Heiner Flassbeck zum Schuldenschnitt und Röslers Konjunkturmärchen

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Alle in Bedrängnis geratenen Länder der Eurozone haben nicht nur ein Schuldenproblem, sondern auch ein Wachstumsproblem. Sie haben kein Mittel, sich aus der Rezession zu lösen, sondern geraten wegen der Sparauflagen der Gläubiger immer tiefer hinein. Die Rückkehr zu Wachstum ist aber die Voraussetzung für eine dauerhafte Milderung des Schuldenproblems. Wenn ein Gläubiger nun großzügigerweise auf einen Teil seiner Forderungen verzichtet, ist das Wachstumsproblem in keiner Weise gelöst, ja, seine Lösung wird sogar erheblich erschwert.

Quelle: Heiner Flassbeck via Badische Zeitung

Das Wachstumsproblem muss man auch nicht lösen, wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler gestern meinte, als er die Konjunkturerwartung der Bundesregierung für nächstes Jahr mit der Bemerkung kommentierte:

“Von einer Rezession, die manche herbeireden wollen, kann ausdrücklich keine Rede sein. Auch ein Prozent Wachstum ist natürlich Wachstum. Es geht also weiter aufwärts”

Quelle: Reuters

Man muss die volkswirtschaftlichen Kennzahlen einfach auf FDP-Art interpretieren und schon bekommt Deutschland ein “gelbes Trikot” vom Bundesminister verpasst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch irgendjemand witzig findet. Vor allem dann nicht, wenn ganz offensichtlich mit einer gewollten und irreführenden Verknüpfung von Zahlen der Eindruck eines anhaltenden Aufschwungs vermittelt werden soll.

Die Löhne steigen. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte steigen 2011 um 3,2 Prozent, 2012 um 2,9 Prozent. Die verfügbaren Einkommen verzeichnen damit in zwei aufeinander folgenden Jahren den größten Anstieg seit dem Wiedervereinigungsboom.   

Quelle: BMWi

Die verfügbaren Einkommen sind nicht gleich Löhne. Umgekehrt sind die Löhne nur ein Teil der verfügbaren Einkommen. Zur Gruppe der verfügbaren Einkommen gehören aber auch Vermögenseinkünfte, die in der Tat deutlich zugenommen haben und weiter zunehmen werden. Die Arbeitnehmereinkommen haben auch im Jahr 2010 real an Kaufkraft verloren und sollen laut Prognose nur mäßig zulegen. Hier noch einmal die richtige Projektion im Vergleich zu den Einkünften aus Vermögen und Unternehmenstätigkeit.

Löhne und Gewinne

Wenn der Bundeswirtschaftsminister weiterhin behauptet, dass die Binnennachfrage zum Tragpfeiler des Wirtschaftswachstums geworden sei und im nächsten Jahr noch stärker werde, sagt er schlicht die Unwahrheit. Wenn er ferner die Befürchtungen vor einer Rezession als unbegründet zurückweist, um abermals die alberne Forderung seiner Partei nach Steuersenkungen zu rechtfertigen, macht er sich schuldig, dem Land wider besseres Wissen Schaden zufügen zu wollen.

Deutschland ist nicht “Stabilitätsanker und Wachstumsmotor für Europa”, sondern bei anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen der Totengräber aller anderen in der Eurozone und schaufelt damit auch an einem noch tieferen Loch für sich selbst als 2009. Der zweite Zusammenbruch der Weltwirtschaft hat schon begonnen. Nur wird dieses mal niemand auf der Welt bereit sein, Konjunkturprogramme aufzulegen, um Deutschlands Exportwirtschaft zu retten.   

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blogintern: Statistik 09/11 und zum neuen deutschen Angriffskrieg

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Ich gebe zu, von dem spätsommerlichen Wetter gefangen worden zu sein und neben der beruflichen Arbeit kaum Zeit für diesen Blog gefunden zu haben. Ich bitte um Verständnis und gebe nun etwas verspätet, aber wie immer zu Beginn eines neuen Monats die Statistik für den zurückliegenden zur Kenntnis. Die Besucher und Zugriffszahlen sind im Vergleich zum August unverändert geblieben. Ich will mal sehen, ob sich dass bis zum Jahresende nicht doch wieder steigern lässt (siehe Anlage unten).

Dafür müssen natürlich Beiträge ran. Im September waren es nur 21. Material steht wie immer reichlich zur Verfügung. Ich finde es zum Beispiel lustig, dass Ronald Pofalla die “Fresse” seines Parteikollegen Wolfgang Bosbach nicht mehr sehen kann, weil dieser nicht für, sondern gegen den erweiterten Eurorettungsschirm (EFSF) gestimmt hat. Ich persönlich kann ja die “Fresse” von Bosbach nicht mehr sehen, weil dieser mit seiner Terrorangst und Panikmache mal wieder voll daneben gelegen hat.

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Widersprüchliche Gipfelergebnisse

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Die EU-Finanzminister haben sich auf ihrem Treffen in Breslau auf eine Verschärfung des Stabilitätspakts einigen können. So weit, so schlecht. Interessant ist nun, dass auch verabredet wurde, dass Staaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen zu Maßnahmen wie der Steigerung der Binnennachfrage gedrängt werden sollen. Gleichzeitig wiesen die Finanzminister der Europäischen Union aber den Vorschlag des US-Finanzministers Geithner zurück, mit neuen Konjunkturprogrammen den drohenden Wirtschaftsabschwung zu bekämpfen. Eurogruppen-Chef Juncker sagte, dafür gebe es zur Zeit keinen Spielraum. In der Eurozone müsse die Priorität weiter auf Sparsamkeit und Haushaltskonsolidierung liegen.

Da frage ich mich, wie denn dann die Steigerung der Binnennachfrage in Überschussländern erreicht werden soll. Ich höre schon die FDP wieder schreien. STEUERSENKUNGEN!

Es könnte natürlich auch sein, dass die Bundesregierung erwägt, einen Mindestlohn einzuführen und dem wuchernden Niedriglohnsektor durch die Abschaffung von Hartz-IV etwas entgegenzusetzen und damit die Gewerkschaften samt Flächentarifvertrag zu stärken. Aber das wird wohl bloß ein Wunschtraum bleiben, wie auch die Ankündigung, Leistungsbilanzüberschüsse abbauen zu wollen. Das hieße ja, dass sich die Deutschen von ihrem heiligen Exportmodell verabschieden und Wettbewerbsanteile abgeben müssten.

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Obama setzt auf Konjunkturspritze und was ist mit Deutschland?

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Gestern hat der US-Präsident Barack Obama im Kongress erklärt, die schwächelnde amerikanische Wirtschaft mit einer Konjunkturspritze von 450 Mrd. US-Dollar stützen zu wollen. Obama reagiert damit auf die schlechten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal. Von April bis Juni stieg das BIP um 1,3 Prozent. Aus deutscher Sicht muss das doch verwundern. Unsere Regierung behauptet ja, dass bei einem fast Stillstand des hiesigen Wachstums (0,1 Prozent) alles bestens sei, und es Deutschland so gut ginge wie nie. Obama legt ein Jobprogramm auf, die deutsche Regierung rasiert den Etat für Arbeit und Soziales (vier Milliarden) mit der Begründung, das Konjunktur und Beschäftigung auf Hochtouren laufen würden.

Während die Amerikaner frühzeitig einer drohenden Rezession begegnen wollen, weigern sich CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne nach wie vor, den sich abzeichnenden Abschwung zur Kenntnis zu nehmen. Im Bundestag wird nicht über die Rezession debattiert, sondern darüber, wem der angebliche Aufschwung gehört. Die große Einheitspartei ist blind für die Realitäten einer Volkswirtschaft, deren Einbruch sich gerade wieder vom Außenhandel her deutlich ankündigt. Den zweiten Monat in Folge gehen die Ausfuhren zurück.

Außenhandel_NEU Quelle: destatis

Dazu wurde heute einmal mehr bekannt, dass jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte im Niedriglohnsektor arbeite.

In Deutschland ist gut jeder fünfte Vollzeitarbeitnehmer im Niedriglohnsektor beschäftigt. Das berichtet die „Passauer Neue Presse“ unter Berufung auf Angaben der Bundesagentur für Arbeit. Demnach verdienten Ende vergangenen Jahres 4,6 Millionen der rund 21 Millionen Betroffenen weniger als 1.800 Euro brutto im Monat. Die Linkspartei, die eine entsprechende Anfrage bei der Bundesagentur gestellt hatte, erklärte, die Zahlen zeigten, dass der Aufschwung nicht bei den Arbeitnehmern angekommen sei.

Quelle: dradio

Die Linkspartei sollte nicht davon sprechen, dass der Aufschwung nicht angekommen sei, sondern davon, dass ein Aufschwung im volkswirtschaftlichen Sinne niemals stattgefunden hat.

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blogintern: Statistik 08/11 und wie der Aufschwung für einen Abschwung beim Defizit sorgt

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Die Blogstatistik für den Monat August verzeichnet wie zu erwarten einen Rückgang bei den Besucherzahlen. Die Gründe sind weniger Beiträge (25), die Ferien und ein genereller Zeitmangel. Das macht aber nix, weil ich das Bloggen hier auf keinen Fall einstellen werde und mir Kommentare zum aktuellen Geschehen nicht immer verkneifen kann. Zum Beispiel haben wir heute gelernt, dass das deutsche Staatsdefizit nur noch 0,6 Prozent betrage. Die Zeit titelt sogar etwas wirr:

Haushaltsdefizit – Aufschwung füllt deutsche Staatskassen

Eigentlich sind die Kassen ja leer und nicht gefüllt, wenn ein Defizit festgestellt wurde. Aber darüber kann man auch hinwegsehen und zum springenden Punkt der Meldung aus dem statistischen Bundesamt kommen. Da heißt es nämlich:

Die Defizitquote des Staates lag nach vorläufigen Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) in der ersten Jahreshälfte 2011 bei 0,6 %. Dies ist die niedrigste Defizitquote seit dem ersten Halbjahr 2008.

Sollte uns das jetzt beruhigen? Denn nach dem ersten Halbjahr 2008 ging es mit dem Defizit steil bergauf und mitten rein in die Krise erster Teil. Wohlmöglich steht uns eine Fortsetzung jetzt bevor. Das griechische Staatsdefizit ist bereits außer Kontrolle, noch bevor Frau Merkel als angeblich mächtigste Frau der Welt ihre Partei in Sachen Eurorettung auf Kurs gebracht hat. Und dann kommt noch unser Bundesbankpräsident und Ex-Merkel Berater Jens Weidmann um die Ecke gebogen und warnt vor einer Transferunion:

Während die Finanzpolitik weiter auf nationaler Ebene festgelegt werde, würden die daraus resultierenden Risiken und Belastungen zunehmend durch die Gemeinschaft und insbesondere finanzstarke Länder beziehungsweise ihre Steuerzahler aufgefangen. „Solch eine Lösung ist nicht geeignet, die Unsicherheit an den Finanzmärkten einzudämmen“, sagte Weidmann.    

Quelle: HAZ

Die nationale Souveränität steht also zur Disposition, weil “das Misstrauen an den Finanzmärkten vor allem auf die Unsicherheit über den politischen Umgang mit der Staatsschuldenkrise zurückzuführen” sei, ist Weidmann überzeugt. Das bedeutet, wer das Vertrauen der Finanzmärkte wiederherstellen will, muss auch bereit sein, alle demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze über Bord zu werfen.

Entweder müsse man die Euro-Zone zu einer echten Fiskalunion machen und damit die nationale Finanzpolitik entmachten. Oder aber, wenn die Politiker diesen Weg nicht gehen wollen, müsse der vertraglich vorgeschriebene Haftungsausschluss, die sogenannte Bail-Out-Klausel, und die damit einhergehende Disziplinierung der nationalen Finanzpolitiken über die Kapitalmärkte gestärkt werden, „statt sie vollständig zu entkernen“. Anders gesagt: Wenn Staaten ihre Finanzen nicht in den Griff bekommen, sollen sie die Konsequenzen in Form erheblich höherer Kreditzinsen voll zu spüren bekommen.  

Das ist die Wiederkehr eines deutschen Chauvinismus der besonderen Art und ohne Truppen. Gerade das Selbstlob des jungen Bundesbankpräsidenten, der die Flexibilisierung des deutschen Arbeitsmarktes, die Lohnmoderation und die sog. Reformpolitik als Gründe dafür anführt, dass Deutschland so gut durch die Krise gekommen sei, zeigt, was der Beobachter unter einem “Musterschüler” zu verstehen hat.

Die deutsche Lokomotive ist gerade zum Stillstand gekommen oder kurz davor. Die Wirtschaftsforschungsinstitute einschließlich der Bundesregierung revidieren schon wieder ihre allzu optimistischen Wachstumsprognosen. Die Arbeitslosigkeit verändert sich kaum und der Binnenkonsum dümpelt weiter vor sich hin. Die Bundesregierung hat alles getan, um die nächste Rezession garantiert zu erwischen, deren Ursache, wie so immer bei Krisen, nicht in den Reformen, der Lohnmoderation und der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu finden ist, sondern bei der ungünstigen weltwirtschaftlichen Entwicklung und natürlich bei den bösen Südeuropäern.

Aber bis es soweit ist, füllt der Aufschwung unsere Staatskasse so lange auf, bis endlich nichts mehr drin ist. Denn erst dann ist das Defizit beseitigt und alle sind glücklich.

Doch nun zur Blogstatistik:

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Konjunkturdeutung mit Philipp Rösler

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Wirtschaftsminister Philipp Rösler sieht die deutsche Wirtschaft weiterhin im Aufschwung, obwohl selbst die Propagandaindizes ifo-Geschäftsklimaindex und die GfK-Verbraucherstimmung nach unten zeigen. Philipp Rösler ist schließlich auch kein Ökonom, sondern Mediziner. Dabei muss man Dinge, die wehtun, auch positiv vermitteln können. Allerdings weiß der Mediziner im Zweifel auch, wie sich der Patient nach der Operation fühlen wird. Er kann also die Zukunft voraussagen. Bei Rösler ist das nicht möglich. Er hat die Fachausbildung zum Augenarzt zu Gunsten der FDP abgebrochen. Damit ist die Betriebsblindheit dann auch wieder erklärbar.

Quelle zu Röslers Stütze des Aufschwungs:

http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=436376.html

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Wo ist der Aufschwung hin?

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Die Regierungskunst der Kanzlerin besteht darin, immer Nein zu allem zu sagen, um es dann später doch umzusetzen, wenn der Preis am höchsten ist. Das war bei der Griechenlandrettung so, bei den Rettungsschirmen, als man bilaterale Hilfen auf Grundlage des No bail-out Prinzips verweigerte und es wird auch bei den Eurobonds so sein. Noch spricht Schwarz-gelb von der Gemeinschaftshaftung, die es zu verhindern gilt. Dabei scheint sich auch in der Union endlich die Einsicht durchzusetzen, dass man innerhalb eines Währungsraums voll mit drin hängt, egal ob man nun dauernd Rettungsschirme aufspannt oder gleich gemeinsame Anleihen ausgibt, die wenigstens der Spekulation ein Ende setzen würden.

Deutschland muss als Universalgläubiger so oder so dafür zahlen, dass es mit seinen permanenten Exportüberschüssen zugelassen hat, die Länder mit Mittelmeerstrand in Leistungsbilanzdefizite getrieben zu haben. Jetzt wird die Rechnung für dieses neoliberale Vabanque Spiel präsentiert. Alle Sparprogramme haben nichts genutzt. Reihenweise brechen die Volkswirtschaften entlang der Eurozone zusammen. Letzte Woche hat man noch über das Nullwachstum der Franzosen gespottet und nun bestätigt auch das statistische Bundesamt für das zweite Quartal einen beinahe Stillstand der deutschen Wirtschaft. Mit gerade mal +0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, das ebenfalls auf +1,3 Prozent nach unten korrigiert werden musste, nahm das Bruttoinlandsprodukt zu.

Interessant sind natürlich die Gründe für den Einbruch.

Auch die privaten Konsumausgaben und die Bauinvestitionen bremsten die deutsche Wirtschaft im zweiten Vierteljahr 2011.

Das passt ja nun gar nicht ins Bild der Aufschwinger, wie Wirtschaftsminister Rösler, der immer noch meint, dass der private Konsum zu einer festen Stütze der Konjunktur geworden sei. Um die Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft scheint es doch nicht so gut bestellt zu sein, wie der Minister am 9. August noch glaubte.

“Auch wenn die Exporte angesichts der leicht gedämpfteren Dynamik der Weltwirtschaft etwas rückläufig sind, nimmt die deutsche Industrie weiterhin eine Spitzenstellung ein. Dies sind gute Zeichen für die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft selbst in einem schwierigeren weltwirtschaftlichen Umfeld.“

Quelle: BMWi

Ein kurzes Umdrehen der “Bürgerlichen” im Tiefschlaf

Inzwischen findet auf der rechten Seite ein bemerkenswertes Umdenken statt. Frank Schirrmacher, Herausgeber der FAZ, schreibt auf einmal:

“Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen.”

Quelle: FAZ

Er glaube, die Linke hätte recht, meint Schirrmacher. Und fast ist man geneigt, ihm ein freundliches, aber doch empörtes “Guten Morgen” entgegenzurufen. Nur haben weder die Linken unbedingt recht, noch die “Bürgerlichen” mit ihren Zweifeln. Es gibt nämlich kein bürgerliches Lager in Deutschland. Die große Selbsttäuschung scheint sich vielmehr in Luft aufzulösen. Würde es nämlich ein bürgerliches Lager geben, hätte es längst gegen sein Führungspersonal aufbegehrt, das, wie Georg Schramm einmal treffend sagte, nur ein Furunkel am Gesäß des Bösen darstellt und keinesfalls über die Richtlinienkompetenz verfügt, welche man ihm andichtet. Die ist, und da ist Schirrmacher mit seiner Erkenntnis nun überhaupt nicht aufklärerisch, sondern einfach nur viel zu spät, den Finanzmärkten und Vermögenden vorbehalten.

Die von Schirrmacher festgestellte  Selbstbewusstseinskrise des politischen Konservatismus ist in Wirklichkeit nichts weiter als ein Offenbarungseid von Angestellten, die nicht mehr so genau wissen, wie sie den Anspruch bürgerlicher Ideale mit einer Wirklichkeit in Einklang bringen sollen, die zum einen von Zerstörung gekennzeichnet ist und bei der sie zum anderen nur zuschauen können, weil sie gar nicht wissen, wie sich ein citoyen zu verhalten hat.

Bei manchen ist von Selbstbewusstseinskrise auch noch überhaupt nichts zu spüren. Im Kommunalwahlkampf in Niedersachsen zum Beispiel, den ich beruflich begleiten darf, lebt der politische Scheinkonservatismus wie eh und je. Innenminister Friedrich sprach gestern auf einer Wahlkampferöffnungsveranstaltung der CDU. Er hielt dieselbe Rede, die er schon den ganzen Sommer über an anderen Orten auch gehalten hat. Er sprach über die innere Sicherheit und die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus (Deutschland sei noch stärker im Fadenkreuz als vor zehn Jahren) und darüber, dass das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, das seit 1968 gelitten habe wieder neu justiert werden müsse.

Junge Menschen sollten wieder lernen, nicht nur von einer sozialen Gemeinschaft etwas zu erwarten, sondern dem Land auch etwas zu geben, weil sie es ihm schulden. Und ja, er nahm den Kennedy Satz für sich in Anspruch, wonach man als Bürger nicht fragen solle, was das Land für einen tun, sondern was man selber für das Land tun könne. Im Kampf der Systeme müsse Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben, und es stimme nicht, dass die Freiheit durch den Staat bedroht werde, sondern nur durch Angreifer von außen.

Gerade auch die letzte Bemerkung zeigt, wie armselig die sogenannten Bürgerlichen mit der Tatsache umgehen, dass sie es sind, die aktiv die Freiheit und Rechte von Bürgern beschneiden. Es sind immer übergeordnete Institutionen und Feinde, die einen Sachzwang und eine bestimmte Handlungsweise begründen. Es ist richtig, dass nicht der Staat die Freiheit, die Bürger, das Rechtssystem oder die Demokratie bedroht, es sind die verantwortlichen Politiker, die Entscheidungen treffen und sich dann mit Sachzwängen und angeblicher Alternativlosigkeit herausreden. Das sind keine “Bürgerlichen”, da können sie noch so laut in den urigen Saal brüllen, sondern nur Auftragnehmer, die brav ausführen, was man ihnen von Seiten der Wirtschaft, der Finanzindustrie und anderen Lobbygruppen zur Entscheidung vorlegt.

Für eine Selbstbewusstseinskrise bedarf es eines Bewusstseins. Das scheint noch nicht flächendeckend vorhanden zu sein, sowohl bei der Rechten als auch bei der Linken. Deshalb haben wir ja auch immer noch einen “Aufschwung”.

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Merkel will zurück ans Steuer

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Der @RegSprecher verkündete heute Erhellendes:

BKin Merkel spricht am 16.8. in Paris mit Präs. Sarkozy über Stärkung der wirtschaftspol. Steuerung der Eurozone. http://t.co/CYNwhtZ (BPA)

Quelle: Twitter

Frau Merkel beendet ihren Urlaub, um sofort nach Frankreich zu eilen. Dort will sie mit Präsident Sarkozy in der nächsten Woche über eine Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung der Eurozone sprechen. So kann man die allgemeine Ratlosigkeit des Traumpaares der Finanzkrise auch umschreiben. Die Lady Di der Eurozone, denn keine rettet die gemeinsame Währung so konsequent und beinahe im Wochentakt, wie Angela Merkel. Man kann nur hoffen, dass der Benz, in den Merkel und Sarkozy einsteigen werden, keine Schuldenbremse hat. Denn dann sieht es düster aus.

Aber was rede ich, Merkel und Sarkozy müssen nicht mal einsteigen, um in den Tunnel zu steuern. Mir scheint, der Pfeiler kommt von ganz allein zu ihnen.

Denn das Problem wird nicht erfasst. Die Achterbahnfahrt an den Börsen, die Angst vor immer weiter steigenden Schulden und natürlich vor der Inflation, die nun endlich einmal kommen muss, nachdem sie der große Steinbrück schon vor zwei Jahren erkannt haben will, dagegen wollen die beiden Euroretter kämpfen. Und zwar mit Sparprogrammen für die Volkswirtschaften, in denen die meisten Menschen nicht mal mehr so viel verdienen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können und mit Rettungsschirmen für die Banken, unter denen sich für Wenige, die für ihren Lebensunterhalt ohnehin nicht arbeiten müssen, noch mehr Reichtum ansammelt.

Wenn Frau Merkel eine Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung der Eurozone ankündigt, heißt das vielleicht ein bisschen mehr Sparen für die Börse. Denn die Kurse müssen wieder steigen. Auch wenn dafür mehr Spielgeld und öffentliches Eigentum zur Verfügung gestellt werden muss. Hauptsache die Märkte schenken uns ihr Vertrauen. Geht es den Märkten gut, geht es auch der Wirtschaft gut, so die simple Rechnung der Diplom-Physikerin. Dabei hat die Wirtschaft nix von den Märkten, sondern nur etwas von der Nachfrage und die fehlt inzwischen an allen Ecken und Enden.

Während die Politik meint, mit dem privaten Konsum sei alles in bester Ordnung, da die Menschen ja immer häufiger beschäftigt und immer weniger arbeitslos gemeldet seien, sehen die Märkte das in der Tat sehr viel klarer. Sie glauben das Märchen vom Aufschwung nämlich nicht und lassen eine Blase nach der anderen zerplatzen. Nur Staatsanleihen sind derzeit wieder sehr begehrt, vor allem US-amerikanische Papiere mit einem abgewerteten AA+ Rating. Seltsam oder? Nein, überhaupt nicht, meint Heiner Flassbeck. Überall fielen die Realeinkommen und die Nachfrage stagniere, so der Ökonom in der FTD. Es gebe ein klar erkennbares Krisenszenario.

Da es für diese drei großen Wirtschaftsräume kein Exportventil auf dieser Welt gibt, das sie erlösen könnte, führen stagnierende private Nachfrage und schrumpfende öffentliche Nachfrage wegen staatlicher Konsolidierungsversuche zu einem Krisenszenario, auf das aufgeblasene Finanzmärkte nur mit neuer Krise reagieren können. Was als „Aufschwung“ an den Finanzmärkten 2009 begann, hätte von einem realen Aufschwung unterlegt sein müssen, um dauerhaft Werte zu schaffen. Diesen aber gab es nicht, weil nach der ersten Anregung durch die Finanz- und Geldpolitik die private Nachfrage das Wachstum hätte antreiben müssen. In einer Welt, in der in den wichtigsten Wirtschaftsräumen der durchschnittliche Verbraucher keine positiven Einkommenserwartungen hat, kann das nicht funktionieren.

Quelle: FTD

Entweder retten wir das Vertrauen der Märkte um den Preis einer Deflation oder aber wir retten Volkswirtschaften und die Einkommen von Menschen, die eine reale Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen erzeugen. Dafür müsste man allerdings die aufgeblasenen und ineffizienten Märkte opfern und natürlich auch ein paar Analysten sowie die ARD-Börsenredaktion, die in Waren, Dienstleistungen und Rohstoffen nur ein Spekulationsobjekt sehen.

Letztlich geht es auch um die Frage, wer welche Aufgaben erledigen soll. Es ist sicherlich nicht sinnvoll, wenn wir der Deutschen Bank (aber auch anderen Finanzinstituten) gestatten, sich in einen großen Rohstoffhändler zu verwandeln, nur weil es ihr erlaubt ist, dem Markt Rohstoffe auch physisch zu entziehen und diese in eigenen Lagerhäusern zu bunkern bis die Verknappung des Angebots für höhere Marktpreise sorgt. Vielleicht wird die Deutsche Bank dann den Energieversorger RWE als einen der größten Empfänger von Agrarsubventionen ablösen.

Dann wäre die Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Eurozone mit Sicherheit vollendet und der Pfeiler bei den Krisenrettern Merkel und Sarkozy endlich angekommen. Der Benz dürfte unterdessen schon in Flammen aufgegangen sein.

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Statistische Holpereien (Teil 2)

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Teil 1 hier

Der private Konsum ist und bleibt das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Der Handelsverband Deutschland interpretiert die jüngsten Daten so:

Mit Blick auf das Gesamtjahr sagte Genth, dass es angesichts der Entwicklung des privaten Konsums und der weitgehend intakten Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern bescheidene Spielräume für den Einzelhandel geben könne. Allerdings gebe es wegen der Euro-Krise, steigender Energiepreise und Krankenkassenbeiträge auch Risiken für Verbraucherstimmung und Konsum. Daher halte der HDE an seiner Umsatzprognose von nominal plus 1,5 Prozent für das Gesamtjahr fest. Bei der momentanen Preissteigerung würde dies real ein leichtes Minus bedeuten. „Für das Herbst- und Weihnachtsgeschäft werden die Verbraucherstimmung aber auch die Entwicklung der Energiepreise entscheidend für den Konsum sein, der im bisherigen Jahresverlauf von der starken Entwicklung am Arbeitsmarkt profitiert hat“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Quelle: HDE

Bescheidene Spielräume für den Einzelhandel ergeben sich also aus der Tatsache eines zu erwartenden realen Umsatzrückgangs in diesem Jahr. Diese Logik ist beeindruckend, aber durchaus stringent. Denn das statistische Bundesamt hat letzte Woche nicht nur die Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel veröffentlicht, sondern auch zu der Entwicklung der Tarifeinkommen folgende “neutrale” Stellungnahme abgegeben:

Die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sind von April 2010 bis April 2011 insgesamt um 1,5 % gestiegen. Damit zeichnet sich nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) eine Trendwende bei den Tarifverdiensten ab. Seit Oktober 2009 (+ 3,0 %) war die Steigerungsrate beständig zurückgegangen und hatte im Januar 2011 nur noch + 0,9 % betragen.   

Quelle: destatis

Das statistische Bundesamt spricht von einer Trendwende und ignoriert die Verbraucherpreisentwicklung. Die nominale Steigerungsrate bei den Tarifeinkommen von 1,5 Prozent wird als solche nicht gekennzeichnet. Der Hinweis auf die reale Veränderung der Tarifeinkommen, d.h. in der Fachsprache “preisbereinigt”, wird gar nicht erst angeführt. Aber das können sie sich selbst ausrechnen.

Verbraucherpreisindex bis Juni 2011

Quelle: destatis

Im Schnitt gab es im Jahr 2011 einen Anstieg der Verbraucherpreise von über zwei Prozent. D.h., dass Arbeitnehmer mit Tarifeinkommen erneut reale Einkommensverluste hinnehmen mussten. Dazu kommt, dass die Tarifbindung in Deutschland weiter rückläufig ist.

Das deutsche System der Flächentarifverträge erlebt seit Mitte der 1990er Jahre einen sichtlichen Erosionsprozess, der in einem anhaltenden Rückgang der Tarifbindung zum Ausdruck kommt. In Zahlen: Im Jahr 2010 wurden in ganz Deutschland gerade noch 33 Prozent der Betriebe und 60 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag erfasst. Im Kernbereich der Flächentarifverträge ist die Tarifbindung noch ein paar Prozentpunkte niedriger: Die bundesweiten oder regionalen Branchentarifverträge gelten noch für die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) und für weniger als ein Drittel der Betriebe (30 Prozent).

Quelle: Magazin Mitbestimmung (Hans-Böckler-Stiftung)

Die Zunahme bei den Tariflöhnen ist daher im wesentlichen von der Entwicklung der übrigen Bruttoeinkommen abgeschnitten. Die Ausbreitung von atypischer Beschäftigung wie Leiharbeit oder Minijobs sowie der politisch betriebene Ausbau des Niedriglohnsektors haben in Wirklichkeit zu einem dramatischen Verfall der Arbeitnehmereinkommen geführt. Zuletzt wurde das durch eine Studie des DIW untermauert.

Die Löhne von Geringverdienern sind seit der Jahrtausendwende rapide gesunken. Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen hatten im vorigen Jahr 16 bis 22 Prozent weniger in der Tasche als im Jahr 2000. Auch Menschen mit mittlerem Gehalt mussten deutliche Einbußen hinnehmen. Bei Besserverdienenden sind die realen Nettoeinkommen dagegen minimal gestiegen. Das zeigen bisher unveröffentlichte Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Quelle: Berliner Zeitung

Es stellt sich also noch immer die Frage, woher die “binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte” kommen sollen, die der Bundeswirtschaftsminister Rösler als Stütze des deutschen Aufschwungs erkannt haben will.

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Konjunkturdaten: Statistische Stolpereien

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Arbeitsmarkt

Wenn selbst die fingierte Statistik einen Anstieg der Arbeitslosigkeit ausspuckt, sind natürlich immer jahreszeitliche Effekte verantwortlich. Im Winter ist es das schlechte Wetter und im Sommer die Urlaubszeit. Inzwischen muss man aber davon ausgehen, dass nicht nur das Sinken der offiziellen Arbeitslosenzahl, sondern auch ihr Steigen etwas mit der amtlichen Definition von Arbeitslosigkeit zu tun hat.

Denn wie sie inzwischen wissen dürften, werden längst nicht alle Bezieher von Arbeitslosengeld I und II auch als arbeitslos gezählt.

Von den Arbeitslosengeld-Empfängern waren im Juli 688.000 oder 88 Prozent arbeitslos gemeldet. 90.000 Arbeitslosengeld-Empfänger wurden nicht als arbeitslos geführt, z.B. weil sie vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren, sich in einer Trainingsmaßnahme befanden oder an Maß-nahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnahmen.

Quelle: Monatsbericht Juli 2011

Im letzten Monatsbericht hieß es hingegen noch:

Von den Arbeitslosengeld-Empfängern waren im Juni 640.000 oder 87 Prozent arbeitslos gemeldet. 98.000 Arbeitslosengeld-Empfänger wurden nicht als arbeitslos geführt, z.B. weil sie vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren, sich in einer Trainingsmaßnahme befanden oder an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnahmen.

Quelle: Monatsbericht Juni 2011

Das heißt, der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Juli ist auch auf den besseren Gesundheitszustand der Erwerbslosen zurückzuführen, die im Juni zwar auch schon arbeitslos waren, aber nicht gezählt wurden, weil sie arbeitsunfähig erkrankt waren. 

Das soll nur ein Beispiel unter vielen sein, für die absurden Zählmethoden der Bundesagentur, die auch nicht wirklich zählt, sondern immer mehr schätzt.

Fakt ist, dass sich der Anteil der Langzeitarbeitslosen wieder erhöht hat (um 1 auf 34 Prozent) und die Zahl der Unter­be­schäf­ti­gung bei über 4 Mil­lionen (4.091.291) verharrt. Das entspricht einer Quote von 9,6 %.

Die Beschäftigungssituation wird nach wie vor unter einem quantitativen Gesichtspunkt betrachtet. Egal welche Arbeit zu welchen Konditionen auch angeboten und verteilt wird, sie fließt ungefiltert als positive Erscheinung in die Statistik ein. Das größte Plus mit über 20 Prozent Zuwachs verzeichnet immer noch die Leiharbeitsbranche. Insgesamt gebe es knapp 41 Millionen Beschäftigte, davon aber nur rund 28 Millionen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Wie hoch der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist, erfährt man aber nicht.

Einzelhandel

Die Verkündung der Einzelhandelszahlen ist diesmal etwas lustiger ausgefallen. Das statistische Bundesamt traut nämlich der eigenen Statistik nicht mehr so recht über den Weg.

Methodische Hinweise:
Methodische Änderung ab Berichtsmonat Juni 2011

Die Ergebnisse basieren ab dem Berichtsmonat Juni 2011 auf einem neuen Berichtskreis, da ein Teil der Unternehmen in der Erhebung ausgetauscht wurde. Der Berichtskreis ist damit aktueller und repräsentativer, wodurch die Konjunkturbeobachtung am aktuellen Rand verbessert wird.[…]

Erfahrungsgemäß stellt ein Teil der neuen Stichprobenunternehmen seine Angaben zunächst nicht zeitgerecht zur Verfügung. Die Umsätze für den Juni weisen darum etwas größere Schätzanteile (27,2 %) auf als im Durchschnitt der ersten Monate diesen Jahres (26,0 %).

Quelle: destatis

Im Ergebnis für Juni heißt es dann:

Die deutschen Einzelhandelsunternehmen setzten im Juni 2011 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nominal 0,5 % mehr und real 1,0 % weniger um als im Juni 2010. Der Juni 2011 hatte mit 24 Verkaufstagen zwei Verkaufstage weniger als der Juni 2010, da Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag in diesem Jahr in den Juni fielen. Im Vorjahr lagen diese Feiertage im Mai. Im Vergleich zum Mai 2011 ist der Umsatz im Juni 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Census X-12-ARIMA) nominal um 6,1 % und real um 6,3 % gestiegen.

Das verstehe bitte wer will. Der Juni 2011 hatte zwei Verkaufstage weniger als der Juni 2010, dafür aber Feiertage und trotzdem wurde im aktuellen Zeitraum real 1,0 Prozent weniger umgesetzt. In diesem Jahr fielen die Feiertage in den Juni, deshalb ein schlechteres Geschäft, so die Statistiker. Was heißt das nun? Ich dachte immer, Feiertage sorgen gerade für verstärkte Umsätze oder spielt die Tatsache, dass man sich an Himmelfahrt und Pfingsten nichts schenkt so eine große Rolle? Traditionell sind der Mai und der Juni aber sehr umsatzstarke Monate. Das weiß jeder, der im Einzelhandel tätig ist oder war.

In diesem Jahr gab es im Mai aber überhaupt nix zu feiern, selbst der Tag der Arbeit fiel auf einen Sonntag. Die deutliche Zunahme der Umsätze im Juni gemessen an den Ergebnissen vom Mai scheinen daher diesem Umstand Rechnung zu tragen. Aus Sicht der Statistiker wäre es nun aber blöd gewesen, die Zunahme der Umsätze im Juni nun auch noch mit den Feiertagen zu erklären, nachdem diese schon für einen Rückgang der Umsätze im Jahresvergleich herhalten mussten.

Einzelhandel bis Juni 2011

Jedenfalls ist der Bierabsatz im ersten Halbjahr 2011 um 1,0 Prozent gestiegen. Das nun wiederum ist keine Statistikstolperei, sondern sehr wohl nachvollziehbar. 

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EDIT: Focus Online schreibt übrigens unter der Jubelüberschrift: „Stärkstes Umsatzplus seit 1994“

„Die Daten könnten allerdings statistisch verzerrt sein, hieß es in der Behörde. Denn der Mai habe drei Verkaufstage mehr gehabt als vor einem Jahr, der Juni hingegen zwei Tage weniger. „Diese Konstellation hat es noch nie gegeben“, sagte ein Statistiker zu Reuters. Das sogenannte Saisonbereinigungsverfahren, das jahreszeitliche Schwankungen ausgleichen soll, habe dies möglicherweise nicht völlig widerspiegeln können.“

Teil 2 hier

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