Die Linke und ihr mehr Netto vom Brutto

Geschrieben von: am 27. Jun 2011 um 18:57

In seinem Newsletter schreibt Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Bundestagsfraktion Die Linke, über die Steuersenkungskampagne der Bundesregierung und bezeichnet die Pläne als Rettungsprogramm für die FDP. Dagegen stellt er die Position der Linken und meint:

Wir wollen wirklich mehr Netto vom Brutto für die Menschen, die hart für ihr Einkommen arbeiten. Und diejenigen, die hohe Einkommen beziehen, sollen wieder so zur Kasse gebeten werden, wie das zu Kohls Zeiten üblich war! Dies bedeutet, dass der Spitzensteuersatz von 42 wieder auf 53 Prozent ansteigt.

Quelle: Michael Schlecht

Was mich daran stört, habe ich unterstrichen. Was soll dieser Griff in die FDP-Mottenkiste? Warum beschäftigt sich die Linke überhaupt mit der Steuersenkungsnebelkerze der Bundesregierung, die zum wiederholten Mal von Finanzminister Schäuble einfach einkassiert wurde?

Klar, man kann sich mit der Anhebung von Spitzensteuersätzen beschäftigen und auch über die kalte Progression sprechen, wie sie von allen Seiten nach eigener Interpretation diskutiert wird, doch man kann sich von den PR-Strategen der Bundesregierung nicht ernsthaft eine Debatte über Steuersenkungen aufschwatzen lassen und darüber hinaus vergessen, dass nicht mehr Netto vom Brutto die Lösung der sozialen Frage darstellt, sondern wohl eher mehr Brutto für die Beschäftigten, die seit Jahren Reallohnverluste hinzunehmen hatten.

Immer mehr Menschen, die durch die politisch gewollte Expansion des Niedriglohnsektors von ihren Einkünften nicht mehr leben können, obwohl sie Vollzeit hart arbeiten, in prekären Beschäftigungsverhältnissen verharren, in der Leiharbeit, in Teilzeit oder aber in die Arbeitslosigkeit ausgelagert wurden, können gar kein Interesse an niedrigeren Einkommenssteuern haben, sondern allenfalls daran, dass ihnen die indirekte Steuerlast (Mehrwertsteuer), denn die muss jeder zahlen, egal wie viel oder woher er seine Einkünfte bezieht, abgenommen wird.

Komischerweise spricht der Chefvolkswirt der Linken die in der Vergangenheit betriebene Verschiebepraxis von den direkten zu den indirekten Steuern überhaupt nicht an. Dabei wäre hier ein Angriffspunkt, um das taktische Manöver der Bundesregierung für jeden Laien sichtbar zu machen. Denn immer wenn es heißt, der Staat braucht Geld, wird an der Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Ökosteuer, Tabaksteuer usw. gedreht. Eine Erhöhung garantiert Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Wenn es aber heißt, der Staat habe wegen unerwartet hoher Einnahmen soviel Spielraum, dass er über eine Steuerentlastung etwas an die Bürger zurückgeben könne, wird ständig eine Reform der Einkommenssteuern in Betracht gezogen. Warum?

Quelle: Monatsbericht (Juni 2011) des BMF

Derzeit haben die indirekten Steuern, die keinerlei Progression unterliegen immer noch einen deutlich höheren Anteil am Gesamtsteueraufkommen. Geringverdiener werden gemessen an ihrem Einkommen, das sie nahezu komplett verkonsumieren müssen, deutlich höher mit diesen indirekten Abgaben belastet, als jene mit hohen Einkommen, die jede Verschiebung in Richtung Flat Tax nur begrüßen können, weil sie dadurch noch mehr Steuern sparen. Die Zusammensetzung des Steueraufkommens und die darin enthaltene ungerechte Verteilung ist viel wichtiger, als sich an einer sinnlosen Diskussion um Einkommenssteuersenkungen zu beteiligen.

Noch besser wäre allerdings, die Einkommensentwicklung nicht völlig aus dem Blick zu verlieren. Denn unser Problem sind doch nicht zu hohe Einkommenssteuern bei Geringverdienern, sondern viel zu niedrige Löhne und unsichere Beschäftigungsverhältnisse.

Es ist schade, dass sich die Linke auf dieses alberne Spiel, die FDP irgendwie in den Schlagzeilen zu halten, eingelassen hat.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Manfred Corte  Juni 27, 2011

    … ja, eigentlich richtig, was Du das schreibst, man muß nicht auf jede Schein-Diskussion einsteigen. Aber, bei der Bankenbeteiligung war es doch genauso, man sieht ja, was übrig bleibt, oder man wird sehen, wie weit die Spendenbereitsschaft von Herrn Ackermann geht. Mein Vorschlag wäre ein anderer: Wenn schon Geld da ist, warum nicht Hartz-IV wirklich aufstocken, auf menschenwürdiges verfassungsgemäßes Niveau – und die Hungerrenten auch. Da hat es fast 1 Prozent gegeben, bei offizieller 2,5-Prozent Inflation. Lächerlich. Solches Geld würde ja direkt in den Konsum gehen, Binnennachfrage ankurbeln und Außenhandelsüberschuß nicht vergrößern, was unsere Nachbarn (Griechenland) ja so in die Bredouille gebracht hat …Da wäre vernünftig, aber mit Vernunft ist ja bei unseren unfähigen Politikern nicht mehr zu rechnen. Im Gegenteil: Sie lassen sich ihre Unfähigkeit auch noch hoch bezahlen …

  2. xyz  Dezember 2, 2012

    nein, die Linke hat teilweise Recht. die Forderungen vieler Parteien sehen Mindestlöhne von 8,50 bis 10 Euro vor, wobei die Linke die obere Grenze ansetzt vernünftigerweise, was auch in etwa dem gut vergleichbaren Frankreich entspricht, an dem man sich orientieren sollte. Dennoch ist klar, dass dieser Lohn brutto = netto gelten muss. Also müssen diese Einkommenszonen von Sozialabgaben und Steuern entlastet werden. Wie genau man das finanziert und umgestaltet, ist wiederum eine Frage verschiedener Methoden. Das müsste man dann ausprobieren.

    wenn jemand wie eine Bekannte von mir heute 8 Euro bekommt, bleiben davon nur um die 5 Euro netto übrig. Selbst beim anvisierten Mindestlohn von 10 euro bleibt zu wenig übrig. 10 euro müssten dann mindestens NETTO übrig bleiben, damit es einigermaßen zum Leben reicht.

    die skandinavischen Länder zahlen viel über Konsumsteuern, positiv ist aber, dass derjenige zunächst mal ein hohes Einkommen erhält. Hinzu kommen dort Elemente wie Luxussteuern,z.B. auf Neuwagen, bestimmte Produkte sind halt teurer. Solange man Grundbedarf dann günstiger besteuert, seh ich kein grundsätzliches Problem damit.

    den Konsum kann man aber selber steuern bis zu einem gewissen Grad. Das Hauptproblem in DE ist die Ungerechtigkeit im Sozialabgabensystem. Beamte komplett außen vor, Beitragsbemessungsgrenzen etc.

    in anderen Ländern sind alle in einer Kasse. Meine Onkel haben beide Firmen in DE: sie müssen für alle Angestellten Sozialabgaben zahlen, aber was macht der Staat: er benutzt Beamte als Sparmodell um seinen aktuellen Haushalt zu schonen und zahlt keine Sozialabgaben. Für den Staat muss dasselbe gelten wie für Unternehmen. Wenn schon, denn schon.

    Beim Angestellten Lehrer und verbeamteten Lehrer beträgt die Differenz oft 900 Euro, die den Sozialkassen dann fehlen.

    und hohen Einkommen würden für ihren Luxuskonsum dann eben mehr zahlen ggf., wenn man Grundbedarf ermäßigt hält.

    in DE wird zu viel über Sozialabgaben finanziert. Der Arbeitsmarkt gibt das aber nicht mehr her.Man muss weg von einem System, dass nur auf Vollzeiterwerb im Lebensberuf über 45 Jahre setzt und es entkoppeln. Ich finde das holländische Rentenmodell deshalb sehr gut und frauenfreundlich, man muss sich nur überlegen, wie man die angemessene Arbeitgeberbeteiligung sinnvoll einbaut.

    Ansonsten ist es richtig nicht mehr auf Vollzeit für alle zu setzen und es unabhängiger davon zu machen. Gerade in einer arbeitsteiligen Gesellschaft würde so die Arbeit von Geringverdienern und Frauen mehr gewürdigt werden. Wir in DE hingegen hängen alles nur an Vollzeiterwerb von Besserverdienenden auf. Und dann sagt man den Frauen, geh doch in die Chefetage, als ob alle Häuptlinge sein können. Diese ewige Bildungslüge.