Armutsbericht entspricht jetzt dem Willen der FDP

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Der insgesamt 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesrepublik Deutschland liegt den Ministerien seit dem 17. September vor. Damals entsprach das Ergebnis nicht der Meinung der FDP, wie Philipp Rösler gleich nach Erscheinen des “Entwurfs” lauthals verkündete. Heute ist in den Zeitungen zu lesen, wie eine korrekte Darstellung der sozialen Lage Deutschlands aus Sicht eines Doktors mit abgebrochener Fachausbildung zum Augenarzt auszusehen hat. Solche sprachlichen Anpassungen seien ganz normal, teilte ein Sprecher des zuständigen Arbeitsministeriums mit.

Natürlich muss die Realität so umgeschrieben werden, dass sich der fälschlicherweise als “arm” bezeichnete Schmarotzer eine soziale Hängematte auch noch leisten können muss. Gute Modelle gibt es nämlich erst ab 100 Euro aufwärts. Da darf nicht der Eindruck entstehen, als seien die unteren Einkommen zu stark gesunken. Deshalb führen sinkende Reallöhne auch nicht zu einer Verschlechterung persönlicher Lebenslagen, sondern seien Ausdruck struktureller Verbesserung am Arbeitsmarkt, für die gerade jene dankbar sein sollten, die sich laut alter Fassung des Berichts über die zunehmende Einkommensspreizung beschweren und dies als ungerecht empfinden könnten.

Die liberale Sichtweise, wonach eine weit verbreitete römisch dekadente Lebensweise gerade unter einkommensschwachen Haushalten vorherrsche, dürfe durch den Bericht nicht ausgeschlossen werden.

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Nachrichten von gestern

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Vor ein paar Tagen ließen die Kaffeesatzleser von der GfK mit ihrem Konsumklimaindex wieder viel Raum für Interpretation. Die einen sprachen nach der Veröffentlichung des angeblichen Pulsfühlers von ungetrübter Kauflaune, die anderen davon, dass die Deutschen ihr Geld lieber in Sicherheit brächten. Wiederum andere behaupteten forsch, dass die Anlage von Geld in Immobilien das Konsumklima stabilisiere.

Hinter diesem Blödsinn steckt mal wieder der “Konsumexperte” der GfK Rolf Bürkl, der noch immer nicht den Unterschied zwischen Konsumausgaben und Investitionen verstanden hat. Wer sich eine Immobilie kauft, konsumiert nicht, sondern investiert im volkswirtschaftlichen Sinne. Natürlich brauchen die Schwachköpfe der GfK diese Daten, um ihr Klima irgendwie konstant halten zu können. Konsequent ignorieren sie jenen Anteil der privaten Konsumausgaben, der zu 30 Prozent in die Rechnung einfließt. Die Einzelhandelsumsätze, die inklusive mit dem Versand- und Internethandel Monat für Monat real vom statistischen Bundesamt gemessen werden.

Heute gab es wieder eine aktuelle Pressemeldung über den Rückgang der Umsätze im August. Generell lässt sich festhalten, dass die Deutschen stabil schlecht konsumieren.

Einzelhandel bis August 2012

Die Ausgaben für Immobilien, sei es für Mieten oder Instandhaltungen – weil auch hier macht die GfK ein Fass auf, das es gar nicht gibt (siehe energetische Gebäudesanierung) – sind mit 20 Prozent an den Konsumausgaben statische Größen, die wenig über das Konsumverhalten aussagen.

Wäre noch die Feststellung einer gesunkenen Sparneigung, die den privaten Konsum befeuern würde. Richtig ist, dass die Sparquote im Vergleich zum 1. Quartal gesunken ist. Grundsätzlich hat sich aber daran seit dem Jahr 2000 überhaupt nichts geändert. Rund 10 Prozent der verfügbaren Einkommen werden durchschnittlich gespart. Dabei sollte man schon genauer hinsehen und nach Einkommensgruppen differenzieren. Denn nicht jeder kann 10 Prozent seines verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante legen.

Menschen mit einem Nettoeinkommen von unter 900 Euro – und dazu zählen ja dann auch die angeblich armutsfesten Renten von 850 Euro – haben eine negative Sparquote von rund –12 Prozent. Das heißt, hier ist gar kein Vermögen vorhanden, das zusätzlich in den Konsum fließen könnte. Selbst bei einem Nettoeinkommen von 900 bis 1300 Euro liegt die Quote bei –0,5 Prozent. Erst ab Nettoeinkommen zwischen 1300 und 2600 Euro bewegt sich die Quote zwischen 0,5 und 4,4 Prozent. “Bei Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2600 bis 3600 Euro, 3600 bis 5000 Euro, 5000 bis 18.000 Euro betragen die Sparquoten jeweils zwischen 9,0 Prozent und 21,8 Prozent.”

Jetzt müsste man halt nur noch wissen wie Einkommen und Vermögen in diesem Land verteilt sind. Dazu reicht ein Blick in die Meldungen, die zuhauf in den letzten Tagen und Wochen erschienen sind.

Richtige Schlüsse werden daraus aber nicht gezogen. Im Grunde genommen ist die Feststellung eines schwachen deutschen Binnenkonsums eine Nachricht von gestern. Nichts Neues also. Da aber auch Beinah-Abstürze von Flugzeugen aus dem Jahr 2010 gerade hochaktuell sind, wäre eine entsprechende Würdigung der katastrophalen Einzelhandelsumsätze angebracht, zumal die Konsumpropaganda der GfK und der Bundesregierung konsequent das Gegenteil behauptet.    

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Die "Renten-Uschi" wirbt für private Altersvorsorge

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Die überraschende Erkenntnis von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, wonach vielen Menschen mittelfristig Altersarmut drohe, ist wirklich der Gipfel der Schamlosigkeit. Von der Leyen gibt sogar zu, dass die Rentenkürzung auf 43 Prozent politisch herbeigeführt worden ist. Das sei aber gar keine Fehlentwicklung. Vielmehr böte die Tatsache Anlass zur Sorge, dass viele Geringverdiener, zu denen schon, man höre und staune, Menschen mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.500 Euro zählen, zu wenig die private Altersvorsorge nutzen würden.

„Viele realisieren nicht, dass auch sie von Altersarmut bedroht sind, und dass sie zwingend eine zusätzliche Altersvorsorge brauchen, um der Armutsfalle im Rentenalter zu entkommen.“

Quelle: Welt Online

Diese grässliche Frau betreibt schamlos Werbung für Versicherungskonzerne, denen dumme Arbeitnehmer gefälligst ihr Geld hinterherwerfen sollen, damit die Ölquellen der Maschmeyers ja weiter sprudeln können. Hier ein Foto der Hannover-Connection, auf dem jede Person nachweislich irgendwie Dreck am Stecken hat. Nur bei Ursula von der Leyen hat das noch zu keiner politischen Konsequenz geführt. Sie darf weiter als “Renten-Uschi” (Zitat: Dieter Hildebrandt) durch die Gazetten hüpfen.

Die Armutsfalle drohe also durch fehlende private Altersvorsorge und nicht durch eine mutwillig herbeigeführte und völlig überflüssige Zerstörung der Rentenformel, die die Politik unter dem scheinheiligen Argument bevorstehender demografischer Verwerfungen und unter dem Beifall der Versicherungsbranche bestrieben hat. Wie sehr die Rentenkasse unter der Demografie leidet, zeigen die Überschüsse, die man nun, damit das neoliberale Weltbild wieder passt, durch eine Beitragssatzsenkung abermals mutwillig abbauen möchte.

Dabei ist die Rentenkasse das einzige System, das funktioniert. Die ersten 20 Jahre des Lebens profitiert man davon, dann zahlt man 40 Jahre drauf und profitiert anschließend wieder rund 20 Jahre davon. Etwas Gerechteres gibt es nicht, so fern jeder mit einem bestimmten Prozentsatz seines Gesamteinkommen – Mieten, Zinsen etc. zählen auch dazu -zur Finanzierung des Systems herangezogen wird. Basis ist die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und der Verteilungsspielraum, der sich aus ihr ergibt. Das kann in einem Jahr mal mehr sein und in einem anderen Jahr mal weniger. Die Rente wird aber nie ganz weg sein, erklärte Volker Pispers einmal sehr einleuchtend.

Ganz anders die kapitalgedeckte Altersvorsorge, deren Beiträge schon zu Beginn der Anlage zu einem erheblichen Teil auf den Konten der Versicherungskonzerne verschwinden. Zwischen 10 und 40 Prozent betragen die Kosten einschlägiger Altersvorsorgeprodukte, weil Werbung und Akquise Geld kosten und Aktionäre vorrangig bezahlt werden wollen. Hier versickern Milliardenbeträge von Beitragszahlern, die sich auf eine sichere Rente verlassen, aber am Ende mit einem dicken Minus ihren Ruhestand genießen dürfen, sofern der Riester-Vertrag nicht mit der Grundsicherung verrechnet wird.

Doch mit dem Versickern hat Frau von der Leyen so ihre Erfahrungen. Die Gelder aus dem Hartz-IV-Bildungspaket verschwinden ebenfalls zweckentfremdet an anderer Stelle, wie vergangene Woche bekannt wurde. Hier habe der Bund keinen Überblick, teilte das Laienspiel Ministerium der verdutzten Öffentlichkeit mit.

Zudem palavert die Arbeitsministerin über den skandalösen Zustand eines breiten Niedriglohnsektors einfach mal hinweg und tut so, als könnten sich Minijobber, Leiharbeiter und befristet eingestellte Erwerbspersonen, kurz: prekär Beschäftigte ein auf Dauer ausgelegtes Altersvorsorgeprodukt leisten. Gerade im letzten Arbeitsmarktbericht wurde doch wieder deutlich, dass rund ein Drittel der offenen Stellen im Bereich der Leiharbeit angesiedelt sind. Wie sollen diese Menschen Vorsorge leisten?

Der Vorwurf der Ministerin, die Betroffenen würden ihre absehbare Altersarmut nicht realisieren, ist eine infame Schweinerei. Da spricht eine Berufspolitikern, die ihre eigene geistige Armut nicht erkennen will. Von der Leyen verschließt ihre Augen vor einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung wie auch vor steigender Ausgrenzung von immer mehr Menschen. Dafür ist ihr die neue Brille des Aushilfskanzlers Rösler während einer von ihm geleiteten Kabinettssitzung aufgefallen. Fälschlicherweise hatte von der Leyen zunächst angenommen, der Philipp (O-Ton von der Leyen) hätte sich ein neues Image zugelegt, aber dann habe sich im Rahmen der Sitzung herausgestellt, dass die alte Brille nur kaputtgegangen sei und Rösler zu einem neuen Designermodell greifen musste.

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Plänkeleien im Sommerloch

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Von der Vermögenssteuer, die in Deutschland nicht abgeschafft, sondern wie die Wehrpflicht bloß ausgesetzt ist, über einen lächerlich geringen Ehegattensplittingvorteil, der unter viel „Getöns“ gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mehr oder weniger vorenthalten werden soll, damit die Moralvorstellungen von Sittenaposteln bestehen bleiben können, bis hin zur milliardenschweren Umverteilung durch die Mehrwertsteuer, über die niemand redet, obwohl sie gespartes Einkommen (also Vermögen) schont, hat sich Egon W. Kreutzer im aktuellen Paukenschlag einmal Gedanken um das Steuergeplänkel im Sommerloch gemacht.

Passend dazu lohnt sich aber auch ein Blick auf die Pläne der Sozialministerin Ursula von der Leyen, die den Beitragssatz in der Rentenversicherung mal eben um 0,6 Prozentpunkte absenken will, um auch weiterhin Armutsrenten ab 67 garantieren zu können. Offensichtlich wirft das gesetzliche Rentensystem trotz permanent betriebener politischer Demontage unter dem Vorwand eines dramatisch stattfindenden demografischen Wandels immer noch Überschüsse ab. Die dürfen aber keinesfalls den Rentnern zugute kommen, weil sonst ja der Eindruck entstehen könnte, dass man sich den ganzen Schwachsinn mit der teuren und verlustreichen privaten Altersvorsorge auch sparen könnte, ja müsste.

Da die “Ölquelle” (Zitat: Maschmeyer) der Versicherungsgesellschaften aber weiterhin sprudeln soll, haben nun jene Arbeitnehmer die Chance auf ein “Sozialhilfe plus” im Alter, die jetzt von ihren ohnehin schon niedrigen Einkommen trotzdem noch etwas an Allianz und Co verschenken. Damit würden die Betroffenen bei der Rente aber erneut über den Tisch gezogen. Denn erst findet aus haltlosen demografischen Gründen heraus eine politisch veranlasste Kürzung der Rente statt, die bei vielen kaum mehr das Grundsicherungsniveau übersteigen wird. Und nun sollen die Betroffenen aus ihren bisweilen viel zu niedrigen, aber politisch immer noch tolerierten Einkommen, Geld locker machen, um im Armenhaus später eine privilegiertere Position einnehmen zu können.

Über den Rest des Einkommens, das ja vollständig in die Lebenserhaltung und damit in Konsumgüter des täglichen Bedarfs fließen muss, freuen sich dann wiederum die Versicherungsgesellschaften, denen dank Riesterförderung der Zugriff auf zusätzliche Steuermilliarden erlaubt wurde. Diese, aus Sicht der Bundesregierung absolut notwendige Subvention, macht natürlich Einsparungen an anderer Stelle erforderlich.

Und so folgt nach der angeblich so segensreichen Arbeitsmarktreform “Hartz IV” nun mit Blick auf die sich abzeichnende Altersarmut ein “Beschiss im Quadrat”.

Denn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble meinte heute in einem anderen Zusammenhang: “Wir halten nichts von Steuergerechtigkeit nach dem Zufallsprinzip.” Doch hält er überhaupt etwas von Gerechtigkeit? Bundesländer, die Steuer-CDs kaufen würden, hätten aus Sicht der Union “jedes Maߔ verloren und nicht etwa die kriminellen Steuerhinterzieher, denen Schäuble mit einer günstigen Nachveranlagung strafrechtliche Amnestie verspricht. Das Land habe ja auch kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem, wie es die Gegner des Aktionsbündnisses “Umfairteilen – Reichtum besteuern!” der Öffentlichkeit weismachen wollen. 

umFAIRteilen

Das “Qualitätspersonal” in der Bundesregierung und in den Redaktionen der großen Blätter bestimmt die öffentliche Meinung und das Sommerloch. Da passt es auch, dass der Bundeswehr-Oberst Georg Klein nun wegen seiner Verdienste in den Rang eines Generals erhoben wird. Ein Ministeriumssprecher sagte, der Oberst sei “dafür gut geeignet”. Zudem erfülle er auch alle fachlichen Voraussetzungen. Zu Guttenberg hätte ihn wahrscheinlich lobend als Original im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnet.    

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Absurde Konsumpropaganda geht weiter

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Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) macht weiter Stimmung. Der äußerst dubiose Konsumklimaindex, der angeblich Anschaffungsneigung, Einkommenserwartungen und Konjunkturaussichten, kurz Kauflaune, zusammen abbildet, ist im Vergleich zum Vormonat um sage und schreibe 0,1 Punkte gestiegen. Grund genug, um ein mediales Feuerwerk nach dem Motto “Shoppen statt sparen” abzubrennen.

Fast jede Nachrichtensendung ist die Kaffeesatzleserei der GfK eine Meldung wert. Gleichzeitig wird unentwegt der Eindruck erweckt, als gäbe es jenen Konsum, der von dem Index bloß in Aussicht gestellt wird. Sie müssen sich das oben verlinkte Interview der Tagesschau-Redaktion mit Rolf Bürkl, der bei der GfK für diese regelmäßig stattfindende Datenmistproduktion verantwortlich ist, durchlesen. Während zu Beginn noch scheinheilig danach gefragt wird, wie eingetrübte Konjunkturaussichten zu einer steigenden Kauflaune passen würden, dreht sich der Rest des Interviews um die Beschreibung eines nichtvorhandenen Zustands.

Realitätsfremd könnte man diesen Vorgang bezeichnen. Leider bleibt er unentdeckt, wie auch die offensichtliche Manipulationsabsicht des Volkswirtes von der GfK. Auf die Frage, zu welchen werthaltigen Anschaffungen die Menschen neigen würden, antwortet Bürkl: “Das beginnt mit Immobilien,…” Nur zählt der Kauf von Immobilien volkswirtschaftlich betrachtet nicht zu den privaten Konsum-, sondern zu den Investitionsausgaben. Noch abenteuerlicher wird es weiter unten bei der Feststellung, dass ein neues Krisenphänomen zu beobachten sei.

“In früheren Krisen haben wir bei Wirtschaftsabschwüngen stets eine andere Entwicklung festgestellt: Wenn die Konjunktur nachließ, ging sofort die Konsumneigung zurück und die Verbraucher hielten ihr Geld zusammen.

Momentan ist es so, dass Sparen aus Sicht der Verbraucher nicht attraktiv und mit Unsicherheiten behaftet ist.”

Durch was ist diese Behauptung gedeckt? Laut statistischem Bundesamt lag die Sparquote im ersten Quartal 2012 bei 14,4 Prozent unverändert hoch. Wirklich lächerlich wird das Ganze aber bei der Feststellung, dass ein gutes Zusammenspiel von Politik, Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Krisenjahren 2008 und 2009 mit dem Verzicht auf übermäßige Lohnerhöhungen die Grundlage für die derzeit gute Konsumstimmung gebildet habe. Natürlich darf der Hinweis auf die Agenda 2010 nicht fehlen, die ebenfalls zum positiven Gesamtbild beigetragen hätte und nicht etwa, wie wir heute einer Meldung des statistischen Bundesamtes entnehmen konnten, zu einem Herr von Beschäftigten geführt hat, die mit konsumfreudigen Stundenlöhnen von weniger als 8,50 Euro auskommen müssen.

Und dabei haben die amtlichen Statistiker nur jene erfasst, die in Betrieben mit zehn oder mehr Beschäftigten arbeiten. Würde man alle zählen, läge die Quote nicht nur bei 11 Prozent, was rund 4,5 Millionen Beschäftigten entspricht, sondern bei weit über 20 Prozent. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors hatte zuletzt sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel als Fehler bei der Agenda 2010 bezeichnet und dabei mal wieder übersehen, dass darin überhaupt der Sinn der ganzen Übung gelegen hat, wie Bundeskanzler Schröder einst vor Gleichgesinnten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos stolz zugab.

Was die GfK da misst, ist mir schleierhaft und in höchstem Maße unseriös, weil der Bezug zur Wirklichkeit nicht mal im Ansatz erkennbar ist. Wenn es dann ganz am Schluss heißt:

“Sollten sich in den nächsten Monaten die Meldungen häufen, dass Unternehmen Personal entlassen, dann kann die Stimmung sehr schnell wieder kippen. Dann steigt sofort die Angst vor der Arbeitslosigkeit bei den Beschäftigten und man wird beim Konsum wieder vorsichtiger.”

Hier wird a) ignoriert, dass mit Karstadt, Schlecker und Neckermann gerade Unternehmen aus dem Einzelhandelssektor jetzt schon für die entsprechenden Schlagzeilen sorgen und b) wieder so getan, als seien die Konsumenten derzeit nicht vorsichtig beim Geldausgeben. Offensichtlich muss man GfK-Ökonomen eine noch größere Betriebsblindheit und Inkompetenz unterstellen als bisher. Der XXL-Konsumboom bleibt auch weiterhin nur eine Propaganda-Fata Morgana.

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Lohnabstandsgebot gilt auch für Bundesminister

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Nach zwölf Jahren gönnen sich die Regierungsmitglieder eine Aufstockung ihrer Bezüge. Mit der ersten Stufe von 3,3 Prozent, die rückwirkend zum 1. März 2012 zünden soll, bekommen Bundeskanzlerin und Bundesminister um die 500 Euro mehr im Monat. Grund für die Erhöhung ist das berühmte Lohnabstandsgebot. Denn die Entwicklung der Bezüge führender Beamter in den Ministerien befindet sich auf der Überholspur. Und das darf natürlich nicht sein und ist wahrscheinlich auch

“jenseits jeder realistischen Vorstellung”

Auf diese Formulierung griff Bundesinnenminister Friedrich zurück, als er die Gehaltsforderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst als Verhandlungsführer der Arbeitgeber kommentierte. Ich will nicht falsch verstanden werden. Gerne dürfen sich die paar Regierungsmitglieder einen sicherlich unverdienten Schluck aus der Lohnpulle nehmen. Das bringt uns nicht um. Ich frage nur, warum den Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit niedrigem Einkommen eine Anpassung ihrer Gehälter um mindestens 200 Euro mit aller Macht verwehrt wurde?

Dieser Personenkreis, der unter 2000 Euro brutto im Monat verdient, hat relativ wenig von einer prozentualen Erhöhung der Gehälter um 3,5 Prozent, ebenfalls rückwirkend zum 1. März.   

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Von wegen volkswirtschaftlich vernünftig

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In den Medien wird der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst als “hoch” bezeichnet und vor allem die Folgen für die klammen Kommunen beleuchtet. Auch wird behauptet, dass das Verhandlungsergebnis in erfreulicher Art und Weise zeige, dass die Arbeitgeber des Umdenkens fähig wären, weil höhere Löhne aus volkswirtschaftlicher Sicht auch für sie einen Sinn ergeben würden. Dabei ist diese Schlussfolgerung aus dem Verhandlungsergebnis keinesfalls herleitbar.

Zunächst einmal sollten die Berichterstatter endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Löhne nicht um 6,3 Prozent oder in mehreren Schritten bis dahin angehoben werden, sondern ganz konkret um lediglich 3,5 Prozent rückwirkend für das Jahr 2012. Im Jahr 2013 erfolgen weitere zaghafte Anpassungen, die man auch als neuerlichen Lohnbetrug bezeichnen könnte. Ab Januar 2013 werden die Einkommen um magere 1,4 Prozent und im August 2013 um weitere sehr magere 1,4 Prozent angehoben.

Das Ergebnis, und das sollte man auch erwähnen, ist mit knapper Mehrheit und viel Bauchschmerzen durch die Tarifkommission von ver.di akzeptiert worden. Wer da wie und warum gerade so abgestimmt hat, soll an dieser Stelle mangels Informationen nicht weiter erörtert werden.

Sicherlich wird für das Jahr 2012 eine Steigerung der Gehälter knapp oberhalb der sogenannten Lohnregel (Inflationsziel der Zentralbank (2 %) plus Produktivitätszuwachs) erreicht werden. Allerdings in diesem Zusammenhang von volkswirtschaftlicher Vernunft zu sprechen, ist weit übertrieben. Die Arbeitgeber haben es nämlich geschafft, die schlechte Bezahlung in den untersten Lohngruppen aufrecht zu erhalten. Von 8,57 Euro steigt der Stundenlohn im Jahr 2012 um 30 Cent auf 8,87. Der Gewerkschaft ver.di folgend, hätte es mit der sozialen Komponente (mindestens 200 Euro mehr) einen Stundenlohn von mindestens 9,76 geben sollen – also einen Bruttolohn von gerade mal 1.561 Euro.

Auch das wäre, meiner Einschätzung nach, noch viel zu wenig gewesen, wenn man berücksichtigt, dass die amtliche Niedriglohnschwelle in Westdeutschland bei einem Einkommen von 1.890 Euro für eine Vollzeitstelle liegt. Inzwischen arbeiten rund 23 Prozent oder über 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte für ein Gehalt, das unterhalb dieser Schwelle liegt.

Quelle: Böckler Boxen

Dabei stagnieren die Löhne bzw. findet ein realer Einkommens- und Kaufkraftverlust seit dem Jahr 2000 statt. Das hat ver.di selbst einmal grafisch herausgearbeitet.

Löhne und Gewinne

Aufgrund dieser Entwicklung ging die Gewerkschaft offensiv aber dennoch verhalten in ihren Forderungen in die Tarifauseinandersetzung. Das mag jetzt der ein oder andere nicht glauben, aber auch eine Erfüllung der ursprünglichen ver.di Forderung hätte volkswirtschaftlich gesehen kaum zu einer Anpassung, der zuvor erlittenen Verluste geführt. Wer nur auf die Zahlen schaut und meint, dass 6,5 Prozent für deutsche Verhältnisse viel zu hoch sein müssen, weil man an Abschlüsse weit darunter gewöhnt ist, zeigt nur, dass er von Volkswirtschaft und vor allem von den Ursachen und der Dimension der europäischen Krise nichts verstanden hat.

Den Arbeitgebern volkswirtschaftliche Vernunft zu attestieren, ist nämlich gerade mit Blick auf Europa und seine Währungskrise schlichtweg dumm. Würden die öffentlichen Arbeitgeber volkswirtschaftlich vernünftig handeln, müssten sie nämlich viel höhere Lohnabschlüsse zulassen und zwar weit über den Forderungen der Gewerkschaften. Denn ohne eine deutliche Zunahme der Lohnstückkosten in Deutschland kann der Süden Europas einschließlich Frankreichs nie und nimmer an Wettbewerbsfähigkeit hinzugewinnen.

Wenn man aber den Euro und die friedliche Union als Ganzes erhalten will, führt kein Weg an der Beseitigung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und einer Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit, der mit Auslandsschulden belasteten Länder vorbei. Da eine Minderung des Ungleichgewichts über Wechselkurssysteme nicht möglich ist, muss diese über die Löhne und Lohnpolitik (Mindestlohn) geschehen. Um hierbei zum Erfolg zu gelangen, muss der jahrelange Verstoß gegen das gemeinsame Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (2 Prozent) im Prinzip umgekehrt werden.

Gerade Deutschland muss als Überschusssünder (nur möglich durch permanentes Unterschreiten des Inflationsziels) dafür Sorge tragen, dass seine Lohnstückkosten in den kommenden Jahren stärker steigen als die in den südeuropäischen Ländern. Deutschland muss klar nach oben vom Inflationsziel abweichen, während die Defizitländer knapp darunter bleiben müssen, um eine Deflation zu verhindern. Deutschland muss also selbst Defizite hinnehmen, um wirklich einen Beitrag zur Lösung der Eurokrise leisten zu können. Doch diese einzig vernünftige Strategie wird nicht einmal zu denken gewagt, weil in der Diskussion die Defizite der anderen nicht in Verbindung mit unseren Überschüssen gebracht werden dürfen.

Selbst der Bundesbankpräsident Jens Weidmann rühmt sich des jahrelang betriebenen Verstoßes gegen das Inflationsziel, wirbt weiterhin für Preisstabilität und geißelt Lohnerhöhungen als per se inflationstreibend. Das Spiel mit den Inflationsängsten der Deutschen ist ein bewährtes Rezept, um sie zu disziplinieren, und sie auf den neoliberalen Irrweg, der fälschlicherweise als Kurs bezeichnet wird, weiter einzuschwören. Unter dieser haltlosen Drohung werden ein weiter vor sich hin wuchernder Niedriglohnsektor sowie eine galoppierende Zunahme von Billionenvermögen auf den Konten weniger toleriert, wohingegen das in die Irre geleitete Auge empört auf die im Vergleich dazu schleichend steigende öffentliche Verschuldung starrt.   

Diejenigen, die finanziell etwas zur Begleichung der privaten Wettschulden, die nun bewusst zu Staatsschulden gemacht worden sind, beitragen könnten, dürfen ihr Vermögen unbesehen und ungeprüft behalten. Eine Abgabe ist nicht nötig. Stattdessen jammern die öffentlichen Arbeitgeber über eine Unfinanzierbarkeit des vorliegenden Tarifabschlusses, nehmen es aber kommentarlos hin, dass niedrige Löhne weiterhin durch öffentliche Gelder aus dem Hartz-System aufgestockt werden müssen, über das der strafrechtlich verurteilte Namensgeber nun sieben Jahre nach dessen Einführung behauptet, einmal sehr viel höhere Eckregelsätze ausgerechnet zu haben.

Hier treffen sich dann auch eine seriös vorgeführte Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik mit der nicht mehr zu übersehenden kriminellen Energie, die offensichtlich aufgebracht werden muss, um bestimmte Partikularinteressen gegenüber dem Gemeinwohl und den Belangen der Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen zu können. Mit volkswirtschaftlicher Vernunft hat das aber nichts zu tun.  

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Das übliche Ritual

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Es gehört ja zu den üblichen Ritualen, während eines Streiks im öffentlichen Dienst genervte Pendler nach ihrem Urteil zu fragen. Allerdings sollte dabei beachtet werden, diese auch richtig zu informieren. Die Forderung der Gewerkschaft ver.di von über 6,5 Prozent mehr Lohn ist bekannt. Das stolze Angebot der Arbeitgeber beläuft sich auf 3,3 Prozent. Darauf angesprochen, äußern die meisten Passanten an Bahnhöfen und Bushaltestellen doch Unverständnis ob der Haltung der Beschäftigten. Kaum einer könne sich erinnern, dass ihm sein Arbeitgeber ein solches Lohnplus einmal angeboten hätte.

Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie Journalisten reihenweise auf das mit Bedacht formulierte Angebot der Arbeitgeber hereinfallen und es den Menschen so präsentieren, wie es sich PR-Berater nur wünschen können. Wenigstens darauf hinzuweisen, dass sich das Angebot der Arbeitgeber auf eine Laufzeit von zwei Jahren bezieht und damit in Wirklichkeit deutlich niedriger ausfällt als suggeriert, hätte man doch erwarten können. Aber nichts da. Dafür ist schließlich keine Zeit, wenn man Volkes Stimme einfängt.

Und so muss ver.di Chef Frank Bsirske in den Nachrichtenmagazinen immer wieder betonen, wie das Angebot der Arbeitgeber in Wirklichkeit zu verstehen ist. Doch auf ein wirkliches Interesse stößt dieses Zurechtrücken der Fakten kaum. Dass unterm Strich mit dem Angebot der Arbeitgeber mal wieder ein realer Einkommensverlust für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst herauskäme, ist bloß die Meinung der Gewerkschaft und bedarf daher keiner simplen mathematischen Überprüfung.

Es läuft wie immer. Die berechtigten Forderungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden skandalisiert. Dagegen wäre es auch mal schön, wenn die unberechtigten Forderungen der Vermögenden und der Banken in ähnlicher Weise skandalisiert würden. Gab es eigentlich ein kritisches Wort zu dem 17 Millionen Gehalt von Martin Winterkorn? Kaum vernehmbar. Das wäre ja auch eine Neiddebatte und schließlich hat VW seinen Mitarbeitern eine Prämie von 7500 Euro gezahlt. Dazu Volker Pispers treffend:

“Mit etwas Glück darf er davon auch die Hälfte an den Fiskus überweisen. Denn der kleine Mann muss ja nicht nur die Gewinne erwirtschaften, die an die Aktionäre ausgeschüttet oder den großen Chefs bzw. den brasilianischen Nutten in die Hände gedrückt werden. Er muss mit seinen Steuern ja auch noch die Zinsen für die Schulden bezahlen, mit denen die Abwrackprämie finanziert wurde, die notwendig wurde, weil die Kasinokapitalisten in den Banken sich verspekuliert hatten.

Ach ja, und die Zinsen für die Schulden, mit denen die Banken gerettet wurden, die muss der kleine Mann ja auch noch erwirtschaften.

D.h., der kleine Mann muss so produktiv sein, dass er sich selbst ernähren und die Aktionäre bei Laune halten kann. Gleichzeitig muss er noch die Rettung seines eigenen Arbeitsplatzes finanzieren und die Rettung der Bankenschmarotzer, die seinen Arbeitsplatz in Gefahr gebracht haben.

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Einzelhandel hofft auf sinkende Temperaturen

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Wie jedes Jahr klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Vor Weihnachten werden traditionell die größten Umsätze im Einzelhandel verbucht. Doch sie erreichen einmal mehr nicht die Erwartungen. Der Einzelhandelsverband legt sich dabei die Begründungen passend zur Wetterlage zurecht. Dieses Jahr heißt es:

Bei Winterbekleidung und Wintersportartikeln hoffen die Händler allerdings noch auf sinkende Temperaturen und Schneefall. Denn erfahrungsgemäß werden warme Jacken und Mützen erst bei Frost und Schnee gekauft.

Quelle: HDE

Ich kann mich noch gut an letztes Jahr erinnern, als der Winter uns deutschlandweit fest im Griff hatte, überall Schnee lag und die Temperaturen im Keller waren. Damals begründeten die Einzelhändler ihre schwachen Umsätze auch mit dem Wetter.

Eis und Schnee haben das Geschäft zu Wochenbeginn leicht einfrieren lassen.

Quelle: HDE (19.12.2010)

Noch ein, zwei Wochen und die Einzelhändler hoffen auf die berühmten Spätkäufer und nach drei Wochen wird dann bestimmt das Einlösen von Gutscheinen sowie zahlreiche Umtauschwillige das Geschäft beleben. Erst im Februar wird aber verlässlich klar sein, dass auch dieses Weihnachtsgeschäft genauso beschissen gelaufen ist, wie all die Jahre zuvor. Noch immer bewegen sich die Umsätze im Einzelhandel unter dem Niveau von 2005.

Einzelhandel bis Oktober 2011

Die Lohnentwicklung zeigt ebenfalls deutlich, dass eine relevante Massenkaufkraft gar nicht zur Verfügung steht, weil die Löhne, aber auch Renten seit über zehn Jahren stagnieren bzw. real (inflationsbereinigt) zurückgehen. Es sei denn, die Verbraucher verschulden sich, um deutlich mehr zu konsumieren.

Löhne und Gewinne

Für Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sind diese Zahlen natürlich immer noch ein Beleg für eine breit angelegte und auch gefestigte Binnenkonjunktur.

“Sie gründet sich mittlerweile auch auf eine wachsende Nachfrage der Verbraucher nach Konsumgütern. Die deutsche Wirtschaft verfügt damit über gute Voraussetzungen, die weltwirtschaftliche Flaute im Winterhalbjahr gut zu meistern. Eine notwendige Voraussetzung sind allerdings wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro. Dazu zählen besonders schärfere Sanktionsmechanismen gegen Schuldenstaaten, wie sie derzeit diskutiert werden.”

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Ein Solms zur Steuerdiskussion

Geschrieben von:

Heinemann: Herr Solms, was spricht gegen einen höheren Steuersatz bei einem Einkommen zwischen 53.000 und 250.000 Euro?

Solms: “Die Steuerzahler sind heute schon extrem hoch belastet. Sie zusätzlich zu belasten, würde den Leistungsprozess stören und gerade diese Menschen, die besonders leistungsfähig sind, in hohem Maße weiter ins Ausland treiben. Das können wir uns einfach nicht erlauben. Man muss im Übrigen bedenken, dass die höheren Einkommensbezieher – also die zehn Prozent Bestverdienenden – über 50 Prozent des Steueraufkommens erbringen. Das heißt, die sind hochbelastet, mehr wäre einfach unvernünftig.”

Heinemann: Sie sprechen von besonders Leistungsfähigen – nennen wir sie doch einfach mal besonders Reiche!

Solms: “Nein, die sind nicht reich, sondern durch ihre Arbeit haben sie ein höheres Einkommen, weil ihre Arbeit so hoch geschätzt wird. Und genau das sind diejenigen, die die Arbeitsplätze für die anderen mitschaffen, die für den Aufschwung in Deutschland gesorgt haben, und die sollen für diese Arbeit nicht bestraft werden, sondern auch deren Arbeit muss sich weiterhin lohnen. Im Übrigen dürfen Sie nicht vergessen, dass heute diejenigen, die hohe Einkommen beziehen, schon – wenn sie Soli und Kirchensteuer obendrauf rechnen – mit rund 50 Prozent besteuert werden. Mehr ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.”

Quelle: dradio

Hermann Otto Solms fährt noch einmal das gesamte Repertoire längst widerlegter Behauptungen auf, wonach die Besser- und Bestverdienenden durch Steuern unglaublich hoch belastet seien und auf gepackten Koffern säßen, um das Land sofort zu verlassen, falls die Abgabenschraube nach oben gedreht würde. Warum sind die “hoch Geschätzten” und keinesfalls reichen Menschen eigentlich noch hier, wenn nach Solms eine steuerliche Hochbelastung längst Realität ist?

Damit könnte man schon schließen und die FDP bei ihren drei Prozent belassen. Doch sollte man noch einmal darauf hinweisen, dass die oberen 10 Prozent eben nicht über 50 Prozent des Steueraufkommens erbringen, sondern nur über 50 Prozent der Einkommenssteuer die mit weniger als 40 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen beiträgt.

2010 betrug der Anteil der Steuern vom Einkommen 38,5 %; er verringerte sich damit seit 2000 um gut 5 Prozentpunkte und seit 1990 sogar um fast 8 Prozentpunkte.

Quelle: BMF

Das ist kein feiner, sondern ein elementarer Unterschied, weil der Anteil der indirekten Steuern mit 51,8 Prozent (für 2010) am Gesamtsteueraufkommen deutlich höher ist. Dazu kommt, dass die von Solms angeführten oberen 10 Prozent bei näherer Betrachtung nur einen Anteil von 37,9 Prozent am zu versteuernden Einkommen haben und über 60 Prozent des Gesamtprivatvermögens verfügen, wohingegen die unteren 70 Prozent nicht mal auf einen Anteil von 9 Prozent kommen.

Über die Hälfte des Steueraufkommens wird demnach über die Umsatzsteuer (33,9 Prozent), Energiesteuer, Versicherungssteuer, Tabaksteuer usw. bestritten, also Steuerarten, die nicht progressiv am jeweiligen Einkommen oder Vermögen, sondern absolut nach dem Modell einer Flat-Tax erhoben werden. D.h., dass Geringverdiener gemessen an ihren Einkommen deutlich höher belastet werden, als Besserverdiener, die von ihren Einkommen nur einen geringen Teil für den Konsum einsetzen müssen und den Rest sparen bzw. anlegen können.  

Durch politische Entscheidungen wurde eine Verschiebung der Finanzierungsbasis des Staates zu Gunsten höherer Einkommensbezieher und Vermögender erreicht. Diese Entwicklung bleibt weitgehend unerkannt. Im Durchschnitt zahlen Besserverdienende auch nicht den Spitzensteuersatz, der gilt ja nur für einen bestimmten Teil des Einkommens.

Quelle: NachDenkSeiten

Umgekehrt profitieren höhere Einkommen auch von einer Senkung der Steuersätze in unteren Progressionszonen. Wenn man also nur Normalverdiener entlasten wollte, müsste Herr Solms und seine FDP die Spitzensteuersätze anheben, um nicht gleichzeitig eine viel stärkere Entlastung der Besserverdienenden im Vergleich zu den Normalverdienern auszulösen. Aber dieser angenehme Nebeneffekt käme den Liberalen und ihrer Klientel nicht wirklich ungelegen. Darüber sprechen tut man aus Imagegründen freilich nicht. Denn wie sagte der neue Parteifurzende und andere Jungliberale einmal. Es gehe nicht darum liberale Grundsätze aufzugeben, sondern sie so zu verkaufen, dass sie sozialer aussehen.

„Der FDP fehlen nicht kluge Konzepte in den verschiedenen Politikfeldern. Daran herrscht kein Mangel. Wir glauben aber nicht daran, dass eine Partei nur wegen sinnvoller Maßnahmevorschläge gewählt wird.

Sie erhält vielmehr Zustimmung, wenn sie mit einer positiven politischen Erzählung verbunden wird, die das Lebensgefühl der Menschen trifft und ihnen Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht.“

Quelle: tautenhahn.blog

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