Schwarze Null im Bundestag

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Bild: ShonEjai, pixabay

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Man müsse die Ängste der Menschen ernst nehmen und die richtigen Lehren aus dem Ergebnis ziehen, haben sie nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern gesagt. Doch zwei Tage später stellt die schwarze Null im Bundestag fest:

„Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir leben in widersprüchlichen Zeiten. Es geht uns in Deutschland gut; das ist den Menschen auch bewusst. Wirtschaftlich geht es uns so gut wie nie zuvor.“

Es waren die Eingangsworte zur Haushaltsrede, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am gestrigen Dienstag hielt, und sie waren bewusst gewählt. Es geht schließlich darum, bloß keinen Zweifel am Mantra einer „wachstumsorientierten Konsolidierungspolitik™“ aufkommen zu lassen. Das neoliberale Dogma vom Sparen, das auf wundersame Weise zum Wachstum führt, diesen irrigen Eindruck versucht die Bundesregierung weiterhin zu erzeugen. Der Haushalt ohne neue Schulden, soll es beweisen.

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G20: Schäuble lenkt mit Lautstärke vom Thema ab

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​Auf dem G20 Gipfel lenkt Schäuble mal wieder ab, in dem er sich mit Sigmar Gabriels Forderung nach  einem Sozialpaket befasst. Über eine Wutrede des Finanzministers wird berichtet. Die deutschen Medien beschäftigen sich natürlich umgehend damit, statt vom Gegenwind zu erzählen, der Schäuble mit seiner gescheiterten Sparpolitik ins Gesicht weht. Denn mit dem Rohrkrepierer Schwarze Null steht er im Kreise der G20 mutterseelenallein da.

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Über den Wirtschaftsfachmann

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Resignation stellt sich bei den sogenannten Wirtschaftsfachleuten und Kommentatoren ein. Wieder keine Zinswende von Seiten der EZB. Draghi hält auch weiterhin an der lockeren Geldpolitik fest, will diese sogar noch ausweiten, wie er am Donnerstag verkündete. Er kann ja auch gar nichts anderes tun, die Wirtschaftsfachleute hingegen schon.

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Dumm, dümmer, Weidmann

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Der Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, wird zum Ende des Jahres mal wieder von FAZ/FAS interviewt.

Es gehört inzwischen zur Tradition bei FAZ/FAS, den Bundesbankpräsidenten am Ende des Jahres nach seiner Meinung zu fragen. Wie viel Jens Weidmann von Ökonomie versteht, beweist er auch dieses Mal. Nämlich nichts.

Weidmann blickt optimistisch auf das Jahr 2015 und hält wie viele andere auch, den gesunkenen Ölpreis für ein „geschenktes Konjunkturprogramm“. Ob Weidmann da nur den Unsinn von Edelfedern der scheinbürgerlichen Presse wie Piper (SZ) oder Steltzner (FAZ) nachplappert oder umgekehrt sie an seinen Lippen hängen, ist letztlich egal.

Schlecht überspielte Ratlosigkeit

Denn sowohl Weidmann, wie auch die angesprochenen Kommentatoren halten im Grunde nichts von Konjunkturprogrammen, wie sie immer wieder betonen. Heiner Flassbeck wies unlängst darauf hin und stellte deren Ratlosigkeit angesichts des gesunkenen Ölpreises fest.

Da sie aber die Funktionsweise eines echten Konjunkturprogramms nicht verstehen, glauben sie umgekehrt an eine vielversprechende Wirkung eines Umverteilungseffektes angesichts fallender Ölpreise. Die Unternehmen hätten nun mehr Spielraum zu investieren. „Wozu noch geldpolitisch eins draufsetzen“, fragt daher Weidmann.

Dabei missachtet der Bundesbank-Chef einen wichtigen Punkt. Ein hoher Ölpreis galt nach bisheriger Geschichtsschreibung als gottgegeben. Rohstoffknappheit auf der einen und hohe Nachfrage auf der anderen Seite ließen die Experten an konstant hohe oder fortwährend steigende Preise glauben.

Diese Prognosen vom hohen Rohstoffpreis bildeten in der Folge auch die Grundlage unternehmerischer Entscheidungen. Denn die Annahme, dass der Preis für fossile Energieträger hoch bleibe, hat Investitionen in alternative Verfahren ausgelöst. Selbst das bescheuerte Fracking zählt dazu.

Fällt der Ölpreis nun entgegen aller Erwartungen, rechnen sich diese Investitionen nicht mehr. Die Unternehmen kommen unter Druck. Abschreibungen wären die Folge. Ein Konjunkturprogramm sieht anders aus. Der fallende Ölpreis stützt also keinesfalls die Konjunktur wie Weidmann glaubt, sondern wird zum Risiko. Vor allem in einer Welt, in der es immer weniger Schuldner gibt und die Nachfrage spürbar lahmt.

Großer Mann mit kleinem Verstand

Weidmann nutzt den kleiner werdenden Ölpreis deshalb, um sich dahinter zu verstecken. Das gelingt problemlos, da nur deutsche Journalisten ihn für einen wichtigen und großen Menschen halten. International gilt Weidmann hingegen als ökonomischer Dummkopf.

Vor zwei Jahren warnte er noch vor Inflation und musste sich am Ende des Jahres 2012 aber die Frage gefallen lassen, warum die bloße Ankündigung des EZB-Chefs Draghi, im Notfall unbegrenzt Anleihen aufkaufen zu wollen ausreichte, eine erkennbare Entspannung an den Märkten herbeizuführen.

Nun warnt er wieder vor einem Ankauf von Anleihen durch die EZB. Die Verluste hätten die Steuerzahler zu tragen. Das ist nachgewiesener Maßen Blödsinn. Es gibt erstens kein Gesetz, dass den Steuerzahler dazu zwingt, Verluste der Zentralbank auszugleichen. Zweitens können Zentralbanken auch dann fortbestehen, wenn ihr Kapital aufgezehrt oder gar negativ geworden ist.

Zentralbanken sind eben keine Geschäftsbanken, die tatsächlich pleitegehen können und für deren Verluste der Steuerzahler, wie bereits geschehen, geradestehen muss, wenn es die Politik beschließt. Auch das ist ein Punkt, den Weidmann noch nicht begriffen hat oder bewusst verschleiert.

Gleichzeitig verlangt er aber von den Menschen, einer angeblich vernünftigen Politik, die in Wirklichkeit aus lauter Widersprüchen besteht, Glauben zu schenken.

Gespielte Empörung eines Brandstifters

Weidmann zeigt sich erschüttert vom wachsenden Nationalismus, übersieht aber seine eigene Verantwortung daran. „Die Eurokrise hat sicherlich auch das Vertrauen in das Wirtschaftssystem erschüttert, die Schuldigen werden gesucht und schnell ausgemacht: entweder der Euro oder die Nachbarn“, sagt er.

Dieser Satz kann nur als schlechter Scherz verstanden werden. Wer war es denn, der die Botschaft verbreitete, die Südeuropäer hätten der Eurozone schweren Schaden zugefügt? Und wer ist es denn nach wie vor, der laufend über eine angebliche Reformunwilligkeit dieser Staaten schwadroniert?

Weidmann jammert über fehlendes Vertrauen in ein Wirtschaftssystem, hält aber eine gefährlich niedrige Inflationsrate für ein Zeichen der Erholung. Der Mann will besser erklären, sorgt aber mit solchen Interviews weiter für die Verblödung der Massen. Vor allem bei jenen, die sich als gebildet verstehen.

Wir brauchen tatsächlich Aufklärung, dürfen aber nicht auf Karrieristen wie Weidmann hereinfallen, die nur mit Hilfe von Seilschaften und politischem Inzest in verantwortungsvolle Positionen gelangt sind. Diese Gestalten durften erst Brandstifter sein, dann Retter und Mahner und nun wieder Brandstifter. Widerliches Pack.


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Eine lange Reise für Nichts

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Merkel streichelt Tiere, besucht Pubs und näselt mit Ureinwohnern. Und das Ganze geht dann noch als Selfie um die Welt, wenn der Seibert mal nicht in der Nähe ist. Ansonsten bleibt alles wie es ist. Überall nette Storys über die Kanzlerin. Kritik Fehlanzeige.

Man muss sich das einmal vorstellen. Die Bundeskanzlerin bricht zu ihrer bislang weitesten Reise auf, um am anderen Ende der Welt auf dem G20 Gipfel in Brisbane zu verkünden, dass sie und ihre Regierung nichts an ihrem bornierten Kurs in der Wirtschaftspolitik ändern wird. Den Dienstflug, mit einem freudig twitternden Regierungssprecher hätte sie sich sparen können.

Drogenhandel verdeckt Rezession

Die Kanzlerin erwartet dennoch ein klares Signal für das Wachstum der Weltwirtschaft. Für sie und ihren Finanzminister heißt das vor allem „solide Haushalte“. Den Rest soll das sprichwörtliche Vertrauen regeln oder um es klar zu sagen: Die Bundesregierung hofft darauf, dass es irgendwo auf der Welt oder vielleicht auf dem Kometen, der eine halbe Milliarde Kilometer von der Erde entfernt unterwegs ist, Lebewesen gibt, die sich für das Wachstum verschulden.

Denn Deutschland hat als größte Volkswirtschaft Europas nicht vor, auch nur ein Stückchen vom bisherigen Konsolidierungskurs abzuweichen. Die „schwarze Null“ bleibt fest im Blick und die von Schäuble angekündigten 10 Milliarden Euro für Investitionen gemessen an der Wirtschaftskraft ein Witz. Der Haushalt der Bundesregierung profitiert vor allem von niedrigen Zinsen, mit der sich Schulden günstiger finanzieren lassen.

Doch die Chance für deutlich höherer Investitionen, die inzwischen der gesamte Planet von Deutschland immer deutlicher fordert, lässt die Bundesregierung verstreichen. Das sollen andere übernehmen, die noch nicht in der Ecke der sogenannten Defizitsünder stehen und dafür bestraft werden, weil sie den Überschuss der deutschen Wirtschaft Jahr für Jahr ermöglichten. Das Treffen werde dem weltweiten Handel Auftrieb verleihen, sagte Merkel. Wie, das bleibt ihr Geheimnis.

Hierzulande atmet man unterdessen schon wieder auf, weil die Wirtschaft mit 0,1 Prozent im dritten Quartal gewachsen sein soll und damit den weltweiten Turbulenzen weiterhin trotze. Dabei ist das Land gerade mal so an einer technischen Rezession (zwei Minus-Quartale infolge) vorbei geschrammt, wobei die dauernden Revisionen der Statistiker, die neuerdings auch illegale Geschäfte wie Drogenhandel oder Schmuggel in die Berechnungen mit einbeziehen, daran Zweifel aufkommen lassen.

Der vergessene Konflikt

Im Grunde genommen ist das auch Kaffeesatzleserei. Die deutsche Wirtschaft lahmt, die Zeichen stehen weiterhin auf Krise und die Bundesregierung feiert die schwarze Null als ein historisches Ereignis. Manchmal hat man das Gefühl, im Bundestag sitzt eine Sekte, die fernab der Wirklichkeit Erlösung feiert. Welchen Sinn ein Haushalt haben soll, der erkennbar in die Krise hinein spart und sie damit weiter verschärft, bleibt ohne Erklärung.

Stattdessen viel Pathos und vor allem Glaubenssätze, die von Generationengerechtigkeit und solider Haushaltsführung handeln. Beides ist falsch wie die marginalisierte Opposition bereits herausgefunden hat. Für die schwächelnde Konjunktur ist dann auch nicht die vermutlich „zweitbeste Bundesregierung“ aller Zeiten verantwortlich, sondern militärische Konflikte, die angeblich für Unsicherheit sorgen. Dabei boomt durch sie das Rüstungsgeschäft.

In Brisbane geht es daher auch nur am Rande um Wirtschaft. Das Thema Ukraine überlagert alles. Der Krieg im Osten soll ablenken von der Unfähigkeit des Westens, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Kaum jemand spricht ja über die zutreffende Analyse der Amerikaner, dass Deutschland vor einem verlorenem Jahrzehnt stehe. Die stärkste Volkswirtschaft Europas solle mehr investieren und weniger sparen. Ein Konflikt, den niemand so gerne besprechen möchte.

Dann lieber darüber reden, ob noch mehr Sanktionen gegen Russland möglich sind. Schließlich zeige sich der russische Präsident weiter uneinsichtig und weigere sich, die Weltbilder des Westens zu akzeptieren. Er besitzt sogar die Frechheit, westlichen Medien einseitige Berichterstattung vorzuwerfen. Das fördert natürlich wieder nur den Beißreflex deutscher Medien, die sich lieber in einen Krieg der Worte verstricken lassen, als die Unzulänglichkeiten der eigenen Regierung aufzudecken.

Schwer ist das ja nicht. Denn von der einstigen Wachstumslokomotive, was schon reichlich übertrieben war, ist nicht mehr viel übriggeblieben. Deutschland ist selbst zum Problemfall geworden. Nicht nur wegen seiner anhaltenden Überschüsse, sondern nun auch wegen des erkennbaren Konjunktureinbruchs. Da hilft dann auch kein Drogenhandel mehr, um die Statistik schön zu rechnen.


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Und täglich grüßt das Murmeltier

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Privater Konsum im Wandel einer Woche: Vom unbelegten Hoffnungsschimmer zum größten Umsatzeinbruch seit Jahren. Alle tun zu Unrecht überrascht.

Vor einer Woche sahen die Medien noch einen Hoffnungsschimmer für die Konjunktur. Denn der GfK-Index stieg erstmals wieder. Trotz der internationalen Krisen habe sich die Laune der deutschen Verbraucher aufgehellt, hieß es. Nachdem das Statistische Bundesamt heute seine monatlichen Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel veröffentlicht hat, herrscht weiter unten in den Nachrichten Katzenjammer. „Größter Umsatzeinbruch seit Jahren“, ist da jetzt zu lesen. Überraschend ist das aber nicht.

Wer das Murmeltier kennt, weiß auch, dass es täglich von neuem grüßt. Nur die Medien begreifen es nicht, dass der gefühlte Konsumklimaindex der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) keinerlei Aussage zum Kaufverhalten tätigt, sondern ähnlich unwissend ins Blaue schießt, wie die Wirtschaftsweisen mit ihren teuren Gutachten zweimal im Jahr.

Nun wirken alle wieder überrascht. Die Rahmenbedingungen seien doch gut. „Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit drei Jahren nicht mehr, die Beschäftigung auf Rekordhoch, die Löhne steigen deutlich stärker als die Preise und erhöhen die Kaufkraft“, heißt es bei der Tagesschau. Vielleicht stimmt ja etwas mit der Bewertung der Rahmenbedingungen nicht?

Richtig hinschauen, hilft beim Sehen

Möglicherweise ist die Arbeitslosigkeit nicht so niedrig wie behauptet, sondern nur die Zahl, die vorgibt, sie zu messen. Möglicherweise ist die Beschäftigung ja auf einem Rekordhoch. Doch was heißt das schon, wenn nicht klar ist, wie viel Arbeitsstunden diese Beschäftigung umfasst. Möglicherweise sind die Löhne „deutlich“ gestiegen. Nur wieso liegt dann die Lohnquote rund fünf Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2000?

Mag das vielleicht daran liegen, dass die Gewinneinkommen seit 2000 um rund 66 Prozent gestiegen und die Bruttoentgelte der Arbeitnehmer im gleichen Zeitraum lediglich um 27 Prozent zulegten? Das macht preisbereinigt einen Anstieg in 14 Jahren um gerade einmal 1,8 Prozent. Mag es vielleicht daran liegen, dass der Beschäftigungszuwachs vor allem dort zu verzeichnen ist, wo in Teilzeit mit vergleichsweise schlechter Bezahlung gearbeitet wird?

Ist es nicht eher so, dass sich sechs Prozent mehr Beschäftigte eine nur geringfügig höhere Lohnsumme teilen, was unterm Strich dazu führt, dass die Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigten statt deutlich gestiegen eher deutlich gesunken sind? Statistiken muss man schon richtig lesen können, um nicht ständig Gefahr zu laufen, von der Realität überrascht zu werden.

Laut IAB-Berechnungen sind im Zeitraum von 2000 bis 2013 rund 1,7 Millionen Vollzeitstellen weggefallen und dafür 4,2 Millionen Jobs in den Bereichen Leiharbeit, Teilzeit, Minijobs, 1 Euro Jobs und Solo-Selbstständige entstanden. Wer diese Entwicklung kennt, wird sich nicht wundern, dass das wenige Geld der Verbraucher nicht mit vollen Händen ausgegeben werden kann.

Doch das interessiert die Überraschten nicht. Sie freuen sich aufs Weihnachtsgeschäft, das den erhofften Schub schon bringen wird. Sie verteilen Durchhalteparolen und Fotos mit vollen Konsumtempeln. Das Murmeltier wird dann nach dem Fest wieder zu sehen sein, wenn klar ist, das auch dieses Jahr wieder genauso beschissen verlaufen ist, wie das davor und das davor und das davor.

Quellenangabe: Die Daten zur Lohnentwicklung habe ich aus den Dossiers von Michael Schlecht entnommen, MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke.


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Politik will Luft anhalten bis es besser wird

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Die Bundesregierung plant zur Abwendung der sich verschärfenden Krise nichts und glaubt mit einer Mischung aus Kürzungen, Neuverschuldungsverbot und Sanktionen die Wende zum Guten schaffen zu können. Eine verrückte Einstellung.

Die verschärften Sanktionen haben deutsche Exporte nach Russland einbrechen lassen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sanken die Ausfuhren im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 26 Prozent. Auch die EU rechnet mit einer dämpfenden Wirkung, allerdings seien die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft immer noch stärker. Deshalb, so die Überzeugung der Brüsseler Kommission, machen die Sanktionen auch weiterhin ökonomisch Sinn. Eine verrückte Einstellung.

Sanktionen schaden der Wirtschaft hüben wie drüben. Das steht fest. Wie aus einem Prozedere, das alle Beteiligten in einen Abwärtsstrudel reist, ein positives Ergebnis entstehen soll, ist nicht nur unklar, sondern auch unlogisch. Vor allem die vom Export abhängige deutsche Wirtschaft leidet. Nach Auffassung der Bundesregierung muss sie das aber in Kauf nehmen, damit Russland seine Haltung ändert. Mit anderen Worten: Wir halten solange die Luft an, bis Putin einlenkt.

Keine Impulse mehr

Dieses infantile Gehabe funktioniert schon im Sandkasten nicht. Auf großer politischer Bühne ist es sogar gefährlich. Denn Europa inklusive Deutschland taumelt in die nächste Rezession. Wer neben verordneter Kürzungspolitik und Neuverschuldungsverbot auch noch den Handel mit verbliebenen Partnern aussetzt, darf sich über konjunkturelle Einbrüche nicht wundern. Die deutsche Wirtschaft braucht bisher 200 Milliarden Euro Auslandsverschuldung, um nur ein bisschen zu wachsen.

Das allein hat mit solider Wirtschaftspolitik schon nichts zu tun. Aber bricht auch dieser Impuls weg, bleibt in Deutschland nichts mehr übrig, das für Impulse sorgen könnte. Die ständig gefeierte Binnennachfrage? Ein Witz, in Wirklichkeit stagniert sie seit Jahren. Da würde nicht mal das bevorstehende Weihnachtsgeschäft helfen, das uns von den Medien auch in dieser Adventszeit wieder als Zugpferd mit Bildern voller Einkaufspassagen präsentiert werden wird.

Nach allen vorliegenden Prognosen ist es vielmehr so, dass private Haushalte auch im kommenden Jahr versuchen wollen, 150 Milliarden Euro neu zu sparen. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, werden sie ja permanent damit traktiert fürs Alter vorzusorgen. Zuletzt auch wieder vom Sparkassenverband, der sich darüber wunderte, dass vor allem Menschen mit geringen Einkommen die Vorsorge vergessen.

Fehlschlag und fehlende Einsicht

Nur werden auch diese Sparversuche nichts bringen, wenn auf der anderen Seite die Schuldner fehlen. Das wird auch der Bundesfinanzminister erkennen müssen, der noch immer an den Erfolg einer Strategie glaubt, die sich „wachstumsfreundliche Konsolidierung“ nennt. Kurz: Schwarze Null. Was in der theoretischen Vorstellung schon unvernünftig ist, wird ohne Wachstum auch in der Praxis wieder zu einem Fehlschlag werden.

Die angebliche Wachstumslokomotive stockt. Neben dem Handelskrieg mit Russland, bleibt auch die Investitionstätigkeit in Deutschland weiterhin schwach, trotz der hohen Gewinne, die in den vergangenen Jahren auf der Kapitalseite entstanden sind. Unternehmen schwimmen förmlich im Geld und investieren trotzdem nicht, weil es eben keine Nachfrage gibt. Auch das ist eine Wahrheit, die bei politischen Entscheidungsträgern zu keinerlei Erkenntnis führt.

Sie halten weiterhin an dem Dogma fest, die Investitionsbedingungen nur verbessern zu müssen, etwa durch Steuererleichterungen oder ganz neu, durch das Versprechen, höhere Renditen für privates Kapital zu zahlen, falls dessen Besitzer das Geld zur Verbesserung der maroden Infrastruktur zur Verfügung stellen. Schäuble hat mal gesagt, er wolle ein guter Kaufmann sein. Da er öffentliche Schulden billiger haben kann als einen privaten Fonds, wird er nicht mal diesem falschen Anspruch gerecht.

Die Bundesregierung braucht keine echten und keine falschen Kaufleute, sondern Menschen mit volkswirtschaftlichem Sachverstand. Die würden erkennen, das die bisherige Politik einen enormen Schaden anrichtet, statt diesen zu vermeiden, wie es eigentlich in der Verfassung steht und mit Amtseiden geschworen wird.


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Merkel kreiert sich eine Welt, wie sie ihr gefällt

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Die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister wehren sich weiterhin gegen die ökonomische Vernunft und wissen weite Teile der deutschen Medien hinter sich.

Frankreichs Premierminister Manuel Valls hat heute Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gesprächen in Berlin getroffen. Überschattet wurde der Besuch wie üblich von unverschämten Äußerungen parlamentarischer Hinterbänkler aus dem Bundestag. Sie warfen den Franzosen mangelnde Reformbereitschaft vor. Der Grund für das viertklassige Geschrei ist einfach. Die Bundesregierung ist mit ihrem Krisenlatein am Ende und versucht abzulenken.

Die Kunst des Wachstums

„Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten, auch ohne zusätzliches Geld mehr Wachstum zu kreieren.“ Wenn etwas unverschämt ist, dann dieser Satz der Kanzlerin im Anschluss an das Treffen mit Valls. Er zeigt, dass die deutsche Regierungschefin alles sagen kann, ohne auch nur im Ansatz dafür kritisiert zu werden. Wachstum ist für Merkel inzwischen zu einer künstlerischen Darbietung geworden, die offenbar nur Deutschland beherrscht.

Deutschland ist wahrhaft meisterhaft darin, Haushaltskonsolidierung und Wachstum gleichermaßen zu erzielen. Diesen scheinbaren Erfolg tragen Merkel und eine Öffentlichkeit, die nichts von Ökonomie verstehen, stolz vor sich her. Das beides nur deshalb funktionieren konnte, weil Länder wie Frankreich eine Politik betrieben haben, die hierzulande gerade aufs Schärfste verurteilt wird, sehen die wenigsten.

Wachstum auf Kosten der anderen. Das gibt es doch nicht. Wenn nur alle so wären wie Deutschland, ginge es doch allen noch besser, so die simple Logik. Doch wenn alle so wären wie Deutschland, also Löhne und Renten kürzen, Arbeitnehmerrechte und den Sozialstaat beschneiden und die Schuldenaufnahme begrenzen, ja wer ist dann noch bereit, den Schurken zu spielen? Wer ist bereit, die Überschüsse zu finanzieren? Wer ist bereit, dafür selbst Defizite in Kauf zu nehmen, ohne die kein Überschuss in der Bilanz existieren kann?

Deutschland ist der echte Schurke

Die Wahrheit ist, ein echter Schurke wie Deutschland braucht Länder wie Frankreich, um sein krankes Wirtschaftsmodell am Leben halten zu können. Nun sollen sie aber alle wie der echte Schurke werden und schon reist die Realität die Fassade fragiler Denkgebäude diesseits des Rheins ein. Denn selbst Deutschland spürt die Krise am eigenen Leib, will aber nicht wahrhaben, dass es sich ändern muss.

Merkel wie auch einen Tag zuvor Schäuble beim G20 Treffen lehnen öffentliche Investitionen strikt ab. „Der Fonds ist dafür da, dass er nicht gebraucht wird“, sagte Schäuble nach dem G20-Treffen. Wieder so ein Satz ohne Sinn und Verstand. Die Milliarden des ESM liegen ungenutzt herum. Sie sollen retten für den Fall, dass ein Land wie Italien oder Spanien wieder in eine Notlage gerät. Doch reichen die Mittel dann auf keinen Fall. Die Rettung, der Zweck des Fonds, würde also scheitern.

Nutzen würden die Gelder aber denselben Staaten, wenn sie damit ein Konjunkturprogramm finanzieren und folglich einen Nachfrageimpuls auslösen könnten. Sie hätten volkswirtschaftlich betrachtet die Chance, sich aus einer Lage zu befreien, in der sie im Augenblick nur wieder zum Rettungsfall werden würden. 

Statt Vielfalt immer nur die eine Antwort

Es gibt keine Vielzahl von Möglichkeiten, mal eben Wachstum zu kreieren. Im Augenblick werden auch die Prognosen reihenweise nach unten korrigiert. Wo sind denn die Möglichkeiten? Merkel nennt Bürokratie-Abbau. Über diesen absurden Behelfsvorschlag kann man nicht mal mehr lachen. Die deutschen Medien staunen dennoch wie eh und je ob der geglaubten ökonomischen Genialität ihrer Kanzlerin. In Wirklichkeit stellt die Bleierne aber keine Auswahl in Aussicht. Sie gibt nämlich immer nur eine und zwar die falsche Antwort.

Wirtschaftsausblick

Quelle: OECD

Diese Daten gibt es grafisch auch schön aufbereitet bei den österreichischen Kollegen vom Kurier.


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Europa in der Dauerkrise

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Nach den Personalentscheidungen in Brüssel dürfte die Wirtschaftspolitik in der kommenden Woche wieder eine Rolle spielen. Das neoliberale Weltbild ist erschüttert, denn die versuchte Sparsamkeit ist teuer. Neue Schulden wären billiger.

Am Donnerstag tagt der Rat der EZB. Thema ist die Dauerkrise in der EU. Denn deren Wirtschaftsleistung stagniert im zweiten Quartal, was am Mittwoch durch die offizielle Schätzung der Statistiker noch einmal deutlich werden dürfte. Deutschlands BIP ist im zweiten Quartal sogar geschrumpft. Die selbsternannte Wachstumslokomotive hat den Rückwärtsgang längst eingelegt.

Allein die Lokführerin Angela Merkel will es nicht wahrhaben und stellte vergangene Woche den EZB-Präsidenten Draghi am Telefon zur Rede. Der hatte nämlich auf einer Konferenz der Notenbanker vorsichtig angedeutet, dass Investitionsprogramme helfen könnten, die lahmende Konjunktur in der Eurozone wieder anzukurbeln.

Ordnungsruf für die Wirklichkeit

Solche spalterischen Gedanken ärgern die Berliner Eisenbahngesellschaft, die trotz Irrtums an ihren Sparversuchen festhalten will. Dazu gebe es keine Alternative, heißt es (t)rotzig. Und obwohl die Arbeitslosenquote in der Eurozone im Juli bei 11,5 Prozent verharrt und die Inflationsrate inzwischen nur noch 0,3 Prozent beträgt, lautet die einfache Formel durchhalten statt umdenken.

Wer auch nur in die Nähe eines vernünftigen Gedankens wankt, erhält sofort einen Ordnungsruf. In Frankreich wird gar eine ganze Regierung ausgetauscht. Minister mit eigener Meinung werden durch Minister mit der Meinung des Regierungschefs ersetzt. In Deutschland empfiehlt ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die Schaffung eines lukrativen Fonds, der private Gelder für öffentliche Investitionen einsammeln soll.

Die schwarze wie heilige Haushaltsnull darf nicht umfallen und die Schuldenbremse nicht reißen. Wer genau hinschaut, stellt aber fest, dass das Ziel der Sparversuche krachend gescheitert ist. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben die Schulden, die mit strikter Austerität ja reduziert werden sollten, in der Eurozone neue Rekordstände erreicht. Gebremst wurde hingegen nur das Wachstum und damit jene Einnahmequelle, die Staaten in die Lage versetzt, ihre Schulden überhaupt zu bedienen.

Schulden so billig wie nie

Im August meldete das statistische Bundesamt, dass die öffentlichen Schulden der Bundesrepublik das erste Mal seit 64 Jahren gesunken sind. Die Medien erweckten daraufhin den Eindruck, dass Deutschland erstmals Schulden zurückbezahle oder tilge.

Das ist natürlich grober Unfug, da ein Land ständig seine Schulden zurückzahlt und zwar immer dann, wenn die Laufzeit von Anleihen abgelaufen ist, der Gläubiger also seine Kohle zum vereinbarten Termin nach ein paar Monaten oder zehn Jahren wiedersehen will. Woher nimmt der Staat das Geld? Er leiht es sich. In letzter Zeit geht das zu sehr günstigen Konditionen, weil die EZB mit Draghi an der Spitze notfalls für alle Anleihen bürgt.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Refinanzierung dieser Schulden deutlich billiger ist, als vor der Krise. Die laufenden Kreditkosten, also Zinsen, die aus dem Haushalt bezahlt werden müssen, sinken. Im Fall Deutschlands ist das der Grund für die schwarze Null. Schäuble hat nicht gut gewirtschaftet, sondern profitiert vielmehr vom Zinsvorteil, den ihm die EZB gewährt. Er tilgt alte Schulden mit günstigeren neuen Schulden. Mehr nicht.

Gewollte Sparsamkeit kann teuer werden

Gleichzeitig maulen er und Merkel aber herum, dass die lockere Geldpolitik der Zentralbank die Sparabsicht aller konterkariere und zum Schuldenmachen einlade. Nur, wer seine alten Schulden zurückzahlen will, muss neue Schulden machen. Wer darüber hinaus investieren will, muss noch mehr neue Schulden machen, bekommt im Gegenzug aber eine Zunahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage insgesamt erhöht. Das heißt, der Schuldenstand sinkt in Relation zum BIP. Eine expansive Fiskalpolitik wie von Draghi sachte empfohlen, wäre die günstigste und eine nachhaltige Alternative.

Berlin lehnt das aber ab, weil es dem eigenen Weltbild widerspricht. Nur wer gar keine neuen Schulden machen und auch gar nicht investieren will, hat den Kapitalismus nicht verstanden und muss am Ende noch viel mehr neue Schulden machen, nur um die Substanz zu erhalten. Wirklich sparen kann also nur der, der Schulden regelmäßig macht und das Geld sinnvoll investiert. Stattdessen wollen Teile der Politik lieber der Finanzindustrie mit der absurden Idee höherer Zinsversprechen im Rahmen eines Fonds zu einem Geschäft verhelfen, nur um den Anschein zu vermeiden, eigene Schulden aufnehmen zu müssen.

Der Vorteil beim Weg über einen Fonds liegt natürlich auf der Hand. Seine vergleichsweise hohen Kosten taugen als Begründung für kommende Kürzungsrunden, die dem Mantra der Sparsamkeit und damit dem zerbröselten Weltbild wieder entsprechen. Dass dafür Ressourcen sinnlos verplempert bzw. Geld von unten nach oben umverteilt werden müssen, geschenkt. Wer übrigens Schulden abbauen will, muss das Vermögen reduzieren. Steuern zu erhöhen, wäre da ein probates Mittel, das aber seit der letzten Wahl quasi ausgeschlossen ist. Über Steuererhöhungen redet man nicht mehr. Damit ist an dieser Stelle eines sicher: Die Krise bleibt von Dauer.

Noch ein Lesetipp: Heiner Flassbeck fasst die Lage sehr viel besser zusammen.

http://www.flassbeck-economics.de/was-im-august-wichtig-war/


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Wer mehr Zinsen will, muss mehr Schuldner akzeptieren

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Sparkassenkleinhirne kritisieren die Zinspolitik der Zentralbank und jammern über niedrige Zinsen, die keinen Anreiz zum Sparen böten. Dabei sind Sparer das Letzte, was die Welt jetzt braucht.

Morgen entscheidet die EZB über weitere Schritte in Sachen Zinspolitik. Beobachter halten eine erneute Senkung des Leitzinses für möglich. Da schrillen die Alarmglocken, vor allem beim Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Fahrenschon. Er spricht von falschen Signalen, verlorenen Zinseinnahmen für Sparer und deren Enteignung, insbesondere mit Blick auf die so schön ausgedachten Altersvorsorge-Konzepte auf Kapitalmarktbasis. Niedrige Zinsen gäben keinen Anreiz mehr zum Sparen, ruft er in die Welt hinaus. Dabei sind Sparer das Letzte, was die Welt jetzt braucht.

Sparer hat die Welt genug, was fehlt, sind die Schuldner. Und genau deshalb arbeiten sich die Währungshüter seit Bestehen der Krise, welche von deutschen Kleinsparhirnen wie Fahrenschon offenbar kaum zur Kenntnis genommen wird, an der Frage ab, wie es zu höheren Investitionen in die Realwirtschaft kommen kann. Denn nur wenn die Investitionstätigkeit anspringt und mehr Kredite nachgefragt würden, gäbe es auch mehr Schuldner und damit höhere Zinsen für Sparer.

Allerdings plagt sich Europa mit einer eklatanten Nachfrageschwäche herum. Es lahmt die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und es lahmt die Nachfrage nach Krediten. Alle Sektoren der Volkswirtschaft sparen oder verfolgen die Absicht weniger Geld auszugeben. Staat, Unternehmen und private Haushalte wollen ihre Bilanzen bereinigen. Die Folgen sind fatal, aber nicht unbekannt. Japan hat das in den 1990er Jahren durchgemacht. Der Wirtschaftswissenschaftler Richard Koo analysierte die Epoche und fand den Begriff „Bilanzrezession“ (Unter anderem nachzulesen in „Handelt Jetzt!„). Auf die steuert auch Europa zu.

Der brutale Austeritätskurs, den die Bundesregierung zum tugendhaften Leitbild einer höchst seltsamen Wirtschaftspolitik erklärt hat, trägt Früchte, die den Sparern nicht schmecken können. Nur wird dies als Ursache schlichtweg übersehen. Auch Fahrenschon wie viele Sparkassen-Banker unter ihm verweigern eine Analyse der Krise und begnügen sich damit, die Zentralbank für ihr Handeln zu kritisieren. Sie jammern nur herum: Wegen der laschen Regulierungen, die auch sie betreffen und wegen der niedrigen Zinsen, die ihre Kunden betreffen. Gleichzeitig besitzen sie aber die Chuzpe, für die Kontoüberziehung mehr als zehn Prozent vom Schuldner zu verlangen, der bei ihnen in der Regel Gläubiger ist.

Vielen ist das ja gar nicht bewusst. Ein Guthaben bei der Bank heißt nichts anderes, als dass sich die Bank in der Höhe des Guthabens beim Kontoinhaber verschuldet. Verschuldet der sich aber umgekehrt bei der Bank, weil sein Konto ins Minus rutscht, sind unerhörte Zinsen fällig. Hier wäre der erste Ansatz für eine Korrektur. Zum zweiten richtet sich die Kritik der Banker an die falsche Adresse. Die Zentralbank reagiert mit ihrer Zinspolitik (ja fast hilflos) auf eine Gefahr. Und die heißt Deflation. Für einige ist das nur überhaupt nicht dramatisch. Sie finden, wenn die Preise um lediglich 0,7 Prozent steigen, stärke das die Einkommen insgesamt. Ein fataler Irrtum.

Denn die Wirtschaft wird geschwächt. Die Wachstumsrate der Eurozone liegt nur noch bei 0,2 Prozent. Vor allem im Süden Europas brechen die Ökonomien unter der Last des Spardiktats zusammen. Und jetzt kommt die spannende Frage.

„Warum sollten die Unternehmen in den Euro-Krisenländern Kredite aufnehmen, wenn sie weiterhin flaue Umsätze erwarten? Unternehmen fragen nur dann Kredite für Investitionen nach, wenn sie davon ausgehen, dass die von ihnen produzierten Konsum- oder Kapitalgüter von privaten Haushalten und anderen Unternehmen gekauft werden. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass sie aus einer Situation der Unterauslastung der Kapazitäten heraus ihre Investitionen erhöhen, wenn der vorhandene Kapitalstock vollständig ausreicht, die aktuelle (rückläufige) Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zu befriedigen.“

(siehe Günther Grunert, via NachDenkSeiten)

Die Kritik der Sparkassen sollte sich daher weniger an die Adresse der Zentralbank richten, als vielmehr an die Adresse der Kanzlerin, die zusammen mit ihrem Finanzminister und einer zum bloßen Schoßhund degradierten SPD den gescheiterten Austeritätskurs in Europa weiter fortsetzen will. Die Kanzlerin, die einst in lächerlicher Weise eine Garantie auf alle Spareinlagen abgab, sorgt mit ihrer Politik für jene Enteignung, die Banker und Sparer jammernd beklagen. Gleichzeitig singen alle brav das hohe Lied der privaten Altersvorsorge weiter, die nicht erst jetzt, im Angesicht niedriger Zinsen, sondern schon viel früher als fataler Irrweg hätte identifiziert werden müssen.

Doch das Geschäft mit der privaten Altersvorsorge ist inzwischen auch zum Geschäft der Sparkassen geworden, weshalb gerade sie bei der anhaltenden Niedrigzinsphase um einen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit fürchten. Nur hilft das alles nichts: Wer höhere Zinsen will, braucht mehr Schuldner und diese Schuldner brauchen wiederum eine funktionierende Wirtschaft, in der die Nachfrageentwicklung ernst genommen wird. Aber das kann es nur geben, wenn eine Regierung auch etwas von Ökonomie versteht. Die Zentralbank allein wird das Ruder nicht herumreißen können. Soviel ist schon jetzt klar.

Im Übrigen: Wer sparen und Verschuldung abbauen will, kann das nur, wenn spiegelbildlich auch das Vermögen schrumpft. Denn das Vermögen des einen sind die Schulden der anderen. Insofern ist die beklagte Enteignung nur die logische Konsequenz einer verordneten Entschuldungspolitik in allen Sektoren.


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