Der Bundesinnenminister, der ja mal Verteidigungsminister war, hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz in dieser Woche kritisiert. Es sei nicht Aufgabe der Richter, „ständig dem Gesetzgeber in den Arm zu fallen“, wird der Minister im Spiegel zitiert.
Die Entscheidung des Gerichts erschwere seiner Meinung nach den Kampf gegen den Terrorismus. Mit anderen Worten: Die Grundrechte sind im Weg. Denn über nichts anderes, als deren Wahrung befindet das Bundesverfassungsgericht, wenn es um die Prüfung von Gesetzen angerufen wird.
Das scheint der Minister, wie übrigens auch einer seiner Amtsvorgänger, Wolfgang Schäuble, noch immer nicht begriffen zu haben. Schäuble führte seinerzeit sogar ein Streitgespräch mit dem ehemaligen und inzwischen verstorbenen Verfassungsrichter Winfried Hassemer. Schäuble im O-Ton:
„Wer Gesetze gestalten will, sollte sich bemühen, Mitglied des Deutschen Bundestages zu werden.“
Beide, Schäuble wie auch de Maizière erwecken damit den Eindruck, Karlsruhe hätte den Drang, an der Gesetzgebung mitgestalten zu wollen. Doch das ist eine böswillige Unterstellung, um davon abzulenken, dass die Regierung am laufenden Band Fehler produziert. Es ist eigentlich noch schlimmer, da regelmäßig vor der Verabschiedung eines Gesetzes, das Grundrechte berührt – und im Falle des BKA-Gesetzes war es genauso – alle fachlichen und rechtlichen Bedenken einfach beiseite gewischt werden.
Dabei geht es hier schlicht um einen Anspruch des Grundrechtsträgers auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des durch das betreffende Grundrecht geschützte Rechtsgut. Mit anderen Worten: Da gibt es keinen Gestaltungsspielraum für Minister, auch nicht für solche mit juristischem Staatsexamen. Die sollten es eigentlich besser wissen und keine fadenscheinigen Argumente erfinden.
Grundrechte können auch nicht hinter einer diffusen Gefährdungslage, die immer nur behauptet wird, zurücktreten. Das aber wünscht sich der Bundesinnenminister, dessen Antworten wie hier auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich einen Teil der Bevölkerung verunsichern müssen. Irgendwie scheint diese Regierung nichts von der Verfassung zu verstehen, die sie zu verteidigen geschworen hat.
Die Kanzlerin hebelt den Rechtsstaat mit der Begründung aus, dass nicht sie, sondern die Gerichte über die mutmaßliche Beleidigung eines ausländischen Staatschefs befinden sollen, obwohl das Gesetz eindeutig vorsieht, dass sie eine Entscheidungsbefugnis hat. Der Innenminister hingegen greift das Urteil der tatsächlich unabhängig agierenden Karlsruher Richter an, mit dem Vorwurf des ungerechtfertigten Eingriffs in die Regierungsarbeit.
Da fragt man sich, warum die immer wieder öffentlich zur Schau getragene Missachtung des Grundgesetzes nicht unter Strafe steht. Vielleicht passt ja Paragraph 90a StGB:
Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3)
1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht […]
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.