Passende Maske für jede Gelegenheit

Geschrieben von: am 01. Mrz 2021 um 9:21

Man schließe Kitas und Schulen nur, um sie als erstes wieder zu öffnen. So in etwa lautete das Versprechen der Ministerpräsidenten nach dem Jahreswechsel und dem Beginn der absurdesten Maßnahmen, die das Land bislang gesehen hat. Heute öffnen die Friseure. Wegen der Würde. Und in Bayern, dem Land des härtesten Hardliners, dürfen sogar die Baumärkte wieder Kunden empfangen. Eine lebensnahe Entscheidung, wie es zur Begründung hieß. Das verwundert die einen, aber die anderen wissen, dass der Opportunist eben für jede Gelegenheit die passende Maske hat.

Ein Staat drangsaliert seine Bürger, um sein eigenes Scheitern zu übertünchen, schreibt der Chefredakteur der Bild. Aber ist das so? Auf den ersten Blick vielleicht. Denn für was sollen Verweilverbote in Düsseldorf oder Polizeihubschrauber über Hamburgs Parks, die nach Maskenmuffeln Ausschau halten, auch sonst stehen. Es kann aber auch sein, dass dieser absurde Verordnungsfetischismus bewusst übertrieben wird, um das Vertrauen in die Maßnahmen weiter zu beschädigen. Ein Ziel könnte ja auch sein, den Druck auf die lame duck im Kanzleramt zu erhöhen, die außer Schließen und der Panik vor Mutanten nichts anderes zu bieten hat.

Sie lasse sich nicht vorwerfen, dass sie Kinder quält, soll Merkel in einer dieser Runden einmal gesagt haben, die seit einem Jahr über die Geschicke des Landes bestimmt. Natürlich tut sie das nicht. Ziel des durchgestochenen Zitats sollte sein, die Reihen hinter Merkel zu schließen. Selbst Kritiker der Maßnahmen fühlten sich berufen, die Kanzlerin zu verteidigen. Doch wer hatte denn eigentlich behauptet, Merkel würde die Kinder quälen? Richtig, die Regierungschefin selber, als sie merkte, dass die Länderchefs, die für Schulen und Kitas nun einmal verantwortlich sind, auch über die Folgen eines länger anhaltenden Shutdowns in den Einrichtungen diskutieren wollten.

Das hat wiederum zu dem Ergebnis geführt, dass Schulen und Kitas grundsätzlich geschlossen blieben, man sich aber darüber bewusst geworden sei, welche Belastung das gerade für Kinder und Jugendliche bedeute. Sie sollten daher auch die ersten sein, die von Lockerungen profitieren. An dieses Versprechen erinnern sich die Länderchefs nun aber nicht mehr. Niedersachsen wollte beispielsweise zum 1. März wieder mehr Kindern den Besuch einer Bildungseinrichtung ermöglichen. Dieser Plan wurde allerdings beiläufig verschoben. Die Nachfrage von Journalisten brachte darüber erst Klarheit. Regierungssprecherin Anke Pörksen meinte, dass man die Bund-Länder-Beratungen am 3. März abwarten wolle. Außerdem sei der Lockdown ja bis zum 7. März vereinbart.

Blame Game

Darin drückt sich natürlich einmal mehr die Sorge über wieder steigende Infektionszahlen aus. Sie bleiben das Maß aller Dinge, obwohl die Aussagekraft der Inzidenzen zunehmend in Zweifel gezogen wird und diese bei Öffnungen anderer Bereiche auch keine große Rolle mehr zu spielen scheinen. Aber das ist jetzt nicht entscheidend, sondern vielmehr die Frage, welche Planungssicherheit die Regierung eigentlich den Bürgern noch verkaufen will, wenn das Klammern an eine Zahl, deren Bewegung man weder abschätzen noch nachvollziehen kann, nicht aufhört? Möglicherweise will man aber genau das sichtbar machen und den angerichteten Schaden, beispielsweise an Kindern und Jugendlichen als Druckmittel benutzen, um das Kanzleramt und die Bund-Länder-Runde zu einer klaren Aussage zu drängen.

Das könnte natürlich funktionieren, wäre aber trotzdem schäbig, weil das politische Geschäft einmal mehr auf dem Rücken der Jüngsten betrieben wird. Dass sich die Bundeskanzlerin nicht kampflos geschlagen gibt, hat sie übrigens in der Auseinandersetzung um die Einführung der kostenlosen Schnelltests bewiesen. So pfiff sie ihren Gesundheitsminister zurück, der den großen Befreiungsschlag in dieser Pandemie ebenfalls für den 1. März angekündigt hatte. Gut möglich, dass Merkel einen neuen populären Plan, der eine Teststrategie in Verbindung mit Öffnungen vorsieht, selbst verkünden will. Derweil ist der Gesundheitsminister zum Abschuss freigegeben, dem plötzlich ein länger zurückliegendes Abendessen zum Verhängnis wird, das sich als CDU-Spendendinner entpuppt hat.

Es ist das alte Spiel mit dem Prügelknaben, der in diesem Fall Jens Spahn heißt und der seinen Kopf hinhalten muss, weil die Chefin eine viel zu späte Kehrtwende hinlegt. Die wirkte mit ihrem Inzidenzgewürfel und Mutantenalarmismus zunehmend isoliert und drohte das Momentum zu verlieren, wie der Tagesspiegel treffend schreibt. Spahn zu opfern, damit sie trotz eines Komplettversagens beim Pandemiemanagement die beliebteste Politikerin des Landes bleiben kann, folgt einem bekannten Muster. Den Falschen trifft es dabei nicht. Der Gesundheitsminister war schon immer eine Fehlbesetzung, der vor allem viel Geld für Marketing verplemperte. Doch auch Merkel als Regierungschefin ist angesichts des Schadens, den sie in Deutschland und Europa bereits angerichtet hat, untragbar. Doch seit beinahe 16 Jahren gelingt es ihr immer wieder, die jeweils passende Maske aufzusetzen.


Bildnachweis: Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Anette Boeke  März 2, 2021

    „Der Gesundheitsminister war schon immer eine Fehlbesetzung, der vor allem viel Geld für Marketing verplemperte.“ ist verharmlosend. Ich denke eher an die Geschenke an die Pharmagrößen. Freigabe der Patientendaten, Entsorgung der Millionen von mangelhaften FNP2- Masken durch deren Tragepflicht, erfolgreichem Propaganda-Feldzug den Bürgern gesundheitsschädigenden Verhaltens aufzuzwingen, Aushebelung der Menschenwürde nicht nur für pflegebedürftige Mitmenschen, Kindern etc.). Er ist nicht nur „Bauernopfer“ sondern in seiner Funktion als Weisungsbefugter gegenüber dem RKI, seiner Alleinentscheidungsbefugnisse nach dem Infektionsschutzgesetz etc. persönlich verantwortlich. Für mich ist es auch eine Obrigkeitshörigkeit, wenn wir Bürger den Schaden der Verantwortlichen in Politik, Wissenschaft und Medien ständig konsequenzlos relativieren.