Hartz-IV und die aktuelle Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)

Geschrieben von: am 26. Sep 2010 um 13:56

Am Freitag, 24.09.2010, wurde die aktuele Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) durch das statistische Bundesamt veröffentlicht. Auf Grundlage dieser Erhebung will die Bundesregierung die Regelsätze für Arbeitslosengeld II Bezieher transparent berechnen. Frau von der Leyen kommt zu dem Ergebnis, ihren Koalitionspartnern fünf Euro mehr pro Monat und Leistungsbezieher anbieten zu können. Allein der Vorgang des „Anbietens“, um darüber zu verhandeln, verstößt laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen gegen die Verfassung. Denn wer transparent und realitätsnah einen Bedarf ausrechnet, kann nicht einfach eine Zahl nennen, über die dann intern verhandelt wird. Wozu dann etwas ausrechnen?

Die Bundesregierung behauptet nun aber, dass ihre Rechnung belegen würde, dass die bisherigen Bedarfe überraschend zu hoch angesetzt waren, der bisherige Regelsatz also mehr als ausreichend sei.

Quelle: Thüringer Allgemeine)

Aus Koalitionskreisen hieß es dazu, die Sätze für Kinder hätten eigentlich gesenkt werden müssen. Früher wurden sie vom Satz der Erwachsenen abgeleitet. Nun seien sie zum ersten Mal „spitz gerechnet“ worden. Überraschend sei herausgekommen, dass die bisherigen Sätze in allen Altersgruppen eigentlich zu hoch waren.

Schaut man aber in der aktuellen Verbrauchsstichprobe des statistischen Bundesamts nach, wird man feststellen, dass die Zahlen keinesfalls zu hoch, sondern zu niedrig angesetzt waren. Wenn man nämlich die unterste Gruppe mit einem Einkommen bis 900 Euro betrachtet, was schon realitätsfremd ist, da dieser Personenkreis wahrscheinlich selbst auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist, fallen bei den Einzelbedarfen die Unterschiede zum Teil deutlich auf.

Angaben in EURO (ALG II-Angaben, Stand: 30.06.2007)

  • Lebensmittelausgaben: 156 Euro (ALG II: 132,71)
  • Kleidung/Schuhe: 30 (ALG II: 34,26)
  • Gesundheit: 25 (ALG II: 13,17)
  • Verkehr: 55 (ALG II: 19,20)
  • Nachrichtenübermittlung: 38 (ALG II: 22,37)
  • Freizeit: 68 (ALG II: 39,48)
  • Gastronomie: 25 (ALG II: 10,06)

Wie die Bundesregierung also darauf kommt, dass die Ausgaben bisher zu hoch angesetzt waren, erschließt sich mir jedenfalls nicht. Ich bin gespannt auf die neue transparente Rechnung der Frau von der Leyen…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ormuz  September 26, 2010

    Ich bin gespannt wann der erste sich findet der auf diese Provokation mit Gewalt reagiert.
    Das alles ist so unfasslich, ein Schlag ins Gesicht nicht nur der Bevölkerung sondern auch in das des BVG .
    Wo sind wir hier ? Im Kaspertheater ?

  2. Manfred Corte  September 27, 2010

    … der Kurs für die Menschenwürde steht in Deutschland nicht sehr hoch: 364 Euro ist die „unantastbare Würde des Menschen“ der Politik gerade noch wert. Traurig, wie dieses Land druch Politiker und ruchlose Eliten entsolidarisiert wurde und moralisch verkommen ist und systematisch heruntergewirtschaftet wurde … Widerstand ist Pflicht – und müßte sich in den Zeiten des Internets eigentlich kreativ organisieren lassen. Es wird doch Arbeitslose geben, die sich hier an am PC die Arbeit machen könnten? Und daß Computersystem per Spam und ähnlichem blockiert werden können, kann doch nicht so schwer sein? Meiner jedefalls würde für einen solchen Widerstands-Trojaner zur Verfügung stehen …

  3. Anonymous  September 28, 2010

    Wie reagiert man auf sowas? Ich wäre dabei, weiß aber auch nicht, wie man Protest gegen eine undemokratisch handelnde Regierung äußert.