Habeck wirft Israel völkerrechtswidriges Handeln vor, Baerbock versuchte bei einer Veranstaltung anlässlich des Demokratiefestes in Berlin laut Medienberichten zu deeskalieren, als es zu lautstarken Protesten gegen das Vorgehen Israels in Gaza kam. Kaum berichtet wird, dass es bei den Wortgefechten zwischen Demonstranten und Ministerin auch um die deutschen Waffenlieferungen an Israel ging, von denen Baerbock behauptete, sie würde es nicht gegeben, hätten also durch sie auch nicht verhindert werden können. Das ist natürlich falsch, da Deutschland sehr wohl Waffen liefert und diese auch eingesetzt werden. Aber das ist nicht der Punkt.
Die defensive Haltung von Habeck und Baerbock verrät, dass die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und die Beantragung von Haftbefehlen bei der Bundesregierung Wirkung zeigen. Deutschland ist Mitglied des IStGH, erkennt also dessen Gerichtsbarkeit an, was problematisch wird, sollte das Vorgehen Israels, das selbst nicht Mitglied ist, verurteilt oder gar Haftbefehle gegen israelische Regierungsmitglieder ausgestellt werden. Dann stünde die Beteiligung Deutschlands an Kriegsverbrechen im Raum. Man könnte Berlin eine Tatbeteiligung vorwerfen. Das würde erklären, warum die Bundesregierung Waffenlieferungen leugnet (Baerbock), obwohl laut SIPRI zweitgrößter Exporteur nach den USA, oder im Vorgehen Israels inzwischen selbst ein völkerrechtswidriges Handeln (Habeck) erkennt.
Der Kanzler hingegen lässt durch seine Sprecher beinahe wöchentlich ausrichten, dass sich Israel in Gaza an das Völkerrecht hält. Auf der anderen Seite räumte die Regierung nun aber ein, wenn auch nur hypothetisch, die Entscheidungen des IStGH akzeptieren und auch umsetzen zu wollen (Hebestreit: „Ja, wir halten uns an Recht und Gesetz“), was wiederum zu einiger Empörung auf Seiten der Opposition führte. Dort ist von einem Skandal die Rede. Es ist aber weniger das, als vielmehr ein fulminantes Dilemma, an dem nicht nur eine rechtliche Frage hängt, sondern vor allem auch die Glaubwürdigkeit, die bei all den Konflikten, mit denen sich Deutschland konfrontiert sieht, ohnehin schon arg strapaziert wird. Will man eine Tatbeteiligung „glaubhaft“ im Sinne der Prozessordnung abstreiten, handelt man eben so, wie es die Bundesregierung tut. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Bildnachweis: André Tautenhahn
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.