Der Impfstoff ist politisch

Geschrieben von: am 18. Mrz 2021 um 23:30

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat am Montag gesagt, mit AstraZeneca ist alles in Ordnung. Das sagt die Behörde auch am Donnerstag. Am Montag entschied Gesundheitsminister Jens Spahn, die Impfungen mit dem schwedisch-britischen Vakzin zu stoppen. Vergebene Termine wurden abgesagt und das Vertrauen in das Pandemiemanagement ein weiteres Mal erschüttert. Nach nur drei Tagen ist der Einsatz von AstraZeneca wieder erlaubt. Das Paul-Ehrlich-Institut, das am Montag noch fachliche Bedenken am Impfstoff äußerte, hatte im Rekordtempo herausgefunden, dass es sich nur um sehr wenige Fälle handelt. Das war allerdings auch schon am Montag bekannt. Wegen der Thrombose-Nebenwirkungen gibt es aber künftig einen Warnhinweis. Den bräuchte es auch für diese Art der Politik.

Der Impfgipfel ist um ein paar Tage auf Freitag verschoben worden. Morgen muss aber immer noch geklärt werden, wie man das Impftempo erhöhen kann, und zwar auch mit einem Impfstoff, dessen Image noch einmal gelitten hat und dessen Verfügbarkeit immer noch rückläufig ist. So wird seltsamerweise nicht darüber gesprochen, dass AstraZeneca seine Lieferzusagen wiederholt nach unten korrigiert hat. So war zunächst von 90 Millionen Dosen im ersten Quartal die Rede, inzwischen sind es nur noch 30 Millionen bis Ende März, die sich alle EU-Staaten teilen müssen. Bis zur Jahresmitte sollen es von ursprünglich 300 Millionen (best efforts), dann 220 Millionen, nun nur noch 100 Millionen Dosen sein. Selbst wenn man, wie einige Länderchefs fordern, die Hausärzte mit ins Boot holte, was ausdrücklich zu begrüßen ist, und die Impfpriorisierung aufweichte, auch das ist gut, säße man doch recht bald wieder auf dem Trockenen.

Was war also der Grund für das deutsche Manöver, das den Partner Frankreich, aber auch die EMA kalt erwischte und verärgerte? Das schlechte Abschneiden der CDU bei den Landtagswahlen, die Maskenaffäre in derselben Parteienfamilie (huch schon wieder einer), die teure Villa des Gesundheitsministers, deren Kaufpreis seit heute auch genannt werden darf? Oder war es doch die Sorge um die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung, die man bislang auch nicht schützte, weder mit weichen und harten Lockdowns, noch mit einem Plan für irgendwas. Eins ist sicher. Der Impfstoff ist politisch. Sogar geopolitisch. Statt Solidarität gibt es Rivalität. Die Kürzung seiner Liefermengen begründete AstraZeneca mit den Exportbeschränkungen anderer Länder. Die USA haben sich zum Beispiel abgeschottet und lassen keinen Impfstoff mehr heraus. Auf diese Weise hat Joe Biden, der Präsident, den alle lieben, 100 Millionen Impfungen in zwei Monaten geschafft. America first.


Bildnachweis: Elf-Moondance auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jannis  März 19, 2021

    Ich habe mir die Begründung der EMA durchgelesen: Auf 20 Mio. mit Astrazeneca Geimpfte europaweit seien lediglich 7 Todesfälle gekommen, deshalb würden die Vorteile mögliche Risiken überwiegen. Da ist man doch schlicht fassungslos: Deutschland allein meldet heute bereits 13 Todesfälle (jüngstes Alter 37) und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die 7-9 Länder mit Impfstopp (habe den Überblick verloren) jeweils nur höchstens einen Toten zu beklagen hatten. Da lebensgefährliche Nebenwirkungen bereits bei einer Person mit 20 Jahren noch rechtzeitig festgestellt wurden, darf man also bei einer kompletten Durchimpfung der deutschen Bevölkerung mit mindestens 28 Toten quer durch alle Altersgruppen rechnen, die ansonsten durch Corona nicht massiv gefährdet wären – falls man diesen niedrigen Zahlen tatsächlich trauen möchte. Die 13 Fälle in Deutschland sind nämlich tatsächlich lediglich eine Stichprobe verdächtiger Fälle gewesen, die sich somit zu 100% bestätigt haben – großflächigere Untersuchungen stehen noch aus. Niemand kann also schätzen, wie hoch die Dunkelziffer liegt.

    Sehr interesant übrigens auch dieser Artikel im Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/121073/SARS-CoV-2-Asthmaspray-mit-Budesonid-verhindert-schwere-Verlaeufe.

    Schöne Grüße!

    • André Tautenhahn  März 19, 2021

      So ist das in Phase IV. Die ist ja dazu da, genau solche schwerwiegenden Ereignisse festzustellen. Immerhin scheint sich das Muster dahingehend zu bestätigen, dass Frauen besonders betroffen sind. Entsprechend müssten da Schlüsse gezogen werden und wie ich bereits schrieb, diese Personengruppe vielleicht von der Impfung ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Das hängt halt von weiteren Untersuchungen ab. Vielleicht sind ja junge Frauen deshalb besonders betroffen, weil sie die Pille nehmen und dann potenzieren sich die Thromboserisiken. Keine Ahnung, ich bin da halt kein Fachmann. Was natürlich sein kann, und das sagt Kekulé, dass es sich bei diesen Thrombosen in den Hirnvenen um sehr seltene und sehr schwer diagnostizierbare Erkrankungen handelt. Er hatte daher auch für den Stopp plädiert. Für jüngere Menschen könnten solche Befunde durchaus ein höheres Risiko darstellen, weil man ja nicht wissen kann, ob sich diese Gerinnungsstörungen in die Zukunft fortpflanzen. Insofern wären die Bedenken berechtigt. Allerdings reicht die Beweislage für die Annahme halt nicht aus. Daher ist man zu dem zurückgekehrt, was schon galt, das der Nutzen die Risiken überwiege. Wenn nun aber Spahn und Co. weiterhin große Sorge hätten, hätten sie sich vielleicht noch mehr Zeit genommen, um Evidenz zu schaffen, haben sie aber nicht und sich stattdessen auf das Urteil der EMA verlassen. Dafür durfte heute Lauterbach die Presse mit seinem Fachchinesisch wuschig quatschen… ;-)

    • Rudolf  März 20, 2021

      Laut Gesundheitsministerium in Polen sind dort 38 Fälle unter Verdacht. Der 1. Vom Februar 2020.

  2. Dieter  März 19, 2021

    Mehr in der Ärztezeitung

    „Gebremste Impfkampagne
    PEI spricht bei Nebenwirkungen nach AstraZeneca-Impfung von „Muster“
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    Experten sehen Muster

    Bei dem männlichen Betroffenen kam es zu einer Hirnblutung, bei den sechs Frauen zu einer Sinusvenenthrombose (cSVT). Allesamt gingen den Angaben zufolge mit einer Thrombozytopenie einher.

    Das Alter der Betroffenen lässt darauf schließen, dass es sich um Angehöriger exponierter Gesundheitsberufe gehandelt haben könnte, wenngleich das PEI hierzu keine Angaben machte. Aufgetreten waren die Erkrankungen binnen vier bis 16 Tage nach der Impfung. Die Bundesoberbehörde sprach von einem „vergleichbaren Muster“.
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    Alle Experten, darunter Hämostaseologen waren laut PEI „einstimmig der Meinung, dass hier ein Muster zu erkennen ist“ und ein Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung „nicht unplausibel“ sei.
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    https://www.aerztezeitung.de/Politik/PEI-spricht-bei-Nebenwirkungen-nach-AstraZeneca-Impfung-von-Muster-417955.html