SPD halluziniert einen Mitglieder-Boom herbei

Geschrieben von: am 31. Jan 2017 um 12:03

Mit Martin Schulz gehe ein Ruck durch das Land, behauptet die SPD auf ihrer Internetseite. In der Parteizeitung vorwärts ist sogar die Zwischenüberschrift zu lesen „Mitglieder-Boom hält an„. Mag ja sein, dass neue Mitglieder eintreten. Von einem Boom zu sprechen, ist aber weit übertrieben, angesichts der großen Zahl an Menschen, die der einst Mitglieder stärksten Partei Deutschlands bereits seit Jahren konstant den Rücken kehren. Ein Blick auf eine Grafik hilft hoffentlich dabei, aus dem Zustand des Rausches wieder zu erwachen.

Statistik: Anzahl der Parteimitglieder der SPD von 1990 bis 2015 | Statista
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In einer Parteienstudie, die der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer im vergangenen Jahr vorstellte, ist sogar nachzulesen, dass die SPD von allen Parteien am meisten Mitglieder verloren habe. Klar, vor allem die älteren Mitglieder sterben weg, aber eine Diskussion über die Altersstruktur führt am Kernproblem vorbei. Unterm Strich strömen die Menschen eben nicht zur SPD, wie die Partei unter dem Eindruck der letzten Tage gerne glauben machen möchte, sie laufen ihr schlichtweg in Scharen davon. Und das hat Gründe, an denen auch ein Martin Schulz nichts ändern wird.

Zumindest deutet sein Politikkonzept auf ein schlichtes Weiter so hin. Dabei verfolgt er die durchaus verständliche Strategie, möglichst vage in den Aussagen zu bleiben. So kündigt er beispielsweise an, große Vermögen stärker belasten zu wollen, distanziert sich aber gleichzeitig von einer Vermögenssteuer, die er als Kampfbegriff bezeichnet. Er schiebt das Problem lieber auf die europäische Ebene. Mit den Partnern müsse gemeinsam die Steuerhinterziehung bekämpft werden. Kooperationen sind sicherlich richtig, nur erinnert der Vorschlag eher an den bekannten Schäuble-Trick nach dem Motto, wir wollen ja, aber leider machen die anderen nicht mit.

Und so könnte man auch andere Programmpunkte durch deklinieren, sofern das überhaupt im Detail möglich ist. Denn:

„Wir haben nun sieben Monate und drei Wochen Zeit, unsere Programmatik zu erarbeiten und zu vermitteln.“

Mit anderen Worten, am Programm wird noch ein paar Monate lang herum geschraubt. Dabei muss Schulz den Widerspruch zwischen einem proklamierten Neuanfang und der fortwährenden Regierungsbeteiligung seiner Partei auflösen. Es spricht allerdings viel dafür, dass er das gar nicht will, sondern wie seine Vorgänger auch, den Eindruck zu vermitteln versucht, es ginge irgendwie beides. Regierung und Opposition. Nach allem was wir wissen, hat Schulz nur ein halbwegs brauchbares Argument vorgebracht und müsste folglich so plakatieren.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. grafiksammler  Januar 31, 2017

    Vielleicht hab ich ja nur die falschen Informationen erhalten….

    die waren: in den vergangenen Monaten hat die SPD monatlich ca 1000 neue Mitglieder gewonnen ( Ich weiß nicht, wieviele gestorben sind oder das Parteibuch zurückgegeben haben )
    Seit der Benennung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat sind lt. SPD-Angaben von gestern ca 1300 Mitglieder neu eingetreten. Das ist jetzt 1 Woche her.
    Rechenspielchen schenke ich mir, eine Veränderung des Trends der letzten Monate mag jeder selbst ausrechnen. Ich hätte den Artikel jedenfalls nicht geschrieben.

    • André Tautenhahn  Januar 31, 2017

      Um die Eintritte seriös bewerten zu können, wäre es eben hilfreich, die Zahl der Austritte zu kennen. Dazu sagt die Partei aber nichts. Im übrigen habe ich ja nicht geleugnet, dass es Eintritte gibt, diese stützen aber m.E. nicht den Eindruck einer Trendwende und können auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPD über Jahre deutlich an Mitgliedern verloren hat. Darum ging es mir.

      • grafiksammler  Januar 31, 2017

        Ich habe mal gelernt, dass man nicht Äpfel ( langfristig, 20 Jahre Mitgliederschwund ) mit Birnen, ( letzte Monate zu letzter Woche ) miteinander in einen Topf werfen sollte. Darum geht es mir.

  2. DerAnalyst  Januar 31, 2017

    Seit 25 Jahren ist demnach die Mitgliederzahl der SPD jährlich um rund 3,0% geschrumpft.

  3. h.schaefer  Januar 31, 2017

    geht es um zahlen..? oder geht es darum uns einen „schulz-ruck“ vorzumachen.