Zwischen Ökonomie und Symbolpolitik

Geschrieben von: am 06. Dez 2008 um 13:03

Bei der aktuellen Krisendiskussion zeigt sich einmal mehr der nichtvorhandene oder mit Absicht ausgeblendete ökonomische Sachverstand innerhalb der Bundesregierung, besonders in der CDU. Die kategorische Ablehnung von konsumstabilisierenden Maßnahmen ist so dämlich und schädlich zugleich, dass man schon von vorsätzlichem Zerstörungswerk sprechen kann.

Besonders dümmlich sind die Gründe, die für die Verweigerungshaltung angeführt werden. Thomas Fricke, Chefökonom der FTD, nimmt in seiner Kolumne „Konsumschecks statt Provinzgezeter“ den geistigen Dünnpfiff auseinander.

Über eine dieser schlimmen Begründungen habe ich ja schon berichtet. Das angeblich tolle Weihnachtsgeschäft zeige, dass keine Konjunkturmaßnahmen mehr nötig seien. So lautet die offizielle Sprachregelung der CDU, die man wohl auf dem jüngsten Parteitag gefunden hat. Nach Roland Pofalla und Roland Koch bläst nun vor allem Volker Kauder, „Global Chief Economist der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands“ (Zitat: Fricke) in dieses realitätsfremde Horn. Völlig außer Acht lassend, dass nirgendwo sonst auf der Welt, der Konsum so dermaßen eingebrochen ist, wie in Deutschland. Und das nicht erst seit gestern. Bereits Anfang 2007 war der dramatische Rückgang der Binnennachfrage statistisch meßbar und erkennbar.

In der Krise schrumpft keine andere Volkswirtschaft schneller. Die Prognosen sehen von allen Instituten katastrophal aus. Knapp eine Million Jobs stehen auf dem Spiel. Die Autobranche z.B. scheinen die Experten schon wieder vergessen zu haben. Stattdessen bewundern diese Berufsdeppen ihr mit Augenmaß eingeleitetes Programm, dessen Wirkung man erst einmal abwarten müsse. Mit Ökonomie hat das nichts zu tun. Der Oberdepp der CDU ist eigentlich von der SPD und heißt Peer Steinbrück. Der hat im Sommer gesagt, dass man erst handelt, wenn die Krise da ist. Dann war die Krise da und dieser Sprüche klopfende Spinner erzählt, dass man die Auswirkungen der Krise erst analysieren müsse. Man kann es nur wiederholen. Diesen ausgwiesenen Blödmann als umsichtigen Krisenmanager zu feiern, grenzt schon an Volksverdummung.

Aber besonders dämlich ist die Behauptung, dass geschenktes Geld einfach ausgegeben würde und spurlos verschwinde. :crazy: Und dann auch noch für ausländische Waren. 8| Das sagen gerade die richtigen. Als Exportweltmeister profitierten wir jahrelang von der Kaufkraft anderer Volkswirtschaften. D.h. andere Länder verschuldeten sich, um unsere Güter zu kaufen. Deren Defizite waren unsere Überschüsse. Und nun wollen wir nix rausrücken. Kein Wunder, dass uns der Zorn der halben Welt entgegenschlägt.

Unser wirtschaftspolitischer Dauersenkungswettlauf wird nun zum Bummerrang. Die Dogmatiker wollen nach wie vor nicht einsehen, dass ihr Modell des betriebswirtschaftlichen Kostensenkens zu Lasten der volkswirtschaftlich relevanten Lohnentwicklung gescheitert ist. Ohne eine deutliche Konsumbelebung, wird es zur schwersten Rezession kommen, die Deutschland je gesehen hat. Dazu braucht man keine Koalitionsrunde Anfang Januar.

Derweil rühmt man sich, beim BKA-Gesetz oder bei der Reform der Arbeitsmarktreformen etwas beschlossen zu haben. Die politische Senkung der Löhne in Gestalt der Herabsetzung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung wird als konsumfördernd verkauft. Dabei geht es um sechs Euro, hat mal jemand ausgerechnet und auf der anderen Seite um eine deutliche Leistungskürzung bei den Arbeitsagenturen, über die sich viele Arbeitslose im kommenden Jahr zurecht ärgern werden.

Bei der mickrigen Kindergelderhöhung geht der Zank indes weiter. Der Bundesrat hat mit Nein gestimmt. Auch dies ist ein deutliches Zeichen dafür, welch krisenbewusster Geist durch die Reihen unserer Volksvertreter weht. Wahrscheinlich hat gerade deshalb unser Bundeshorst als erster CDU-Mann im Staat eine für diese Partei typische Debatte über nationale Symbole und Nationalstolz losgetreten. Den Vorlauf lieferte ja Peter Müllers „Deutsch im Grundgesetz“ Gesabbel vom Parteitag in Stuttgart. In der Krise spielen die Rechten gern die nationale Karte, um von den zentralen Problemen abzulenken.

Schließlich brauche eine Demokratie Emotionen und Symbole wie Flagge und Hymne, so Köhler. Falsch. Eine Demokratie braucht Bürger, die sich gegen diesen Blödsinn zur Wehr setzen und ihre Regierung zum Handeln in der Krise zwingen. Eine Demokratie braucht Bürger, die in der Lage sind, ihrer Regierung und deren Mietmäulern in den Medien sprichwörtlich in den Arsch zu treten, wenn diese dauerhaft gegen die Interessen des Souveräns agieren. Die Zeit wäre reif…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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