Demokratie in Ägypten unerwünscht

Geschrieben von: am 04. Feb 2011 um 17:33

Wenn man die deutschen Medien so verfolgt, dann überwiegt doch Skepsis beim Blick auf Ägypten. Ein „demokratischer Frühling“ sei eher nicht zu erwarten, heißt es immer wieder. Vielmehr sorgt sich die hiesige Meinungsführerschaft um die Stabilität in der Region. Wie gut das Ägypten ein vornehmlich islamisch geprägtes Land ist. Da fällt einem das Fürchten vor religiösen Hardlinern, die die Macht einfach so ergreifen könnten, natürlich nicht so schwer. Dabei wollen die Muslimbrüder, die aus Sicht des Westens als radikale Gesinnungsgruppe für den Job in Frage kämen, gar nicht so fundamentalistisch und agressiv sein, wie sie der Westen gerne sehen würde. Nö, die Brüder haben erklärt, sich nach einem Sturz Mubaraks und möglichen Neuwahlen nicht an einer Regierung beteiligen zu wollen und auch sonst zeigt man aus der Richtung kein sonderliches Interesse an den Vorgängen. Man könnte fast meinen, die Muslimbrüder seien Angestellte der ARD-Aktuell-Redaktion.

Den Muslimbrüdern soll es wirtschaftlich auch besser gehen als dem Rest der Bevölkerung, insofern sieht man wohl keinen Handlungsbedarf, nun auf einmal das Klischee von religiös verirrten Fanatikern und wohmöglich noch wild umher bombenden Terroristen zu erfüllen. All das ignoriert aber natürlich unser journalistisches Panikorchester, das bereits eine bizarre Melodie vor sich hinspielt. Wer gestern das heute journal im ZDF verfolgt hat, wird vielleicht den Kommentar vom Chefredakteur Das glaubt uns doch kein Mensch Peter Frey gehört und gesehen haben. Er, selber christlicher Fundamentalist, weil Mitglied im ZK der deutschen Katholiken, phantasiert in seinem Redebeitrag von einem anderen Iran, in dem der Koran zur Staatsräson werden könnte. Das würde die Stabilität in der Region gefährden, so Peterchens Befürchtung. Dabei sorgt sich Frey besonders um die Stabilität der Schifffahrtswege und des Energienachschubs.

Deshalb kann er der „Steinewerfer-Revolution“ auch nicht sonderlich viel abgewinnen und bezweifelt zum Ende hin, dass eine schnelle Demokratie zu haben sei. Er fordert dann auch, Realitäten zu erkennen und Ägypten vorm Bürgerkrieg zu retten, indem man den Übergang organisiert (man erfährt allerdings nicht wer das sein oder machen soll, vielleicht zu Guttenberg?). Da werden sich die Ägypter aber bedanken, wenn nicht sie, sondern der scheinbar aufgeklärte und säkularisierte Westen darüber entscheidet, wer an Suez-Kanal und Nil die Stabilität bestimmen darf.

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In der Mediathek des ZDF finden sie die komplette Sendung des heute journals vom 3. Februar. Die Mediathek ist einfach spitze, das muss man sagen. Die einzelnen Themen der Sendung können nämlich bequem per Mausklick aufgerufen werden. So können sie zum schlechten Kommentar von Frey ganz einfach hin navigieren und müssen nicht umständlich den Schieberegler bedienen und selbst suchen.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1250354/ZDF-heute-journal-vom-03.-Februar-2011#/beitrag/video/1250354/ZDF-heute-journal-vom-03.-Februar-2011

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. seniorbonn  Februar 4, 2011

    Es wäre zu wünschen und zu begrüßen, wenn Ägypten zur Demokratie (hoffentlich einer besseren als in Deutschland) finden würde. Allerdings kann man nur hoffen, dass in Ägypten nicht die gleiche Entwicklung stattfinden wird wie in der Vergangenheit im Iran. Der Schah wurde gestürzt, radikale Muslime übernahmen die Macht. Der Teufel wurde mit Beelzebub ausgetrieben. Warten wir mal die Entwicklung ab und beobachten den Einfluss der Muslimbrüder.

    • adtstar  Februar 4, 2011

      Das Problem ist halt, dass wir annehmen, die Ägypter seien Hinterwäldler, die nicht mitbekommen haben, was beispielsweise im Iran vor zwei Jahren los war. Der Bevölkerung im Gottesstaat geht es nämlich auch nicht sonderlich gut und fühlt sich von ihrer Regierung verschaukelt, deshalb ist man auf die Straße gegangen.

      Peter Frey hat das wahrscheinlich auch nicht mitbekommen. Ein deutscher Hinterwäldler eben. Warum sollte also ausgerechnet eine Gefahr der Iranisierung bestehen? Die Ägypter wären ja schön blöd, sich so ein Regime ans Bein zu binden. Die Menschen wollen bessere Jobs und eine Perspektive und nicht die Sharia.

  2. jack  Februar 8, 2011

    Demokratie muß man mühevoll erlernen..
    und nicht
    übergestüllpt bekommen …und von wem denn ?