Vollkommen daneben

Geschrieben von: am 12. Aug 2022 um 8:02

Die Sommerausgabe der Bundespressekonferenz war wie immer, komplett überflüssig. Immerhin zeigte die Veranstaltung einmal mehr die Harmlosigkeit des deutschen Hauptstadtjournalismus, deren Vertreter[Pause]innen vor allem Wert auf das korrekte Gendern bei der Aussprache ihrer belanglosen Fragen legten. Überhaupt ist das Format, frag mal was, egal was, aber nur zweimal, vollkommen daneben.

Wenn man beim Zuschauen denkt, nun könnte es spannend werden, weil Tilo Jung etwas zum Komplex Cum-Ex wissen will, ist es auch schon wieder vorbei. Man springt einfach zum nächsten Thema. Die Kollegen haben ja nur eine Frage plus Nachfrage. Und die haben sie sich vorher genau überlegt. Raum für ein spontanes Anknüpfen an den soeben aufgemachten Komplex ist da nicht drin. Leider.

Erst nach einer Weile kommt die Runde der Hauptstadtjournalisten auf das Thema von vorhin zurück. Der Kanzler kann da ganz entspannt sein und wiederholen, was er vor ein paar Minuten schon sagte und niemand stört sich sonderlich daran. Das Format ist daher untauglich, um irgend etwas von Belang zu erfahren. So bleibt als Schlagzeile nur das, was der Kanzler ohnehin verbreiten wollte.

Scholz kündigt weitere Entlastungen an

Eine tolle Botschaft. Olaf Scholz nutzt die Aufmerksamkeit der Sommerpressekonferenz, um erfolgreich PR in eigener Sache zu betreiben. Dabei dienten die zahlreichen Teaser im Vorfeld nur dazu, das öffentliche Interesse noch ein wenig zu erhöhen. Von den drängenden Fragen, die hier formuliert wurden und denen sich der Kanzler angeblich zu stellen hätte, blieb aber unterm Strich nicht viel übrig.

Werden die Atomlaufzeiten verlängert? Ist die Schuldenbremse zu halten? Ist Deutschland wirklich auf den dritten Corona-Winter vorbereitet? Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket? Was weiß Scholz über den Cum-ex-Skandal? Nichts davon kam wirklich zur Sprache und das lag nicht unbedingt daran, dass der Kanzler die Methode des Scholzens ausgiebig genutzt hätte, also viel zu reden, um nichts zu sagen, sondern an den Journalisten, die formatbedingt selbst ins Schwafeln gerieten, weil sie erst lang und breit in einen Sachverhalt einführten, zu dem sie dann etwas wissen wollten.

So blieb es dem Langweiler Scholz überlassen, die Regie zu führen. Er wusste ja, da kommt nur maximal eine Nachfrage und als nächstes dann irgendetwas anderes. Es ist aber auch so, dass man natürlich bei der Frage, was er denn über das Geld im Schließfach von Johannes Kahrs wisse, auf die kurze Antwort vorbereitet sein muss oder ganz grundsätzlich einen anderen Ansatz wählen sollte, wenn sie schon bekannt ist. So geraten die wenigen Worte „Nichts“ und „Keine Ahnung, ich nehme an, das wissen Sie eher als ich“, zum klaren Punktgewinn des Kanzlers, bei dem allenfalls die Patzigkeit seines Vortrags Raum für Spekulationen lässt.

Vielleicht wäre im Rahmen der Sommerpressekonferenz mehr zu holen, wenn sich die Kollegen auf ein brisantes Thema wie Cum-Ex verständigten und den Kanzler nicht vom Haken ließen. Immerhin zeigte sich ja, dass Scholz die Auffassung vertritt, dass in der Warburg-Sache zwei Jahre lang recherchiert und gegraben wurde, aber nichts Belastendes zu Tage gefördert werden konnte. Das ist ja sachlich falsch. Außerdem behauptet der Journalist und Buchautor Oliver Schröm öffentlich: „Wenn Olaf Scholz sagt, er könne sich an nichts erinnern, lügt der Bundeskanzler.“ Ob er die Vorwürfe erhärten kann, wird sich erst im Herbst zeigen, wenn das Buch „Die Akte Scholz“ erscheint. Bis dahin müssen die Hauptstadtjournalisten mit dem ungeheuerlichen Vorwurf des Kanzlers leben, bloß einen unseriösen Journalismus zu betreiben, wenn bei ihren Recherchen Tatsachen auftauchen, die die weiße Weste des Kanzlers beflecken.


Bildnachweis: Screenshot Bundespressekonferenz vom 11. August 2022.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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