Nachtrag zur Steuerschätzung

Geschrieben von: am 15. Mai 2009 um 17:15

Das Interview mit Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank in der heutigen Ausgabe der Neuen Presse Hannover spricht Bände. Offenbar ist der Redaktion sehr daran gelegen, das Bild zu transportieren, dass der Staat wieder sparen müsse. Das Agentur-Bild vom „Deutschen Michel“, der einen Schuldensack trägt, findet sich nicht nur in der NP, sondern mal wieder deutschlandweit. Albrecht Müller berichtet auf den NachDenkSeiten von seiner Tageszeitung Rheinpfalz, in der dieselbe Aktion mit entsprechendem Begleittext zu sehen ist.

In der Neuen Presse findet sich unter der Überschrift „Krisenmonopoly: „Zurück auf Los““ noch ein weiterer Bericht über die konkreten Auswirkungen auf Niedersachsen. Ministerpräsident Wulff will zwar in der Krise nicht sparen, aber das Projekt beitragsfreie Kita wird es wohl nicht geben. Okay, wieder Abstriche bei der Bildung, in die man in Sonntagsreden doch immer so unglaublich viel investieren will, weil davon doch unsere Zukunft abhinge. Aber die Krise und die nun geschätzten Steuerausfälle haben halt alle total überrascht. Damit konnte ja nun keiner rechnen. Alles aus heiterem Himmel. Und die vielen Schulden, die nun auf uns zukommen. Schrecklich. Sparvorschläge müssen her.

Und die Neue Presse liefert natürlich welche. Wen fragt man da immer. Natürlich den Bernhard Zentgraf vom Steuerzahlerbund Niedersachsen. Der schnackt immer ganz ordentlich. Mit dem durfte ich auch schon quatschen. Die Regierung müsse die Zügel wieder stärker anziehen, sagt er und zwar bei den Personalkosten – wo auch sonst. Die Wiederbesetzungssperre im öffentlichen Dienst soll noch schärfer ausfallen. Da fragt man sich verdutzt, was an einer nicht wieder besetzten Stelle noch schärfer geregelt werden kann, aber Herr Zentgraf ist natürlich ein Fuchs und schiebt gleich hinterher, dass auch die Arbeitszeiten der Verbliebenen und noch nicht im Dienst Verblichenen weiter verlängert werden müssen. Alles klar. Ausquetschen bis nix mehr geht, lautet das Motto.

Aus der heutigen Zeitungslektüre wird ganz deutlich, bei wem in Zukunft gespart werden muss. Herr Walter von der Deutschen Bank hat es ja gesagt. Transferleistungen einstampfen und Ausgaben runterfahren. Wer regt sich eigentlich angesichts dieser hinterhältigen NP-Kampagne, die nur darauf abzielt, mal wieder das Lied von den Ausgabenkürzungen zu trällern, darüber auf, dass Thilo Sarrazin (SPD) als frisch gebackener Bundesbankvorstand gegen Hartz IV Empfänger hetzt und medienwirksam z.B. fordert, die gesetzliche Rente auf ein Grundniveau abzusenken. Eigentlich müsste die Redaktion der Neuen Presse Hannover diesem Vogel eine Altar-Seite einrichten.

Dann wäre zum Abschluss noch ein Wort an den neuen Bürgerkönig zu verlieren, der heute in Hannover mit sozialistischem Wahlergebnis und ohne Gegenkandidaten gewählt worden ist. Dieses aristokratische Gehabe scheint mir auch eine Mediennummer zu sein (Die Zeit schreibt von der „Krönungsmesse„). Die Neue Presse musste heute unbedingt melden, dass Guido Westerwelle im Maritim die Präsidentensuite bezog, während die Altvorderen Graf Lambsdorff und Genscher sich mit Seniorsuiten begnügen mussten.

Neben der Neuen Presse Hannover und anderer Medien haben sich in Hannover so viele Wirtschaftsvertreter und Lobbyisten wie noch nie versammelt, um der FDP und ihrem König den Hof zu machen. Denn Westerwelle verspricht als einziger Steuersenkungen und reklamiert für seine Partei das „Copyright“ auf die Zuschreibung „Steuersenkungspartei“. Ist es da ein Wunder, dass dieser blaugelbe Kasperverein in den Umfragen ganz oben steht? Oder wie Wolfgang Lieb es treffend schreibt…

„…könnte es nicht einfach so sein, dass die oberen 10 Prozent und dazu noch die Yuppies, die meinen, dass sie auch dazu gehören, sich in der Krise deswegen besonders hartnäckig an die FDP klammern, weil diese Partei als Mitglied einer Regierungskoalition ein Garant für ihre Pfründe ist?“

Und was haben die oberen 10 Prozent im Überfluss?

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. adtstar  Mai 15, 2009

    Übrigens: Westerwelle hat in seiner Rede eine Drohung ausgesprochen. Und zwar an alle, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen müssen. Es dürfe kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit bestehen.