Zum Aus von Schwarz-Grün in Hamburg

Geschrieben von: am 29. Nov 2010 um 12:15

Der Bruch der geliebten Medien-Koalition war abzusehen, überrascht taten aber viele. Die lustigste Reaktion kam derweil vom FDP-Bambi Christian Lindner, der meinte, dass die Grünen nur ein Umfragehoch ausnutzen wollen, bevor deren Zustimmungs-Blase platzt. Da spricht der Mann wohl aus Erfahrung? Die FDP-Blase ist ja schon längst regelrecht zerborsten. Lindner hofft nun für seine Partei, dass die FDP bei Neuwahlen wieder zulegen könne, um sich als der einzig wahrer Koaltionspartner der Union in Stellung zu bringen.

In Hamburg stehen die Wähler nun vor einer schwierigen Aufgabe. Nichts geht mehr, könnte man meinen. Denn wer will schon eine schwarz-gelbe Regierung unter Ahlhaus oder eine rot-grüne unter Olaf Scholz. Beide Personaloptionen können doch nur mit Abscheu betrachtet werden.

Ich verstehe auch nicht, warum überhaupt neu gewählt werden muss. Es wäre nach 1982, 1987, 1993 und 2004 bereits das fünfte Mal, dass die Legislaturperiode in der Hansestadt vorzeitig enden würde. Das sind ja schon fast Weimarer Verhältnisse, dabei hätten SPD und GAL zusammen genauso viele Sitze wie die Union. Man müsste sich halt nur mit den Linken über die Wahl eines anderen Bürgermeisters einigen. Es kann doch nicht sein, dass die repräsentative Demokratie durch permanente Neuwahlen zur Farce wird, nur weil keiner mehr mit dem anderen kann. Hinterher sitzen doch eh wieder dieselben Nasen im Parlament zusammen.

Die scheinbürgerlichen Parteien fallen dabei besonders auf. Beim Stuttgarter Bahnhofsbau sangen sie noch das hohe Lied von der Rechtssicherheit und den unumstürzlichen Entscheidungen, die einmal parlamentarisch durch bestimmte Mehrheiten getroffen wurden und in Hamburg soll nun einfach neu gewählt werden, damit die erwünschten Mehrverhältnisse zu Stande kommen. Wenn Herr Lindner den Grünen also Machttaktik vorwirft, weil die sich von einem vorgezogenen Urnengang durch gute Umfragen ein besseres Ergebnis erhoffen, dann muss man doch umgekehrt fragen, was sich Lindners FDP eigentlich wünscht. Lindner müsste im Prinzip die Fortsetzung der Legislaturperiode bis 2012 fordern, wenn er sich als Gegner von Umfragewahlen versteht.

Tut er aber nicht. Denn die Liberalen wollen ihrerseits recht zügig zurück in die Bürgerschaft, nachdem sie dort seit 2004 nicht mehr vertreten sind. Und wenn sie es schaffen, dürfen sie sich bei den Grünen bedanken, dass sie die Wartezeit um zwei auf sieben Jahre verkürzt haben.

Ich persönlich rechne aber nicht mit einer liberalen Wiederauferstehung in Hamburg, zumal jetzt die ganze Welt weiß, dass Westerwelle kein Genscher sei, sondern eher ein dummer Phrasendrescher, bei dem man nicht genau wisse, woher er seine politische Meinung beziehe. Und Dirk Niebel sei einfach nur eine schräge Wahl, meinen US-Diplomaten, deren vertrauliche Ansichten nun durch WikiLeaks veröffentlicht wurden.

Das einzige, was zunehmen wird, ist die Zahl derer, die nicht mehr zur Wahl gehen werden. Das wäre dann aber ein Umstand, dem die späteren Wahlgewinner einmal mehr keine sonderliche Bedeutung beimessen werden.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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