Eine Sensation, die mal wieder keine ist

Geschrieben von: am 24. Feb 2013 um 1:19

Die CDU habe bei ihrer Haltung zur Homo-Ehe eine neuerliche Kehrtwende vollzogen, heißt es in den Nachrichten. Doch bei näherer Betrachtung hat sich nichts geändert. Die CDU kann vielmehr darauf vertrauen, dass einer ihrer Koalitionspartner mal wieder offen Widerstand gegen vermeintliche Neuregelungen ankündigt. Trotz der durchschaubaren Strategie, die unter anderem schon zu der falschen Behauptung geführt hat, die CDU habe sich sozialdemokratisiert, steht Angela Merkel als Gewinnerin da. Sie will scheinbar etwas verändern, kann aber nicht, weil ihre Regierung, mit der sie ja nie in Verbindung gebracht wird, dagegen ist.

Worin besteht eigentlich der “Kurswechsel”, den die hysterischen Medien glauben erkannt zu haben? Ein paar CDU Leute sagten so Sachen wie, die Partei müsse in der Frage Homo-Ehe beweglicher werden, oder: “Wir prüfen, welche Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen sind.” Mit diesen eher vagen Andeutungen verbinden die Medien nun eine bedeutende politische Wende, ohne dass erkennbar würde, wie diese konkret aussehen soll. Doch so läuft das Geschäft innerhalb der besten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung. Jeder darf sich bis zu seinem Wahltermin profilieren. Die Sensation bestehe allein schon darin, dass sich die Regierungsparteien über ein Thema lang und breit unterhalten, bei dem die Fronten bisher klar waren.

Dass diese schreckliche Regierung dazu aber schlichtweg gezwungen ist, weil Gesetze nach und nach für verfassungswidrig erklärt werden, die Regierung also eine Vereinigung ist, die das Grundgesetz aus ideologischen Gründen konsequent mit Füßen tritt, findet bei all der Bewunderung über einen “Kurwechsel” keinen Platz. Wie sagte Gerda Hasselfeld (CSU) als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts so schön: “Ich habe persönlich Verständnis für diese Entscheidung. Das ist allerdings keine Öffnung in Richtung auf ein generelles Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.”

Für Urteile des Bundesverfassungsgerichts muss man in den Reihen der Union nur Verständnis haben und den üblichen “Respekt” heucheln, keinesfalls aber einen Auftrag zum Handeln ableiten. Das kennt man ja vom Kruzifix, dem Wahlrecht oder den Hartz IV Regelsätzen. Als einen Meilenstein wertete auch die FDP das Urteil zum Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare. Als aber das Lebenspartnerschaftsgesetz 2001 beschlossen wurde, stimmten die ach so liberalen Blender nicht nur gegen eine rechtliche Anerkennung, sondern auch explizit gegen Verbesserungen beim Steuerrecht. Nun fordert die FDP, namentlich ihr Vorsitzender Philipp Rösler, mit dem Hinweis auf eine offene und tolerante Gesellschaft die völlige Gleichstellung homosexueller Paare. Damit wendet der Vizekanz-Nicht und Wirtschaftsminister exakt die gleiche Strategie an, die auch Angela Merkel fährt. Er tut so, als gehöre er nicht zu dieser Regierung.

Die große Leistung der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Sachen Gleichstellung bestand bisher darin, in Gesetzestexten die Begriffe Lebenspartner und Lebenspartnerin neben die bereits vorhandenen Worte Ehegatte und Ehegattin hinzuzufügen. An der Diskriminierung von Schwulen und Lesben hat das freilich nix geändert. Nun behauptet die FDP Politikerin forsch, ein fertiges Gesetz zur vollständigen Gleichstellung in der Schublade liegen zu haben. Das müsste man ja dann Unterschlagung nennen. Fakt ist, dass die bisher erreichten Gleichstellungen im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht sowie im Grunderwerbssteuerrecht aufgrund erfolgreicher Klagen zustande gekommen sind und nicht weil die Bundesregierung von sich aus aktiv geworden wäre.

Dass die Union nun ankündigt, irgend etwas zu prüfen oder zu überdenken, ist keine Neuigkeit, sondern folgt der Logik des abwartenden Reagierens. Bereits in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Deutschen Bundestag zum zehnjährigen Jubiläum des Lebenspartnerschaftsgesetzes im August 2011 ist das nachzulesen.

Die Frage der Anpassung weiterer steuerlicher Normen wird – auch mit Blick auf die Rechtsprechung – geprüft. Im Hinblick auf die Stellung eingetragener Lebenspartner im Einkommensteuerrecht spielen dabei auch die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zur Anwendung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartner eine Rolle.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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