Wenn es sprudelt, verarmt meistens der Staat

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Seit vergangener Woche ist die neueste Steuerschätzung raus und die Kommentare zur angeblich üppig vorhandenen Einnahmebasis des Staates sind geschrieben. In ihnen heißt es mal wieder, dass es an der Zeit sei zu sparen, weil Finanzminister Schäuble trotz des prognostizierten Rückgangs immer noch über eine Rekordsumme an Steuern verfügen könne. Dabei sind höhere Einnahmen bei einem steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) nichts ungewöhnliches. Außerdem, und das ist viel gravierender, sagen nominale Rekordeinnahmen für sich genommen überhaupt nichts aus. Das könnten Journalisten allein schon daran erkennen, dass im Schatten der zu erwartenden Höchststände beständig über große Finanzierungslöcher bei Bund, Ländern und vor allem den Kommunen geklagt wird.

Die öffentliche Hand kann immer seltener ihre Aufgaben übernehmen, trotz angeblich sprudelnder Einnahmen. Das prognostizierte „Rekordsteueraufkommen“ muss also in ein Verhältnis gesetzt werden, um darüber eine verlässliche Aussage treffen zu können. Doch nirgendwo, außer in der Publikation der Steuerschätzer selbst, findet sich etwas über die Steuerquote, also jenen Wert, der die Steuereinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt in Beziehung setzt. Er liegt bei geschätzten 22,77 Prozent für das Jahr 2013 und damit auch auf einem Rekordniveau, das aber nicht das obere, sondern immer noch das untere Ende der Fahnenstange beschreibt. Zumindest unterdurchschnittlich ist die Entwicklung dieser Quote wenn man sie mit der anderer Länder vergleicht. Das heißt also, dass die Steuereinnahmen zwar einen noch nie dagewesenen Höchstwert erreicht haben mögen, gemessen am BIP aber dem Staat immer weniger Geld zur Wahrung seiner Aufgaben zur Verfügung steht.

Das hat auch einen Grund, der vor allem in den Steuersenkungsorgien der Regierungen Schröder bis Merkel zu finden ist. Sie haben den Staat um Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe gebracht. Dennoch will das Lied von der Ausgabendisziplin nicht verklingen. Gerade jetzt, wo halb Europa unter dem Spardiktat der Deutschen zu leiden hat und der Kontinent als Ganzes auf eine jahrelange Depression zusteuert, fällt deutschen Journalisten nichts besseres ein, als das zu fordern, was sie immer reflexhaft fordern, weil sie von Volkswirtschaft einfach nichts verstehen wollen. Man möge doch endlich richtig sparen. So als ob es hierzulande keine verrottende Infrastruktur geben würde. Dabei gammeln Schulen, Straßen und öffentliche Gebäude nur deshalb seit Jahren vor sich hin, weil man sich die Renovierung aus Kostengründung immer wieder spart. Zuletzt jammerte ja auch der deutsche Städtebund über einen Investitionsrückstand von rund 100 Milliarden Euro.

Für diese Schieflage in der Wahrnehmung haben Medien wie auch die Steuervermeidungsfetischisten immer die gleiche Antwort parat. Der Staat sei kein guter Haushälter und gebe zu viel Geld an Stellen aus, wo er es doch lieber bleiben lassen sollte. Bei den Sozialleistungen zum Beispiel bestehe immer Einsparpotenzial. Nur traue sich aus Angst vor unpopulären Entscheidungen niemand so recht an diesen Posten heran. Doch auch hier stützen die wenig aussagekräftigen nominalen Daten die wackelige Argumentation. Gemessen am BIP lagen die Ausgaben im Jahr 2002 allerdings höher als heute und mit einem aktuellen Niveau von 30 Prozent kaum höher als 1975. Doch ginge es nach den Hardlinern, könne der Sozialstaat allein von der Spendenbereitschaft gönnerhafter Steuerhinterzieher wie Uli Hoeneß leben, die schließlich besser wüssten, für welchen guten Zweck Vermögen eingesetzt werden sollte.

Mehr Steuern zu verlangen, widerspricht hingegen dem trotzigen Weltbild vieler Meinungsmacher, die sich im Augenblick genüsslich und giftig am Wahlprogramm der Grünen abarbeiten, das ja bekanntlich eine zaghafte Erhöhung einzelner Abgaben vorsieht. Was aber dagegen spricht, beispielsweise die Abgeltungssteuer von 25 Prozent in die Mülltonne zu werfen und alle privaten Kapitaleinkünfte wieder mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz zu versteuern, erklären die notorischen Steuerhasser nicht. Und was ist gegen eine Wiederbelebung der Vermögenssteuer zu sagen, die es ja offiziell noch gibt, aber keine Einnahmen generiert?

Insgesamt tragen die vermögensbezogenen Abgaben, also Vermögensteuer (Erhebung seit 1997 ausgesetzt), Grundsteuer, Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer gerade einmal 4 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen bei und machen damit nicht einmal 1 Prozent des BIP aus. Das ist weniger als die Hälfte des Durchschnitts der entwickelten Länder. Zudem besitzt das reichste Zehntel der Bevölkerung inzwischen 66 Prozent des Gesamtvermögens, also 6,4 Billionen Euro. Steuergerechtigkeit muss daher die Antwort auf vermeintlich “sprudelnde” Einnahmen heißen, die nur deshalb so abgefeiert werden, um die systematisch vorangetriebene Verarmung des Staates zu verschleiern.

Wer darüber hinaus Steueroasen wirksam austrocknen will, muss mit deren Mästung aufhören und die verfehlte Unternehmens- und Vermögensbesteuerung des vergangenen Jahrzehnts beenden bzw. korrigieren. Es muss beispielsweise Schluss sein mit der Steuerfreiheit auf Veräußerungsgewinne, die rot-grün einmal beschloss und seit dem nie zurückgenommen wurde. Zudem ist mit 20 Prozent die Steuerbelastung von Unternehmens- und Vermögenseinkommen historisch, vergleichsweise und rekordverdächtig niedrig. An dieser Stelle gäbe es viel Reformbedarf, um den Staat als ganzes auf solidere Füße zu stellen und gleichzeitig für eine gerechtere Finanzierung zu sorgen.

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Die Linke und ihr mehr Netto vom Brutto

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In seinem Newsletter schreibt Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Bundestagsfraktion Die Linke, über die Steuersenkungskampagne der Bundesregierung und bezeichnet die Pläne als Rettungsprogramm für die FDP. Dagegen stellt er die Position der Linken und meint:

Wir wollen wirklich mehr Netto vom Brutto für die Menschen, die hart für ihr Einkommen arbeiten. Und diejenigen, die hohe Einkommen beziehen, sollen wieder so zur Kasse gebeten werden, wie das zu Kohls Zeiten üblich war! Dies bedeutet, dass der Spitzensteuersatz von 42 wieder auf 53 Prozent ansteigt.

Quelle: Michael Schlecht

Was mich daran stört, habe ich unterstrichen. Was soll dieser Griff in die FDP-Mottenkiste? Warum beschäftigt sich die Linke überhaupt mit der Steuersenkungsnebelkerze der Bundesregierung, die zum wiederholten Mal von Finanzminister Schäuble einfach einkassiert wurde?

Klar, man kann sich mit der Anhebung von Spitzensteuersätzen beschäftigen und auch über die kalte Progression sprechen, wie sie von allen Seiten nach eigener Interpretation diskutiert wird, doch man kann sich von den PR-Strategen der Bundesregierung nicht ernsthaft eine Debatte über Steuersenkungen aufschwatzen lassen und darüber hinaus vergessen, dass nicht mehr Netto vom Brutto die Lösung der sozialen Frage darstellt, sondern wohl eher mehr Brutto für die Beschäftigten, die seit Jahren Reallohnverluste hinzunehmen hatten.

Immer mehr Menschen, die durch die politisch gewollte Expansion des Niedriglohnsektors von ihren Einkünften nicht mehr leben können, obwohl sie Vollzeit hart arbeiten, in prekären Beschäftigungsverhältnissen verharren, in der Leiharbeit, in Teilzeit oder aber in die Arbeitslosigkeit ausgelagert wurden, können gar kein Interesse an niedrigeren Einkommenssteuern haben, sondern allenfalls daran, dass ihnen die indirekte Steuerlast (Mehrwertsteuer), denn die muss jeder zahlen, egal wie viel oder woher er seine Einkünfte bezieht, abgenommen wird.

Komischerweise spricht der Chefvolkswirt der Linken die in der Vergangenheit betriebene Verschiebepraxis von den direkten zu den indirekten Steuern überhaupt nicht an. Dabei wäre hier ein Angriffspunkt, um das taktische Manöver der Bundesregierung für jeden Laien sichtbar zu machen. Denn immer wenn es heißt, der Staat braucht Geld, wird an der Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Ökosteuer, Tabaksteuer usw. gedreht. Eine Erhöhung garantiert Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Wenn es aber heißt, der Staat habe wegen unerwartet hoher Einnahmen soviel Spielraum, dass er über eine Steuerentlastung etwas an die Bürger zurückgeben könne, wird ständig eine Reform der Einkommenssteuern in Betracht gezogen. Warum?

Quelle: Monatsbericht (Juni 2011) des BMF

Derzeit haben die indirekten Steuern, die keinerlei Progression unterliegen immer noch einen deutlich höheren Anteil am Gesamtsteueraufkommen. Geringverdiener werden gemessen an ihrem Einkommen, das sie nahezu komplett verkonsumieren müssen, deutlich höher mit diesen indirekten Abgaben belastet, als jene mit hohen Einkommen, die jede Verschiebung in Richtung Flat Tax nur begrüßen können, weil sie dadurch noch mehr Steuern sparen. Die Zusammensetzung des Steueraufkommens und die darin enthaltene ungerechte Verteilung ist viel wichtiger, als sich an einer sinnlosen Diskussion um Einkommenssteuersenkungen zu beteiligen.

Noch besser wäre allerdings, die Einkommensentwicklung nicht völlig aus dem Blick zu verlieren. Denn unser Problem sind doch nicht zu hohe Einkommenssteuern bei Geringverdienern, sondern viel zu niedrige Löhne und unsichere Beschäftigungsverhältnisse.

Es ist schade, dass sich die Linke auf dieses alberne Spiel, die FDP irgendwie in den Schlagzeilen zu halten, eingelassen hat.

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Zu dem anderen Thema heute

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Ich mache es kurz:

Die Sau Steuersenkungen wird mal wieder als Ablenkung zum Griechenland und Eurodesaster durchs Dorf getrieben und alle grunzen fröhlich mit, anstatt sich mit der maßgeblich von Deutschland zu verantwortenden europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise zu beschäftigen.

Es ist in der Tat lustig, wie das Thema bewusst hochgezogen wird. Ein angebliches Versprechen der Kanzlerin an den Nachlassverwalter der Westerwelle-FDP Philipp Rösler, ein Kauder im Morgenmagazin, der gar nichts Neues verkündet, sondern nur ankündigt, arbeiten zu wollen, ein FDP-Bambi, das irgendetwas vorrechnet und ein Regierungssprecher, der am Nachmittag alle Träume der Sedierten mit dem Satz zerstört, das noch überhaupt nix Verbindliches zum Thema zwischen den Regierungsteilnehmern besprochen wurde.

Und aus diesem Mist werden wieder Meldungen und Kommentare formuliert sowie Experten befragt. Was für eine Zeitverschwendung. Klicken sie bloß schnell auf weiter oder zurück. Wie sie wollen.

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Selten so gelacht: "Spannung vor der Steuerschätzung"

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Über manche Medien muss man sich wirklich wundern. Da wird im Radio über die heutige Bekanntgabe der Steuerschätzung berichtet und gesagt, dass dieses Ereignis mit Spannung erwartet werde. Das ist natürlich grober Unsinn. Kein Mensch, der bei klarem Verstand ist, verspürt auch nur den geringsten Ansatz von Spannung, wenn er an die heutige Steuerschätzung denkt. Warum? Weil das Ergebnis längst bekannt ist, auch ohne offizielle Verlautbarung.

Dass die schwarz-gelben Regierungsnasen immer wieder betont haben, von der Mai-Steuerschätzung hinge das weitere politische Vorgehen ab, war und ist eine Irreführung, die Journalisten nicht einfach so übernehmen sollten. Dass sie es aber trotzdem tun, zeigt nur zu deutlich, wie perfekt die PR-Strategien der Parteien funktionieren und somit Einfluss auf die Schlagzeilen genommen wird. Mit dem Märchen über die offene Steuerschätzung verschafft sich die Bundesregierung bereits seit ihrem Amtsantritt die nötige Luft, um ihre Tatenlosigkeit zu rechtfertigen und sich über den nächsten Wahltermin hinwegzumogeln.

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