Wenn Christian Lindner zum Bäcker geht

Geschrieben von: am 13. Mai 2018 um 13:18

Capri23auto / Pixabay

Die FDP versteht sich ja neuerdings als Partei der #InnovationNation. Das ist also etwas für die ganz intelligenten Leute. Leute wie Christian Lindner zum Beispiel. Der ist so innovativ, dass er in seine Rede eine tolle Passage einbaute, die derzeit in den sozialen Netzwerken unter dem Stichwort „Rassismus“ diskutiert wird. Einen Spontanaustritt hat es deshalb schon gegeben. Lindner soll folgendes gesagt haben:

War das jetzt rassistisch oder nicht? Darüber mögen bitte andere streiten, die sich auch für Formulierungen wie „Anti-Abschiebe-Industrie“ oder „Abschiebe-Saboteure“ interessieren. Sicher ist jedenfalls, dass es nicht logisch ist, was der innovative FDP-Chef da als Beispiel konstruiert hat. Denn warum sollte sich ein Mensch, an dessen Rechtschaffenheit die anderen unter Umständen Zweifel hegen, an Regeln halten und sich in eine Reihe beim Bäcker stellen? Gehört der Gang zum Bäcker überhaupt noch zum Alltag des Standardeinheimischen oder ist der nicht schon viel häufiger im innovativen Backshop unterwegs, wo er von der Bedienung bis zur Bezahlung inzwischen alles selber macht? Wo bleibt denn da noch die Zeit, um darüber nachzudenken, was rechtschaffen ist oder nicht?

Doch bleiben wir mal beim traditionellen Bäckerbetrieb. Stehen dort wirklich die Sorgen an erster Stelle, ob der Kunde, der gebrochen Deutsch spricht, rechtschaffen ist oder nicht? Die Zahl der Handwerksbäckereien sank laut Auskunft des zentralen Branchenverbandes in den letzten 60 Jahren von rund 55.000 im alten Bundesgebiet auf 11.347 Betriebe mit rund 35.000 Filialen in ganz Deutschland. Kürzlich ist der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung veröffentlicht worden. Darin steht, dass Ausbildungen im Lebensmittelhandwerk deutlich häufiger vorzeitig abgebrochen werden. Ganz konkret nimmt das Bäckerhandwerk bei der Abbruchrate nach wie vor den Spitzenplatz ein, obwohl gleichzeitig über Fachkräftemangel geklagt wird. Gibt es da eigentlich innovative Ideen seitens der FDP?

Denken die Liberalen auch über Löhne und Rentenbezüge nach? Gerade eben hat die Bundesregierung bei der Beantwortung einer Anfrage der Linksfraktion eingeräumt, dass ein deutlich höherer Mindestlohn nötig wäre, damit Betroffene im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen. Die Bundesregierung rechnet vor, dass der Mindestlohn dafür bei 12,63 Euro liegen müsste. Derzeit liegt er bei 8,84 Euro. Der Innovations-Liberale Lindner warnt allerdings vor einer Erhöhung des Mindestlohns, weil so etwas, Sie ahnen es sicher schon, Arbeitsplätze gefährden würde. „Nur durch Qualifikation befreien wir Menschen aus den niedrigen Löhnen“, sagte er kürzlich bei hart aber fair. Wohin das führt, kann man an Lindner sehen. Ein dampfplaudernder Politiker, der jetzt Leadership einfordert, nachdem er vor einem halben Jahr vor die Kameras trat und sagte, es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren.

 

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  Mai 13, 2018

    Grundsätzlich sollte sich Politiker aus Lebensrealitäten raushalten, die den größeren Teil des Volkes betreffen, das ist nicht seine Realwelt, mit der er wirklich etwas anfangen kann.
    Der gememeine Berufspolitiker hat doch seine, von uns bezahlten Lohnschreiber, die eine fantastische Welt zusammenformulieren zB. : Deutschland ist ein Land in dem ich gut und gerne lebe….usw. … usw.
    Auf sowas kommt doch kein Politiker von selber, der quatscht doch nur nach und wundert sich evtl. über Reaktionen, die der abgelesene Text auslöst…

  2. Helmut Kaufmann  Mai 13, 2018

    Nach einem Talk bei „Hart aber fair“ im Februar 17 über die Armutsschere schrieb mir Christian Lindner:

    Ausschnitt meines langen Schreibens:
    Die soziale Ungerechtigkeit hat nur eine einzige Ursache:
    Die liegen einzig und allein in den über 65-jährigen progressiven Einkommenserhöhungen ausschließlich in Prozent. Das muss die Armen ärmer und die Reichen reicher machen. Da werden 200 € Diätenerhöhung in einen Topf geworfen mit Rentenerhöhungen von 20 €.

    Sie unterliegen einem krassen Denkfehler, Herr helmut.

    Ermitteln Sie, wie viele Stunden ein Facharbeiter 1955, 1975, 1995 und 2015 für

    – einen Liter Milch
    – eine Monatsmiete in einer 80.000 Einwohner Stadt
    – einem Fernsehapparat
    – einen Käfer/Golf

    arbeiten musste. Wenn Sie das machen, stellen Sie den Wohlstandsgewinn in unserem Land fest. Ihr Argument ist gefährlich falsch und sachlich absurd.

    Beste Grüße
    Christian Lindner MdL

    Ich stellte ihm eine Gegenrechnung:
    1. Gesundheitskosten waren = Null. Für 3 Medikamente gegen Erkältung habe ich gestern 34 € berappt.
    2. Handwerker sind nicht mehr bezahlbar. Die Autowerkstatt nimmt 100 € für eine Werkstattstunde.
    3. Für meine Zahnprothese. Zuzahlung 6450 € hätte ich früher 0 Stunden gearbeitet. Bei 10 bzw. 20 € Netto müsste ich heute 645 bzw. 322 Stunden arbeiten.
    Weitere dutzende Grausamkeiten erspare ich mir.

    Der lässt nie locker:

    Sehr geehrter Herr helmut,

    wir kommen nicht zusammen, weshalb wir die Korrespondenz beenden sollten. Haben Sie eigentlich eine Ahnung, was ein Facharbeiter heute an Jahreseinkommen bezieht? Das Problem sind die enormen Sozialabgaben und Steuern, die insbesondere die SPD immer erhöht…

    Natürlich muss sich eine Erhöhung an Prozenten orientieren. Warum? Weil Festbeträge dazu führen würden, dass sich die Unterschiede reduzieren. Das aber will ich ausdrücklich nicht: Unterschiede, die sich aus Verantwortung, Fleiß, Talent und Risikobereitschaft ergeben, müssen erhalten bleiben.

    Meine Res sind nicht druckreif.

  3. Hans 65  Mai 13, 2018

    Lindner, der unternehmerische Pleitier,, glaubt das, was er sagt. Weshalb tummelt er sich ansonsten in der Politik?
    Würde dessen Einkommen am Talent, am Fleiß und an Risikobereitschaft gemessen, dann müsste er an jedem Monatsende zurückzahlen.
    Es ist leichter, Suppe mit einer Gabel zu essen, als mit solchen Typen in einen konstruktiven Diskurs zu kommen.

    Politiker seiner Sorte wissen von Vielem gar nichts und vom Wenigen nichts ganz.