Politischer Aschermittwoch im Oktober

Geschrieben von: am 06. Okt 2021 um 18:38

Der 6. Oktober 2021 ist überraschenderweise zu einem Politischen Aschermittwoch geworden. So gab es einen rhetorischen Schlagabtausch der Parteien, die künftig eine Regierung bilden wollen. Derbe war der nicht, eher abgestimmt freundlich bis erwartbar hinterlistig. Die Helden der Stammtische, die kleine Regionalpartei CSU, treibt alle vor sich her.

Grüne und FDP haben den denkwürdigen Tag mit kurzfristig abgesprochenen Erklärungen eröffnet. Bereits morgen soll es gemeinsame Gespräche mit der SPD geben, ein Gedankenaustausch, wie Christian Lindner betonte. „Wir orientieren uns daran, wo wir am meisten liberale Politik umsetzen können. Dabei fühlen wir uns in unseren Entscheidungen frei. Diese Koalitionsaussage gilt auch nach der Wahl – darauf können sich die Menschen verlassen“, so Linder. Und auch Robert Habeck von den Grünen erklärte, dass mit dieser Entscheidung der Keks noch nicht gegessen sei. Mit anderen Worten. Die Tür zu Jamaika stehe noch auf.

Denkste, sagte Markus Söder im fernen München. Die Ampel sei nun die klare Nummer 1. „Wir bleiben zwar gesprächsbereit, aber nicht in einer Art Dauerlauerstellung.“ Damit hat Söder wie das Krümelmonster den Keks von Habeck mal eben ganz schnell aufgegessen. Sein Kompagnon in Berlin, Alexander Dobrindt machte klar, der Ampel-Zug sei aufs Gleis gesetzt und man müsse sich nun darauf vorbereiten, demnächst die Ministerinnen und Minister einer Ampelregierung aus der Opposition heraus zu stellen. Dobrindt wie auch Söder hätten es besser gefunden, wenn FDP und Grüne parallel auch mit der Union verhandelt hätten.

Das klang für viele Beobachter nach einem beleidigten Unterton, aber der war wohl durchdacht. Denn für die CSU war Jamaika unter einem CDU-Kanzler, egal wer, nie eine Option. Söder hätte seine eigenen Ambitionen nämlich begraben müssen. Das lässt er nicht zu. Auslöser könnte eine Aussage von Robert Habeck nach der Sondierungsrunde mit den Grünen am Dienstag gewesen sein. Auf Nachfrage zu einem möglichen Jamaika-Bündnis erklärte der nämlich, dass die Grünen davon ausgehen, dass Armin Laschet in dem Fall der gesetzte Kandidat für das Kanzleramt ist. Damit sorgte Habeck für eine Klarstellung, die sich die Union seit Tagen nicht so recht traut.

Nur eine Baustellenampel

Als nun Söder ein Statement am heutigen Mittwoch ankündigte, musste sich Armin Laschet wiederum in Düsseldorf sehr beeilen, um noch vor ihm eine eigene Stellungnahme abzugeben. Er bekräftigte die Gesprächsbereitschaft der Union für den Fall, dass es mit der Ampel nichts wird. Das tat im Prinzip auch Söder, nur anders und bestimmter. Man sei nicht das Reserverad, das möglicherweise FDP und Grüne bei den Verhandlungen mit der SPD zu Anschauungszwecken aus dem Kofferraum holen könnten. Genau das hatten sich aber vor allem die Liberalen so erhofft. Ihre Reaktionen auf die Söderschen Äußerungen waren daher entsprechend verschnupft.

Denn nun könnte ein Scheitern der Ampel-Gespräche wieder an der FDP hängen bleiben, die am wenigsten Übereinstimmungen mit den anderen beiden Partnern aufzuweisen und bereits rote Linien gezogen hat. Da Söder erklärte, dass Grüne und FDP der Jamaika-Option de facto eine Absage erteilt hätten, stärkt das wiederum die Verhandlungsposition der SPD. Doch einen Grund zum Aufatmen haben die Sozialdemokraten wohl eher nicht. Denn nur weil Söder einen Keks aufgegessen hat, wird noch keine Ampel betriebsbereit. Es ist doch eher so, dass Söder die Ampel benutzt, um den schwachen Rivalen Laschet endlich loszuwerden, um dann selbst für ein Jamaika-Bündnis zur Verfügung zu stehen.

Denn scheitert die Ampel, wovon wohl alle von Union über FDP bis Grüne irgendwie ausgehen, müsse man noch einmal neu diskutieren. Dann aber ohne Laschet, so klang es aus den Worten Söders mehr oder weniger heraus. Das mag man nun alles verwerflich finden. Überraschend kommt es aber nicht. Laschets Konkurrenten in der CDU haben den Sturz von Laschet bisher nicht gewagt und halten auch weiterhin die Füße still. Der bayerische Ministerpräsident führt sie nun alle vor. Dabei legt er eine Skrupellosigkeit an den Tag, die seinesgleichen sucht. Aber Söder hat ja ohnehin ein fragwürdiges Menschenbild, jetzt auch gerichtlich bestätigt.


Bildnachweis: Screenshot, Welt via YouTube, 06.10.2021

0

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge