Die SPD mauert sich ein

Geschrieben von: am 19. Apr 2009 um 16:13

Und was hat sie davon? Trotz der klaren Absage an eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei erntet sie für ihr Programm nur Hohn und Spott von denen, die für eine Koorperation mit der SPD gewonnen werden sollen. Der Wunschpartner FDP lässt durch den Generalsekretär Dirk Niebel zum Beispiel folgendes verkünden,…

„Die SPD verpackt steuerpolitischen Giftmüll in Bonbonpapier und will damit beim Wähler und bei der FDP landen, aber beides wird schiefgehen“

Ob Arbeitgeberpräsident Hundt oder die Spitzen von CDU/CSU oder Leute aus der eigenen Partei wie Sigmar Gabriel, der Widerstand gegen das Programm, das in Wirklichkeit keines ist, wird schon formiert. Aus allen Rohren wird bereits gefeuert, um auch nur die kleinste Normalisierung der bestehenden Verhältnisse zu verhindern.

Im Allgemeinen wird das ja als Linksrutsch abgetan. Nur kann man der SPD schlecht unterstellen, linke Politik um jeden Preis durchsetzen zu wollen. Schließlich hätten sie noch immer Gelegenheit dazu. Na warten wir mal ab. Die Kommentatoren sind sich ja für nichts zu blöd. Das ganze Theater wird im Grunde nur deshalb aufgeführt, um die Öffentlichkeit zu verwirren und zu täuschen. Und man muss sagen, die Öffentlichkeit lässt das auch mit sich machen.

Wenn man die seriöse Wahlforschung verfolgt, gewinnt man bereits dort den Eindruck, als ob die Republik fest entschlossen ist, weiter nach rechts zu rutschen. Und das inmitten einer der schwersten Wirtschaftskrisen, die gerade durch jene Kreise zu verantworten ist, die erneut nach der Macht streben. Das kann man kaum begreifen, wenn man sich nicht vor Augen führt, wie gleichgeschaltet unsere Medien die entsprechenden Botschaften unters Volk streuen.

Zwar liest man immer davon, dass viele Menschen die Ansichten der Linkspartei teilen und den Forderungen zustimmen können, doch schiebt man eiligst hinterher, dass es sich bei der Linken ja um die Ex-SED handelt bzw. um Leute, die nicht rechnen und deshalb auch unbezahlbare Forderungen aufstellen könnten. Die merkwürdigen Logiken setzen sich also fort. Nur warum ausgerechnet denen mehr Vertrauen ausgesprochen wird, die ihr politisches Versagen eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben, bleibt ein Rätsel. Denn noch immer kann man Schwarz auf Weiß nachlesen, welche Politik die Große Koalition für besonders erstrebenswert hält. An der Deregulierung der Finanzmärkte zum Beispiel hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert.

Kein Gesetz, dass unter diesem Credo erlassen wurde, ist zurückgenommen oder abgemildert worden. Es gelten noch immer jene Regeln, die zur Krise geführt haben, mit all ihren Kosten. Freilich spricht man heute anders, aber getan hat sich nichts. Und noch schlimmer. Die Verantwortlichen wie der Staatssekretär im Finanzministerium Jörg Asmussen dürfen weitermachen und sich als Feuerwehrmänner aufspielen. Asmussen ist Mitglied der Expertengruppe der Bundesregierung „Neue Finanzmarktarchitektur“, dabei war er es, der die wackeligen Pfeiler des alten Gebäudes zusammengezimmert hat.

Ottmar Issing ist ebenfalls Mitglied dieser Gruppe zur Lösung der Finanzmarktkrise, obwohl er vorher als Berater der New Yorker Investmentbank Goldman Sachs tätig war. Diese angeblichen Experten genießen das Vertrauen der Bundesregierung und nehmen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der Politik. Doch keiner hat sie je gewählt! Über die im so genannten „Deutschlandfonds“ bereitgestellten 100 Mrd. Euro Steuergelder entscheidet zum Beispiel auch Michael Rogowski vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) als Mitglied im Lenkungsrat Unternehmensfinanzierung. Rogowski war Aufsichtsrat der IKB, die bereits 2007 zum Milliardengrab wurde.

Diese Leute entscheiden über ihr Geld. Würden sie jetzt sagen, die rechnen besser oder sind kompetenter?

Und dann die FDP. Die geballte Wirtschaftskompetenz. Derzeit im Höhenflug. Wenn sie wissen wollen, wie Populismus funktioniert, schauen sie sich diese geistigen Tiefflieger mit Führerrhetorik an.

  • „Privat vor Staat“
  • „Freiheit vor Gleichheit“
  • „Erwirtschaften vor Verteilen“
  • „Eigenverantwortung statt Staatsgläubigkeit“
  • „Chancengleichheit statt Gleichmacherei“
  • „Leistung muss sich lohnen“

Für ganz Harte empfehle ich auch das Wahlprogramm „Die Mitte stärken“ in Gänze durchzulesen. Falls sie sich da wiederfinden, könnte das auch am Missverständnis des Wortes „Mitte“ liegen. Gemeint ist nämlich nicht die programmatische Mitte, sondern vielmehr die „Menschen in der Mittelschicht“ und da auch nur explizit jene aus dem „Mittelstand“ und da vor allem die Freiberufler (S.12 ff.). Den Rest des Programms kann man sich eigentlich getrost schenken. Die Standortbestimmung genügt. Es findet sich auch keine noch so kleine Schnittmenge mit der SPD. Im Gegenteil. Die FDP setzt offen auf eine (Mehr-)Klassengesellschaft.

Und auf Seite sechs ihres Programms sagt die FDP auch etwas darüber aus, wie viel das Ganze den Bürger eigentlich kosten wird. Sie tut ja immer so, als würden ihre Steuersenkungspläne etwas Gutes für den privaten Geldbeutel bedeuten. Bürger und Unternehmen bräuchten „dringend mehr finanziellen Spielraum“ nicht nur für Konsum oder Wachstum, sondern für die private Vorsorge für Alter, Gesundheit und Pflege. Aha. Mit der FDP muss also weitgehend privat vorgesorgt werden. Da sollte man unbedingt die private Nettorechnung machen, bevor man denkt, man profitiere von Steuer- und Abgabesenkungen. Positiv dürfte diese Rechnung eben nur für jene „Mittelständler“ ausfallen, die sich einen schlanken Staat leisten können.

Alle anderen gehen leer aus oder finden in den Überlegungen der ehemaligen Pünktchenpartei keinen Raum. Auf Seite vier heißt es:

„Wir setzen Eigenverantwortung gegen die Bevormundung durch die bürokratischen Auswüchse des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates. Wir sind für den liberalen Sozialstaat.“

Und mit denen können sich SPD und die Führung der Grünen eine Zusammenarbeit vorstellen? Das ist nicht nur merkwürdig, sondern abartig. Wahrscheinlicher ist deshalb auch eine schwarz-gelbe Mehrheit im Herbst. Die SPD kann allen gegenteiligen Bekundungen ihres Spitzenkandidaten Steinmeier zum Trotz eben doch nur auf „Platz spielen“. Steinbrück hatte ja schon zu Becks Zeiten verkündet, eine Fortsetzung der Großen Koalition wäre ihm am Liebsten. Ohne eine kritische Aufarbeitung der gescheiterten Agenda Politik, die unweigerlich zu den Linken führt, wird die SPD auf Jahre hinaus gefangen bleiben, eben selbst eingemauert. Und diese Pfeiler sind dann auch ziemlich stabil.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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