Angela Merkel ist nicht am, sondern der Zug

Geschrieben von: am 22. Sep 2013 um 17:55

Die SPD-Granden sagen auffallend oft, jetzt ist Angela Merkel am Zug. Damit versuchen die Spezialdemokraten den Spieß umzudrehen und ihre versagenden Führer in eine komfortable Situation zu bekommen. Das Angebot für eine Große Koalition muss von der Union gemacht werden (Steinbrück: „Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel. Sie muss sich eine Mehrheit besorgen.“), um den Eindruck zu zerstreuen, die SPD hätte von Anfang an darauf hingearbeitet oder sehenden Auges auf diese Konstellation zugesteuert.

Fakt ist, dass sich das rot-grüne Lager wohl kaum zum Ergebnis von 2009 verändert hat. Was die Grünen verloren haben, gewann die SPD hinzu. Die Kampagne für ein ausschließliches rot-grünes Bündnis ist krachend gescheitert. Jetzt gilt es, Verantwortung für das schlechte Abschneiden zu übernehmen. Das geschieht aber nicht. Die Parteiführung feiert sich für ihren Wahlkampf und für einen mickrigen Zuwachs. Sie lehnen die Übernahme von Verantwortung ab und glauben, erste Ansprechpartner für Frau Merkel  zu sein.

Die wird aber mit ihrer CDU/CSU die absolute Mehrheit schaffen, was auf den NachDenkSeiten übrigens als realistisches Szenario bereits beschrieben wurde. Nun reichen schon knapp 42 Prozent der Stimmen für eine absolute Mehrheit der Sitze im deutschen Bundestag aus. Für die SPD Führung wäre dieses Ergebnis noch komfortabler. Sie müsste nicht gegen das Wahlversprechen verstoßen, keine Große Koalition einzugehen. Die Parteiführung könnte das Ergebnis als historische Ausnahme interpretieren und sich als Fels in der Brandung gegen Alleinherrscherin Angela Merkel positionieren.

Die muss nun die Früchte ihrer verkorksten Hinhaltepolitik selbst ernten. Laut Umfragen haben die Deutschen kein Interesse an Finanz- und Eurokrise, an NSA-Skandal und Energiewende. Doch all das, was auf den 23. September verschoben worden ist, muss trotzdem behandelt werden. Nun hat Angela Merkel aber niemanden mehr, auf den sie etwas abladen könnte, was heißt, dass die Zumutungen für die Deutschen, die so sicher kommen werden, wie das Amen in der Kirche mit dem Namen Merkel verbunden werden müssten.

Es wäre in der Tat ein Kunststück, wenn es der alten und neuen Kanzlerin gelingen sollte, das Desaster ihrer Politik auch weitere vier Jahre zu verschleiern. Sie müsste sich also einen Koalitionspartner wünschen. Die SPD steht als nützliche Idiotin bereit. Die würde lieber einer starken Union zur Zweidrittelmehrheit verhelfen, als einen Politikwechsel mit dem eigenen Programm und auch mit der Linken zu vollziehen. Am Ende gewänne aber wieder nur Angela Merkel.

EDIT_21 Uhr: Nach der Elefantenrunde, zu der die FDP schon gar nicht mehr geladen war, verfestigt sich der Eindruck: Merkel wäre froh, wenn sie keine absolute Mehrheit hätte und die gegenwärtige SPD-Führung wäre froh, wenn Merkel sie doch hätte.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. EuroTanic  September 22, 2013

    Warum klagt eigentlich niemand der sogenannten „Anti Euro“ Professoren gegen diese Wahl? Denn die ist aus meiner Sicht nicht nur aus obigen Argumenten verfassungswidrig. Dazu kommen die vom BVerfGe zwei mal angemahnten Überhangmandate, die zur Verfassungswidrigkeit und damit zur Nichtigkeit dieser Wahl geführt hat? Das offensichtliche liegt doch so nah?

    • adtstar  September 22, 2013

      Nach gegenwärtigem Stand ist das Wahlrecht verfassungskonform. Für Überhangmandate gibt es neuerdings Ausgleichsmandate für die anderen Parteien.