Blitzfehleinschätzung

Geschrieben von: am 25. Jan 2017 um 23:28

Quelle: Tagesschau

Was taugen Blitzumfragen? Glaubt man den Leuten der ARD, ziemlich viel. Denn der Sender hat nach der Kür von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD blitzschnell reagiert und Wähler danach befragt, wen sie zum Kanzler wählen würden, wenn sie es denn dürften. Demnach liegen die beiden Kandidaten Merkel und Schulz mit je 41 Prozent gleich auf. Ein überraschendes Ergebnis, wie die Redaktion von Tagesschau und Tagesthemen findet. Ist es aber nicht.

Zunächst einmal ist eine Direktwahl des Kanzlers ausgeschlossen. Man muss das immer wieder betonen, um klar zu machen, wie albern die Kanzlerfrage in Umfragen ist. Die Mitglieder des Bundestages wählen den Kanzler oder die Kanzlerin. Da braucht es dann halt Mehrheiten.

Sinnvoll wäre es daher gewesen, wenn die ARD gleich mal mit abgefragt hätte, ob die Wähler, die Schulz als Kanzler wählen würden, auch die SPD unterstützen. Denn mit derzeit 20 Prozent plus ein bisschen X wird es immer noch sehr schwierig eine eigene Mehrheit zu organisieren, um Schulz zum Kanzler zu wählen.

Da ist auch keine Spannung im Wahlkampf, wenn die SPD immer nur mit dem Neoliberalismus koaliert und mit klassischer Sozialdemokratie oder einem Politikwechsel relativ wenig am Hut hat. Im Übrigen hat der Kanzlerkandidat wie auch der SPD-Fraktionschef heute gerade wieder klargestellt, dass der Koalitionsvertrag mit der Union vollumfänglich erfüllt werde.

Die SPD betreibt damit wieder einmal ein Täuschungsmanöver. Auf der einen Seite gibt man sich kämpferisch und behauptet, mit allen Kräften das Kanzleramt erobern zu wollen. Auf der anderen Seite bleibt man aber der Union, trotz einer noch möglichen anderen Mehrheitsoption im Bundestag, bis zum Wahltag treu. Glaubwürdig ist das nicht.

Dass Martin Schulz in der Wählergunst plötzlich um 5 Prozentpunkte zugelegt hat, liegt wohl eher an der Blitzumfrage selber, die just in dem Moment gestellt wird, als der Name Martin Schulz über alle Bildschirme flimmert. Doch das Kalkül der SPD, Schulz als eine Art außerparlamentarischen Oppositionskandidaten in Stellung zu bringen, während Gabriel und Co weiter auf ihren Ministersesseln am Kabinettstisch hocken, wird scheitern.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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