Brüssels Vorschläge in der Krise

Geschrieben von: am 29. Mai 2013 um 19:20

Die Europäische Kommission hat den Mitgliedsstaaten ein Zeugnis ausgestellt. Nach übereinstimmenden Medienberichten komme Deutschland dabei mal wieder besonders gut weg. Während Staaten wie Frankreich und Spanien „Milde“ erfahren und gleichzeitig zu Reformen aufgefordert werden, spricht Brüssel der deutschen Regierung lediglich Empfehlungen aus.

Das Land solle mehr für die Binnennachfrage tun und etwa die Belastung von Geringverdienern durch hohe Steuern und Sozialabgaben ändern. „Deutschland sollte mehr tun, um die auf Niedriglöhne erhobenen hohen Steuern und Sozialabgaben zu verringern“, heißt es im Originaltext der Kommission. Von höheren Löhnen ist aber nicht die Rede, dafür eine Feststellung, die alle Medien bewusst überlesen.

Die Reallöhne liegen zwar nach wie vor unter dem Stand von 2000, was zum strukturellen Rückgang der Arbeitslosenquote von 8 % auf 5,5 % beigetragen hat, doch hat seitdem bei den Reallöhnen ein dynamisches Wachstum eingesetzt, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Gleichzeitig haben die Lohndisparitäten zugenommen.“

Sinkende oder stagnierende Reallöhne seit mehr als zehn Jahren sind gut, haben dummerweise aber auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Deshalb sollen die Preise sinken, damit sich Geringverdiener auch etwas leisten können, meint die Kommission.

„Deutschland sollte stärker an der Öffnung des Dienstleistungssektors arbeiten, indem ungerechtfertigte Beschränkungen und Marktzutrittsschranken abgeschafft werden, was das Preisniveau senken und Dienstleistungen für die unteren Einkommensgruppen bezahlbarer machen wird.“

Hier wird das neoliberale Dogma konsequent zu Ende gedacht. In Deutschland aber wird auch darüber gelacht. Finanzminister Schäuble behauptet einfach steif und fest, dass die Binnennachfrage zuletzt deutlich gestiegen sei und die deutschen Verbraucher kaufen würden, was das Zeug hält, was nachweislich einfach nicht stimmt.

Beim Sparen sei Deutschland aber weiterhin ein Musterschüler. Dieses Lob greifen deutsche Medien nur allzu gern auf, ohne darauf zu verweisen, dass die günstigen Refinanzierungsbedingungen des deutschen Staates eine direkte Folge der Eurokrise und der von Deutschland aus immer wieder angeheizten Spekulation gegen südeuropäische Länder sind.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. jenny  Mai 30, 2013

    wenn man dem Zeitartikel und den Kommentaren glauben darf, dann soll als Gegenleistung die Mehrwertsteuer angeglichen werden auf 16%. Güter des täglichen Bedarfs wie LM werden dann noch teurer. Es geht gar nicht darum Geringverdiener zu entlasten. Von den Sozialabgabensenkungen entstehen auch die Rentensenkungen und das Austrocknen der Sozialkassen, wenn man Pech hat, wieder weniger Gegenleistungen.

    Meine Rente liegt nachher schon im Hartz IV Bereich, wenn man da weiter Sozialabgaben senkt und zeitgleich die Rente vom Lebenseinkommen abhängig macht, sinkt schon wieder meine Rente. Wo soll das Geringverdienerfreundlich sein?

    sowas wäre nur fair, wenn man das ausgleicht und teilentkoppelt vom Einkommen.

    im Endeffekt würde man nachher drauf zahlen

    denn: Steuern zahlt man kaum, Steuersenkungen betragen also nur wenige Euro.
    SV-Beiträge braucht man für seine Gegenleistungen wie Rente und ALV, KV – da profitiert dann der Arbeitgeber mit = indirekte Lohnsenkung
    MW-Steuer, Nutzungebühren, Mauten: sowas kriegen Geringverdiener immer volle Brreitseite ab

    ich erwarte in DE schon gar nichts anderes mehr, als das man Geringverdiener belastet. Die haben einfach keine Lobby.

    danke auch, das man in DE so tolle Berufsaussichten hat. Danke auch noch mal, das es hier nicht mal Weiterbildung gibt – „nur nach dienstlichen Bedarf in der einen Abteilung, obwohl man sich ja bundesweit mit der Weiterbildung bewerben könnte. So bleibt man dann auch schön garantiert ein leben Lang in der unteren Lohngruppe gefangen, oder soll ich soll ich sagen „Leichtlohngruppe für Frauen“

    irgendjemanden muss man ja in der Geringverdienerkaste einsperren – nimm doch die Frauen und mach das Bildungssystem so, dass Nichtgymnasiasten nur über große Umwege wieder da rauskommen und nachher zu alt sind, um ne Stelle zu finden.