Kürzung ohne Rotstift

Geschrieben von: am 08. Jul 2020 um 9:01

Niedersachsens rot-schwarze Regierung fährt den Krisenmodus allmählich zurück und denkt an morgen. Bei der Vorstellung des Haushaltsplanentwurfes für das kommende Jahr dominiert neben allerhand beschönigender Rhetorik („Von diesem Kraftakt werden viele Niedersachsen auch noch im Jahr 2021 und 2022 profitieren.“) der altbekannte Ansatz. Sparsamkeit. Das mag auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussehen, da auch Niedersachsen um höhere Ausgaben und neue Schulden nicht herum kommt. Einige reden allerdings schon wieder von einer schweren Hypothek für künftige Generationen, was natürlich vollkommener Blödsinn ist. Der Landesregierung dürfte es aber gefallen. Sie täuscht eine antizyklische Haushaltspolitik, die tatsächlich notwendig wäre, leider nur vor.

„Mit Augenmaß aus der Krise“ steht über dem Entwurf des Haushaltsplanes. Ministerpräsident Stephan Weil erklärte dazu, wie die HAZ berichtet: „Viele haben eine Rotstiftpolitik befürchtet, die tritt nicht ein.“ Danach folgt dann aber die bemerkenswerte Ergänzung, dass man darauf verzichten werde, neue politische Projekte zu finanzieren. Das sind natürlich auch Kürzungen, nur halt ohne Rotstift. Die Farbe des Schreibgerätes spielt bei der Übung auch gar keine Rolle. Um es konkret zu machen. In den nächsten drei Jahren will die Landesregierung Einsparungen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro vornehmen, wie der DGB Niedersachsen in einer Stellungnahme schreibt. Das hat nichts mit Augenmaß zu tun, das ist eher eine Ankündigung, die öffentlichen Kassen weiter zu ruinieren und Konflikte im gesellschaftlichen Miteinander zu schüren.

Der Kämmerer

Ministerpräsident Stephan Weil erinnerte vor ein paar Wochen daran, dass er mal Stadtkämmerer in Hannover war und ein Sparprogramm nach dem anderen schreiben musste. Die Lage der Stadtkasse habe sich zwar verbessert, aber nicht wegen seiner Programme, so Weil, sondern wegen der wirtschaftlichen Erholung. Leider machte der heutige Ministerpräsident nicht deutlich, ob öffentliche Sparprogramme dann überhaupt sinnvoll sind. Er ließ das offen, vor allem auch mit Blick auf den Haushalt, den er nun für das gesamte Land zu verantworten hat. Der enthält nämlich auch weiterhin in erster Linie die Absicht, so schnell wie möglich in den Sparmodus zurückzukehren, bzw. ihn auch unter den gegebenen Bedingungen nicht wirklich zu verlassen.

Zwar hat die Landesregierung erkannt, dass eine Rückzahlung der Coronaschulden bereits ab dem kommenden Jahr, wie ursprünglich einmal gedacht, nicht nur vollkommen irre, sondern auch schlicht unmöglich ist, einen Tilgungsplan ab dem Jahr 2024 gibt es aber dennoch. Das schreibt schließlich die Schuldenbremse so vor. Allerdings nicht für zehn, sondern dann für 25 Jahre, was die fiskalische Belastung sicherlich besser verteilt, aber kaum erträglicher macht. Denn die Mittel für eine Tilgung von Krediten müssen aus dem laufenden Haushalt immer aufgebracht werden. Eine Erhöhung der Einnahmen, etwa durch eine Vermögensabgabe sind aber ausgeschlossen, wie der mit der Lage vollkommen überforderte Finanzminister Reinhold Hilbers bereits deutlich machte. Er möchte am liebsten die Unternehmen noch weiter von Steuern entlasten, also dem Haushalt noch zusätzlich Einnahmen entziehen.

Die Zwickmühle

Bleiben also nur Ausgabenkürzungen. Der Beginn der Rückzahlungsphase ist für das Jahr 2024 vorgesehen, weil die Landesregierung zu diesem Zeitpunkt mit einer „konjunkturellen Normallage“ rechnet. Sicher ist das aber überhaupt nicht. Zu erwarten ist eher eine Zwickmühle, die den fiskalpolitischen Handlungsspielraum schon viel früher einschränkt. Das Problem wird um so größer, je höher die Neuverschuldung ausfällt, weshalb schon jetzt bei der unmittelbaren Krisenreaktion Hilfen deutlich zurückgefahren (Im Bundesländer-Vergleich der Corona-bedingten Pro-Kopf-Ausgaben schleicht das niedersächsische Ross als Schlusslicht ins Ziel. Nur 175 Euro wurden pro EinwohnerIn ausgegeben.) und vergleichsweise kleine Schuldenbrötchen gebacken werden, obwohl der Absturz der Wirtschaft noch viel dramatischer als befürchtet ist.

Die Landesregierung schreibt selbst, dass sie bereits ab 2021 Einsparverpflichtungen realisieren muss, da das Steuereinnahmeniveau auch mittelfristig hinter den alten Planungen zurückbleibe.

Als Einstieg in die Konsolidierung soll im Haushalt 2021 eine Einsparverpflichtung in Höhe von 200 Millionen Euro erwirtschaftet werden. In den Folgejahren sind dafür ansteigende Beträge eingeplant: 300 Millionen Euro für 2022, 400 Millionen Euro für 2023 und 500 Millionen Euro für 2024.

Quelle: Landesregierung Niedersachsen

Das Angriffsziel

Die konjunkturelle Lage dürfte sich angesichts dieser Zahlen kaum bessern, da entgegen aller Wumms-Beteuerungen, die öffentliche Hand als Starthelfer in der Krise weitgehend ausfällt. Mit einem weiteren Verzicht auf Investitionen wird zudem die Infrastruktur noch mehr verfallen. Darüber hinaus ist der öffentliche Dienst abermals als Angriffsziel ausgemacht. „Wir werden im Zuge der Konsolidierung des Haushalts nicht umhinkommen, den Personalkostenblock für Einsparungen heranzuziehen. Dazu gehören neben der Landesverwaltung die großen personalintensiven Bereiche“, sagte Finanzminister Hilbers der Neuen Osnabrücker Zeitung. Alles gehöre auf den Prüfstand, auch der Personalkostenanteil, der mit mehr als 40 Prozent am Landeshaushalt ein „großer Brocken“ sei. „Ohne diesen Bereich zu beteiligen, sind keine Konsolidierungen möglich, das ist zwingend“, stellte Hilbers klar.

Das ist die übliche Reaktion eines Haushälters alter Schule, der das Ausmaß der Katastrophe leider nicht begreift und daher den Schaden, ohne es zu wollen, noch größer machen wird. Hilbers‘ Äußerungen wie auch der Entwurf der Landesregierung als Ganzes sind somit eine Kampfansage an die Bürger, die die Folgen des Programms, wegen des weiteren Verzichts auf öffentliche Leistungen, deutlich zu spüren bekommen und daher nicht mit der Vokabel „Augenmaß“ in Verbindung bringen werden. Im Gegenteil. Sollte die Landesregierung darauf setzen, notwendige Investitionen in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften anzustreben, dürfte es sogar noch deutlich teurer werden.


Bildnachweis: Irina_kukuts auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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