Die Woche: Falsch verstanden

Geschrieben von: am 06. Feb 2016 um 17:08

Vor etwas mehr als einer Woche hat sich die Große Koalition auf das Asylpaket II verständigt. Jetzt hat Regierungsmitlied Sigmar Gabriel plötzlich festgestellt, dass der Inhalt das Paketes doch nicht seine Zustimmung findet. Es geht um den Familiennachzug, der monatelang Streitthema war und der mit der Einigung der GroKo-Spitzen Ende Januar eigentlich beigelegt schien. Doch es ist anders, was bedeutet: Sie reden und regieren zwar seit über zwei Jahren miteinander, schreiben sich auch Briefe, verstehen sich aber immer noch nicht richtig.

Gabriel beruft sich beim Punkt Familiennachzug auf mündliche Verabredungen, die in der schriftlich fixierten Form nun nicht mehr auftauchen. Trotzdem verabschiedete auch Gabriel am Mittwoch im Kabinett das Asylpaket II. Da hat er wohl nicht richtig hingesehen oder etwas in das Papier hinein interpretiert, das da nicht stand. Schon komisch: TTIP-Dokumente liest er nicht und Regierungspapiere offenbar auch nicht, fühlt sich aber trotzdem über den Tisch gezogen.

Nun rätselt die GroKo am Wochenende, was sie in Sachen Asylrechtsverschärfungen vor ein paar Tagen beschlossen hat. Kaum zu glauben. Aber Gabriel ist nicht der einzige Minister, der sich als lustiger Jeck versucht. Sein Kollege, Innenminister Thomas de Maizière, zieht bei seinen Büttenreden ein sicheres Herkunftsland nach dem anderen aus dem Hut. Ab und zu besucht er auch mal eines dieser Länder, um bei der einheimischen Bevölkerung dafür zu werben, doch in der sicheren Heimat zu bleiben. Anfang der Woche war de Maizière in Kabul. Das sah dann so aus.

Die lustige Verkleidung des Bundesinnenministers war sicherlich als Vorgriff auf den Karneval zu werten, der an diesem Donnerstag in seine feuchtfröhliche Phase startete. In Griechenland hingegen wird weniger gefeiert. Helm und Splitterschutzweste sind tabu, da Teile der Kostümierung die Bevölkerung nur verunsichern würden. Im Anzug kalauerte de Maizière dann am Freitag trotzdem. Die Griechen müssen ihre Seegrenze besser schützen, weshalb Deutschland als Unterstützung zwei Boote und 100 Polizisten schickt.

Seit Wochen überbieten sich Politiker mit abstrusen Vorschlägen, um die Zuwanderung zu begrenzen oder Abschiebungen zu beschleunigen. Reduktion statt Integration, lautet inzwischen das Motto. Die Sendung quer des Bayerischen Rundfunks hat den Überbietungswettbewerb der Kurzsichtigen und oftmals Unverstandenen in einem unterhaltsamen Stück anschaulich zusammengefasst.

 

Es ist klar: Die drohende Aussetzung des Familiennachzugs verhindert Integration und fördert das Schleppergeschäft. Und während das Außenministerium dringend von Reisen in „sichere Herkunftsländer“ abrät, weil dort Terrorkommandos ihr Unwesen treiben, Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind und somit eine Gefahr für Leib und Leben besteht, sollen Flüchtlinge dorthin natürlich zurückgeschickt werden können.

Da gibt es nichts falsch zu verstehen. Die SPD hat sich übrigens mal wieder von sich selbst distanziert und findet das Asylpaket II jetzt wieder gut. Die Begründung steht bei Spiegel Online: „Offenbar sei die Änderung bei der Ressortabstimmung für die entsprechenden Gesetze übersehen worden. Man bemühe sich nun, über das Wochenende mit der Union und zwischen den betroffenen Ministerien eine Lösung zu finden.“

Hier wäre eine…

3

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge

Kommentare

  1. Utz Landt  Februar 6, 2016

    Die SPD belügt das deutsche Volk und handelt gegen seine Interessen seit 1914. Die beiden dargestellten Gestalten ordnen sich da würdig oder unwürdig ein.

  2. H.Ewerth  Februar 8, 2016

    Ich finde die Debatte im Westen wird viel zu einseitig geführt. Erst einmal sollte man doch feststellen, wer für den Terrorismus und die Flüchtlinge verantwortlich war und ist? Solange aber der Westen mit seinen gerade einmal 10% der Weltbevölkerung den Rest der Welt als seine Kolonien betrachtet und auch so behandelt, braucht sich niemand im Westen über Terroristen und Flüchtlinge im Westen beschweren. Bekämpft die Fluchtursachen, und nicht die Opfer der in Teilen westlichen imperialen und kolonialen Außen- und Wirtschaftspolitik.

    Wer destabilisiert mit Milliarden von Dollar den Länder, um diese im Chaos und Bürgerkriege zu stürzen? Damit dann der Westen eine Legimitation hat in diesen Ländern auch ohne UN Mandat zu intervenieren?
    Wer führt denn Völkerrechtswidrige Kriege auf Grund von Lügen?
    Wer schließt denn einseitige Handelsabkommen mit den armen Ländern, welche erpresst werden alle hochsubventionierten Waren aus dem Westen zu zulassen, aber umgekehrt betreibt der Westen Protektionismus?
    Wer fischt denn die Weltmeere leer for den Küsten von Afrika und anderswo?
    Was ist der Bomben und Drohnen Terror des Westens? Wie viele unschuldige Zivilisten wurden bisher getötet? Internationale Verbände schätzen diese Zahlen auf ca. 1,0 Million?
    Wer betreibt denn Landgrapping? Über all das wird in den sog. Qualiäts Medien im Westen täglich wie oft berichtet? Früher nannte man sie noch Fluchthelfer und wurden mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, heute werden diese Menschen im Westen pauschal kriminalisiert und als sog. Schlepper und Schleuser bezeichnet. Was über mehrere Jahrzehnte gut geklappt hat – nämlich so zu tun, als habe der unermessliche Reichtum des Westens, nichts mit der Armut im Rest der Welt zu tun – , das wird nicht mehr funktionieren. Besser, wir gestehen uns daher möglichst rasch ein, dass es bei uns so angenehm wie in den 60 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr werden wird.

    Jetzt so langsam zeigt der Westen sein „wahres Gesicht“ der unermessliche Reichtum des Westens, basiert nicht auf besonders viel Leistung oder Ingeneurkunst, wie man den Bürgern im Westen über Jahrzehnte indoktrinierte, nein in erster Linie auf Grund von Ausbeutung von Milliarden von Menschen.
    Kolonialismus und Kriege

    Besser, wir befreien uns schnell von der Lebenslüge, dass unser Wohlstand nur auf unserem Fleiß und unserer Ingenieurskunst beruhe. Und besser, wir gestehen uns ein, dass zu unserem schönen Leben auch Kolonialismus, Kriege, moderne Ausbeutung und Ressourcenverschwendung beigetragen haben. Dass wir also zu einem Teil jene Flüchtlinge mit erschaffen haben, die uns jetzt so verstören.

    Dieser Perspektivenwechsel würde vielleicht dabei helfen, unsere Kräfte auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Zentral wird in diesem Jahr – da hat Seehofer recht – eine Verminderung der Zahl der Asylbewerber in Deutschland sein. Aber nicht, um sich dann zurückzulehnen und so zu tun, als sei nun wieder alles gut. Sondern, um Zeit zu gewinnen.

    Zeit, um europäische Lösungen zu suchen. Zeit, um die von Kanzlerin Merkel zu Recht geforderte Bekämpfung der Fluchtursachen anzugehen und endlich damit zu beginnen, Reichtum gemeinsam zu erwirtschaften und fair zu verteilen. Denn ein angenehmes Leben werden wir in Deutschland und Europa auf Dauer nur führen können, wenn wir endlich begreifen, dass Menschenrechte nicht teilbar sind – Wohlstand aber sehr wohl.