Mutlose SPD

Geschrieben von: am 25. Jun 2017 um 17:42

In Großbritannien begeistert ein Jeremy Corbyn mit der Formulierung „For the many, not the few“. Dahinter steckt ein Projekt der ernsthaften Erneuerung. Eine Alternative zur Alternativlosigkeit. In Deutschland findet Martin Schulz, sei es an der Zeit für mehr Gerechtigkeit, doziert dann aber stundenlang über die asymmetrische Demobilisierung und jammert über die Schwarzen, mit denen seine Sozen aber gern im Bett herum lümmeln.

Die SPD hat heute ihr Wahlprogramm beschlossen, also etwas, auf das andere bislang verzichten, wie die Sozialdemokraten meinen. Doch welche Begeisterungsformel steckt in dem Programm eigentlich drin, um ein gutes Wahlergebnis im Herbst erzielen zu können? Geschlossenheit. Das war die Hauptbotschaft aus der Dortmunder Westfalenhalle. Mehr gibt es nicht zu sagen, denn Diskussionen fanden gar nicht statt. Nicht einmal um angeblich strittige Themen wie die Vermögenssteuer. Zwar hat die Partei ein dickes Programm zusammengestellt, tut aber so, als hätte sie nicht gerade noch im Bundestag Seit an Seit mit Angela Merkel gegen die eigenen Überzeugungen gestimmt.

Die Beispiele sind endlos. Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung hat die SPD-Bundestagsfraktion am Freitag erneut abgelehnt. Heute steht sie im Wahlprogramm wieder drin. Die Verletzung von Grundrechten durch die Nutzung von Staatstrojanern hat die SPD ebenfalls letzte Woche im Bundestag beschlossen. Heute sagt Schulz unter dem Applaus der Delegierten: Jeder, der Grundrechte der Verfassung infrage stellen wolle, habe in der SPD eine entschiedene Gegnerin. Ja offensichtlich nicht! Die Ehe für alle wird auch wieder als Forderung erhoben. Schulz wolle keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem diese nicht festgeschrieben sei. Doch zusammen mit der Union hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Beschluss im Bundestag rund 30 Mal vertragt.

Der SPD fehlt es durch und durch an Glaubwürdigkeit, jammert aber über Merkel, die eine besondere Demokratieverachtung an den Tag lege. Das ist sicherlich richtig, doch wer wählt die denn immer wieder zur Kanzlerin? Die SPD-Fraktion. Wer trägt denn Merkels Politik auch gegen die eigenen Überzeugungen und trotz anderer Mehrheiten im Bundestag ständig mit und lässt sich sogar den Koalitionsbruch (siehe Rückkehrrecht in Vollzeit) seitens der Union gefallen? Die SPD-Fraktion. Und wer redet ständig von Gerechtigkeit und lädt sich dann ausgerechnet Agenda-Schröder zum Parteitag ein? Der darf dann auch noch sein desaströses Abschneiden von 2005 als Beispiel der Hoffnung anführen. So als ob es nicht diese vorgezogene Neuwahl war, die Angela Merkel erst ins Kanzleramt brachte, wo sie auch nach dem 24. September dank dieser mutlosen SPD auch weiterhin bleiben wird.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. tag heute  Juni 25, 2017

    „SPD“ als „Seeheimer Kreis Partei Deutschlands“ lesen und schon passt der Name zur rechtsgerichteten Politik.

  2. Hartmut Schwarz  Juni 26, 2017

    Letztundendlich ist dieser Tag der SPD in Dortmund, mit einem Wahlprogramm, nur noch Makulatur und theoretisch, denn in der Praxis zeigt die SPD ihre wahre Absicht, so mit der erst kürzlich beschlossenen“Betriebsrente“ ala Nahles, die noch mal diese „Betriebsrente“ aus der Agenda 2010 von Gerhard Schröder aufmacht. Diese“Betriebsrente“ dient in erster Linie der Schwächung der gesetzlichen Rente. Das Wahlprogramm ist die Theorie – die Betriebsrente die Praxis. Wer sich noch einmal genauer informieren möchte, dem sei die Sendung Kontraste vom 22.06.2017 zu empfehlen.In 8 Minuten wird das Dortmunder Wahlprogramm der SPD zur reinen Farce demonstriert.

  3. Rauschi  Juni 26, 2017

    Das ist ja alles vollkommen richtig, nur kann ja nicht das Ziel sein, die SPD auf unter 10% zu bringen, wenn linke Politik jemals Realität werden soll. Es ist unrealistisch zu denken, eine Regierung mit einem linken Programm wäre ohne die SPD möglich, das geben die Wählerpotentiale einfach nicht her. Was also tun?

    Ratlose Grüss Rauschi

    • André Tautenhahn  Juni 26, 2017

      Vollkommen richtig. Ohne die SPD geht es nicht. Deshalb ist es ja auch so traurig, dass es der Partei immer noch nicht gelingt, sich von ihrem Agenda-Personal zu trennen, sondern im Gegenteil einen wie Schröder wieder auf die Bühne stellt. Was für ein fatales Signal. Die SPD macht sich selbst zum Totalausfall. Leider. Ich wünschte, es wäre anders.

      • Rauschi  Juni 26, 2017

        Deshalb ist es ja auch so traurig, dass es der Partei immer noch nicht gelingt, sich von ihrem Agenda-Personal zu trennen, sondern im Gegenteil einen wie Schröder wieder auf die Bühne stellt.
        Die Analyse ist doch noch viel verheerender. Ich habe duzende SDP Abgeordnete angeschrieben, wegen der Griechenlandrettung, TTIP und CETA, und jetzt wegen der Autobahnprivatisierung. Es waren genau 2 darunter, die so abgestimmt haben, wie Sie mir vorher versichert haben. Alle anderen tragen Staatstrojaner und Zensur und die Privatisierung mit. Somit müssen wohl auch fast alle Abgeordneten ausgetauscht werden. Was ist von einer Basis zu halten, die Schröder auf einem Parteitag nicht massiv ausbuht? Klar soll Geschlossenheit demonstriert werden, aber doch nicht mit einem Verfechter der Agenda 2010. Dann muss auch noch die Basis ausgetauscht werden, was bleibt dann über?

        Gruss Rauschi

        • André Tautenhahn  Juni 26, 2017

          Vieles hängt eben aus meiner Sicht vom Führungspersonal ab, das zu überzeugen versteht.

          • Rauschi  Juni 26, 2017

            Warum versteht es denn Schröder immer noch zu überzeugen?
            Mir ist und bleibt es ein Rätsel, wie die Agenda 2010 dazu geführt haben soll, das unsere Unternehmen wettbewerbsfähiger wurden. Da werden angeblich lauter unproduktive ehemalige Arbeitslose in Arbeit zu miesen Löhnen genötigt und das soll die Unternehmen dermassen nach vorne gebracht haben? Wer glaubt denn sowas und lässt bis heute nicht von dieser kruden Sicht ab? Was für Abgeordnete und Basismitglieder sind das?

            Das Problem geht weit tiefer, glaube ich.

          • Hartmut Schwarz  Juni 26, 2017

            ..es gibt nur ein Führungspersonal und dem fehlt es an Mut soziale Politik umsetzen zu wollen, zu können ! Natürlich brauchen wir eine funktionierende Opposition. Aber alle bekannten politischen Entscheidungen wurden erst mit Stimmenhilfe der SPD verabschiedet. Das ist ist der Knackpunkt, der den SPD Wahlkampf unglaubwürdig macht. Das ist das Dilemma.

  4. Illoinen  Juni 26, 2017

    Die (S)PD sollte sich endlich ehrlich machen, und ihren Namen in (N)PD für Neoliberale Partei Deutschland umbenennen, das wäre ehrlicher.

  5. Hartmut Schwarz  Juni 26, 2017

    …was der SPD Glaubwürdigkeit bringen könnte, ist die deutliche und klare Absage an die GroKo mit der CDU/CSU. Damit ist ein Haltepunkt geschaffen, der deutlich eine Position erkennen läßt. Aus dieser Position ließe sich auch wieder Wahlkampf machen, der dem Wähler zeigt, nicht mehr mit Merkels CDU !