Fazit zum Eurogipfel

Geschrieben von: am 27. Okt 2011 um 22:54

Börsen und Medien feiern den Gipfelbeschluss. Dabei fragt keiner, warum ausgerechnet die Kapitalmärkte ein Ergebnis begrüßen sollten, wonach Banken auf angeblich 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten werden. Vielleicht, weil sie auf gar nichts verzichten müssen?

Was ist denn passiert? Aus den bisherigen Garantien, von denen Schäuble immer schwadroniert hat, die würden uns nix kosten, sind nun reale Zahlungen der Steuerzahler geworden. Das ist passiert. Denn mit dem Schuldenschnitt greift automatisch der neugehebelte Rettungsfonds mit Versicherungssystem. Das heißt konkret, dass der Fonds und damit die Steuerzahler, mit 20 oder 25 Prozent direkt haften.

Angeblich sollen die Banken auf 50 Prozent ihrer Forderungen freiwillig verzichten. Da könnte man ja sagen, die tragen auch einen Anteil an den Verlusten. Allerdings spricht die Explosion der Bankaktien heute an den Börsen eher dagegen. Das ist auch logisch, wenn man sich klar macht, dass der freiwillige Verzicht nicht auf den Betrag angerechnet wird, den die Bank ursprünglich einmal für die entsprechenden Anleihen bezahlt hat, sondern auf den Betrag plus die entgangenen Zinsen!

Da kommt bei einem Schuldenschnitt in etwa der Ursprungsbetrag wieder heraus, auf den die Bank dann auch nicht verzichten muss. Außerdem wird der aktuelle Wert der Anleihen gar nicht berücksichtigt. Zum Problem für die Banken und ihre Anteilseigner werden indes die entgangenen Zinsen, die das Ergebnis und die eigene Bilanz drücken, was bei niedrigen Eigenkapitalquoten heikel werden kann. Die Zinsverluste waren nun wiederum Gegenstand der eigentlichen Verhandlungen zwischen Merkel und Sarkozy. Denn die Zinsverluste der französischen Banken sind höher, als die der deutschen Banken. Deshalb wollte Sarkozy die EZB anzapfen oder aber dem Rettungsschirm eine Banklizenz erteilen. In beiden Fällen hätten die Deutschen entsprechend ihrem höheren Anteil an beiden Institutionen auch die höheren Verluste der französischen Banken mitfinanzieren müssen.

Gefeiert wird nun, dass sich die Kanzlerin durchgesetzt habe und der ESFS weder eine Banklizenz bekommt noch die EZB direkt Staatsanleihen aufkaufen darf. Da jubelt die vollkommen behämmerte Journaille darüber, dass Merkel das Anwerfen der Notenpresse verhindert habe und freut sich gleichzeitig auf den neuen Großinvestor China. Entgangen ist den Medien scheinbar, dass die EZB weiterhin auf den Sekundärmärkten Anleihen von den privaten Banken aufkaufen darf. Das wiederum geschieht bekanntlich nicht mit Spielgeld, sondern mit frischem Zentralbankgeld. Gleichzeitig dürfen sich die privaten Banken weiterhin für einen niedrigen Zinssatz bei der EZB refinanzieren, um dann den Staaten, der Wirtschaft und den Verbrauchern gegen entsprechende Risikoaufschläge Kredite zu geben.

Mit dem Schuldenschnitt ist aber noch etwas passiert, was die Rally an den Börsen erklärt. Es kommt endlich zur Auszahlung der CDS (Kreditausfallversicherungen), auch wenn das aufgrund der „Freiwilligkeit“ des Verzichts noch umstritten ist. Denn die, die mittels CDS auf die Pleite Griechenlands gewettet haben, können sich über eine klingelnde Kasse freuen. Derweil möchte Frau Bundeskanzlerin demnächst beim G20 Gipfel mal wieder nur gucken, ob die anderen bei einer Finanztransaktionssteuer vielleicht doch noch mitmachen wollen.

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Verlierer und Gewinner am heutigen Tag

Geschrieben von: am 25. Okt 2011 um 14:22

Die Nachrichtenlage kennt heute nur Verlierer. Berlusconi drohe wegen des Spardrucks mit Rücktritt. Die Kanzlerin müsse sich erneut mit Abweichlern aus den eigenen Reihen auseinandersetzen, weil schon wieder über den ESFS abgestimmt werden muss. Und der britische Premier Cameron, dessen Rat beim französischen Präsidenten nicht sehr gefragt ist, hat bereits eine Abstimmungsniederlage beim EU-Referendum hinnehmen müssen. Alle drei Verlierergeschichten haben etwas mit der Finanzkrise zu tun.

Aber es gibt auch Gewinner. Die Deutsche Bank hat überraschend einen Vorsteuergewinn von fast einer Milliarde Euro im dritten Quartal realisiert. Analysten gingen nur von der Hälfte aus. Die Atomkraftwerksbetreiber bekommen 170 Millionen Euro Steuern zurückerstattet, während der Prozess gegen den früheren Automanager Bernd Pischetsrieder wegen Steuerhinterziehung eingestellt wurde.

Da ist jetzt für sie nichts dabei? Doch, auch sie haben heute gewonnen. Die GfK vermeldet eine steigende Kauflaune unter den Deutschen. Unter anderem glauben die schätzenden Kaffeesatzleser aus Nürnberg, dass die Unsicherheiten an den Finanzmärkten die Verbraucher dazu anrege, mehr zu kaufen als zu sparen.

Trotz und gerade wegen der Schuldenkrise steigt auch die Konsumbereitschaft der Menschen. Die Diskussionen um die Stabilität der gemeinsamen Währung sowie der Banken haben laut GfK das Vertrauen der Konsumenten in die Finanzmärkte erschüttert. „Folglich sind sie momentan weniger geneigt, Geld auf die hohe Kante zu legen, wie auch die stark rückläufige Sparneigung beweist“, betonte Bürkl.

Das ist eine sehr seltsame Theorie und dürfte wohl kaum auf die zutreffen, die sich in prekärer Beschäftigung befinden und auf Erspartes zurückgreifen müssen, weil die Löhne zum Leben nicht mehr reichen. Folglich dürfen sich nur die glücklich schätzen, die noch eine hohe Kante und Geld haben, das sie theoretisch darauf legen könnten, so wie die Anteilseigner der Deutschen Bank zum Beispiel.

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Wie den Euro retten?

Geschrieben von: am 24. Okt 2011 um 7:24

Friederike Spiecker gibt Antwort und verweist noch einmal darauf, dass die Ursachen der Krise weder verstanden noch diskutiert werden. Was als “Staatsschuldenkrise” beschrieben wird, die angeblich zu einer Verschärfung des Zinsniveaus beitrage, verliert an Glaubwürdigkeit, wenn man die öffentlichen Schulden von Staaten weltweit mit deren Zinsen auf die jeweiligen Anleihen vergleicht. Japan habe zum Beispiel eine viel höhere öffentliche Verschuldung (über 200 Prozent vom BIP), aber die niedrigsten Zinsen auf Anleihen zu zahlen. In Europa habe Bulgarien eine sehr viel niedrigere öffentliche Verschuldung, aber gleichzeitig sehr hohe Zinsen zu zahlen. Die Amerikaner sind genauso öffentlich verschuldet wie Portugal (100 Prozent vom BIP), dennoch sind die Zinsunterschiede erheblich.

Folglich kann die öffentliche Verschuldung von Staaten nicht maßgeblich sein, für die Entwicklung von Zinsen am Kapitalmarkt. Ergo ist auch der Ursachenbefund der Rettungsschirmspanner falsch. Spiecker lenkt den Blick auf die Auslandsverschuldung und die damit verbundenen Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen und zeigt auf, dass immer nur über die “Defizitsünder” geredet werde, aber nie über den Lohnsünder Deutschland, der innerhalb der Währungsunion, ohne das Ventil eines Wechselkursmechanismus, das Feuer unter dem Kessel immer weiter anheize. Wenn Deutschland sein Modell des Gürtel-enger-Schnallens in alle anderen Länder exportiere, hätten diese gar keine Chance, den bestehenden Preisabstand zu Deutschland aufzuholen. Die Bundesregierung sei auch gar nicht bereit, Wettbewerbsanteile abzugeben. Dies sei aber notwendig, um die Ungleichgewichte abzubauen und den Euro sowie Europa als Ganzes zu retten.

Die Diskussion um einen Schuldenschnitt sei in diesem Zusammenhang überflüssig und absurd, da eine Halbierung der Schuldenlast nichts an den wirtschaftlichen Ungleichgewichten ändere. Spätestens nach fünf Jahren stünde man wieder vor der Frage, einen Schuldenschnitt machen zu müssen. Demzufolge bedürfe es zunächst einer volkswirtschaftlich vernünftigen Strategie, die aber nach Spiecker äußerst unwahrscheinlich ist. Realistisch ist der große Zusammenbruch.

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manifest 15m

Geschrieben von: am 21. Okt 2011 um 16:01

manifest 15m

In einem Manifest (spanisch/englisch) haben sich die “Empörten” der Bewegung 15M in Spanien (die sich auf Hessels Buch “Empört Euch!” beziehen) am 15. Mai 2011 erklärt. Hier das Manifest in deutsch:

“Wir sind normale Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden Morgen aufstehen, um studieren zu gehen, zur Arbeit zu gehen oder einen Job zu finden, Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denjenigen die uns umgeben eine bessere Zukunft zu bieten.

Einige von uns bezeichnen sich als aufklärerisch, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch, aber wir sind alle besorgt und wütend angesichts der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive, die sich uns um uns herum präsentiert: die Korruption unter Politikern, Geschäftsleuten und Bankern macht uns hilf- als auch sprachlos.

Und diese Situation ist mittlerweile zur Normalität geworden – tägliches Leid, ohne jegliche Hoffnung. Doch wenn wir uns zusammentun, können wir das ändern. Es ist an der Zeit, Dinge zu verändern. Zeit, miteinander eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Deswegen treten wir eindringlich hierfür ein:

  • Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen müssen als Prioritäten einer jeden modernen Gesellschaft gelten.

  • Das Recht auf Behausung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, politische Teilhabe, freie persönliche Entwicklung und Verbraucherrechte im Sinne einer gesunden und glücklichen Existenz sind unverzichtbare Wahrheiten, die unsere Gesellschaft zu befolgen hat.

  • In ihrem momentanen Zustand sorgen unsere Regierung und das Wirtschaftssystem nicht dafür, sondern stellen sogar auf vielerlei Weise ein Hindernis für menschlichen Fortschritt dar.
  • Die Demokratie gehört den Menschen (demos = Menschen, krátos = Regierung), wobei die Regierung aus jedem Einzelnen von uns besteht. Dennoch hört uns in Spanien der Großteil der Politiker überhaupt nicht zu. Politiker sollten unsere Stimmen in die Institutionen bringen, die politische Teilhabe von Bürgern mit Hilfe direkter Kommunikationskanäle erleichtern, um der gesamten Gesellschaft den größten Nutzen zu erbringen, sie sollten sich nicht auf unsere Kosten bereichern und deswegen vorankommen, sie sollten sich nicht nur um die Herrschaft der Wirtschaftsgroßmächte kümmern und diese durch ein Zweiparteiensystem erhalten, welches vom unerschütterlichen Akronym PP & PSOE angeführt wird.

  • Die Gier nach Macht und deren Beschränkung auf einige wenige Menschen bringt Ungleichheit, Spannung und Ungerechtigkeit mit sich, was wiederum zu Gewalt führt, die wir jedoch ablehnen. Das veraltete und unnatürliche Wirtschaftsmodell treibt die gesellschaftliche Maschinerie an, einer immerfort wachsenden Spirale gleich, die sich selbst vernichtet indem sie nur wenigen Menschen Reichtum bringt und den Rest in Armut stürzt. Bis zum völligen Kollaps.

  • Ziel und Absicht des derzeitigen Systems sind die Anhäufung von Geld, ohne dabei auf Wirtschaftlichkeit oder den Wohlstand der Gesellschaft zu achten. Ressourcen werden verschwendet, der Planet wird zerstört und Arbeitslosigkeit sowie Unzufriedenheit unter den Verbrauchern entsteht.

  • Die Bürger bilden das Getriebe dieser Maschinerie, welche nur dazu entwickelt wurde, um einer Minderheit zu Reichtum zu verhelfen, die sich nicht um unsere Bedürfnisse kümmert. Wir sind anonym, doch ohne uns würde dergleichen nicht existieren können, denn am Ende bewegen wir die Welt.

  • Wenn wir es als Gesellschaft lernen, unsere Zukunft nicht mehr einem abstrakten Wirtschaftssystem anzuvertrauen, das den meisten ohnehin keine Vorteile erbringt, können wir den Missbrauch abschaffen, unter dem wir alle leiden.
  • Wir brauchen eine ethische Revolution. Anstatt das Geld über Menschen zu stellen, sollten wir es wieder in unsere Dienste stellen. Wir sind Menschen, keine Produkte. Ich bin kein Produkt dessen, was ich kaufe, weshalb ich es kaufe oder von wem.

Im Sinne all dieser Punkte, empöre ich mich.

Ich glaube, dass ich etwas ändern kann.

Ich glaube, dass ich helfen kann.

Ich weiß, dass wir es gemeinsam schaffen können.

Geh mit uns auf die Straße. Es ist dein Recht.”

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http://www.echte-demokratie-jetzt.de/

http://www.meetup.com/occupytogether/Hannover-DE/

http://zmag.de/artikel/occupy-wall-street-das-ist-jetzt-die-wichtigste-bewegung-der-welt

http://your-ad-here.de/index.html

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Occupy Hannover – We are the 99%!!!
Samstag, 22. Oktober, 14 Uhr vor Kaufhof am Bahnhof

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Heiner Flassbeck zum Schuldenschnitt und Röslers Konjunkturmärchen

Geschrieben von: am 21. Okt 2011 um 11:24

Alle in Bedrängnis geratenen Länder der Eurozone haben nicht nur ein Schuldenproblem, sondern auch ein Wachstumsproblem. Sie haben kein Mittel, sich aus der Rezession zu lösen, sondern geraten wegen der Sparauflagen der Gläubiger immer tiefer hinein. Die Rückkehr zu Wachstum ist aber die Voraussetzung für eine dauerhafte Milderung des Schuldenproblems. Wenn ein Gläubiger nun großzügigerweise auf einen Teil seiner Forderungen verzichtet, ist das Wachstumsproblem in keiner Weise gelöst, ja, seine Lösung wird sogar erheblich erschwert.

Quelle: Heiner Flassbeck via Badische Zeitung

Das Wachstumsproblem muss man auch nicht lösen, wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler gestern meinte, als er die Konjunkturerwartung der Bundesregierung für nächstes Jahr mit der Bemerkung kommentierte:

“Von einer Rezession, die manche herbeireden wollen, kann ausdrücklich keine Rede sein. Auch ein Prozent Wachstum ist natürlich Wachstum. Es geht also weiter aufwärts”

Quelle: Reuters

Man muss die volkswirtschaftlichen Kennzahlen einfach auf FDP-Art interpretieren und schon bekommt Deutschland ein “gelbes Trikot” vom Bundesminister verpasst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch irgendjemand witzig findet. Vor allem dann nicht, wenn ganz offensichtlich mit einer gewollten und irreführenden Verknüpfung von Zahlen der Eindruck eines anhaltenden Aufschwungs vermittelt werden soll.

Die Löhne steigen. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte steigen 2011 um 3,2 Prozent, 2012 um 2,9 Prozent. Die verfügbaren Einkommen verzeichnen damit in zwei aufeinander folgenden Jahren den größten Anstieg seit dem Wiedervereinigungsboom.   

Quelle: BMWi

Die verfügbaren Einkommen sind nicht gleich Löhne. Umgekehrt sind die Löhne nur ein Teil der verfügbaren Einkommen. Zur Gruppe der verfügbaren Einkommen gehören aber auch Vermögenseinkünfte, die in der Tat deutlich zugenommen haben und weiter zunehmen werden. Die Arbeitnehmereinkommen haben auch im Jahr 2010 real an Kaufkraft verloren und sollen laut Prognose nur mäßig zulegen. Hier noch einmal die richtige Projektion im Vergleich zu den Einkünften aus Vermögen und Unternehmenstätigkeit.

Löhne und Gewinne

Wenn der Bundeswirtschaftsminister weiterhin behauptet, dass die Binnennachfrage zum Tragpfeiler des Wirtschaftswachstums geworden sei und im nächsten Jahr noch stärker werde, sagt er schlicht die Unwahrheit. Wenn er ferner die Befürchtungen vor einer Rezession als unbegründet zurückweist, um abermals die alberne Forderung seiner Partei nach Steuersenkungen zu rechtfertigen, macht er sich schuldig, dem Land wider besseres Wissen Schaden zufügen zu wollen.

Deutschland ist nicht “Stabilitätsanker und Wachstumsmotor für Europa”, sondern bei anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen der Totengräber aller anderen in der Eurozone und schaufelt damit auch an einem noch tieferen Loch für sich selbst als 2009. Der zweite Zusammenbruch der Weltwirtschaft hat schon begonnen. Nur wird dieses mal niemand auf der Welt bereit sein, Konjunkturprogramme aufzulegen, um Deutschlands Exportwirtschaft zu retten.   

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Der Irrsinn mit den Fahrkartenautomaten oder kurz: Marktirrsinn

Geschrieben von: am 20. Okt 2011 um 10:23

Wie absurd die Privatisierung öffentlicher Aufgaben ist, haben die Redakteure des Satiremagazins Extra 3 gestern am Beispiel der Bahn gezeigt. Die Idee, dass auf einer Infrastruktur verschiedene Anbieter konkurrieren und um Fahrgäste werben, wird  besonders auf dem Bahnhof Buxtehude deutlich. Dort stehen drei Fahrkartenautomaten verschiedener Anbieter quasi im Wettbewerb. Die Kunden sollen, ja müssen auswählen, an welchem Automaten sie die vermeintlich richtige Fahrkarte lösen können. Das geschieht aber nicht immer zum Vorteil der Reisenden.

Den Verkehrsunternehmen ist das Problem, welches man vorsichtig formuliert mit dem Adjektiv “verwirrend” beschreiben könnte, bereits bekannt. Deshalb arbeite man daran, die bunte Vielfalt im Sinne der Reisenden zu vereinheitlichen. In einigen Jahren, eventuell… 2013 oder später.

Da fragt man sich doch, worin eigentlich der Sinn bestanden hat, eine unteilbare Aufgabe wie die Beförderung von Menschen auf der Schiene, den Bedingungen eines Marktes auszusetzen, der gar nicht funktionieren kann. Der Kunde hat doch kein Interesse daran, zwischen verschiedenen Erbringern der gleichen Beförderungsleistung wählen zu dürfen. Er will doch nur von Bahnhof A nach Bahnhof B gefahren werden.

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Volker Pispers über den verhinderten Bundespastor

Geschrieben von: am 19. Okt 2011 um 7:08

Gestern war wieder Dienstach. Die Anstalt lief im Zweiten und Volker Pispers Glosse im Dritten. Im Ersten lief die Offenbarung der Kanzlerin, wonach sie Verständnis für die weltweiten Proteste habe. Durch ihren Seibert, ehemals im zweiten Glied der Regierungspropaganda aktiv, ließ sie verkünden, dass die Demonstranten doch bitteschön daran denken sollen, ihre Wut nicht nur an den Banken auszulassen. Schließlich seien es doch die Staaten gewesen, die seit Jahren über ihre Verhältnisse gelebt hätten.

Von so einer beispiellosen Anteilnahme der Volkskanzlerin, die gerade dabei ist, den Rekord fürs Regieren aus Mangel an Alternativen schon jetzt frühzeitig unter Dach und Fach zu bringen, muss man sich erst einmal erholen. Die armen Banken können schließlich nichts dafür, wenn ihnen die Staaten permanent Kredite abnehmen und im Gegenzug falsche Zahlen zur Risikoeinschätzung liefern. Ach nein, wie war das doch gleich mit Goldman Sachs und Griechenland?

Die haben die Griechen doch damals beraten, wie sie am besten in die Eurozone kommen. Das Geschäft, das sich die Banker zu diesem Zweck der Täuschung haben einfallen lassen, hieß Cross-Currency-Swaps. Na klingelt’s? Schade, schon wieder vergessen. Die Enthüllung ist ja auch bereits ein Jahr und einen Rettungsschirm her. Es wäre wahrscheinlich viel zu romantisch gedacht und unsäglich albern, wenn man den Banken nun eine Täterschaft vorwerfen würde, weil sie an dem Frisieren der Haushaltszahlen eines Landes und nun mit der Spekulation auf dessen Pleite Geld verdienen.

In diesem Punkt passen der verhinderte Bundesgaukler und die regierende Pastorentochter argumentativ perfekt zusammen.        

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Gabriels Erleuchtung und Naivität

Geschrieben von: am 17. Okt 2011 um 11:19

Der SPD Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Zeichen der Zeit erkannt und schlägt vor, eine stärkere Regulierung der Banken dadurch herzustellen, indem man sie aufteilt. In Geschäftsbanken einerseits, die die Kreditversorgung der Wirtschaft sicherstellen, und in Investmentbanken andererseits, die weiterhin spekulieren dürfen. Der Vorschlag ist nicht neu, sondern liegt bereits seit einigen Jahren auf dem Tisch. Allerdings hätte es wenig Sinn, den mit Milliardenhilfen gestützten Bereich des Investmentbankings aufrecht zu erhalten und ihm zu erlauben, mit einer geringfügig höheren Eigenkapitalquote riskante Geschäfte zu tätigen. Gabriel meint dazu sozialdemokratisch naiv:

„Es geht nicht um Zerschlagung, sondern um die Trennung der Geschäftsbereiche“, beteuerte er. Gabriel schlug vor, das Spekulieren in den Investmentmärkten auf einen bestimmten Prozentsatz des Eigenkapitals von Banken zu begrenzen. „Damit, wenn das schiefgeht, nicht die Sparkunden dran glauben“, sagte er.

Quelle: Reuters

So richtig die Trennung der Geschäftsbereiche ist, so falsch liegt Gabriel bei der Vorstellung, die Spekulation mit bestimmten Prozentsätzen aufs Eigenkapital eindämmen zu können. Wer spekulieren will, muss das zu 100 Prozent des Eigenkapitals tun. Er muss für die erlittenen Verluste voll haften und darf keinesfalls die Hilfen der Steuerzahler in Anspruch nehmen. Wer eine Trennung der Geschäftsbereiche vorschlägt, muss konsequenterweise auch fordern, die Investmentbanken in die Insolvenz gehen zu lassen.

Eine Bank, die mit Milliarden Euro Steuergeldern vor dem Zusammenbruch bewahrt wird, hat keinerlei Anreiz, die eigenen Verluste offen darzulegen. Das gescheiterte Spitzenpersonal wird im Gegenteil versuchen, „die Bank zu plündern und so viel Geld mitzunehmen wie möglich, bevor das wahre Ausmaß der Schäden ans Tageslicht kommt. Dazu streichen die Manager noch in dieser Situation Boni und Dividenden ein“, sagt der Ökonom James Galbraith, der schon lange jene Zerschlagung fordert, vor der sich Sozialdemokraten wie Gabriel immer noch fürchten. Schließlich sind die Banken nach dem „Duktus“ der Kanzlerin und des größten Krisenmanagers aller Zeiten, Peer Steinbrück (SPD), systemrelevant.

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Der Bürgerrechtler Gauck hält Proteste von Bürgern für “unsäglich albern”

Geschrieben von: am 16. Okt 2011 um 23:27

Der links, liberal und konservativ aufgeklärte Patridiot aus der ehemaligen DDR, der an Gott und die Finanzmärkte glaubt sowie an die fortwährende Verfolgung aller inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi, die ohne Bundestrojaner und mit einfachsten Mitteln herausbekommen und gemeldet haben, dass der Nachbar auch ein roter Arsch ist, weil er sich mit dem selben harten DDR-Toilettenpapier den Allerwertesten abwischte, gilt gemeinhin als verhinderter Staatsmann, der des Öfteren die Notwendigkeit eines stärkeren politischen Engagements der Bürger betont.

Und nu?

Da hält er den Protest von Bürgern weltweit für “unsäglich albern”, berichtet unter anderem der Stern.

Bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung „Die Zeit“ sagte er am Sonntag in Hamburg, der Traum von einer Welt, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne, sei eine romantische Vorstellung.

Da täuscht sich der Bundespräsident der Herzen aber gewaltig. Die Vorstellung, dass die Märkte getrennt vom Politischen zu existieren haben, ist keinesfalls romantischer Natur, sondern Bestandteil einer klassischen Theorie, die gerade nach dem Zweiten Weltkrieg praktischer Konsens zwischen allen führenden Nationen dieser Erde war. Damals waren sich alle einig, sogar die Konservativen in Deutschland. Der Markt und noch mehr, der Kapitalismus habe versagt, lautete das Fazit aus Wirtschaftskrise, Krieg und Vernichtung. Waren das etwa auch alles Romantiker?

Doch Gauck wird selbst zum Romantiker, der keine Ahnung vom weltlichen Geschehen auf den Finanzmärkten zu haben scheint.

„Ich habe in einem Land gelebt, in dem die Banken besetzt waren.“ Es sei zu bezweifeln, dass die Bankeinlagen sicherer wären, wenn die Politiker in der Finanzwirtschaft das Sagen hätten.

Das ist wirklich lustig. Vor allem, weil nach der Wende die Banken-West die Banken-Ost dank günstiger Gesetzeslage besetzten und regelrecht aussogen bis nichts mehr übrig war. Horst Köhler hatte das brillant für die Bankenwelt-West eingefädelt und die Umsetzung überwacht. Nur gut, dass die Finanzwirtschaft das Sagen hat und den Politikern zeigt, wie sie zu handeln haben. Das scheint bisher jedenfalls prima zu funktionieren.

Zumindest solange der Bürger brav die Verluste der Banken zahlt und gleichzeitig deren Gewinne über den Verzicht auf einen Sozialstaat in Gegenwart und Zukunft absichert. Zum Glück leben wir in einer Demokratie und da hat jeder ungebildete Schwachkopf und jeder schwachköpfig Gebildete das verbriefte Grundrecht, Dinge albern oder toll zu finden. Leider werden die vielen 100 000 Demonstranten weltweit nicht permanent auf Veranstaltungen eingeladen, um dort über Romantik und die Gefahr zu sprechen, die von vermeintlich roten Ärschen ausgeht.

Nein, sie müssen ihre Empörung über den Sozialismus, den die Politik den Reichen bei der Verrechnung ihrer Verluste beim Zocken auf den Märkten zugesteht, durch Demonstrationen auf der Straße zum Ausdruck bringen. Es darf durchaus als Erfolg gewertet werden, dass das zu den elitären Bürgerrechtler-Veranstaltungen hinter verschlossenen Türen bereits durchgedrungen ist.

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Weltweite Proteste gegen die politische Ohnmacht

Geschrieben von: am 16. Okt 2011 um 21:55

Schäuble nehme die “weltweiten Proteste gegen die Macht der Banken” sehr ernst. Da hat der Bundesfinanzminister meines Erachtens den Protest nicht ganz verstanden. Es geht doch nicht nur darum, die Macht der Banken anzuklagen, sondern die Ohnmacht der Politik, die vom Volk keinesfalls beauftragt wurde, den durchaus mächtigen Banken das Gesäß zu lecken. Gerade Schäuble hat doch da Erfahrung.

In der ARD sagte Schäuble heute Abend:

„Wir müssen überzeugend darlegen können, dass die Politik die Regeln setzt und dass wir nicht von den Märkten nur getrieben werden“, sagte er. Ansonsten werde es „nicht nur eine Krise der sozialen Marktwirtschaft und der Finanzmärkte, sondern sonst wird es eine Krise des demokratischen Systems“, hob Schäuble hervor.

Für Schäuble werden die Regeln zwar durch die Politik gesetzt, nur wer sie in Wirklichkeit macht, sagt er nicht. Der Dank an Josef Ackermann lässt jedenfalls auf einen Sachverhalt schließen, der mehr mit Gefälligkeit, Korruption und Wohlwollen zu tun hat, als damit, die sog. Märkte in ihre Schranken weisen zu wollen. Die Regierung wünscht sich doch nichts Sehnlicheres, als dass ihr Herr Ackermann oder die Banken sagen, was sie tun soll.

Josef Ackermann hat seit der Finanzkrise Teil 1 und bis heute eine Erhöhung der Eigenkapitalquoten abgelehnt. Im Rahmen von Basel III, das als große Regulierungsmaßnahme nach der Finanzkrise gefeiert wurde, sind die Kreditinstitute verpflichtet worden, ihre Kernkapitalquote bis 2015 auf gerade einmal 4,5 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig hat es einen Bankenstresstest gegeben, der aber gar nicht überprüfte, was passiert, wenn ein ganzer Staat zahlungsunfähig würde.  

Nun wanken die Banken erneut, weil sie noch immer mit reichlich Fremdkapital zum Beispiel in griechische Anleihen investiert haben, die wegen des ersten Rettungsschirms zu 100 Prozent durch die europäischen Steuerzahler garantiert werden, aber zum Zeitpunkt des Garantieversprechens weit unter Nennwert gehandelt wurden. Das war ein lohnendes Geschäft für Hedgefonds und Banken, weil klar war, dass der Wert der Anleihen steigen würde. Deshalb konnte man auch neue Risiken eingehen und statt Anleihen zu kaufen, wieder ins Geschäft mit Derivaten einsteigen und ganz dick abkassieren.

Natürlich gibt es beim Zocken um Milliarden auch wieder Verlierer, die am Ende Papiere halten, die möglicherweise nix mehr Wert sein könnten. Bisher stand nur eine freiwillige Beteiligung der Gläubiger zur Diskussion, nun will Schäuble, dass Banken und Investoren “freiwillig” auf noch mehr verzichten, als im Juli vereinbart. Das ist doch grotesk. Die Herumeierei führt nur wieder dazu, dass die Kurse für Anleihen, deren Rückzahlung durch die Rettungsschirme und damit von uns allen garantiert wird, nur wieder fallen und für die unterkapitalisierten Banken und Hedgefonds als Anlage erneut attraktiv werden, solange die Politik mit immer mehr nicht vorhandenen Steuergeldern die Gewinne und Verluste sichert.

Wenn die Regierung sagt, dass sie sich mit Rettungsschirmen Zeit verschafft hat, bedeutet das im Klartext, dass die Finanzmärkte dank verschobenem Zahlungsausfall Griechenlands weiter Kasse machen können und zwar mit dem Handel von unterbewerteten Papieren, die im Kurs automatisch wieder steigen, je näher das Fälligkeitsdatum rückt. Die Frage ist nur, wie lange Merkel, Schäuble und Co. dieses absurde Spiel zu Gunsten der Kreditinstitute und zu Lasten der Allgemeinheit noch weitertreiben können.

Hätte es von Anfang an Eurobonds gegeben und damit eine offene Gemeinschaftshaftung aller, die es heute ja auch schon gibt, bloß offen nicht so genannt werden darf, wäre die Spekulation gegen einzelne Mitgliedsstaaten faktisch ausgeschlossen. Mit gemeinsamen Eurobonds läge der Fokus dann auch verstärkt auf den Leistungsbilanzungleichgewichten innerhalb Europas und man würde noch stärker als bisher auch über die deutschen Exportüberschüsse reden müssen.

Immerhin ist in den europäischen Gremien die Erkenntnis schon lange gereift, dass hohe Exportüberschüsse das wirtschaftliche Gleichgewicht Europas gefährden und genauso sanktioniert gehören, wie permanente Defizite. Davon will die Bundesregierung aber nichts wissen, obwohl sie einem Abbau der Überschüsse auf EU-Ebene durch eine Ankurbelung des deutschen Binnenkonsums bereits zugestimmt hat.

Auch die deutsche Öffentlichkeit will nichts davon wissen und hackt lieber auf den faulen und betrügerischen Griechen rum, als sich die Frage zu stellen, welchen Konstruktionsfehler die Währungsunion hat, egal ob Griechenland nun EU-Mitglied geworden wäre oder nicht.

Die Occupy Wall Street Bewegung, an der am Samstag auch in Deutschland Zehntausende teilgenommen haben – was aber kaum berichtet wurde –, steht in der Tradition des arabischen Frühlings und richtet sich gegen plutokratische Verhältnisse und vor allem gegen eine zu banken- und wirtschaftsfreundliche Politik, die im Ergebnis sozialen Kahlschlag und soziale Ungerechtigkeit billigend in Kauf nimmt. Wenn Schäuble also die Proteste als Bewegung gegen die Macht der Finanzmärkte versteht, die die Politik vor sich hertreiben, hat er nichts verstanden. Vor allem hat er wieder einmal unter Beweis gestellt, dass er mit Demokratie und die sie tragenden Institutionen nichts anfangen kann.

In einer Demokratie dürften Finanzmärkte nämlich überhaupt nichts zu sagen haben, weil der Souverän nicht die Bankenvorstände wählt, sondern die Abgeordneten der Parlamente, die erst entscheiden, was Finanzmärkte dürfen und was nicht. Wenn der Bundesfinanzminister nun feststellt, von irgendjemand anderem als dem Volk getrieben zu werden, sollte er sich fragen, wann und warum er es ihm erlaubt hat. Die Krise der Demokratie ist schon da. Sie muss nicht erst auf den Vertrauensverlust der Finanzmärkte warten…

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