Jörg Asmussen nimmt Arbeit bei der EZB auf

Geschrieben von: am 02. Jan 2012 um 23:06

Derzeit bewegt die Mailbox von Kai Diekmann die Nation, nicht aber das bedenkliche Personalkarussell innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB). So nahmen am Montag Jörg Asmussen (SPD), ehemaliger Finanzstaatssekretär unter Eichel, Steinbrück (beide SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU), sowie der Franzose Benoît Cœré ihre Arbeit bei der EZB auf. Warum? Es wird ein Nachfolger für den zurückgetretenen Chefvolkswirt Jürgen Stark gesucht, der wegen mangelnder Rückendeckung im EZB-Rat das Weite suchte. Als monetaristischer Überzeugungstäter beschrieb ihn die spanische Zeitung El Pais einmal als finanzpolitischen “Taliban”.

Lange Zeit rechnete die Bundesregierung nun damit, den Posten mit einem der finanzpolitischen Brandstifter und Top-Versager unter den deutschen Regierungsbeamten, Jörg Asmussen, besetzen zu können. Doch inzwischen ist das nicht mehr so klar. Auch die Franzosen wissen um die Schlüsselpositionen im EZB-Direktorium. Es dürfte klar sein, dass im Jahr 2012 der europäischen Zentralbank eine ganz bedeutende Rolle zufallen wird. Dort wird sich entscheiden, welchen Kurs Europa nehmen wird.

Will Merkel ihre selbstzerstörerische Strategie vom Sparen, Konsolidieren und Bestrafen durchsetzen, braucht sie die Institution EZB als das, was sie schon immer sein sollte, eine ausschließliche Verteidigerin der Preisstabilität. Das würde aber bedeuten, dass Frankreich über kurz oder lang selbst ins Visier der deutschen Spar- und Bestrafungswut fallen würde. Ein Blick auf das Leistungsbilanzdefizit reicht da aus. Dass die Ratingagenturen mit einer Herabstufung Frankreichs drohen, ist ebenfalls kein Geheimnis mehr.

Bisher hatten immer verbohrte Deutsche den Posten des EZB-Chefvolkswirtes inne. Durch den Verlauf der Krise haben nun aber auch die Franzosen ein berechtigtes Interesse. Denn letztlich muss die Rolle der EZB neu definiert werden. Soll sie als “lender of last resort” die Bazooka auspacken dürfen – die Deutschen wollen das auf keinen Fall, obwohl sie die Anleihekäufe auf dem Sekundärmarkt dennoch zulassen – oder soll sie ganz im Sinne von Schäuble, Merkel und Co. eine deutsche Finanzdiktatur in Europa flankieren, bei der Frankreich schlicht und ergreifend das Nachsehen haben würde.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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