Anhaltende Lieferprobleme

Geschrieben von: am 26. Nov 2021 um 16:37

Immer wieder freitags überschlagen sich die Ereignisse. So als wollte die Woche zum Ausklang sagen, dass nehme ich doch nicht mehr mit in die nächste. Eine neue Virusvariante bereitet Sorgen und die halbe Bananenrepublik Deutschland dreht schon wieder durch. Wir haben zwar keine brauchbaren Daten, dafür aber Karl Lauterbach, der alles sofort fachlich einzuschätzen weiß. Die Ulknudel aus Leverkusen ist allerdings gar nicht der Gipfel. Die Krönung ist: Es ist schon wieder kein Impfstoff da.

Soeben versandte die niedersächsische Sozialministerin Daniela Behrens eine Pressemitteilung. Darin steht Unglaubliches.

Seit heute Vormittag erreicht uns aus allen Landesteilen sowohl von den Impfteams der Kommunen als auch aus den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte die Nachricht, dass die bestellten und vom Bundesgesundheitsministerium zugesagten Impfstoffmengen für die kommende Woche nicht in vollem Umfang lieferbar seien. Die Beschränkung der Liefermengen geht dabei nach den Schilderungen der Praxen und der Gesundheitsämter weit über die in der vergangenen Woche vom BMG angekündigte Kontingentierung hinaus und betrifft offenbar auch den Impfstoff von Moderna. Das ist ein schwerer Schlag für die Impfkampagne, die in Niedersachsen gerade massiv an Fahrt aufgenommen hat. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister hat noch in dieser Woche im Kreise der Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder wiederholt zugesichert, dass ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe und nun erleben wir diese unhaltbaren Zustände.

Und dann verlangt die Ministerin noch allerhand, damit ihr eigenes Versagen mit den Impfteams nicht so auffällt. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister, der das Chaos nach Meinung der Niedersächsin zu verantworten hat, ruft derweil nach einem weiteren Bund-Länder-Treffen in den kommenden Tagen. Er kritisiert die Ampelregierung, obwohl die noch gar nicht im Amt ist, für ihr zögerliches Verhalten und sagt über die Impfkampagne, dass es in der aktuellen Situation sinnvoll sei, nicht so strikt den Empfehlungen der STIKO zu folgen. Mit anderen Worten, er möchte gern, an der fachlichen Einschätzung der unabhängigen Experten vorbei, mehr impfen, nur womit? Derzeit schnappen Leute, die sich immer für besonders solidarisch halten, unter 60 sind und gern abwertend mit dem Finger auf Ungeimpfte zeigen, die dritte Dosis den Menschen weg, die sie tatsächlich bräuchten.

Die geschlossene Gesellschaft

Der Staat koordiniert hier überhaupt nicht mehr, sondern hat so etwas wie Freibier für alle ausgerufen. Die Folge: Lange Schlangen an provisorischen Impfzentren, weil es die großen ja nicht mehr gibt. Es ist ein einziges Desaster. Warum? Weil unglaublich viel Ressourcen mittlerweile bei sinnlosen Kontrollen verschwendet werden, die sich aus der Ankündigung ergeben, die bescheuerten Regeln tatsächlich auch überprüfen zu wollen. Deshalb klappern Polizeikräfte mittlerweile Friseursalons ab, um dort festzustellen, dass die Kontaktdaten von Kunden nicht richtig erfasst werden. Zu welchem Zweck eigentlich, wenn die Gesundheitsämter die Nachverfolgung längst aufgegeben oder, wie in Niedersachsen, per Verordnung gleich ganz in die Hände der Betroffenen gelegt haben (Infizierte müssen Kontaktlisten selber anlegen).

Ordnungsbehörden werden nun auch damit beauftragt, auf Weihnachtsmärkten nach dem Rechten zu schauen, um zu überprüfen, ob Geimpfte auch tatsächlich keinen Glühwein an Ungeimpfte weiterreichen. Übrigens: Auf viele Weihnachtsmärkte dürfen Ungeimpfte aus Infektionsschutzgründen nicht gehen, aber in die langen Schlangen der mobilen Impfteams stundenlang einreihen, das geht schon. Impfpässe, das nächste Thema. Immer mehr gefälschte Dokumente seien im Umlauf. Daher müssen schnell Gesetze geändert und drakonische Strafen angedroht werden. Übrigens auch dann, wenn man ohne Test im Bus zum Testzentrum fahren will. Das staatliche Misstrauen ist das Ergebnis einer gescheiterten Politik.

Vielleicht drehen die Leute auch deshalb komplett durch, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass sie mit falschen Marketing-Versprechen an der Nase herumgeführt worden sind. Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften, sondern eine Pandemie der falschen Versprechen, der fehlenden Daten und einer Regierung, die ihr Versagen nicht mehr vertuschen kann und sich daher gegenseitig den schwarzen Peter zuschiebt. So verlangen einzelne Länder nach härteren Maßnahmen. Also pünktlich einen Tag nach dem Auslaufen der epidemischen Lage, weil sie den Eindruck erwecken wollen, dass dieser Beschluss der Ampelparteien ein politischer Fehler war. Dabei hätte den Ländern bis zum Stichtag das komplette Instrumentarium bis hin zum Knallhartlockdown zur Verfügung gestanden, sogar mit Nachwirkung bis zum 15. Dezember. Es geht also nicht um Pandemiebekämpfung, sondern nur um Schuldverschiebung.

Noch immer hängt das Land an dem irren NoCovid-Gedanken. Der erscheint nun aber im neuen Gewand. Man glaubt, das Virus irgendwie wegimpfen zu können und baut dafür eine Art geschlossene Gesellschaft auf mit einem sozialen Pass als Eintrittskarte, in dem der Einzelne auf seinen Nutzen für die Gemeinschaft reduziert wird. Die Anzahl der Pikse entscheidet dann darüber, ob man dazugehören darf oder nicht. Ein simples wie gefährliches Ausgrenzungsregime. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn man sich solidarisch dabei fühlt, einem anderen den Impftermin vor der Nase weggeschnappt zu haben. Und der Rechtsstaat. Er schweigt. Noch. Am Dienstag will das Bundesverfassungsgericht dann endlich etwas liefern zur Bundesnotbremse. Nun muss man hoffen, dass der Senat auch darüber hinaus ein paar Leitplanken verbauen wird, die das administrative Chaos ordnen helfen. Dieser politische Kindergarten ist ja seit 20 Monaten nicht in der Lage dazu.


Bildnachweis: Gerd Altmann auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. dieter  November 26, 2021

    Jetzt haben wir die Situation eines zu kleinen Tischtuches.
    Wenn einer dran zieht, passt es bei ihm, aber an den anderen Seiten nicht.

    Im Krankenhaus sind Covid Patienten ein Probelm, weil das Pflegepersonal zu schlecht bezahlt ist und damit ein Mangel an Pflegekräften erzeugt wird.

    Dann müssen halt mehr Imfen !
    Aber 75 % des Impfpersonals wurde nach Hause geschickt.
    Ärzte hatten lange genug gewarnt, das Personal nicht abzubauen !
    Jetzt haben wir viele Bürger die sich impfen lassen wollen, aber in nahezu ganz Oberbayern fehlt Personal zum impfen. Das heißt, es gibt keine Termine, weil der Ansturm so groß ist.

    Die Impfverweigerer sind also nicht die Bürger, weil die sich impfen lassen wollen.
    Die Impfverweigerer sind die Politiker, die nicht gewillt sind, eine Corona Strategie und eine Infrastruktur bereitzustellen.
    Die Politik handelt nach dem Prinzip „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“.

    mehr
    „Überlastete Krankenhäuser: Schuld ist nicht Corona, sondern die schlechte Bezahlung der Pflegekräfte
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    Aber zurück zu den Kliniken. In München war das Problem absehbar, und zwar nicht seit Wochen oder Monaten, sondern seit Jahren. Schon im vergangenen Jahrzehnt standen in der Schwabinger Klinik ganze Stationen still, weil es kein Pflegepersonal gab.
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    Da fehlen dann eben die Pflegekräfte, die Erzieherinnen, die Busfahrer, die Müllmänner. Dumm nur, dass eine Stadt auf all diese Tätigkeiten angewiesen ist, um zu funktionieren, und eine Störung in einem dieser Bereiche sich andernorts auswirkt. Bei den Erzieherinnen beispielsweise können Kinder nicht betreut werden, also fallen Mütter als Arbeitskräfte aus.
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    https://de.rt.com/meinung/127084-kliniken-brechen-an-corona-zusammen-nein-an-zahlungsunwilligkeit/

  2. Jörg Wiedmann  November 26, 2021

    Statt Hysterie und Panik zu verbreiten sollte man sich endlich ehrlich machen.
    Die derzeit verfügbaren Impfstoffe erfüllen leider nicht die versprochenen Erwartungen.
    Sie schützen weder vor Infektion noch einem schweren Verlauf.
    Auch Geimpfte und Genesene können andere Menschen -egal ob geimpft oder ungeimpft- mit dem Virus anstecken.
    Aus diesem Grund hat man mit 2G ein System etabliert -sicher nicht mit Absicht- das die Verbreitung des Virus eher beschleunigt als verhindert.
    Meine Frau kann sich auf Grund einer Autoimunerkrankung nicht mit mRNA impfen lassen.
    Deshalb sollte man auch in der EU endlich einen Totimpfstoff (Sinovac, Noravax oder Valneva) zulassen.
    Die Zulassung eines solchen Impfstoffs hätte auch den Vorteil das viele Impfskeptiker die den neuen mRNA Impfstoffen gegenüber sehr skeptisch eingestellt sind sich damit impfen lassen würden.

  3. dieter  November 29, 2021

    Deshalb brauchen wir dringend die Impfplicht.
    Die Impfzentren müssen verpflichtet werden, Personen die sich 3 – 5 Stunden in der Kälte anstellen, zu impfen und nicht unverrichteter Dinge nach Hause zu schicken !
    Die Politik muss sich verpflichten, den Impfwilligen, Impfstoffe und Impfstermine bereitszustellen.