Frühjahrsprognose: Teuer bezahlte Falschmeldungen

Geschrieben von: am 10. Apr 2014 um 14:19

Statt wissenschaftlicher Beratung mit Substanz liefern die Wirtschaftsforschungsinstitute billige politische Propaganda ab, die der Steuerzahler teuer bezahlen muss.

Seit Jahren liefern die Ökonomen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Gutachten zur künftigen Entwicklung ab. Dabei gehen die Experten wahlweise von einem kräftigen Wachstum oder einem stabilen Aufschwung für das jeweils laufende Jahr aus. Mit ihrer Prognose liegen sie regelmäßig daneben. Sie wissen also kaum etwas. Dennoch maßen sich diese Experten an, auch etwas über das darauf folgende Jahr aussagen zu können, das, wie sollte es auch anders sein, immer noch besser erwartet wird, als das laufende. In diesem Jahr rechnen die Forscher mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,9 Prozent und für 2015 sollen es 2,0 Prozent sein.

Die Presse fällt darauf mal wieder herein und verbreitet die frohe Kunde vom steten Aufschwung, der sich aber meist aus nach unten korrigierten Prognosen speist. Doch statt danach zu fragen, warum sich die Experten ständig irren und selbst korrigieren müssen, hängen die Journalisten an deren Lippen und der Aussicht auf goldene Zeiten. Vor genau einem Jahr rechneten dieselben Ökonomen mit einem Wachstum von 0,8 Prozent für 2013. Tatsächlich herausgekommen ist die Hälfte von 0,4 Prozent. Es ist halt schwierig, alle Faktoren einer Ökonomie treffsicher vorherzusagen.

Was aber regelmäßig in die überflüssigen Gemeinschaftsgutachten hineingehört, ist eine neoliberale Botschaft. Widersprüche stören dabei nicht weiter, weil auch Journalisten sie nicht erkennen wollen. Da behaupten die Forscher zum Beispiel, der Aufschwung werde von der guten Binnenkonjunktur, also von steigenden Löhnen und Gehältern getragen. Gleichzeitig halten die Ökonomen eine abschlagsfreie Rente, die, wie der Name schon sagt, prinzipiell ein höheres Einkommen verspricht als eine Rente, die durch Dämpfungsfaktoren gekürzt wird sowie einen Mindestlohn, der auch ein höheres Einkommen für Menschen darstellt, die ansonsten für 1,54 Euro bei einem Anwalt legal beschäftigt werden dürfen für konjunkturelles Gift. Wie kann das sein?

Die Botschaft ist klar. Es geht gar nicht um einen seriösen Ausblick, sondern darum, die Politik unter Druck zu setzen und eine Abweichung vom neoliberalen Glaubensdogma zu unterbinden. Lobbyarbeit nennt man das für gewöhnlich. Der seriöse Anstrich der Institute verdeckt das nur. “Deutsche Konjunktur im Aufschwung – Gegenwind von der Wirtschaftspolitik”, so nennen die Forscher ihr Gutachten. Sie überzeugen aber nicht mit Sachverstand, sondern blamieren sich mit Lächerlichkeiten. So warnen die Experten zum Beispiel vor steigenden Preisen (Inflation), falls der Mindestlohn beschlossen würde. Dabei sind steigende Preise dringend nötig in einer Zeit der Deflation.  

Die Verbraucherpreise steigen nur noch minimal und bei den Erzeugerpreisen ist der Rückwärtsgang längst eingelegt. Die Warnung vor steigenden Preisen ist also völlig unangebracht. Überteuert ist nur das Gutachten, das die Bundesregierung zweimal im Jahr in Auftrag gibt. Sie liebe Leserinnen und Leser zahlen mit ihren Steuergeldern die Glaskugelweisheiten von sogenannten Experten, die sich ständig korrigieren müssen und statt Wissenschaft abzuliefern, politische Propaganda betreiben, die ganz im Sinne so mancher Arbeitgeberverbände ist. Klaus Ernst hat schon Recht, wenn er sagt: Da werde „Steuergeld für Ideologie verpulvert“.


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Arnold  April 11, 2014

    Diese Erfolgsmeldungen sind mir auch negativ aufgefallen. Der Hammer ist, dass die Steigerungserwartung mit der Erwartung einer kräftigen Binnenkonjunktur begründet wird. Die kräftigen Lohnzuwächse würden die Konjunktur beleben.
    Welcher Unsinn dies angesichts sinkender Reallöhne ist, brauche ich hier nicht zu erläutern. Ich stelle nur fest dass dies alles Teil einer umfassenden Gehrinwäscheaktion ist, die vergleichbare Versuche, wie wir sie noch aus der DDR kannten weit in den Schatten stellt und durchaus mit der Orwell’schen Fiktion in „1984“ mithalten kann.
    Ich stelle in Stammtisch Diskussionen regelmäßig fest wie wirksam diese Gehirnwäsche ist. Wenn man dem Gesprächspartner mit unwiderlegbaren Argumenten kommt, kommt zur Antwort sinngemäß „Ich weiß, dass ich mit dir in der Diskussion nicht mithalten kann aber die Experten wissen noch viel mehr als du“. Oft wird eine Diskussion schon im Entstehen abgebrochen, weil der Kollege Angst hat ich würde seine vorgefasste Meinung in der Luft zerpflücken.

  2. Rosi  April 11, 2014

    @Arnold: Also ich bin mir nicht sicher, ob diese „Jubelarien“ wirklich noch einen ‚Gehirnwäschezweck‘ erreichen, ob Masse daran glaubt.

    Auf ewig kann derartiges nicht funktionieren, wenn es sich in der Realität (sprich: im Portemonnaie des Bürgers) nicht positiv bemerkbar macht („na Hauptsache den anderen muss es besser gehen als mir“, zieht auf die Dauer nicht günstig). Vermutlich glauben mittlerweile nur noch die Propagandisten selbst daran. Kann nur vermuten, dass sie darauf hoffen, die Botschaft fände breitflächig ihre Konsumenten. Nur ’noch die Dümmsten im Lande‘ und ‚die Botschafter selbst‘, dürften sicherlich auf Dauer nicht die gewünschte Klientel sein.

    Kenne Ihren Stammtisch nicht, doch statt eine „ungeliebte“ Diskussion zu eröffnen (wenn man schon weiß, dass sie ungeliebt sein wird), könnte sich die Frage:

    „Hast Du schon gehört, uns geht es wieder besser, finde ich gut. Merkst Du das auch schon in Deiner Geldbörse?“

    günstiger für den Stammtisch erweisen. Das würde ihnen gestattet, die Argumentation umzukehren und nun Ihrerseits auf die Fachleute zu verweisen, wenn Ihr Interviewpartner dieses mit einem ‚Nein‘ beantwortet. Dagegen wird er sich wehren (müssen), wenn sie ihm unterstellen, ihm persönliche erginge es so vorteilhaft, wie die Fachleute das auch für ihn proklamieren.

    Vorausgesetzt, man kann es so herüber bringen, dass sich der Gegenüber nicht verkohlt fühlt. U.U. von Jubelmeldung zu Jubelmeldung nachgefragt, dürfte es die bereits vorhandenen kognitiven Dissonanzen verstärken. Etwas von innen zersetzen zu lassen bietet sich an, wenn Diskussionen zur Verteidigung einer schiefen Realitätsblase prophylaktisch abgewehrt werden. D.h., der Meinungsinhaber erledigt diese Aufgabe früher oder später selbst. Das dauert zwar länger, doch ist weitaus effektiver und nachhaltiger, weil er sich nicht beklugscheixxert vorkommt, sondern davon ausgeht, er wäre selbst auf die Erkenntnis gekommen (was theoretisch ja auch stimmt, denn er muss die Antwort ins einem eigenen Portemonnaie finden).

    Es ist zwar traurig (doch nicht unbekannt), wenn man erst die Position der Gegenthese einnehmen muss, damit die These überdacht wird. Manchmal (leider viel zu oft) funktioniert es nicht anders. Realität hat kein gutes Standing, wenn Phantasieblasen doch so schön bunt schillern, wie diese Seifendinger in die Luft gepustet. (Wenn man ehrlich mit sich selbst ist, redet sich jeder, der eine mehr als der andere, doch zumindest ein bisschen, eine schlechte Realität schöner als sie denn ist.)

    @Trautenhahn
    Schöner Artikel. Persönlich bekomme ich bei diesem Presse-Nachgeplapper der „fachlich“ rekrutierten „Prognosen“ – nach jahrzehntelangem Dauertraining (trotz Krise) – ein reflexives Zucken im Finger. Zapp, Programm gewechselt, klick, anderes Medium, flupp, Zeitung zurück auf den Stapel der Ungekauften.

    Das ziehe ich mir erst gar nicht mehr rein und selbst das Stadium eines müden Grinsens ist längst überwunden. Kann mir vorstellen, dass es vielen anderen ebenso geht. Nicht umsonst verlieren sowohl die Medien (die sich tatsächlich zunehmend mit sich selbst beschäftigten), als auch die Fachleute zunehmend an Bedeutung.(Das wird schon seine Gründe haben … wenn im Gesamten gesehen eine solche Entwicklung sich für alle häufig als ungünstig erwiesen hat … Stichwort: Vermehrter Zulauf zu den radikalen Parteien. Das sind jene mit den einfachen Antworten).

    Irgendwann hört nämlich niemand mehr hin und will auch keiner mehr hinhören. Natürlich bis auf die Gruppe, die damit quasi ihre Selbstgespräche unterhält. Es dürfte sich dabei jedoch längst um einen völlig automatisierten Prozess handeln. Die ewig selbe Presse druckt ab, was sie von den ewig selben Lieferanten vorgelegt bekommt; sind halt Textbausteine (und der Fachmann wundert sich …).

    Vll. sollte man das dieser Gruppe mal sagen, was weiß ich … Also ich für meinen Teil kenne niemanden in meinem Umfeld, der sich das noch antut, denn die dadurch erzeugten kognitiven Dissonanzen sind naturgemäß im höchsten Maße unangenehm (zumindest für jene, die sie als solches erkennen ;-)).

    Weiterhin, es gibt für mich keinen einzigen logischen Grund, mir erst die ‚Jubelprognose‘ reinzuziehen um mir im Nachgang eine günstig formulierte ‚Korrekturmeldung‘ („war doch nicht ganz so, wie wir berechnet hatten … aber immer noch schön“) anzutun.

    Also ich für meinen Teil orientiere mich lieber an der Realität. Wenn es so richtig aufwärts geht, die Krise überstanden ist, es den Bürgern der Nationen (gerne auch fokussiert auf Europa inkl. Süden) gerecht verteilt gut geht, tja, dann werde ich das schon bemerken.

    • Arnold  April 14, 2014

      Hallo Rosi,
      sind ein paar gute Anregungen für die Diskussion ich werd’s ausprobieren.
      Allerdings sind nicht alle Themen so gestrickt, dass die Leute das am eigenen Geldbeutel merken. Die Leute „wissen“ dass „die“ Griechen zu viel Rente bekommen und dass Hartz IV Empfänger nur mit Sanktionen zum Arbeiten zu bewegen sind. Und zu letzterem: Selbst Personen die selbst schon Hartz IV Empfänger waren, lassen es nicht gelten dass sie selbst keine Sanktionen benötigten. Um so schlimmer ist es sogar, dass andere nicht anders zur Arbeit zu bewegen sind. Und ohnehin wer sich eine neuen Fernseher leisten kann bekommt auf jeden Fall zuviel.
      Ob es tatsächlich die Jubelsprüche sind, die diese Gehirnwäsche verursachen weiß ich tatsächlich nicht. Der Glaube ans Neoliberale, der Realitätsverlust ist reell. Irgendwoher muss er kommen.

  3. Thomas  April 11, 2014

    Sehr guter Beitrag. Trifft den Nagel auf den Kopf. :-)