stande brachte. Unter “stabilen Verhältnissen” versteht Herr Schäuble zum Beispiel eine Regierung aus jenen Parteien, die der griechischen Bevölkerung über Jahre hinweg den Schlamassel erst eingebrockt haben.   

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Der Tag nach dem Tag danach

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Nach der ersten Aufregung über das politische Erdbeben, das Europa am Sonntag heimsuchte, brechen nun die vermeintlich sachlich geführten Diskussionen vom Zaun. Dabei setzt sich die Behauptung der düpierten Sparer durch, dass in ihren Fiskalpakten schon immer auch ein Wachstumsprogramm gesteckt habe, so zumindest der Schäuble. Doch welche Strategie er wirklich verfolgt, konnte man bei einem unfreiwilligen Mitschnitt eines Gesprächs zwischen ihm und einem Vertreter Portugals studieren. 

Die öffentliche Meinung in Deutschland müsse glauben, dass wir es ernst meinen. Und natürlich muss sie das, weil etwas anderes ja bedeuten würde, dass die Deutschen ihren Gürtel all die Jahre umsonst enger geschnallt hätten. Sollte sich nämlich Hollandes Neustart für Europa durchsetzen, wären die deutschen Exportüberschüsse, die die deutschen Arbeitnehmer durch Lohnverzicht und Verlängerung von Arbeitszeit und Arbeitsintensität über mehr als ein Jahrzehnt bezahlt haben, vergebens gewesen.

Lustig ist in diesem Zusammenhang Schäubles Bemerkung, dass Europa gut damit gefahren sei, nicht nach jeder Wahl bereits geschlossene Verträge neu zu verhandeln. Das sagt einer, dessen Chefin innen- wie außenpolitisch von einer Kehrtwende zur anderen stolpert, wenn es ihr nur opportun erscheint.

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Straubhaar ruft nach einem Gauleiter für Griechenland

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Der Leiter – Ökonom will ich ihn nicht nennen – eines privaten think tanks, Thomas Straubhaar, fordert neuerdings ein “europäisches Protektorat Griechenland”. Da sträuben sich ja einem die Haare. Volksverhetzung geht also auch wieder auf akademischen Niveau. Lustig, dass es ein Schweizer ist.

Ausführlich hat sich mit dieser Entgleisung flatter in seinem Beitrag, “Die Springerstiefel der Finanzwirtschaft” beschäftigt…

Warum eigentlich nicht? Ich möchte Leistungsträgern wie Thomas Straubhaar die Chance geben, ihre Ideen und ihr diplomatisches Fingerspitzengefühl auszuprobieren. Sie sind doch wie es heißt stets mit der Bürde der großen ‘Verantwortung’ beladen. INSM-Straubhaar soll bitte nach Athen fahren und sich der öffentlich Debatte über seine Vorschläge stellen. Das würde vermutlich mehr bewegen als jede Parlamentswahl und das Verhältnis der Finanzbranche zur Bürgerschaft sehr wirksam zurechtrücken. Ich fürchte allerdings, die Fingerspitzen könnten dabei empfindlich leiden.

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Der Tag danach

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Einen Tag nach den für Europa bedeutenden Abstimmungen in Frankreich und Griechenland ist ein absurder und zugleich zu erwartender Zustand eingetreten. Die Börsen, das Sinnbild für Vertrauen, brachen ein und die Warnungen vor allem deutscher Politiker in Richtung Paris und Athen sind nicht zu überhören. Häufigste Floskel dabei ist, das irgendein politischer Hanswurst in Brüssel, nennen wir ihn Graf Lambsdorff, die Wahlen mit Sorge betrachtet habe. „Die wirtschaftspolitische Realität wird auch François Hollande relativ schnell einholen und auch er wird feststellen, dass man an einem Sparkurs nicht vorbei kommt“, sagt der Vorsitzende der Gruppe der FDP im Europäischen Parlament.

Und der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), mahnte die neuen radikalen und euroskeptischen Parteien die Versprechen für das 130 Mrd. Euro Hilfspaket einzuhalten. „Wenn da eine neue Regierung, ein neues Parlament die griechischen Zusagen zum Sparen und Umbauen des Staates zurücknimmt, dann geraten wir sicher in eine ganz schwere Krise“, sagt er. Mal angenommen die Faschisten treten in eine “stabile Dreiparteienregierung” ein und trügen das Sparpaket mit, hätte der Sozialdemokrat Schulz offenbar kein Problem damit.

Die Furcht vor dem Ende der Sparpolitik

Denn allgemein gehe in Europa die “Furcht vor einem Ende der europäischen Sparpolitik um”. Das muss man sich einmal vorstellen. Furcht vor dem Ende der Sparpolitik. Was sind denn das für Luxusprobleme? Wie kann man sich vor dem Ende einer Sparpolitik fürchten, die überall in Europa nicht nur Angst und Schrecken verbreitet, sondern gnadenlos die Volkswirtschaften sowie die Perspektiven von Menschen zerstört? So bescheuert ist wohl nur der Deutsche. Er fürchtet sich mehr vor dem Ende der Sparpolitik, einer Phantominflation und dem Russen, als vor dem wirklichen ENDE, das durch die von ihm wieder und wieder unterstützte Sparorgienpolitik immer wahrscheinlicher wird.

Sollten die Griechen ihre unter Zwang abgegebenen Versprechen nicht einhalten, sei das der Beginn vom Rausschmiss aus der Eurozone poltern die nächsten Deppen, die völlig verkennen, was so ein Schritt für die deutsche Wirtschaft und deren Arbeitsplätze bedeuten würde. Diese Hornochsen glauben doch immer noch, ein Austritt aus der Eurozone käme den deutschen Steuerzahler irgendwie billiger oder sei umsonst zu haben. Außerdem ist überhaupt nicht einzusehen, warum das griechische Volk für Maßnahmen artig Beifall klatschen soll, die ihnen von einer fernen Troika aufgenötigt wurden, und die alles unter dem bis zur Unkenntlichkeit deformierten Begriff “Reformen” kaputtmachen – demokratische Grundrechte eingeschlossen.

Wer kann an so einen Mist nur ernsthaft glauben? Der Fiskalpakt ist offenbar zu einer Religion geworden. Nur ist es bei den Deutschen die Lust am Untergang, die Lust an der eigenen Qual und der Bestrafung anderer oder ist es einfach nur Dummheit? Ich weiß es nicht. Schon allein die Feststellung, dass das Wahlergebnis in Griechenland Besorgnis auslöse, weil die Fortführung des Sparkurses gefährdet sei und nicht, weil zum Beispiel eine faschistische Partei deutliche Gewinne verbuchte und ins Parlament einzog, spricht für diese verschrobene Wahrnehmung.

Es darf keine Alternative zur Alternativlosigkeit geben

Nein, der Sparkurs muss fortgesetzt werden und die griechische Bevölkerung Opfer bringen, weil Europas Steuerzahler ebenfalls schwere Opfer als Gegenleistung erbringen würden, meint Rolf-Dieter Krause, Leiter des Brüsseler ARD-Studios. Auch er stellt sich nicht im Ansatz die Frage, wer in dieser Finanzkrise keine Opfer erbringen muss, obwohl er oder sie zu den Verursachern derselben gehören. Es ist diese arrogante Ignoranz, mit der deutsche Medien durch diese Krise stolpern und zuweilen chauvinistische Ratschläge erteilen. Leute wie Krause würden wahrscheinlich Rechtspopulisten oder gar Faschisten, aber auch die Linken in einer Regierung akzeptieren, wenn nur die vereinbarten Maßnahmen eingehalten würden, die als Voraussetzung für Europas Solidarität gelten. Es darf keine Alternative zur Alternativlosigkeit geben.

Und Europa ist natürlich Deutschland, das nur ganz bescheiden das Vertrauen der Finanzmärkte wiederherstellen möchte, so Krause weiter. “Niemand will den Griechen mehr Geld leihen, weil man nicht darauf vertraut, dass man es zurückbekommt. Vertrauensbildung wäre also jetzt das wichtigste. Da schadet es, wenn die griechische Regierung nicht eindeutig zu den Vereinbarungen der vergangenen Monate steht.” Da spricht einer, der offenbar keine Ahnung davon hat, dass das mangelnde Vertrauen durch Äußerungen der deutschen Bundesregierung selbst immer wieder neu entsteht. Griechenland ist nicht Herr über seine eigene Währung, sondern abhängig davon, ob Frau Merkel es für wahrscheinlich hält, dass Griechenland seine Sparziele erreicht.

“Beide – Samaras und Hollande – müssen eine entscheidende Frage beantworten: Woher soll das Geld kommen, das sie nicht mehr einsparen wollen?” Hier zeigt sich die ganze Blödheit des ARD-Studioleiters. Haben denn die bisher eingesparten Milliarden in Griechenland zu einer Verringerung der Schuldenlast geführt? Oder ist es nicht eher so, dass mit dem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, hervorgerufen durch die Sparmaßnahmen, die relative Schuldenlast gemessen am BIP gestiegen ist? Warum sollten also Einsparungen vorgenommen werden, wenn sich der Sparerfolg als Anstieg des Defizits entpuppt?

Warum ist es so schwer, sich die französische Position zum Thema Wachstumspolitik einmal genauer anzuschauen? Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel entschied sich im Krisenjahr 2009 nicht für Strukturreformen, sondern ganz bewusst für Konjunkturprogramme mit der Bemerkung , antizyklisch gegensteuern zu müssen, weil man aus der Geschichte und hier vor allem aus dem Fehler Heinrich Brünings, der in die Krise prozyklisch hineinsparte, gelernt habe. Daran erinnert sich heute von den Premium-Journalisten keiner mehr, weil sie die Milliarden für die Banken permanent mit den Milliarden für Konjunkturprogramme verwechseln und die höheren Schuldenstände der europäischen Staaten allein einer zügellosen Ausgabenpolitik zuschreiben, wohingegen die geretteten Privatvermögen einiger Weniger überhaupt keine Rolle zu spielen scheinen.

Das kann doch nicht wirklich das geistige Niveau sein, auf dem über die Zukunft und das Leben von Menschen diskutiert und entschieden wird.

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Der Anchorman mit dem Überblick

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Ingo Zamperoni ist Moderator der Tagesthemen und kündigte einen Beitrag über Griechenland und die dort anstehende Parlamentswahl mit den Worten an, dass die harten Sparprogramme nun erste zaghafte Früchte tragen würden, weil Ratingagenturen das Land mal nicht herab, sondern nach oben gestuft hätten. Mal abgesehen davon, dass Griechenland mit „zahlungsunfähig“ bereits auf der niedrigsten Ratingstufe stand, ist es doch ziemlich albern, dass Urteil der Agenturen als Beleg für die Richtigkeit der zerstörerischen Sparpolitik zu betrachten.

Man muss sich nur mal anschauen, auf welcher fruchtigen Stufe die Griechen nun stehen. Das Land ist um sagenhafte vier Wertungsplätze nach oben gestiegen und bei der Note CCC angekommen, was in der Ratingsprache soviel bedeutet wie „überwiegend oder grundsätzlich riskant“ um nicht zu sagen „hochspekulativ“. Da sieht so mancher Tagesthemen-Grünschnabel aber schon die Wende gekommen oder jenen Aufschwung, in den er als Journalist quasi hineingeboren wurde.

Dass die Ratingagenturen mit ihrem politischen Spiel auch nur die politische Wahl beeinflussen wollen, erschließt sich dem auf seine Bildschirmwirkung bedachten Anchorman hingegen nicht.

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Brüning, eine Wirtschaftsredakteurin und ein Historiker

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Viele Wirtschaftswissenschaftler sprechen mit Blick auf Griechenland von einer Wiederholung Brüningscher Sparpolitik. Eine Redakteurin von NDR-Info hat nun mal recherchiert, ob sich die Situation in Griechenland mit der Politik Brünings vergleichen lässt. So in etwa wurde dieser Beitrag heute Morgen angekündigt. Was dann aber kam, war einfach nur lächerlich.

Denn statt sich mit der volkswirtschaftlichen Wirkung einer mit brutaler Gewalt betriebenen Austeritätspolitik zu beschäftigen oder mit den Argumenten von Ökonomen wie Peter Bofinger, ließ sich die “Wirtschafts-Journalistin” von Historiker Manfred Harnisch erklären, dass die Griechen gar nicht so zu leiden hätten. Im Unterschied zu den Deutschen in den 30er Jahren müssten die Griechen gar nicht hungern, seien nicht obdachlos und würden sich auch nicht in sogenannten Aufwärmstuben auf Stühlen sitzend aufhalten, wo sie sich von dem damaligen “sozialen Netz” – Leinen, die vor die Bänke gespannt waren – auffangen lassen, falls sie einnicken.

In Griechenland herrsche noch ein echtes soziales Netz, das den Deutschen in den 1930er Jahren völlig fremd gewesen sei, so der Historiker. Aus dieser kruden Argumentation heraus, fällt es dann auch nicht schwer, den Bogen zu notwendigen Reformen zu schlagen, deren Sinnhaftigkeit natürlich außer Zweifel steht.

Reichskanzler Brüning kürzte Gehälter und Tariflöhne, führte neue Steuern ein, erhöhte die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung, senkte aber die Leistungen. Davon ist Griechenland nach Meinung von Historiker Manfred Harnisch weit entfernt. Das viele der griechischen Reformen notwendig sind, ist für ihn unbestritten.

Nur zur Erinnerung: Die griechische Regierung kürzt ebenfalls Gehälter in erheblichem Maße, zuletzt die Mindestlöhne um 22 Prozent. Den Tarifpartnern hat man per Gesetz sogar untersagt, die Löhne in der Privatwirtschaft steigen zu lassen. Die Leistungen der Sozialversicherung stehen ebenfalls unter dem Spardiktat. Massive Einschnitte im Gesundheitsbereich, 3,2 Mrd. Euro, mussten im März vorgelegt werden, um die Voraussetzungen des zweiten Hilfspaketes zu erfüllen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 20 Prozent, bei den unter 25-Jährigen ist fast jeder Zweite ohne Job. Viele Griechen sind bereits obdachlos, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können und suchen Hilfe in sozialen Einrichtungen.

Was der Historiker Harnisch also behauptet, ist schlichtweg falsch. Dass sich aber eine Wirtschaftsredakteurin vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk so einen Bären aufbinden lässt und diesen Blödsinn auch noch als Recherche verkauft, spottet jeder Beschreibung. So jedenfalls hätten der Experte und die Berichterstatterin den Unterschied zwischen Griechenland und Weimar auch anhand der Zahl mobiler Telefonanschlüsse in beiden Zeitperioden erklären können.

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Kanzlerinnenmehrheit verfehlt? 84 Prozent sagen Ja

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Na was war das für eine Nachricht. Kanzlerin Angela Merkel hat am Montag bei der Abstimmung über das zweite Rettungspaket für Griechenland im Bundestag die sogenannte Kanzlerinnenmehrheit verfehlt. Oh je. Bei 496 Ja-Stimmen davon zu sprechen, eine Mehrheit verfehlt zu haben, mutet schon reichlich schräg an. Natürlich haben nicht alle Parlamentarier aus dem schwarz-gelben Lager für den Antrag der Bundesregierung gestimmt – zahlreiche Abgeordnete (29) waren nicht anwesend – an der Zustimmung des Hauses bestand aber nie ein Zweifel. Von den 591 Abgeordneten haben schließlich knapp 84 Prozent für die Vorlage der Bundesregierung gestimmt. Nun tun aber die Medien so, als hätte am Montagnachmittag ein kleines innenpolitisches Erdbeben stattgefunden.

Da ist dann von einem neuen Bündnis die Rede, welches am politischen Firmament anzuziehen beginnt. Union, SPD und Grüne agierten sehr viel stabiler, als die beiden Parteien, die im Augenblick die Regierung tragen. Doch wer trägt diese Regierung? Ist es nicht eher so, dass es bei den wirklich wichtigen Themen immer eine breite parlamentarische Mehrheit aus Union, SPD, Grünen und FDP gegeben hat? Bei der Eurorettung sind sich alle einig. Beim Thema Krieg sind sich ebenfalls alle einig. Auch die Arbeitsmarktpolitik und insbesondere das gemeinsame Kind Hartz IV vermag diese Koalition der Willigen nicht zu spalten. Die Schuldenbremse, ein volkswirtschaftlicher und finanzpolitischer Irrweg, hat inzwischen Verfassungsrang.

Unterschiede gibt es allenfalls auf Nebenschauplätzen und selbst dort wird nur mit Nebelkerzen geworfen. An dieser Stelle muss nicht noch einmal die traurige Geschichte vom Mindestlohn erzählt werden, der nach zahlreich verpassten Chancen noch immer darauf wartet, im wichtigsten Land der EU endlich eingeführt zu werden. Psst, die SPD will es diesmal wirklich angehen. Nein, man muss schon unterscheiden zwischen Symbolpolitik und Sachfragen, deren Lösungen als Alternativlosigkeit Partei übergreifend präsentiert werden. Angela Merkel hat ihre Kanzlerinnenmehrheit nicht verloren, weil sie in Wahrheit von weit mehr als Zweidrittel der Abgeordneten getragen wird. Die SPD weigert sich sogar, bei der kommenden Wahl auf eine Ablösung der amtierenden Kanzlerin hinwirken zu wollen. An der CDU-Chefin führt auch künftig kein Weg vorbei, egal mit welcher anderen Partei aus ihrer großen Koalition sie offiziell auch regieren wird.

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Wie erzeugt man Spannung vor einer klaren Abstimmung

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Nach der Sitzung des Haushaltsausschusses am Freitag hat Carsten Schneider, das finanzpolitische Milchgesicht der SPD-Bundestagsfraktion, die Zustimmung seiner Fraktion zum zweiten Griechenland Rettungspaket von der Rede der Kanzlerin abhängig gemacht. Sie müsse offener über Lasten und Risiken sprechen, hieß es. Da versucht offenbar jemand Spannung zu erzeugen.

Dabei ist doch die Reduzierung des Bundestags auf eine Versammlung von vermeintlichen Volksvertretern, die zusammenkommen, um die Bundesregierung regelmäßig und bereitwillig zu unterstützen längst vollzogen worden. Carsten Schneider bestätigt das. Und was ist, wenn Merkel in ihrer Rede nicht über Lasten und Risiken spricht? Wird dann die SPD morgen geschlossen gegen das Gesetz stimmen? Wohl kaum.

Man muss sich schon fragen, warum gerade einer wie Bundesinnenminister Friedrich am Wochenende den Austritt Griechenlands aus der Eurozone fordern und erneut eine alberne Diskussion lostreten darf. Der Mann, der sonst vor einer linksextremistischen Gefahr und dem islamistischen Terror warnt, schwingt sich plötzlich zum Experten in Finanzfragen auf, während der dafür zuständige Minister bereits das dritte Hilfspaket für Griechenland plant.

Am Montag wird es keine Überraschungen geben und die Bundeskanzlerin der Opposition auch den Gefallen tun, über die Lasten und Risiken zu referieren. Das wird dann dergestalt ausfallen, dass der Euro mit dem alternativlosen Paket einmal mehr gerettet werde, die Risiken überschaubar seien und Lasten nicht anfallen, weil der Euro als Ganzes stabilisiert werde. Dann wird ein Redner der SPD, vielleicht Herr Schneider, ans Pult treten und allenfalls handwerkliche Fehler bemängeln, wie der Streit um die bisher nicht abgerufenen 24,4 Mrd. Euro aus dem ersten Hilfspaket belegt.

Am Ende haben sich trotzdem alle lieb und ein weiteres Rettungspaket für Griechenland die Banken wird mit breiter Mehrheit und viel Pathos verabschiedet werden. Die Zweifel an dem Gesetz bleiben nur gespielt. Auch vor dem Hintergrund, dass Bundesinnenminister Friedrich allen anderen Maßnahmen zur Eurorettung, wie der Ausweitung des EFSF im vergangenen Jahr zum Beispiel, ohne zu murren zugestimmt hat und ansonsten gar nichts zur Debatte beisteuerte.

Für zusätzlich Spannung ist also nicht gesorgt.

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Oh Schreck: Griechenland hat keine Verwaltung mehr

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Das Geheule der deutschen Wirtschaft und der Presse über die plötzlich entdeckten Defizite in der griechischen Verwaltung ist skandalös und zynisch zugleich. Keine Woche ist es her, da haben alle noch auf die Durchsetzung des Sparpaketes bestanden, in dem klar vorgesehen ist, 15.000 Staatsangestellte sofort zu entlassen. Bis 2015 soll die Zahl der Entlassungen im öffentlichen Dienst auf 150.000 steigen.

Heute Morgen beklagte sich BDI-Präsident Keitel im Deutschlandfunk über mangelnde Verwaltungsstrukturen. Deutsche Unternehmen würden gern in Griechenland investieren, fänden aber mit Blick auf Steuerverwaltung und Katasterwesen kein funktionstüchtiges Staatswesen mehr vor. Deutsche Unternehmer bräuchten aber Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, so Keitel weiter.

Zum bisherigen Rettungsverfahren sagte der BDI-Präsident aber, dass die Voraussetzungen für eine Sanierung geschaffen worden sein. Da fragt man sich doch entsetzt, wer hier wen für dumm verkaufen will. Von außen müsse sichergestellt werden, dass Griechenland die versprochenen Anstrengungen auch tatsächlich unternehme. Die ganze Hilfe nütze dann ja nichts, hält der BDI-Präsident fest.

Und da hat er Recht, denn die 130 Mrd. Euro nützen den Griechen und ihrer Wirtschaft auch nichts, weil sie ohne Umweg zur Schuldentilgung eingesetzt werden müssen. Dafür soll zudem ein Sperrkonto sorgen, auf dessen Einrichtung bei den Verhandlungen vor allem der deutsche Finanzminister bestanden hat.

Um eine funktionierende Verwaltung wiederherstellen zu können, die nach Keitels Aussage auch in der Vergangenheit schon nicht bestanden habe,

“Nur das ganze ist unter der Staatsverkrustung irgendwo aus unserem Blick verschwunden.”  

braucht es Personal, dass sich durch die vielen Aktenberge wühlt und für die sprichwörtliche Ordnung sorgt, auf die vor allem die Deutschen so erpicht sind. Das ändert nur nichts an der Tatsache, dass mit den Sparpaketen das Gegenteil bewirkt wird. Dennoch versuchen Schäuble und Co. der deutschen Öffentlichkeit weiszumachen, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um die beliebten Strukturreformen durchführen zu können.

Absurderweise wurde vor dem Bekanntwerden der Missstände, die angeblich unter einer “Staatsverkrustung” verborgen lagen, immer behauptet, die griechische Staatsverwaltung sei viel zu überdimensioniert. In feinstem neoliberalen Neusprech sollte der Eindruck vermittelt werden, der öffentliche Dienst in Griechenland stünde beispielhaft für ein Leben über den Verhältnissen. Nun stellt Keitel selbstkritisch fest, dass man die Begebenheiten in Griechenland wohl eher als charmantes Mittelmeerproblem betrachtet habe. Dennoch bleibt er dabei, dass sich ein Land keine Verwaltung leisten könne, die sich nur mit sich selbst beschäftige.

Das ist auch richtig. Allerdings bedarf es mit Sicherheit einer Verwaltung, in der auch Menschen beschäftigt sind.

EDIT: Das Interview kann hier nachgelesen werden:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1683495/

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Griechenlands Freiheit

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Gestern hat die Kanzlerin noch von ihrer Sehnsucht nach Freiheit schwadroniert, die sich 1989/90 endlich erfüllt habe und heute schon verbietet das griechische Parlament auf Druck der freiheitsliebenden deutschen Pfarrerstochter Tarifverhandlungen in der Privatwirtschaft des südeuropäischen Landes. Gewerkschaften und Unternehmerverbände hatten sich nämlich zuvor gegen die von der Gemeinschaft der Gläubiger geforderten Lohnkürzungen sowie die Absenkung des Mindestlohnes, als auch die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausgesprochen.

Als Begründung führten beide Tarifparteien völlig zu Recht an, dass der damit verbundene Rückgang an Kaufkraft ursächlich für die derzeitige Rezession im Land sei. 

Die Freiheit der Kanzlerin hat natürlich nichts mit der Vertragsfreiheit griechischer Tarifparteien zu tun. Inzwischen ist auch klar, dass die griechische Regierung “freiwillig” auf einen Teil ihrer Haushaltssouveränität verzichtet, indem sie der Einrichtung eines Sperrkontos am Wochenende zustimmte. Auch das war eine deutsche Idee. Aber warum Minister Schäuble die Rettungsgelder dann nicht direkt an die Gläubiger überweist, bleibt weiterhin ein Rätsel.

So gesehen, benötigt Deutschland tatsächlich einen Demokratielehrer, allerdings ist zweifelhaft, ob Joachim Gauck dieser Zuschreibung tatsächlich gerecht werden kann. Denn offensichtlich wurde der Prediger nur geholt, um “den Leuten die Ohren vollzuquatschen”, meint Jutta Ditfurth. Angela Merkel hingegen hatte schon Schwierigkeiten ihre Erinnerungen an die Wendejahre, in denen sie angeblich mit dem Geschenk der Freiheit beglückt wurde, vom Blatt ohne zu stottern abzulesen.

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